Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 19.04.2007, Az.: 11 U 240/06
Voraussetzungen eines rechtmäßig ergangenen Teilurteils über den von einem Handelsvertreter geltend gemachten Ausgleichsanspruch; Gleichzeitige Geltendmachung von Provisionsansprüchen durch den Handelsvertreter; Bestehen einer Gefahr widersprechender Entscheidungen bei Geltendmachung mehrerer zusammenhängender Ansprüche
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 19.04.2007
- Aktenzeichen
- 11 U 240/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 35089
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2007:0419.11U240.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Bückeburg - 11.07.2006 - AZ: 2 O 442/01
Rechtsgrundlagen
- § 89a Abs. 2 HGB
- § 89b Abs. 1 HGB
- § 249 BGB
- § 287 ZPO
Fundstelle
- OLGReport Gerichtsort 2007, 790-791
Amtlicher Leitsatz
Ein Teilurteil über den von einem Handelsvertreter geltend gemachten Ausgleichsanspruch ist unzulässig, wenn der Handelsvertreter darüber hinaus in demselben Rechtsstreit Provisionsansprüche geltend macht, das Gericht über die Provisionsansprüche aber noch nicht entschieden hat.
In dem Rechtsstreit
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2007
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Landgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 11. Juli 2006 verkündete 2. Teilurteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg aufgehoben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, soweit das Landgericht über den Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz und Handelsvertreterausgleich entschieden hat.
...
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem Landgericht vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
...
Gründe
I.
Der Kläger war Handelsvertreter für den Beklagten und begehrt Erteilung eines Buchauszugs, Provision, Schadensersatz sowie Zahlung eines Ausgleichs nach Kündigung des Handelsvertretervertrags.
Der Beklagte vertrieb innerhalb Deutschlands unter anderem Produkte der Firmen D. (Stühle und Tische) und S. (Tische aus Glas/Metall). Am 15. April 1995 schlossen die Parteien einen Handelsvertretervertrag. Der Kläger wurde unter anderem mit der Vertretung der Firma D. (später auch S.) betraut. Mit Schreiben vom 31. August 2001 wandte sich der Kläger an den Beklagten und behauptete, dass unter anderem der Kunde p.o. provisionspflichtige Ware führe, welche vom Beklagten nicht abgerechnet worden sei. Nachdem der Beklagte auf die Bitte um Nachprovisionierung nicht reagierte, erbat der Kläger mit Schreiben vom 1. Oktober 2001 die Erstellung eines Buchauszugs betreffend den Zeitraum ab November 1996.
Mit Schreiben vom 5. Oktober 2001 kündigte der Beklagte den Handelsvertretervertrag mit sofortiger Wirkung. Zur Begründung wies er darauf hin, dass der Kläger auch für die Firma J. tätig geworden sei, welche Konkurrenzprodukte der Firma D. herstelle. Dabei ließ sich der Beklagte durch den Wirtschaftsverband ... vertreten. Eine Vollmacht war dem Kündigungsschreiben allerdings nicht beigefügt.
...
Nachdem der Kläger beim Landgericht Bückeburg Stufenklage eingereicht hatte auf Erteilung eines Buchauszugs und Zahlung der sich hieraus ergebenden Provisionsansprüche, kündigte der Beklagte den Handelsvertretervertrag mit Schreiben vom 11. Februar 2002 nochmals fristlos. Daraufhin kündigte der Kläger seinerseits den Handelsvertretervertrag mit Schreiben vom 13. Februar 2002 ebenfalls fristlos. Zur Begründung verwies er darauf, dass die Kündigung des Beklagten einer sachlichen Grundlage entbehre. Darüber hinaus habe er mittlerweile erfahren, dass der Beklagte ihm weitere erhebliche Provisionen aus dem Vertragsgebiet verschwiegen habe.
Das Landgericht hat den Beklagten mit 1. Teilurteil vom 10. Februar 2003 zur Erteilung eines Buchauszugs für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis zum 30. November 2001 verurteilt. Nach Erstellung des Buchauszugs durch den Buchprüfer M. hat der Kläger seinen Provisionsanspruch auf 39.103,00 EUR beziffert. Daneben begehrt er Erteilung eines weitergehenden Buchauszugs für die Zeit vom 1. Dezember 2001 bis zum 15. Februar 2002, Zahlung eines Ausgleichsanspruchs in Höhe von 21.000,00 EUR und Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 9.500,00 EUR. Der Beklagte begehrt widerklagend Zahlung von Schadensersatz aufgrund der angeblichen Konkurrenztätigkeit des Klägers.
Das Landgericht hat den Beklagten mit dem angefochtenen 2. Teilurteil vom 11. Juli 2006 antragsgemäß zur Erteilung des weitergehenden Buchauszugs verurteilt. Darüber hinaus hat das Gericht die Klage auf Zahlung von Handelsvertreterausgleich und Schadensersatz abgewiesen. Das Handelsvertreterverhältnis habe bis Mitte Februar 2002 fortbestanden, da die erste Kündigung des Beklagten mangels beigefügter Vollmacht unwirksam gewesen sei. Dementsprechend müsse der Beklagte auch bis Mitte Februar 2002 Buchauskunft erteilen. Ein Schadensersatzanspruch und ein Ausgleichsanspruch bestünden hingegen nicht, da der Beklagte die Kündigung des Klägers mit seiner eigenen Kündigung nicht veranlasst habe. Der Kläger habe vielmehr mitgeteilt, dass er die Kündigung als gegenstandslos betrachte. Demzufolge sei von einer einvernehmlichen Vertragsauflösung auszugehen, welche den geltend gemachten Ansprüchen aber entgegen stünde. Auf den weiteren Inhalt des Urteils wird Bezug genommen...
II.
Die zulässige Berufung des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht im Hinblick auf die Entscheidung über den geltend gemachten Handelsvertreterausgleich und den Schadensersatz...
1.
Das Teilurteil des Landgerichts Bückeburg ist unzulässig, soweit das Gericht lediglich über den geltend gemachten Ausgleichs und Schadensersatzanspruch entschieden hat. Ein Teilurteil darf nur dann ergehen, wenn es von der Entscheidung über den Rest des Anspruchs unabhängig ist. Unzulässig ist ein Teilurteil hingegen, wenn die Gefahr widersprechender Entscheidungen besteht. In diese Beurteilung ist die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung im Instanzenzug einzubeziehen (vgl. BGH, NJW 1991, 26992700 [BGH 05.06.1991 - VIII ZR 168/90]; BGH, NJWRR 1990, 1303 - 1305; BGH, MDR 1989, 895 - 896; OLG Celle, OLGR Celle 1998, 103).
Die Gefahr einander widersprechender Entscheidung ist im vorliegenden Fall gegeben. Das Landgericht hat den geltend gemachten Ausgleichsanspruchs gemäß § 89 b Abs. 1 HGB bzw. den auf die angeblich durch den Beklagten veranlasste Kündigung des Klägers gestützten Schadensersatzanspruch gemäß § 89 a Abs. 2 HGB mit der Begründung verneint, der Beklagte habe die Kündigung des Klägers nicht veranlasst. Keine Entscheidung hat das Landgericht bislang jedoch über Grund und Höhe des parallel geltend gemachten Provisionsanspruchs getroffen. Dies begründet aber die Gefahr divergierender Entscheidungen, denn eine Unabhängigkeit von Ausgleichs, Schadensersatz und Provisionsanspruch kann nur dann bejaht werden, wenn auch die Gerichte höherer Instanz zu dem Ergebnis kommen, dass Ausgleichs und Schadensersatzanspruch bereits dem Grunde nach nicht bestehen.
Sollte das Berufungsgericht oder der Bundesgerichtshof hingegen zu einem anderen Ergebnis kommen, wäre gemäß § 538 Abs. 1 ZPO im Anschluss über die Höhe von Ausgleichs und Schadensersatzanspruch zu entscheiden. Beide Ansprüche werden der Höhe nach aber zumindest mittelbar beeinflusst durch die Höhe der vom Beklagten in der Vergangenheit erzielten Provisionen. Für den Ausgleichsanspruch folgt dies aus § 89 b Abs. 2 HGB. Für den Schadensersatzanspruch ergibt sich dies aus dem Begriff des Schadens in § 89 a Abs. 2 HGB in Verbindung mit §§ 249 BGB, 287 ZPO. Damit besteht aber die Gefahr, dass die zwischen den Parteien streitige Frage der in der Vergangenheit vom Kläger erwirtschafteten Provisionen von Landgericht und Oberlandesgericht unterschiedlich beurteilt wird und beide Gerichte somit auch zu einander widersprechenden Ergebnissen kommen (vgl. OLG München, NJWRR 1992, 1191 - 1192).
Aufgrund der dargestellten Gefahr divergierender Entscheidungen hat der Senat von der Möglichkeit der Zurückverweisung gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO Gebrauch gemacht.
2.
...