Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 27.01.1998, Az.: 5 W 9/98
Bedeutung eines Schlichtungsgutachtens für die Erfolgsaussicht des nachfolgenden Arzthaftungsprozesses im Rahmen des Prozesskostenhilfeantrags
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 27.01.1998
- Aktenzeichen
- 5 W 9/98
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1998, 28916
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1998:0127.5W9.98.0A
Rechtsgrundlage
- § 114 ZPO
Fundstellen
- MedR 1998, 417
- OLGReport Gerichtsort 1998, 167-168
Amtlicher Leitsatz
Zur Bedeutung eines Schlichtungsgutachtens für die Erfolgsaussicht ( § 114 ZPO) des nachfolgenden Arzthaftungsprozesses
Gründe
Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Mit der Beschwerde wird zwar zu Recht gerügt, dass das Landgericht sich weder in dem Beschluss vom 5.12.1997 noch in dem Nichtabhilfebeschluss vom 6.1.1998 mit den sachlichen Einwendungen des Antragstellers gegen das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B... vom 17.2.1996 auseinander gesetzt hat, das dieser im Auftrage der - von dem Antragsteller erfolglos angerufenen - Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen erstellt hat, und dass das Landgericht auch auf die vorgetragenen Bedenken gegen die Unbefangenheit des Sachverständigen nicht eingegangen ist. Der hierin liegende Verfahrensfehler nötigt aber - anders als bei Übergehung eines Befangenheitsantrages gegen einen gerichtlich bestellten Sachverständigen (vgl. Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Auflage, § 406 IV Rdn. 36 m.w.N.) - nicht entsprechend §§ 539, 540 ZPO zu einer Aufhebung und Zurückverweisung. Vielmehr führt die noch in der Beschwerdeinstanz erstmals mögliche und im vorliegenden Fall nach Auffassung des Senats im Sinne von § 540 ZPO sachdienliche Auseinandersetzung mit den Einwendungen des Antragstellers zu keiner positiven Beurteilung der Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage.
Ein im Schlichtungsverfahren erstattetes Gutachten kann im Arzthaftungsprozess grundsätzlich im Wege des Urkundenbeweises gewürdigt werden und eine weitere Beweisaufnahme entbehrlich machen (BGH NJW 1987, 2300). Es kann dementsprechend zur Verneinung der Erfolgsaussicht i.S.v. § 114 ZPO führen und ist daher mit dem Prozesskostenhilfe-Antrag vorzulegen (Senatsbeschluss vom 19.11.1992, NJW 1994, 807). Prozesskostenhilfe kann darüberhinaus - allerdings nur ausnahmsweise - versagt werden, wenn ein Beweisantrag angekündigt wird, dem im Rechtsstreit nachzugehen wäre, dessen Erfolgsaussicht aber sehr unwahrscheinlich ist. Denn die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind nicht mit denen für eine Beweiserhebung identisch. Beide Entscheidungen sind voneinander unabhängig zu treffen, wobei der Begriff der hinreichenden Erfolgsaussicht enger verstanden werden kann als das Gebot zur Beweiserhebung (BGH NJW 1994, 1160f; Zöller/Philippi, ZPO, 20. Aufl., § 114 Rdn. 19 u. 26 m.w.N.). Diese unterschiedliche Regelung trägt zum einen dem Umstand Rechnung, dass die Staatskasse nicht mit Kosten belastet werden soll, die mit großer Wahrscheinlichkeit unnötig sind. Zum anderen liegt sie auch im Interesse der Partei, die i.S.v. § 114 ZPO nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Denn sie muss - unbeschadet der Bewilligung von Prozesskostenhilfe - im Falle des für sie negativen Ausgangs des Rechtsstreits die oftmals erheblichen außergerichtlichen Kosten des Prozessgegners erstatten.
