Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 09.10.2003, Az.: 11 U 88/03
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 09.10.2003
- Aktenzeichen
- 11 U 88/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 39011
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2003:1009.11U88.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hildesheim - AZ: 10 O 157/02
Amtlicher Leitsatz
Es stellt ein Mitverschulden von 40 % dar, wenn der Versender wertvolle Autoradio bzw. Navigationsgeräte dem Frachtführer in einem Karton übergibt, der lediglich durch ein Band gesichert ist.
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts ####### durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und die Richterin am Oberlandesgericht ####### auf die mündliche Verhandlung vom 18. September 2003 für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 11. März 2003 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hildesheim teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.241,48 EUR nebst 5 % Zinsen
über dem Basissatz seit dem 14. Mai 2002 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 40 % und die Beklagte zu 60 %; jedoch tragen die außergerichtlichen Kosten des Streithelfers der Beklagten die Klägerin zu 40 % und der Streithelfer der Beklagten zu 60 % selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Wert der Beschwer übersteigt für keine der Parteien den Betrag von 20.000 EUR.
Gründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nur zum Teil begründet, im übrigen ist sie unbegründet.
Aufgrund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass der Verlust der Gegenstände im Obhutszeitraum der Beklagten bzw. der von ihr eingeschalteten Frachtführer entstanden ist. Die Klägerin hat durch die erstinstanzliche Beweisaufnahme bewiesen, dass sämtliche Gegenstände an die Frachtführer der Beklagten übergeben worden sind. Der Zeuge ####### hat bekundet, dass der gesamte Verpackungsvorgang bei der Firma ####### überwiegend computergesteuert sei. Mittels Computer werde das Soll-Gewicht ermittelt, das sich aus den Gegenständen, die auf den jeweiligen Lieferscheinen und Lieferrechnungen enthalten sind, theoretisch ergebe. Nach der Verpackung in die jeweiligen Transportbehälter werde bei der Endkontrolle die jeweilige Palette gewogen. Dabei werde das tatsächliche Gewicht des Transportbehälters mit dem Soll-Gewicht, das aufgrund der Bestellung von dem Computer ermittelt worden sei, verglichen. Unter Berücksichtigung gewisser Toleranzen werde das jeweilige Transportstück nur dann zur Versendung freigegeben, wenn das Soll-Gewicht mit dem tatsächlichen Gewicht übereinstimme. Zwar konnte der Zeuge ####### zum konkreten Versandfall nichts sagen, jedoch hat er den allgemeinen Ablauf bei der Firma ####### nachvollziehbar geschildert. Aufgrund des von dem Zeugen geschilderten Ablaufs ist davon auszugehen, dass tatsächlich die Gegenstände, die gemäß Lieferschein an die Firma ############## in ####### berechnet worden sind, auch an die Beklagte bzw. deren Frachtführer übergeben worden sind.
Aufgrund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme steht auch für den Senat fest, dass der Verlust nicht bei dem Empfänger der Geräte eingetreten ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils, die der Senat teilt und sich zu eigen macht.
Damit muss der Verlust der Gegenstände zu einer Zeit eingetreten sein, als sie sich im Gewahrsam der Beklagten befanden.
Die Beklagte kann sich nicht auf die Haftungsbeschränkung des § 431 HGB berufen. Zwar enthält § 435 HGB eine Beweislastregelung zum Nachteil eines Anspruchstellers, da dieser die Beweislast für die Tatsachen trägt, die zum Ausschluss der Haftungsbeschränkung führen. Danach ist hier die Klägerin für die Voraussetzungen der unbeschränkten Haftung der Beklagten grundsätzlich beweispflichtig. Die dem Anspruchsteller obliegende Darlegungs- und Beweislast wird jedoch dadurch gemildert, dass der Spediteur angesichts des unterschiedlichen Informationsstandes der Vertragsparteien nach Treu und Glauben gehalten ist, soweit möglich und zumutbar zu den näheren Umständen aus seinem Betriebsbereich eingehend vorzutragen. Dementsprechend müssen die konkret eingerichteten Kontrollen so detailliert dargelegt werden, dass für den Anspruchsteller und das Gericht erkennbar wird, wie die einzelnen Maßnahmen in der Praxis geordnet, überschaubar und zuverlässig ineinandergreifen, und welche Maßnahmen getroffen worden sind, um sicherzustellen, dass die theoretisch vorgesehenen Organisationsmaßnahmen auch praktisch durchgeführt werden (vgl. BGHZ 129, 345, 350 f.; BGH Transportrecht 1998, 262, 263; Transportrecht 2002, 408 ff.). Diesen Anforderungen der Rechtsprechung genügt der Vortrag der Beklagten nicht. Allein die Eingangs- und Ausgangserfassung per Scannung besagt nicht darüber, wie und in welchem Umfang eine Beaufsichtigung des Gutes erfolgt. Es ist nicht vorgetragen, wie und durch wen eine Kontrolle der betriebseigenen Personen bei der Beklagten bzw. den Frachtführern erfolgt noch ob Dritte (z.B. andere Frachtführer) Kontakt mit dem Karton haben konnten.
Die Klägerin muss sich jedoch gemäß § 425 Abs. 2 HGB ein Mitverschulden der Firma ####### in Höhe von 40 % anrechnen lassen. Wie sich aus den bei den Akten befindlichen Lichtbildern ergibt, befanden sich die Autoradiogeräte bzw. Navigationsgeräte jeweils in einem großen Pappkarton, der sich auf einer Palette befand. Um diesen Pappkarton war ein grünes Verpackungsband straff angezogen. Ohne Zerstörung des Bandes oder des Kartons war eine Entnahme von Geräten aus dem Karton wohl nicht möglich. Bei dem grünen Verpackungsband handelt es sich allerdings nicht um ein spezifisches Band, das ausschließlich von der Firma ####### verwandt wird. Es trägt auch keinerlei besondere Kennzeichnung. Wie der Zeuge ####### in seiner Vernehmung vor dem Landgericht bekundet hat, besteht die Möglichkeit, ein derartiges Band mit einem Handautomaten anzubringen. Somit bestand die Möglichkeit, dass während der Auslieferung - von wem auch immer - das Sicherungsband durchtrennt wird und einzelne Geräte aus dem großen Pappkarton entnommen werden und danach ein neues Sicherungsband mittels eines Handautomaten an den Pappkarton angebracht wird.
Die Geräte, die die Firma ####### herstellt, sind in hohem Maße diebstahlsgefährdet, da sie relativ klein sind, aber einzeln einen erheblichen Wert haben. Im Übrigen lassen sich gestohlene Autoradios und Navigationssystem leicht absetzen. Dem Senat ist aus anderen Rechtsstreiten bekannt, dass es immer wieder dazu kommt, dass Waren, die von der Firma ####### hergestellt worden sind, auf dem Transport gestohlen oder unterschlagen werden. Dies hätte die Firma ####### veranlassen müssen, gesteigerte Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen. Das unspezifische Band stellt gegen das Diebstahlsrisiko nur eine außerordentlich geringe Sicherungsmaßnahme dar. Der Senat bewertet das Mitverschulden der Firma ####### mit 40 %.
Demgemäß war auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Landgerichts teilweise abzuändern und die Beklagte zur Zahlung von 7.241,48 EUR zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 101 ZPO.
Die übrigen Nebenentscheidungen finden ihre Stütze in § 708 Ziffer 10, § 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO
nicht vorliegen. Der Rechtsstreit hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Parteien haben insoweit auch keine Anhaltspunkte, die zu einer anderen Entscheidung Anlass gäben, aufgezeigt.