Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 21.10.2003, Az.: 16 U 95/03

Schadensersatzanspruch aus einer angeblich geschlossenen Treuhandvereinbarung im Wege einer Teilklage; Verpflichtung eines sog. schwachen Insolvenzerwalters zur Zahlung von Treuhandgeldern

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
21.10.2003
Aktenzeichen
16 U 95/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 36228
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2003:1021.16U95.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 18.06.2003 - AZ: 12 O 230/02

Fundstellen

  • DStR 2004, XVI Heft 5 (Kurzinformation)
  • EWiR 2004, 445 (red. Leitsatz)
  • NZI 2004, 23 (Kurzinformation)
  • NZI 2004, 89-90 (Volltext mit red. LS)

In dem Rechtsstreit
...
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 2. Oktober 2003
durch
den Vorsitzenden Richter ....,
den Richter ...und
die Richterin ...
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. I.

    Auf die Berufung der Klägerin wird das am 18. Juni 2003 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover - Einzelrichter - aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

    Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 96.851,09 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5% für die Zeit vom 4. November bis 3. Dezember 2001 und in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 4. Dezember 2001 zu zahlen.

  2. II.

    Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

  3. III.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

1

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten im Wege der Teilklage auf Zahlung von Schadensersatz aus einer ihrer Auffassung nach geschlossenen Treuhandvereinbarung in Anspruch. Für die tatsächlichen Feststellungen im Einzelnen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

2

Mit der Berufung gegen das klagabweisende Urteil verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Sie ist der Ansicht, das Landgericht habe das Schreiben des Beklagten vom 28. August 2001 (Anlage K 2) trotz fehlender Auslegungsbedürftigkeit ausgelegt und dies auch noch rechtsfehlerhaft ohne hinreichende Auseinandersetzung mit dem Wortlaut und ohne Berücksichtigung der übrigen Umstände getan. Die Formulierung, die Zahlungen seien "sichergestellt", sowie die ausdrückliche Bestätigung des Beklagten im Schreiben vom 10. Oktober 2001 (Anlage K 4) ließen beim Erklärungsempfänger nur den Schluss auf eine verbindliche Zahlungszusage unter Begründung eines Sicherungstreuhandverhältnisses zu. Entgegen der Auffassung des Landgerichts enthalte das Schreiben vom 28. August 2001 auch keine Relativierung dieser Zusage.

3

Sie beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils zur Zahlung von 96.851,09 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5% vom 4. November bis 3. Dezember 2001 und in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz ab dem 4. Dezember 2001 zu verurteilen.

4

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

5

Er verteidigt das angefochtene Urteil und vertritt die Ansicht, die Klage sei bereits unschlüssig, da allenfalls ein Treuhandverhältnis zwischen ihm und der Gemeinschuldnerin begründet worden sei, jedenfalls aber keines zwischen ihm und der Klägerin. Er habe als vorläufiger und sog. schwacher Insolvenzverwalter keine Verfügungsmacht übertragen bekommen und daher erkennbar nicht die Rechtsmacht besessen, sich zur Zahlung von Treuhandgeldern an die Klägerin zu verpflichten. Jedenfalls bestehe kein Anspruch gegen ihn persönlich; das Schreiben vom 28. August 2001 sei schließlich auch von der Gemeinschuldnerin unterschrieben worden, sodass es sich um deren Erklärung mit seiner Zustimmung handele.

6

Ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO müsse ebenfalls nicht diskutiert werden, weil die Klägerin dann ihn, den Beklagten, als Insolvenzverwalter hätte in Anspruch nehmen müssen. Auch auf die von der Klägerin erörterte Auslegungs-problematik komme es nicht an.

7

II.

Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

8

1.

Allerdings kann die Klägerin ihren Zahlungsanspruch nicht auf ein mit dem Beklagten vereinbartes Treuhandverhältnis stützen. Das Landgericht hat insofern zutreffend ausgeführt, dass es an einer verbindlichen Zusage des Beklagten, die künftigen Forderungen der Klägerin aus einem Treuhandkonto zu befriedigen, fehlt.

9

Anders als in dem von ihr zitierten BGH-Urteil (vom 12. Oktober 1989, Az. X ZR 184/88, Anlage K 11 im Sonderheft) gab es zwischen den Parteien nämlich keine Vereinbarung dergestalt, dass hinsichtlich der von der Klägerin zu erbringenden Leistungen einseparates treuhänderisch zu verwaltendes Konto angelegt werden sollte. Mit Schreiben vom 28. August 2001 (Anlage K 2, Bl. 12) teilte der Beklagte nämlich lediglich mit, dass auf dem angesichts der Insolvenz eingerichteten Sonderkonto (also dem "Massekonto") genügend Geld vorhanden sei, um die weiterhin benötigten Leistungen der Klägerin bezahlen zu können. Von einem Treuhandkonto zur Sicherung der künftigen Ansprüche der Klägerin war darin nicht die Rede.

10

2.

Aus diesem Grund stehen der Klägerin auch keine Schadensersatzansprüche aus der Verletzung eines Sicherungstreuhandvertrages zu.

11

3.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten aber einen Anspruch auf Ersatz ihres positiven Interesses aus seiner Zusage im Schreiben vom 28. August 2001 (Anlage K 2, Bl. 12).