Ob die danach grundsätzlich mögliche Berücksichtigung des Gutachtens aus einem vorangegangenen Schlichtungsverfahren sogleich eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfe-Antrag ermöglicht, oder ob - von Amts wegen bzw. wegen Einwänden der Parteien gegen den Gutachter selbst oder gegen den sachlichen Gehalt des Gutachtens - Anlass zu weiterer Sachverhaltsaufklärung nach § 118 Abs. 2 ZPO besteht, ist eine Frage des Einzelfalls. Ausschlaggebend sind Schlüssigkeit und Überzeugungskraft des Gutachtens sowie das konkrete Vorbringen der Partei, die sich gegen die Verwertung des Gutachtens wendet und weitere Beweiserhebungen beantragt.
Ausgehend hiervon besteht im vorliegenden Fall zunächst kein Anlass, im Rahmen der Prüfung von § 114 ZPO von vornherein von der Verwertung des Gutachtens vom 17.2.1996 abzusehen. Vielmehr spricht selbst der Antragsteller dem von der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen beauftragten Gutachter hervorragende Sachkunde zu. Die in der Beschwerdeschrift aufgeführten Zweifel gegen die Unvoreingenommenheit des Gutachters, die der Verwertung entgegenstehen könnten, greifen ebenfalls nicht durch. Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass der Sachverständige sich nicht dezidiert dazu geäußert hat, ob eine frühere stationäre Untersuchung geboten gewesen wäre. Denn hierzu bestand kein Anlass, weil der Sachverständige klar verneint, dass eine frühere stationäre Untersuchung zu einer anderen Behandlung geführt hätte.
Die Anträge, das Gutachten eines anderen Sachverständigen einzuholen bzw. vom Antragsteller benannte sachverständige Zeugen zu hören, führen - auch unter Berücksichtigung der prozessualen Modifizierungen, die im Arzthaftungsprozess zur Verringerung des Informations- und Argumentationsunterschieds grundsätzlich geboten sind (vgl. Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 7. Aufl., Rdn. 578 ff) - ebenfalls nicht zu einer positiven Beurteilung der Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage.
Denn die Angriffe des Antragstellers vermögen das vorliegende Gutachten insgesamt, vor allem aber die Auffassung des Sachverständigen nicht in Zweifel zu ziehen, eine frühere stationäre Untersuchung hätte zu keiner anderen Behandlung geführt. Insoweit kann der Antragsteller insbesondere nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass die im Anschluss an die stationäre Untersuchung im November 1994 veranlassten Maßnahmen Heilerfolge bewirkt haben. Denn im November 1994 lag neben einer akuten Flüssigkeitsansammlung im Bauchraum eine akute Infektion vor, und die anschließende Behandlung hat lediglich den Zustand wiederhergestellt, der vor diesem akuten Ereignis bestand. Auch das Vorbringen des Antragstellers, ein kausaler Therapieversuch in Gestalt "eines chirurgischen Eingriffs" sei bei "entsprechend frühzeitiger Diagnose" möglich gewesen und könnte- "unter Umständen unter Hinzuziehung begleitender nichtchirurgischer Maßnahmen" - Erfolg versprechend gewesen sein, führt nicht zur Bejahung der Erfolgsaussicht. Denn der Antragsteller stellt insoweit lediglich seine nicht weiter konkretisierte Auffassung den sachkundigen und auf den konkreten Befund bezogenen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B... entgegen, obwohl er vorträgt, zur Vorbereitung der Beschwerdeschrift sei fachärztlicher Rat eingeholt worden. Auch die hieran anschließende Ansicht, eine "richtige Ernährung" ab Februar 1990 - dem Zeitpunkt der Übernahme der Behandlung durch den Antragsgegner - hätte die allgemeine Entwicklungsverzögerung des Antragstellers (Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit, Sprachstörung, Gehbehinderung, Minderwuchs) verhindern können, der ausweislich des Arztbriefes des ... vom 18.11.1993 am 19.12.1988 als Frühgeburt zur Welt kam und anschließend zahlreiche Erkrankungen vor allem im HNO-Bereich mit sicher bestehender massiver Schwerhörigkeit hatte, wird nicht weiter konkretisiert.