Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 15.10.2003, Az.: 9 U 124/03

Zulässigkeit von Abfindungsbeschränkungen in GmbH-Satzungen unter der Voraussetzung der Deutlichkeit und Klarheit der Regelung in der Satzung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
15.10.2003
Aktenzeichen
9 U 124/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 34003
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2003:1015.9U124.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 30.04.2003 - AZ: 22 O 174/02

Fundstellen

  • DStZ 2004, 59 (Kurzinformation)
  • GmbHR 2003, 1428-1430 (Volltext mit red. LS)

In dem Rechtsstreit
...
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. S. sowie
die Richter am Oberlandesgericht S. und Dr. S.
auf die mündliche Verhandlung vom 1. Oktober 2003
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 30. April 2003 verkündete Urteil der 22. Zivilkammer - 2. Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Wert der Beschwer für die Beklagte: 11.248,42 EUR.

Gründe

1

I.

Wegen des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung verwiesen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

2

Mit ihrer Berufung begehrt die Beklagte weiterhin Klagabweisung. Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrages vertritt sie die Rechtsauffassung, dass nicht nur ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, sondern auch eine unangemessene Abfindungsbeschränkung vorliege. Die gesellschaftsvertraglichen Regelungen des § 9 Abs. 2 und Abs. 4 seien daher unwirksam. Ihren Geschäftsanteil müsse sie jedenfalls nicht ohne Gegenleistung zurückgeben.

3

II.

Die Berufung ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht nur zur unentgeltlichen Rückübertragung des Geschäftsanteils im Nominalwert von 20.000 DM (dazu unten 1.), sondern auch zur Zahlung eines Betrages von 1.022,58 EUR (dazu unten 2.) verpflichtet.

4

1.

Die Beklagte ist gemäß § 9 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages der S. E. GmbH vom 23. Januar 1990 verpflichtet, den von ihr im Nominalwert von 20.000 DM gehaltenen Geschäftsanteil an den Gesellschafter J. S. abzutreten; diese Abtretung hat - weil der Anteil der Beklagten unentgeltlich überlassen worden ist - gemäß § 9 Abs. 4 der Satzung unentgeltlich zu erfolgen.

5

Weder die Reglung des § 9 Abs. 2 noch die des § 9 Abs. 4 der Satzung begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken; insbesondere ist nicht zu erkennen, dass diese Satzungsbestimmungen nichtig wären, weil sie - wie die Beklagte meint - gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen oder eine unzulässige Abfindungsbeschränkung enthalten würden.

6

Der Gesellschaftsvertrag vom 23. Januar 1990, den die Beklagte als Gesellschafterin selbst mit beschlossen hat, dient - soweit die Gesellschaftsanteile der Gesellschafter betroffen sind, die Mitarbeiter der Klägerin sind und nicht zur Familie S. gehören - der Durchführung eines sog. "Mitarbeitermodells". Hierdurch sollen ausgewählte Mitarbeiter der Klägerin die Möglichkeit erhalten, über die mit dem Gesellschaftsanteil verbundene Gewinnbeteiligung am (positiven) Ergebnis der Gesellschaft teilzuhaben; zugleich wird hierdurch ein Anreiz dafür geschaffen, dass die Mitarbeiter-Gesellschafter sich - eben wegen der hiermit verbundenen Gewinnaussicht - besonders für den Erfolg der Gesellschaft einsetzen und mit ihr verbunden bleiben wollen. Hingegen sollen die Mitarbeiter-Gesellschafter durch die Überlassung der Geschäftsanteile - die zeitlich an die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses bei der Klägerin geknüpft ist - nicht an der Substanz der Gesellschaft beteiligt werden. Diesem Ziel dient auch die in § 9 Abs. 4 der Satzung festgeschriebene Abfindungsbeschränkung auf dasjenige, was der Mitarbeiter selbst für den Anteilserwerb aufbringen musste.

