Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 01.10.2003, Az.: 9 U 100/03

Haftung eines Insolvenzverwalters gemäß § 60 Insolvenzordnung (InsO)

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
01.10.2003
Aktenzeichen
9 U 100/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 34001
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2003:1001.9U100.03.0A

Fundstellen

  • EWiR 2004, 117 (Volltext mit amtl. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 2004, 341-342

In dem Rechtsstreit
...
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 17. September 2003
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. S. und
die Richter am Oberlandesgericht Dr. W. und Dr. S.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung gegen das am 27. März 2003 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts H. wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1

1.

Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil verwiesen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

2

Mit der Berufung erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage und führt dazu aus, die Klägerin habe kein Aussonderungsrecht (§ 47 InsO) besessen und sei deshalb auch nicht zur Ersatzaussonderung (§ 48 InsO) berechtigt gewesen mit der Folge, dass sie gemäß § 51 InsO nur absonderungsberechtigt gewesen sei und ihm dann der in § 171 Abs. 1 und 2 InsO bestimmte Kostenbeitrag zustehe. Das der Schuldnerin in den Liefer- und Zahlungsbedingungen eingeräumte Recht zur Veräußerung der Brenner sei mangels Widerrufs der Klägerin auf ihn übergegangen. Deren Verhalten sei auch widersprüchlich, denn sie habe von dem Einbau der Brenner "bei der Firma B. " gewusst, "ohne die von ihr nunmehr behaupteten Eigentumsrechte zur Sicherung ihrer Ansprüche zu verwenden" (S. 5 f. der Berufungsbegründung). Unter diesen Umständen stehe ihr auch kein Anspruch aus § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB zu, denn er sei zur Veräußerung berechtigt gewesen.

3

2.

Die Berufung ist unbegründet.

4

Die Klägerin hat aus § 48 Satz 2 InsO einen Anspruch auf die restlichen 14.839,22 EUR aus dem Verkaufserlös, weil der Beklagte die Brenner unberechtigt veräußert hat. Es wird auf die zutreffenden Erwägungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.

5

Die Klägerin hatte der Schuldnerin die Brenner unter Eigentumsvorbehalt verkauft und besaß deshalb ein Aussonderungsrecht (§ 47 InsO; Ganter in MünchKomm-InsO, § 47 Rn. 62). Der Beklagte hat dann am 18./19. Mai 2002 die von der Schuldnerin noch nicht in den sog. Rollenherdofen eingebauten Brenner zusammen mit dem Ofen an die B. GmbH & Co. KG geliefert (S. 4, 7 der Leseabschrift des angefochtenen Urteils; S. 5 unten der Berufungsbegründung). Dazu war er aber (auch) im Hinblick auf die zwischen der Klägerin und der Schuldnerin vereinbarten Liefer- und Zahlungsbedingungen nicht berechtigt, weil es sich offensichtlich nicht mehr um eine Veräußerung "im gewöhnlichen Geschäftsverkehr" handelte; vielmehr war der Sicherungsfall eingetreten. Der Eigentumsvorbehalt der Klägerin ist durch die Veräußerung erloschen (§§ 161 Abs. 3, 932 BGB).

6

Es ist auch davon auszugehen, dass die Gegenleistung noch unterscheidbar in der Masse vorhanden ist, weil die B. GmbH & Co. KG den Kaufpreis im Zweifel auf ein Bankkonto des Beklagten eingezahlt hat. Die Unterscheidbarkeit ist gewährleistet, solange die durch Buchungen belegten Eingänge als solche noch unterscheidbar vorhanden sind (Ganter, a.a.O., § 48 Rn. 58 ff.).

7

Die Insolvenzmasse haftet für den Verwalter analog § 31 BGB. Dieser haftet daneben gemäß § 60 InsO wegen einer schuldhaften Verletzung seiner Pflichten, weil er im Hinblick auf seine Pflicht zur Abklärung der in aller Regel vielfältigen Rechte Dritter und im Hinblick auf die umfangreiche Vorkorrespondenz mit der Klägerin die o. a. nicht eben schwierigen rechtlichen Überlegungen auch hätte anstellen müssen (vgl. zur Schadensersatzpflicht gegen den Konkursverwalter aus § 82 KO wegen schuldhafter Verletzung des Vorbehaltseigentums: OLG Hamm ZInsO 2001, 178[OLG Hamm 18.04.2000 - 27 U 125/99]). Wegen der Gleichstufigkeit der Verpflichtung von Masse und Insolvenzverwalter besteht eine Gesamtschuldnerschaft (§ 421 BGB); eine Primärhaftung der Insolvenzmasse gibt es nicht (Brandes in MünchKomm-InsO, §§ 60, 61 Rn. 112; Kübler/Prütting, InsO, § 60 Rn. 48; a. A. Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 60 Rn. 2). Das ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus der Insolvenzordnung, folgt jedoch aus einem aus rechtsähnlichen Tatbeständen zu folgernden allgemeinen Grundsatz:

8

Die Repräsentantenhaftung (§ 31 BGB) ersetzt grundsätzlich eine nach allgemeinen Regeln begründete persönliche Haftung des Repräsentanten nicht, sondern tritt neben diese Haftung. Verein und Repräsentant haften beispielsweise im Falle einer unerlaubten Handlung (§§ 823 ff. BGB) gemäß § 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner (Reuter in MünchKomm-BGB, 4. Aufl., § 31 Rn. 43; ebenso BGH NJW 1996, 1535, für die Haftung der GmbH nach § 31 BGB und die eigene Haftung des Geschäftsführers, wenn er persönlich den Schaden durch eine unerlaubte Handlung verursacht hat). Entsprechendes gilt für die Haftung des Verrichtungsgehilfen neben dem Geschäftsherrn (Stein in MünchKomm-BGB, 3. Aufl., § 840 Rn. 7). Dementsprechend war unter der Geltung der Konkursordnung die durch eine unerlaubte Handlung begründete Schadensersatzpflicht des Konkursverwalters nicht durch die Haftung der Masse nach § 59 Nr. 1 KO ausgeschlossen (BGH NJW-RR 1988, 89 [BGH 17.09.1987 - IX ZR 156/86]; Hess/Kropshofer, Konkursordnung, 4. Aufl., § 82 Rn. 25). Hafteten sowohl der Konkursverwalter als auch die Masse einem Dritten, entstand eine Gesamtschuld (Hess/Kropshofer, a.a.O., Rn. 63). Dass durch die Insolvenzordnung daran etwas geändert werden sollte, ist nicht ersichtlich. Für die (auch primäre) persönliche Haftung des Insolvenzverwalters neben der Haftung der Masse in analoger Anwendung des § 31 BGB spielt es keine Rolle, ob er insolvenzspezifische Pflichten oder sonstige Pflichten verletzt hat (Ganter, a.a.O., § 60 Rn. 112). Im Übrigen dürfte dem Beklagten durch die Veräußerung der Brenner und den Rechtsscheinerwerb der B. GmbH & Co. KG auch eine Verletzung nicht insolvenzspezifischer Pflichten, nämlich eine unerlaubte Handlung in Form einer Eigentumsverletzung, zur Last fallen.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.