Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 26.04.2007, Az.: 8 U 233/06
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 26.04.2007
- Aktenzeichen
- 8 U 233/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 59363
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2007:0426.8U233.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 25.08.2006 - AZ: 8 O 30/05
Fundstellen
- NJW-Spezial 2007, 354 (Kurzinformation)
- r+s 2008, 100-101 (Volltext mit red. LS)
- zfs 2007, 571-572 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
...
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 13. April 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ... für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 25. August 2006 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 9/14 und die Beklagte 5/14. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die nach der Erklärung der Beklagten auf die gerichtliche Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vom 13. April 2007 ausdrücklich auf die Entscheidung über die Klage beschränkte Berufung ist begründet. Die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1, 2. Alt. ZPO). Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Versicherungsleistungen für den möglicherweise entwendeten Lkw aus dem unstreitig zwischen den Parteien zum Schadenszeitpunkt bestehenden Versicherungsvertrag.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger den Versicherungsfall nachgewiesen hat. Jedenfalls ist die Beklagte gemäß § 6 Abs. 3 VVG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Ziffer 2 S. 2, Abs. 5 Ziffer 1 S. 1 und Ziffer 4 der unstreitig in den Versicherungsvertrag einbezogenen AKB wegen einer Obliegenheitsverletzung des Klägers im Rahmen seiner Aufklärungspflicht nach Eintritt des Versicherungsfalles von der Leistung befreit.
Der Kläger hat unstreitig die Frage 21 des Schadensformulars (Bl. 34 d. A.) falsch beantwortet:
Erstinstanzlich war bereits unstreitig, dass unabhängig von dem vorliegenden Verfahren am 18. Juli 2003 ein Haftbefehl gegen den Kläger zwecks Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ergangen war, die er am 28. Januar 2004 abgegeben und am 16. Juli 2004 ergänzt hatte (Bd. I Bl. 15 d. A.).
In der Schadensmeldung vom 10. August 2004 haben der Kläger ebenso wie der ebenfalls anwesende Zeuge G. dagegen die Frage "Haben Sie bereits Offenbarungseide und/oder eidesstattliche Erklärungen über Ihre Vermögensverhältnisse abgegeben?" mit "nein" beantwortet. Der aufnehmende Sachbearbeiter der Beklagten hat hier ergänzend vermerkt "VN bzw. Halter gefragt." Auf diese Obliegenheitsverletzung hat sich die Beklagte auch in der Verhandlung vor dem Senat klarstellend ausdrücklich berufen, wobei sie insoweit ihr generelles Verteidigungsvorbringen erster Instanz nur konkretisiert hat. Die aus § 6 Abs. 3 VVG folgende Vorsatzvermutung für diese Falschangabe hat der Kläger nicht widerlegt.
Die Abgabe einer eidesstattlichen Erklärung, der sogar ein Haftbefehl vorausgegangen ist, konnte er auf entsprechende Nachfrage nicht vergessen haben, zumal er sie erst ein halbes Jahr zuvor abgegeben und drei Wochen zuvor ergänzt hatte. Es musste ihm auch als Laie, was Versicherungsangelegenheiten angeht, bewusst sein, dass die Frage nach der Abgabe eidesstattlicher Versicherungen - sprich: nach den Vermögensverhältnissen - für die Sachaufklärung und für die Beurteilung einer Manipulation von Bedeutung war.
Vorsätzliche folgenlose Verstöße führen nur bei versicherungsrechtlicher Relevanz zur Leistungsfreiheit, das heißt bei schwerem Verschulden des Versicherungsnehmers, und nur, wenn der Verstoß generell geeignet war, also unerheblich, ob der Versicherer konkret einen Aufklärungsnachteil oder einen Schaden erlitt, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden ( BGH VersR 1982, 134; für die Kaskoversicherung: BGH VersR 1984, 228 [BGH 07.12.1983 - IVa ZR 231/81]).
Der Verstoß des Klägers war hier generell geeignet, die Interessen der beklagten Versicherung ernsthaft zu gefährden, unabhängig von der Frage, ob die Versicherung einen konkreten Aufklärungsnachteil oder Schaden erlitten hat. Das Verschweigen der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung im Zusammenhang mit einem angeblichen Kfz.-Diebstahl ist generell geeignet, einen Verdacht des Versicherers auf einen vorgetäuschten Versicherungsfall zu vermeiden und somit die Interessen der Versicherung an einer kritischeren Aufklärung des Sachverhalts mit dem Ergebnis der Leistungsfreiheit ernsthaft zu gefährden. Bei einem Benachteiligungsvorsatz, der bei falschen Angaben in der Sachversicherung in der Regel vorliegt, ist die Leistungsfreiheit des Versicherers zumeist anzuerkennen ( BGH VersR 1978, 74).
Die Beklagte hat den Kläger ferner über seine Aufklärungspflicht sowie über die Folgen der Verletzung dieser Pflicht ausreichend belehrt. Inhaltlich muss ausdrücklich und unmissverständlich darüber belehrt werden, dass vorsätzlich falsche Angaben, auch wenn sie folgenlos geblieben sind und dem Versicherer aus ihnen keine Nachteile erwachsen, zu einem Anspruchsverlust des Versicherungsnehmers und zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen können (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH VersR 1973, 174 [BGH 20.12.1972 - IV ZR 57/71] sowie die Nachweise bei Prölss/Martin-Knappmann § 7 AKB Rdz. 87 f. und § 34 VVG Rdz. 22). Eine schriftliche Belehrung darf nicht zu übersehen sein ( BGH VersR 1978, 121). Am Ende des Schadenanzeigeformulars, unmittelbar unter der unrichtig beantworteten Frage nach der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung befindet sich der fett gedruckte und deutlich sichtbare Hinweis: "Ich versichere, vorstehende Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht zu haben. Bewusst unwahre Angaben bewirken die Leistungsfreiheit des Versicherers, auch wenn dem Versicherer durch diese Angaben kein Nachteil entsteht." Der Kläger hat seine Unterschrift direkt unter diese Belehrung gesetzt.
Die Bezugnahme auf ein Formular genügt, wenn der Versicherungsnehmer es nach Ausfüllen durch den Agenten unterzeichnet hat (Prölss/Martin § 34 VVG Rdz. 22).
Zwar beherrscht der Kläger nach seinem Vorbringen die deutsche Sprache nicht fließend. Bei Ausländern genügt jedoch eine Belehrung in deutscher Sprache ( OLG Köln NVersZ 2001, 562; OLG Nürnberg VersR 1995, 1224). Der Kläger befand sich zudem in Begleitung des Zeugen G., das Formular wurde offenbar gemeinsam mit dem Sachbearbeiter der Beklagten besprochen und von diesem ausgefüllt. Die teilweise detaillierten Antworten, die in diesem Formular festgehalten sind, lassen jedenfalls den Schluss auf eine ausreichende Verständigung zu.
Die Berufung hat daher in der Sache Erfolg, die Klage ist abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.