Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 07.01.2003, Az.: 3 B 346/02

häusliche Krankenpflege; Kündigung; ortsgebundenes Rechtsverhältnis; Vereinbarung; örtliche Zuständigkeit

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
07.01.2003
Aktenzeichen
3 B 346/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 47649
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Für Rechtsstreitigkeiten über Vereinbarungen nach § 92 Abs. 2 BSHG zwischen dem Träger einer stationären Einrichtung und dem überörtlichen Sozialhilfeträger gilt der Gerichtsstand des ortsgebundenen Rechtsverhältnisses.

2. Eine wesentliche Änderung der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse ist bei einer Kündigung nach § 59 SGB X im Einzelnen zu belegen.

3. Zur Rechtsauffassung, die §§ 140a ff. SGB V i.d.F. d. Gesetzes vom 22.12.1999 und 22.04.2002 möglichen Trägern stationärer Einrichtungen für den Personenkreis des § 72 BSHG Vereinbarungen über die häusliche Krankenpflege iSv § 37 SGB V mit den Krankenkassen zu schließen

Tenor:

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, bis zur Entscheidung in der Hauptsache keine Rechte aus der Kündigung der Vereinbarungen über die Krankenstation zum 31.12.2002 herzuleiten.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1

I. Der Antragsteller, Mitglied im Diakonischen Werk der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche, betreibt seit über 100 Jahren in K. eine stationäre Einrichtung, deren Schwerpunkt in der Nichtsesshaftenhilfe liegt, heute als eine stationäre Einrichtung zur Gewährung von Hilfe in besonderen Lebenslagen gemäß § 72 BSHG. Ebenso umfasst das stationäre Hilfeangebot des Antragstellers auch eine Hilfegewährung nach den §§ 39 ff. BSHG bzw. nach dem SGB XI und stationäre Hilfeleistungen nach den §§ 69 ff. BSHG, sowie nachgehende ambulante Hilfe für den Personenkreis des § 72 BSHG.

2

Die Pflege und Behandlung vorübergehend bettlägerig erkrankter Bewohner erfolgte bis ca. 1985 dezentral in den jeweiligen Wohnbereichen. Die mit dieser Betreuung verbundenen erhöhten Kosten im personellen und sächlichen Bereich wurden bei der Pflegesatzvereinbarung - Festlegung eines einheitlichen Pflegesatzes - berücksichtigt. Nach 1985 wurde ein eigenes Gebäude „Krankenstation“ mit 14 Betten errichtet. Für diese neue Krankenstation wurde ein eigenständiger Pflegesatz zwischen dem Antragsteller und dem Land Niedersachsen, vertreten durch den Antragsgegner, vereinbart. Vorteil dieser Krankenstation ist nach Auffassung des Antragstellers im beiderseitigen Einverständnis gewesen, dass die Unterbringungs- und Betreuungsbedürfnisse der erkrankten Bewohner besser befriedigt werden konnten und durch die Konzentration in einem Gebäude Kosteneinsparungen möglich waren. Das Landessozialamt Niedersachsen führte dazu in einem Schreiben vom 07.12.1992, in dem die Aufstockung der personellen Ausstattung für die Krankenstation im Wirtschaftsdienst abgelehnt wurde, Folgendes aus:

3

„Im Übrigen handelt es sich bei der Krankenstation nicht um ein eigenständiges Hilfeangebot, sondern um ein spezielles Hilfeangebot im Rahmen der Hilfe nach § 72 BSHG. Hierdurch soll dem besonderen Hilfe- bzw. Betreuungsbedarf des Personenkreises nach § 72 BSHG auch bei einer notwendigen Betreuung im Krankheitsfall Rechnung getragen werden. Eine Gleichstellung mit einem Pflegeheim ist allerdings nicht beabsichtigt.“