7

Diese Abfindungsbeschränkung ist nach Ansicht des Senats rechtlich zulässig. Beschränkungen des Abfindungsanspruchs, wie sie sich regelmäßig in GmbH- Satzungen finden, können nicht beliebig ausgestaltet werden. Vielmehr müssen solche Regelungen klar und deutlich in der Satzung bestimmt sein, damit sich jeder Gesellschafter über die Konsequenzen einer Ausschließung, eines Austritts oder einer zwangsweisen Einziehung des Geschäftsanteils im Voraus klar werden kann. Die Regelungen müssen aber auch - sofern sie inhaltlich klar genug abgefasst sind - den durch § 138 BGB vorgegebenen Grenzen entsprechen (vgl. BGHZ 116, 359 ff.). Bei der am Maßstab des § 138 BGB orientierten Inhaltskontrolle ist neben dem mit der Abfindungsbeschränkung verfolgten Zweck auch der Charakter der GmbH zu berücksichtigen. Soll durch eine satzungsrechtliche Bestimmung z.B. der Charakter einer Familiengesellschaft "für alle Zukunft" gewahrt werden, ist die entschädigungslose Einziehung des Geschäftsanteils eines familienfremden Erben zulässig (BGH BB 1977, 342 f.). Vorliegend ist die Überlassung der Geschäftsanteile an die Mitarbeiter der Klägerin als treuhandähnliches Modell anzusehen. Der Umstand, dass die Anteilsübertragung zum Zweck der Verwirklichung des Mitarbeitermodells erfolgte, war der Beklagten auch bekannt. Denn in der Gesellschafterversammlung vom 2. Mai 1990 - in der auch die Anteilsübernahme durch die Beklagte in Höhe von 20.000 DM beschlossen wurde - hatte der Mehrheitsgesellschafter S. auf dieses Modell und den hiermit verfolgten Zweck (Verschaffung eines Mitspracherechts sowie eines Gewinnanspruchs) ausdrücklich hingewiesen. Zudem ist das Kapital für den Gesellschaftsanteil im Nominalwert von 20.000 DM auch nicht von der Beklagten, sondern aus Mitteln der Klägerin aufgebracht worden. Die Beklagte konnte und durfte daher nicht erwarten, dass ihr mit der Überlassung des Geschäftsanteils ein Anteil an der Vermögenssubstanz der Klägerin übertragen wurde, den sie nach dem Ausscheiden aus den Diensten der Klägerin würde behalten dürfen. Vielmehr war von vornherein klar, dass der Satzungszweck - nämlich die Erhaltung und Vermehrung des Gesellschaftsvermögens für künftige Generationen von Mitarbeiter-Gesellschaftern sowie eine Teilhabe am Erfolg des Unternehmens - nur verwirklicht werden konnte, wenn die Geschäftsanteile - unabhängig von ihrem tatsächlichen Wert - zu den Bedingungen zurückübertragen werden, unter denen ihre Überlassung erfolgte. Eine am Verkehrswert orientierte Abfindung würde zum Scheitern des mit dem Gesellschaftsvertrag verfolgten Zweckes führen (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation das Senatsurteil vom 12. Juli 1995 - 9 U 140/94 - mit Anm. Goette, DStR 1997, 336 ff.).

8

Die vorgenannten Satzungsregelungen verstoßen auch nicht gegen den auch im Gesellschaftsrecht zu beachtenden verfassungsmäßigen Grundsatz der Gleichbehandlung. Zwar müssen danach im Wesentlichen gleiche Sachverhalte gleich behandelt werden, wobei dies aber nur dann gilt, wenn für eine Ungleichbehandlung keine sachliche Rechtfertigung vorhanden ist. Unabhängig davon, ob - wie dies die Beklagte meint - eine Ungleichbehandlung zwischen dem Mehrheitsgesellschafter J. S. einerseits und den Mitarbeiter-Gesellschaftern andererseits in der Regelung des § 9 der Satzung enthalten ist, wäre jedenfalls eine sachliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung darin zu sehen, dass die Mitarbeiter- Gesellschafter ihre Geschäftsanteile allein deshalb erworben haben, weil sie Mitarbeiter der Klägerin waren. Dies rechtfertigt die Anknüpfung der Belassung der Geschäftsanteile für die Zeitdauer des Beschäftigungsverhältnisses.

9

2.

Die Beklagte ist auch verpflichtet, der Klägerin 1.022,58 EUR (2.000 DM) nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 11. März 2003 zu zahlen. Anspruchsgrundlage für diese Zahlungsverpflichtung ist § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Zahlung der Klägerin in Höhe von 2.000 DM auf den von der Beklagten zurückübertragenen Geschäftsanteil im Nominalwert von 2.000 DM erfolgt ist, obwohl die Beklagte auch für diesen Geschäftsanteil ein Entgelt nicht entrichtet hatte. Da weiter feststeht (tatbestandliche Feststellung der angefochtenen Entscheidung), dass die Zahlung deshalb erfolgte, weil die Klägerin irrtümlich eine Zahlung der Beklagten in eben dieser Höhe beim Anteilserwerb angenommen hatte, steht § 814 BGB dem Bereicherungsanspruch der Klägerin nicht entgegen.

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3.

Die Revision ist gemäß § 543 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Wie der Senat aus seiner Spezialzuständigkeit weiß, sind gesellschaftsrechtliche Beteiligungsmodelle der vorliegenden Art nicht selten anzutreffen. Die Frage, ob bei Mitarbeitermodellen die Mitarbeiter in zulässiger Art verpflichtet werden können, ihre Gesellschaftsanteile bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zu eben den Konditionen, zu denen diese ihnen überlassen worden waren, wieder zurückzuübertragen und dies - wie hier - unabhängig vom Verkehrswert ggf. sogar unentgeltlich zu tun, bedarf daher der Klärung durch das Revisionsgericht.

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4.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1; 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO.