Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 29.01.1998, Az.: 8 U 173/97

Berechnung der Höhe der Beschwer; Maßgeblichkeit des Umfangs der prozessualen Rechtskraftwirkung

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
29.01.1998
Aktenzeichen
8 U 173/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 28901
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1998:0129.8U173.97.0A

Amtlicher Leitsatz

Für die Höhe der Beschwer kommt es darauf an, worüber rechtskräftig entschieden werden sollte und worüber tatsächlich entschieden ist, mithin auf den Umfang der prozessualen Rechtskraftwirkung

Gründe

1

Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels setzt eine Beschwer des Rechtsmittelklägers voraus sowie das Bestreben, diese Beschwer mit dem Rechtsmittel zu beseitigen. Das erstinstanzliche Begehren muss also zumindest teilweise weiter- verfolgt werden; es darf nicht ausschließlich ein neuer Anspruch geltend gemacht werden (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 20. Aufl., vor § 511 Rn. 8). Beim Kläger wird dabei regelmäßig eine formelle Beschwer vorausgesetzt.

2

An einer solchen formellen Beschwer fehlt es im vorliegenden Fall. Der Vergleich von Klageantrag und Urteilstenor zeigt, dass dem Kläger das zugesprochen worden ist, was er verlangt hat. Die Klage ist lediglich hinsichtlich eines Teils des Zinsanspruchs als unbegründet abgewiesen worden. Darauf kommt es jedoch nicht an, weil die abgewiesene Zinsforderung den Wert von 1.500,00 DM nicht übersteigt und weil der Kläger diese Beschwer nicht mit der Berufung bekämpft.

3

Eine Beschwer folgt darüberhinaus nicht aus dem - durch Auslegung der Entscheidungsgründe zu bestimmenden - Inhalt des erstinstanzlichen Urteils.

4

Die Höhe der Beschwer kann allerdings nicht ausschließlich dem Vergleich des Urteilsausspruchs mit dem Klageantrag entnommen werden. Vielmehr kommt es unter Umständen entscheidend darauf an, worüber rechtskräftig entschieden werden sollte und worüber tatsächlich entschieden ist, mithin auf den Umfang der prozessualen Rechtskraftwirkung, die das Urteil haben würde, wenn es nicht angefochten werden könnte (BGHZ 26, 295, 296) [BGH 28.01.1958 - VIII ZR 265/56]. Eine Prozesspartei kann sogar dann beschwert sein, wenn sie nach dem Wortlaut der Urteilsformel voll obsiegt hat.

5

Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Das angefochtene Urteil enthält - mit Ausnahme der Teilabweisung des Zinsanspruchs - keine dem Kläger nachteiligen Entscheidungen, die in materieller Rechtskraft erwachsen könnten.

6

Der Kläger hat erstinstanzlich ausdrücklich nur einen Teilbetrag von 140.000,00 DM von seiner höheren Schadensersatzforderung geltend gemacht. Seine Klage hat er auf die auf diesen Betrag lautende Kostenschätzung des Sachverständigen gestützt und erklärt, dass, soweit die Kosten gemäß Schätzung des Sachverständigen 140.000,00 DM nicht erreichen sollten, die Klageforderung insoweit aus anderen Schadenspositionen aufgefüllt werden solle. Das Land- gericht, das von dem von dem Sachverständigen geschätzten Sanierungsaufwand die durch die vorzeitige Sanierung entstehende Werterhöhung abgesetzt hat und deshalb nur zu einem Betrag von 108.982,29 DM gelangt ist, hat entsprechend dieser Erklärung des Klägers die Klageforderung mit Hilfe anderer Schadenspositionen bis zu einem Betrag von 140.000,00 DM aufgefüllt. Dabei handelt es sich um die Kosten für das Ein- und Ausräumen der Zimmer (24.806,80 DM) und die Reinigungskosten nach der Sanierung des Parketts (13.971,43 DM). Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang einige im Schriftsatz des Klägers vom 24. März 1997 enthaltene Schadenspositionen erörtert und als nicht erstattungsfähig bezeichnet.

7

Materiell rechtskräftig steht damit fest, dass die Beklagten an den Kläger Schadensersatz von 140.000,00 DM zu leisten haben. Nachteiligen Inhalt für den Kläger besitzt die Entscheidung nicht. Das wäre nur dann der Fall, wenn ihm ein Teil seines Schadensersatzanspruches materiell rechtskräftig aberkannt worden wäre (vgl. dazu BGH JR 1987, 458, 459 f mit Anmerkung Zeiss); nur dann wäre er im Sinne der Rechtsmittelvorschriften beschwert. Die Urteilsformel des angefochtenen Urteils enthält - in der Hauptsache - keine teilweise Abweisung der Klage; die Kostenentscheidung - die Kosten sind den Beklagten gemäß § 92 Abs. 1 ZPO auferlegt worden, gemeint ist aber mangels einer Quotelung oder Aufhebung der Kosten offensichtlich § 92 Abs. 2 ZPO - lässt eine derartige Klageabweisung ebenfalls nicht erkennen. Wäre die Auffassung der Berufung richtig, so hätte das Landgericht dem Kläger einen Teil der Kosten des Rechtsstreits auferlegen müssen (§ 19 Abs. 1 S. 2 GKG, vgl. dazu Zöller/ Herget a.a.O., § 92 Rn 8). Den Entscheidungsgründen kann auch nicht entnommen werden, dass das Landgericht die Klage bezüglich mehrerer Schadenspositionen abgewiesen hat. Ausdrücklich ist die Klage nur wegen eines Teils der Zinsen abgewiesen worden. Im Übrigen hat sich das Landgericht lediglich damit befasst, die Schadensaufstellung des Klägers dahingehend zu überprüfen, ob daraus mindestens die Klageforderung von 140.000,00 DM folgt. Diese Frage hat es bejaht. Zwar enthalten die Entscheidungsgründe Ausführungen dazu, welche Schadenspositionen in welcher Höhe das Landgericht für begründet hält und welche es, müsste es darüber entscheiden, für unbegründet halten würde. Eine Entscheidung über - ganz oder teilweise - für nicht begründet erachtete Schadenspositionen kann darin jedoch nicht gesehen werden. Für eine teilweise Abweisung der Klage bestand für das Landgericht auch kein Anlass. Denn die Klageforderung von 140.000,00 DM konnte - mit Zustimmung des Klägers - mit Hilfe mehrerer Schadenspositionen ohne weiteres erreicht werden, der Teilklage konnte in vollem Umfang stattgegeben werden, weil der Schadensersatzanspruch nach Auffassung des Landgerichts insgesamt die Klageforderung übersteigt. Für eine Teilabweisung der Klage bestand deshalb weder Raum noch Anlass (vgl. auch BGH a.a.O. mit zustimmender Anmerkung Zeiss a.a.O.). Da das Landgericht auch im einzelnen genau ausgeführt hat, auf Grund welcher Schadenspositionen in welcher Höhe die Beklagten zur Zahlung von 140.000,00 DM verurteilt worden sind, lässt sich die materielle Rechtskraft des Urteils präzise ermitteln. Einer Nachforderungsklage würden deshalb prozessuale Hindernisse nicht entgegenstehen.