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Für die Krankenstation wurde zwischen den Parteien bis einschließlich für das Jahr 2001 jeweils eine Vergütungsvereinbarung mit einem gesonderten Pflege- bzw. Vergütungssatz abgeschlossen, der zuletzt für das Jahr 2001 77,23 EUR täglich betrug. Der Antragsteller als Mitglied des Diakonischen Werkes der Ev.-Luth. Landeskirche H. und mittelbar als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege hatte mit dem Land zwischen 1980 und 2001 landesrahmenvertragliche Vereinbarungen getroffen - zuletzt Übergangsfassung zum Landesrahmenvertrag gemäß § 93 d Abs. 2 BSHG, gültig für die Zeit vom 01.01.1999 bis zum 31.12.2001 -, ohne dass Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen in der Krankenstation in einer Leistungsvereinbarung vollständig schriftlich festgehalten wurden. Dem neuen Landesrahmenvertrag - gültig ab 01.01.2002 - trat der Spitzenverband des Antragstellers, wie auch andere Verbände von Einrichtungsträgern, aus verschiedenen Erwägungen bisher nicht bei. Für das Jahr 2002 kam daraufhin eine einverständliche Vergütungsvereinbarung für die Krankenstation zwischen den Parteien nicht zustande. Auf den von dem Antragsteller gestellten Antrag vom 27.03.2002 traf die Schiedsstelle nach § 94 BSHG in ihrer Sitzung vom 27.08.2002 die Entscheidung, dass die am 31.12.2001 gültige Vergütung ab 08.05.2002 um 1,54 % erhöht wird. Gegen diese Entscheidung hat der Antragsgegner am 30.10.2002 Anfechtungsklage – Az. 3 A 309/02 - erhoben. Zuvor hatte der Antragsteller bereits am 23.07.2002 gegen den Antragsgegner Klage mit dem Ziel erhoben festzustellen, dass zwischen den Parteien eine Leistungsvereinbarung über die Einrichtung „Krankenstation K.“ gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BSHG nach Maßgabe einer bestimmten schriftlich formulierten Anlage besteht. Hilfsweise richtet sich die Klage auf den Abschluss einer entsprechenden Leistungsvereinbarung.

5

Im Zuge der Verhandlungen über die Leistungs- und Vergütungsvereinbarung hatte das Land Niedersachsen, vertreten durch den Antragsgegner, bereits die Auffassung vertreten, die Kosten für die stationäre Einrichtung Krankenstation seien vorrangig von der gesetzlichen Krankenversicherung und der Pflegeversicherung zu tragen. Mit Schreiben vom 23.07.2002 lehnte der Antragsgegner darum das Leistungsangebot des Antragstellers mit der Begründung ab, die in der Krankenstation erbrachten Leistungen seien nicht § 72 BSHG zuzuordnen, sondern es handele sich um Krankenhilfe im Sinne des § 37 BSHG bzw. Krankenbehandlung gemäß §§ 27 ff. SGB V, für die originär die Zuständigkeit der Krankenversicherung gegeben sei. Zur Erhaltung dieser Versorgungsform sei deswegen der Abschluss eines Vertrages nach § 140 SGB V erforderlich. Ohne in dem Verfahren 3 A 183/02 auf die Klage zu erwidern und ohne die Klage in dem Verfahren 3 A 309/02 zu begründen, kündigte der Antragsgegner mit Schreiben vom 25.11.2002 gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB X die zwischen der Antragstellerin und dem NLZSA bestehende Vereinbarung für die Leistungen der „Krankenstation K.“ zum 31.12.2002. Zur Begründung führte der Antragsgegner im Wesentlichen aus:

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„Seit erstmaliger Vereinbarung eines Pflegesatzes im Jahre 1985 haben sich sowohl die Rechtsvorschriften - hier: § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 (Inhalt der Leistungen); § 93 a BSHG - Festlegung wesentlicher Leistungsmerkmale -, die für die Beschreibung des vereinbarten Vertragsinhalts maßgebend sind, als auch die tatsächlichen Verhältnisse in Ihrer Einrichtung wesentlich geändert.“

7

Der Antragsteller hat daraufhin am 29.11.2002 eine Feststellungsklage zum Zwecke der Feststellung erhoben, dass die bestehende Leistungsvereinbarung für die Einrichtung „Krankenstation K.“ fortbesteht und gleichzeitig den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel beantragt anzuordnen, dass der Antragsgegner bis zur Entscheidung in der Hauptsache keine Rechte aus seinem Kündigungsschreiben vom 25.11.2002 herleiten kann.