12

Die "Bestätigung", dass die Zahlungen für die künftigen Leistungen der Klägerin "durch das Insolvenzsonderkonto sichergestellt" seien, ist als Garantie zu verstehen mit der Folge, dass der Beklagte nun, da offenbar die zugesagten Zahlungen aus dem Insolvenzsonderkonto nicht (mehr) geleistet werden können, persönlich für diese einzustehen hat.

13

Zwar weist der Beklagte nach Auffassung des Senats zu Recht darauf hin, dass der Klägerin aufgrund der Regelung des§ 112 InsO ein Kündigungsrecht erst bei Eintritt des Verzuges mit zwei nach Insolvenzantragstellung fällig werdenden Monatsmieten zustand (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2002, Az. IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625 ff., zitiert nach [...]). Auf die diesbezüglichen Ausführungen in Ziffer 1 der Hinweisverfügung vom 29. September 2003 (Bl. 183 f.) - auch zum Fehlen eines Zurückbehaltungsrechts - wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

14

Jedoch ändert dieser - auch in dem genannten Schreiben enthaltene - Hinweis auf die geltende Rechtslage nichts daran, dass die zitierte Bestätigung aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers nur im Sinne einer verbindlichen Zusage mit Garantiecharakter zu verstehen war. Dies folgt bereits aus der Wahl des Wortes "sichergestellt" sowie dem Fehlen jedweden Vorbehalts und gilt umso mehr in Anbetracht des Umstandes, dass es sich bei der Klägerin im Gegensatz zum Beklagten erkennbar nicht um eine Spezialistin für Fragen des Insolvenzrechts handelte.

15

Entgegen der Einlassung des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 2003 fehlte es dem Beklagten dabei offensichtlich auch nicht an dem Willen, persönlich für die Zahlungen einzustehen; schließlich sprach er noch im Schreiben vom 10. Oktober 2001 selbst von einer "Zusicherung" sowie von "Absicherung" und "sichergestellt" (Anlage K 4, Bl. 14) und räumte damit den verbindlichen Charakter seiner Zusage vom 28. August 2001 ausdrücklich ein. Im Übrigen muss der Beklagte auch in diesem Zusammenhang gegen sich gelten lassen, dass er als im Rechts- und Geschäftsverkehr gewandter vorläufiger Insolvenzverwalter um die rechtlichen Wirkungen von Zusagen und Zusicherungen wissen musste.

16

Er kann sich schließlich auch nicht mit dem Einwand entlasten, dass das Schreiben vom 28. August 2001 auch von der Gemeinschuldnerin unterschrieben worden ist, sodass es sich um deren Erklärung handele, zu der er lediglich seine Zustimmung erteilt habe. Abgesehen davon, dass er dann zumindest gesamtschuldnerisch haften würde, ist das Schreiben eindeutig unter seinem Briefkopf verfasst worden. Darüber hinaus besteht aufgrund der Formulierung ("bestätige ich den Erhalt Ihres Schreibens", "möchte ich Sie davon in Kenntnis setzen", "steht Ihnen meine Mitarbeiterin ... zur Verfügung") kein Zweifel daran, dass als Verfasser und Absender nur der Beklagte in Betracht kommt. Ein objektiver Erklärungsempfänger und somit auch die Klägerin konnte die darin enthaltene Zusage daher ohne weiteres dem Beklagten zuordnen.

17

4.

Selbst wenn man die Erklärung vom 28. August 2001 zugunsten des Beklagten lediglich als Zusicherung des Inhalts ansähe, dass genügend Geld auf dem Insolvenzsonderkonto vorhanden und die Zahlung der künftigen Forderungen der Klägerinbeabsichtigt sei, würde seine Haftung nicht entfallen.

18

Die Zusicherung hätte ihn dann nämlich wenigstens verpflichtet, alles dafür zu tun, die zugesagte Absicht auch umzusetzen, d.h. insbesondere die Verwendung des auf dem Insolvenzsonderkonto vorhandenen Geldes für andere Gläubiger soweit nicht zu genehmigen, als sie der Befriedigung der Klägerin entgegenstand. Dazu wäre der Beklagte auch und gerade als vorläufiger Insolvenzverwalter in der Lage gewesen. Er behauptet im Übrigen selbst nicht, dies wenigstens versucht zu haben.

19

5.

Vor dem Hintergrund der in den Ziffern 3 und 4 gemachten Ausführungen kommt es auf die mit dem Kündigungsrecht der Klägerin zusammenhängenden Fragen nicht mehr an, da im Falle der Garantiehaftung ohnehin das positive Interesse geschuldet ist und es auf einen negativen "Schaden" nicht ankommt. Die von der Klägerin geltend gemachte (Teil-)Forderung ist - nach Substantiierung im Schriftsatz vom 14. Februar 2003 (Bl. 76 f.) - der Höhe nach von der Beklagten nicht mehr mit Substanz bestritten worden.

20

Die parallele Anmeldung der Forderung im Insolvenzverfahren steht der klageweisen Geltendmachung im vorliegenden Rechtsstreit ebenfalls nicht entgegen.

21

6.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

22

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

23

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

... Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht
... Richter am Oberlandesgericht
... Richterin am Oberlandesgericht