Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 16.10.2003, Az.: 17 W 72/03
Pflicht der Ausländerbehörde zur Belehrung über die sich aus § 42 Abs. 5 Ausländergesetz (AuslG) ergebende Anzeigepflicht
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 16.10.2003
- Aktenzeichen
- 17 W 72/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 34004
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2003:1016.17W72.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Stade - 02.09.2003 - AZ: 9 T 180/03
Rechtsgrundlagen
- § 12 FGG
- § 42 Abs. 5 AuslG
- § 56 Abs. 6 AuslG
- § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AuslG
Fundstellen
- InfAuslR 2004, 118 (Volltext mit red. LS)
- InfAuslR 2004, 119
- NVwZ-RR 2004, 218 (amtl. Leitsatz)
In der Abschiebehaftsache
...
hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
die Richterin am Oberlandesgericht ... sowie
den Richter am Oberlandesgericht ...
am 16. Oktober 2003
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Auf die weitere sofortige Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 2. September 2003 aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Landgericht Stade zurückverwiesen.
- 2.
Der Betroffenen wird für das Verfahren der weiteren Beschwerde unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... in ... Prozesskostenhilfe bewilligt.
- 3.
Beschwerdewert: 3.000 EUR.
Gründe
Die Betroffene hält sich seit 1995 im Bundesgebiet auf. Sie ist seit 1995 zur Ausreise verpflichtet, wurde seitdem aber durchgehend geduldet. Zuletzt wurden ihre Duldungen am 22. Mai 2003 bis zum 3. Juli 2003 und sodann am 1. Juli 2003 bis zum 12. August 2003 verlängert.
Am 17. April 2003 wurde der Betroffenen ihre Abschiebung angekündigt, am 15. Mai 2003 wurde sie (erneut) ausgewiesen. Am 30. Juni 2003 wurde sie - jedoch nicht durch die Ausländerbehörde - von Amts wegen nach Unbekannt abgemeldet. Nach einem Diebstahl wurde sie sodann am 23. Juli 2003 festgenommen, im Anschluss an diese Festnahme stellte die Beteiligte den diesem Verfahren zugrunde liegenden Antrag auf Abschiebungshaft. In diesem Antrag ist angegeben, dass die Betroffene ohne festen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland sei. Im Rahmen ihrer Anhörung am 24. Juli 2003 hat die Betroffene diese Angaben im Antrag der Beteiligten als zutreffend bestätigt.
Das Amtsgericht hat sodann mit Beschluss vom 24. Juli 2003 die Betroffene gemäß § 57 Abs. 2 AuslG in Sicherungshaft genommen. Mit Schriftsatz vom 18. August 2003 hat die Betroffene gemäß § 10 FEVG beantragt, den Beschluss vom 24. Juli 2003 aufzuheben. Diesen Antrag hat das Amtsgericht Tostedt durch seinen Beschluss vom 29. August 2003 zurückgewiesen. Die gegen diese Entscheidung gerichtete sofortige Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht Stade durch Beschluss vom 29. August 2003 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Betroffene nunmehr mit der weiteren sofortigen Beschwerde. Nach zwischenzeitlicher Abschiebung der Betroffenen begehrt diese nunmehr festzustellen, dass ihre Inhaftierung rechtswidrig war.
Die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§§ 103 Abs. 2 AuslG, 3 Satz 2 FEVG, 27, 29 FGG).
Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Stade, da dieses den Sachverhalt nicht vollständig ermittelt hat (§ 12 FGG).
Die Betroffene rügt mit ihrer weiteren Beschwerde, dass sie nicht über ihre sich aus § 42 Absatz 5 AuslG ergebende Anzeigepflicht belehrt worden sei. Feststellungen dazu, ob eine solche Belehrung erfolgt ist, hat das Landgericht nicht getroffen. Dies wäre jedoch notwendig gewesen, da einem Ausländer eine unterlassene Anzeige des Wohnortwechsels nur dann im Rahmen des Haftgrundes des § 57 Absatz 2 Satz 1Nr. 2 AuslG entgegen gehalten werden kann, wenn die Ausländerbehörde auf die Anzeigenpflicht hingewiesen hat, vgl. Renner, § 42 AuslG, Rn. 17.
Verletzungen des Gesetzes (§ 27 Abs. 1 FGG) vermag der Senat hingegen nicht festzustellen.
Bei Anordnung der Haft war der Haftgrund des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG gegeben. Ausweislich der Ausweisungsverfügung vom 15. Mai 2003 war die Betroffene bereits zu diesem Zeitpunkt zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet, so dass eine Ausreisefrist im Sinne der zuvor genannten Vorschrift bei Inhaftierung der Betroffenen nicht mehr zu berücksichtigen war. Die am 1. Juli 2003 ausgesprochene Duldung wiederum hat die Ausreisepflicht der Betroffenen nicht entfallen lassen, § 56 Abs. 1 AuslG, vgl. hierzu auch Renner, AuslR, § 57 AuslG Rdnr. 12. Zum Zeitpunkt ihrer Festnahme wiederum war die Betroffene nach den getroffenen Feststellungen ohne festen Wohnsitz und damit für die Ausländerbehörde nicht erreichbar, was die Haftanordnung rechtfertigt. Auf die näheren Umstände der Abmeldung nach unbekannt kam es angesichts dieser feststehenden Tatsache nicht mehr an.
Der Betroffenen wurde ihre Abschiebung gemäß § 56 Abs. 6 AuslG im Rahmen des Schreibens der Ausländerbehörde vom 17. April 2003 auch in ausreichender Form angekündigt. Eine wiederholte Ankündigung war solange nicht notwendig, als seit der vorhergehenden nicht erneut eine länger als ein Jahr andauernde Duldung vorgelegen hat und damit kein vom Gesetz geschützter Vertrauenstatbestand begründet worden ist.