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Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens trägt der Antragsteller vor, dass die ausgesprochene Kündigung unwirksam sei. Eine freie Kündigungsmöglichkeit der als öffentlich-rechtlicher Vertrag ausgestalteten Vereinbarung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BSHG von Seiten des Sozialhilfeträgers sei ausgeschlossen, dies ergebe sich seit dem 01.01.1999 aus § 93 c BSHG, dessen Sinn es sei, die Rechtslage hinsichtlich der möglichen Beendigung von Vereinbarungen nach § 93 Abs. 2 Satz 1 BSHG durch den Sozialhilfeträger den entsprechenden Regelungen des SGB XI, insbesondere des § 74 Abs. 2 SGB XI, anzupassen. Seitdem gebe es nur noch die Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund im Sinne von § 93 c Satz 1 BSHG und die des § 59 SGB X. Die Voraussetzungen des § 59 SGB X für eine Kündigung seien nicht gegeben. Nicht jede Änderung der Sach- und Rechtslage reiche aus, um dem Sozialhilfeträger das besondere Kündigungsrecht des § 59 SGB X zu geben, diese müsse vielmehr so wesentlich sein, dass sich aus ihr die für eine Kündigung erforderliche Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag ergibt. Die Kündigung könne danach nur die ultima ratio sein. Vor dem Ausspruch einer Kündigung habe der Versuch zu stehen, den Vertrag an die aus Sicht des Sozialhilfeträgers bestehenden Änderungen anzupassen. Aus diesem Grunde sei es auch Pflicht des Sozialhilfeträgers zu ermitteln, ob tatsächlich wesentliche Änderungen der Geschäftsgrundlage eingetreten seien und ob Anpassungsmöglichkeiten an die von ihm angenommene Veränderung der Verhältnisse gegeben seien. Schließlich habe der Sozialhilfeträger alle Umstände zu ermitteln und abzuwägen, die für und gegen eine Kündigung sprächen. Wenn der Sozialhilfeträger diese Obliegenheiten nicht erfülle, mache dies eine trotzdem ausgesprochene Kündigung von vornherein unwirksam, ohne dass es auf die Kündigungsgründe im Einzelnen ankomme. Der Antragsgegner habe im vorliegenden Fall weder den Sachverhalt sorgfältig ermittelt, noch eine Anpassung des Vertrages an die aus seiner Sicht veränderten Verhältnisse angestrebt, noch eine Abwägung der für und gegen eine Kündigung sprechenden Gründe vorgenommen. Auch habe er das rechtliche Gehör der Antragstellerin verletzt. Er habe seine Kündigungsabsicht zwar mit Schreiben vom 11.11.2002 dargelegt, auf die Bitte, die Frist zur Stellungnahme bis zum 15.12. zu verlängern, aber nicht reagiert, sondern die Kündigung bereits vor Ablauf der von ihm selbst gesetzten Frist zur Stellungnahme ausgesprochen.

9

Die Kündigung sei deswegen unwirksam, ohne dass es auf die vom Antragsgegner geltend gemachten Kündigungsgründe ankomme. Die angeführten Gründe seien aber auch in der Sache nicht zutreffend. Die Leistung der Einrichtung bestehe lediglich in einer Befriedigung der durch die Krankheit der stationär in der Regel nach § 72 BSHG aufgenommenen Hilfeempfänger erhöhten Unterbringungs- und Pflegebedürfnisse, die in konzentrierter räumlicher Form kostengünstiger befriedigt werden könnten. Die Einrichtung Krankenstation erbringe darüber hinausgehende Leistungen nach dem SGB V bzw. früher nach der RVO nicht. Solche Leistungen würden, wenn sie erbracht würden – z.B. ärztliche Behandlungen -, von den Leistungserbringern - nicht der Einrichtung Krankenstation - zu Ansprüchen nach dem SGB V oder nach § 37 BSHG führen. Zu den gesetzlichen Krankenkassen bestehe kein Vertragsverhältnis. Eine mit der AOK Gifhorn-Wolfsburg-Helmstedt geschlossene Vereinbarung über die Durchführung ausgelagerter häuslicher Krankenpflege sei von der AOK zum 31.12.1995 gekündigt worden, da eine erwartete Ausweitung der Leistungen nach § 37 SGB V auf stationär in Heimen lebende Personen nicht gesetzlich geregelt worden sei. Es treffe nicht zu, dass den Teilnehmern der Einrichtung Krankenstation das Recht auf freie Arztwahl verweigert werde oder „geradezu eingeschränkt“ sei. Die Einrichtung Krankenstation nehme auf die Auswahlentscheidung ihrer Bewohner hinsichtlich der ärztlichen Versorgung keinen Einfluss. Jedem erkrankten Hilfeempfänger stehe es frei, die medizinische Betreuung durch entweder einen bei der Antragstellerin angestellten Arzt in Anspruch zu nehmen oder sich für einen niedergelassenen Arzt außerhalb der Einrichtung zu entscheiden. Im Übrigen gebe es „in G.“ keine Einrichtung, die die stationären Hilfebedürfnisse der Hilfebedürftigen im Sinne von § 72 BSHG befriedigen könne. In einer derartigen Einrichtung blieben die Hilfebedürftigen, auch wenn sie erkrankt seien, und in die Krankenstation verlegt werden würden. Hiervon gebe es unzweifelhaft in G. kein alternatives Angebot. Es sei zwar richtig, dass der Antragsgegner nicht der zuständige Leistungsträger für die Sicherstellung der medizinischen Versorgung sei. Die Leistungen der Krankenstation seien aber weder eine medizinische Versorgung noch eine vertragsärztliche Versorgung und auch keine medizinische stationäre Krankenhausbehandlung. Wenn eine Krankenhausbehandlung erforderlich sei, werde ein entsprechender Bewohner in ein derartiges Krankenhaus eingewiesen.

10

Für den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz liege sowohl ein Sicherungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund vor. Es werde der Erlass einer Sicherungsanordnung im Sinne von § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO begehrt mit dem Ziel der Bewahrung des status quo. Der durch § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 93 a BSHG geschaffene Anspruch des Antragstellers auf Vereinbarung und Festsetzung leistungsgerechter Pflegesätze (BVerwG, Urt. v. 01.12.1998, 5 C 17.97, E 108, 47) wäre gefährdet, wenn durch die Kündigung das Fortbestehen der Vereinbarungen in Frage gezogen werde. Nach dem Beschluss des OVG Lüneburg vom 29.03.1996 - 4 M 880/95 –sei ein Anordnungsgrund auch gegeben, wenn die Einrichtung sich bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, also unter Umständen für viele Jahre, mit einem zu niedrigen Entgelt zufrieden geben müsste.

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Der Antragsteller beantragt,

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dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, bis zur Entscheidung in der Hauptsache keine Rechte aus der Kündigung vom 25.11.2002 herzuleiten.

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Der Antragsgegner beantragt,

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den Antrag zurückzuweisen.

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Der Antragsgegner ist der Ansicht, dass für die institutionelle Vereinbarung der von dem Antragsteller in der Krankenstation durchgeführten stationären Krankenbehandlung seine Zuständigkeit nicht bestehe. Es handele sich um eine Einrichtung, in der allein Leistungen gemäß den §§ 27, 37 SGB V bzw. 37 BSHG erbracht würden. Die von dem Antragsteller 1995 vorgelegte Entgeltkalkulation für das Wirtschaftsjahr 1996 weise aus, dass von Anfang an nur ein Bedarf nach § 37 BSHG bzw. § 37 SGB V den Vereinbarungen zugrunde gelegen habe. Da es nicht darum gehe, einen im Einzelfall bestehenden Anspruch auf Krankenhilfe nach § 37 BSHG im Rahmen seiner Zuständigkeit gemäß § 100 Abs. 2 BSHG nicht zu erfüllen, sei auch ein Anordnungsgrund nicht ersichtlich. Er sei aus den Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit daran gehindert, von einer Vereinbarung gemäß § 93 Abs. 2 BSHG auszugehen und Leistungen zu erbringen, für die primär andere Sozialleistungsträger zuständig seien.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

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II. Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet.

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Das erkennende Gericht ist für die Entscheidung gemäß § 52 Nr. 1 VwGO örtlich zuständig. Das vorliegende vorläufige Rechtsschutzverfahren betrifft ein ortsgebundenes Recht bzw. Rechtsverhältnis im Sinne des § 52 Nr. 1 VwGO, nämlich die Kündigung einer Vergütungs- bzw. Leistungsvereinbarung für eine stationäre Einrichtung – hier Krankenstation -, die wesentlich an ein Betriebsgebäude gebunden ist. Nach dem Sinn und Zweck des § 52 Nr. 1 VwGO ist ein ortsgebundenes Rechtsverhältnis auch dann anzunehmen, wenn ein Recht oder Rechtsverhältnis derart eng an die belegene Sache, z.B. ein bestehendes Betriebsgebäude, gebunden ist, dass es ohne dieses nicht denkbar ist (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 30.11.2000 – 13 A 1600/98 -, zitiert nach Juris). So liegt der Fall hier.

19

Der Antragsteller hat auch die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO erforderliche Eilbedürftigkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) und den erforderlichen Anordnungsanspruch, d.h. die überwiegende Wahrscheinlichkeit für die materielle Berechtigung seines Begehrens, glaubhaft gemacht.

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Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Ferner sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn die Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Für beide Formen der einstweiligen Anordnung, sowohl für die Sicherungsanordnung als auch die Regelungsanordnung, gilt nach Wesen und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens, dass die vorläufige Regelung grundsätzlich die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen darf. Hiervon wird insbesondere im Sozialhilferecht aber dann eine Ausnahme gemacht und eine Verpflichtungserbringung von Geldleistungen ausgesprochen, wenn der Antragsteller die tatsächlichen Voraussetzungen für einen bestehenden Anspruch und weiterhin glaubhaft macht, er befinde sich wegen fehlender anderer Geldmittel in einer existentiellen Notlage und sei deswegen – mit gerichtlicher Hilfe – auf die sofortige Befriedigung seines Anspruchs dringend angewiesen (Anordnungsgrund).

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Es kann dahinstehen, ob es sich bei der von dem Antragsteller begehrten einstweiligen Anordnung um eine Anordnung im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 1 oder eine nach Satz 2 VwGO handelt (vgl. Redeker/von Oertzen, Kommentar zur VwGO, 12. Aufl., § 123 Rz. 5). Der Antragsteller hat jedenfalls sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Für den Antragsteller als Betreiber einer Einrichtung nach § 93 BSHG mit über 370 Plätzen ist die Vereinbarung oder Festsetzung einer Vergütung für die in der sogenannten „Krankenstation“ erbrachten Leistungen in nicht geringer Höhe unzweifelhaft von beträchtlicher wirtschaftlicher Bedeutung. Soweit der Antragsgegner darauf verweist, dies sei nicht der Fall, weil auch ab 01.01.2003 im Einzelfall Leistungen gemäß § 37 BSHG erbracht würden, so führt dies nicht zum Fortfall des Anordnungsgrundes, da derartige Leistungen nur subsidiär gewährt werden würden. Müsste sich der Antragsteller bis zu einer Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung in der Hauptsache und über das Bestehen von Leistungs- bzw. Vergütungsvereinbarungen, also unter Umständen für viele Jahre, mit einem nicht geregelten Zustand und der – teilweisen - Nichtberücksichtigung der Aufwendungen für die Krankenstation in den Entgelten zufrieden geben, so könnte dies den Betrieb der Krankenstation gefährden. Eine Nachzahlung für die Vergangenheit käme dann zu spät (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 29.03.1996 – 4 M 880/95 -). Auch bliebe unklar, welche Vergütung im Einzelfall von den Sozialhilfeträgern nach § 93 Abs. 3 BSHG zu tragen wäre.

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Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Wird über die Wirksamkeit einer Kündigung nach §59 SGB X gestritten, so ist ein solcher Anspruch dann anzunehmen, wenn im summarischen Verfahren überwiegende Gründe dafür sprechen, dass die Kündigung nicht wirksam ist und eine Abwägung der widerstreitenden Interessen ergibt, dass die Interessen des Antragstellers an einer Aufrechterhaltung des Status quo schwerer wiegen als die des Antragsgegners. Nach § 59 Abs. 1 SGB X kann eine Vertragspartei einen öffentlich-rechtlichen Vertrag kündigen, wenn sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhaltes maßgebend gewesen sind, seit Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert haben, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist und eine Anpassung des Vertragsinhaltes an die geänderten Verhältnisse nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist. Die Behörde kann danach den Vertrag auch kündigen, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. Voraussetzung für eine wirksame Kündigung eines Vertrages ist damit zunächst eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhaltes maßgebend gewesen sind. Eine solche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse hat der Antragsgegner nach summarischer Prüfung nicht dargetan. Wenn dieser im vorliegenden Verfahren anführt, dass von Anfang an lediglich ein Bedarf nach § 37 BSHG bzw. § 37 SGB V den Vereinbarungen zugrunde gelegen habe und für die institutionelle Vereinbarung von stationärer Krankenbehandlung seine Zuständigkeit nicht bestehe, so ergibt sich aus diesem Vorbringen nicht, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert hätten. Auch die Ausführungen im Kündigungsschreiben des Antragsgegners vom 25.11.2002, wonach sich die tatsächlichen Verhältnisse in der Einrichtung nach der vorgelegten Leistungsbeschreibung wesentlich geändert hätten, belegt nicht, worin diese Änderung liegen soll. Der Hinweis, die Einrichtung leiste lediglich Krankenhilfe im Sinne des § 37 BSHG bzw. § 27 und § 37 SGB V, steht im Widerspruch zum Schreiben des Antragsgegners vom 01.03.2000 an das Sozialamt der Stadt B., welches hierzu eine Anfrage gehalten hatte. In diesem Schreiben heißt es:

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„Die D. Heime K. e.V. halten im Rahmen ihres stationären Hilfeangebotes nach § 72 BSHG auch eine Krankenstation zur häuslichen Pflege vor. Hierbei handelt es sich nicht um einen selbständigen Einrichtungsbereich, sondern um ein spezielles Hilfeangebot im Rahmen der Hilfe nach § 72 BSHG. Es werden dort Hilfeempfänger untergebracht, bei denen bereits im Zeitpunkt der Aufnahme in den stationären Betreuungsbereich oder während der stationären Betreuung krankenpflegerische Maßnahmen notwendig werden und diese krankenpflegerischen Maßnahmen entweder noch zu keiner Krankenhausaufnahme führen können oder führen müssen oder aber als eine Vorsorge gemäß § 36 BSHG anzusehen sind.“

24

Es heißt in diesem Schreiben weiter:

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„Eine Kostenbeteiligung bzw. Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen nach den Vorschriften des SGB V erfolgt bei derartigen Hilfeangeboten in der Regel auf der Grundlage einer besonderen Vereinbarung mit der Arbeitsgemeinschaft der gesetzlichen Krankenkassen. Sofern im vorliegenden Fall eine Leistungspflicht der Krankenkassen aufgrund der Grundlage einer besonderen Vereinbarung nicht gegeben ist, wurde die Kostenrechnung des Einrichtungsträgers zu Recht erhoben.“

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Dies bedeutet, dass der Antragsgegner selber noch im Jahre 2000 davon ausgegangen ist, dass in der Teileinrichtung Krankenstation in erster Linie Hilfe nach § 72 BSHG erbracht wird. Auch das Vorbringen, eine wesentliche Änderung der Verhältnisse ergebe sich aus der Änderung der rechtlichen Vorschriften, hat der Antragsgegner nicht näher belegt. Für die offenbar auch nach dem Vorbringen des Antragsgegners im Wesentlichen in der Krankenstation erbrachte Hilfe, die der häuslichen Pflege nach § 37 SGB V vergleichbar ist, ist eine Zuständigkeit der Krankenkassen nach § 37 SGB V nicht zweifelsfrei gegeben. Dem Wortlaut nach ist die Krankenversicherung nach § 37 SGB V nur dafür zuständig, eine häusliche Krankenpflege im Haushalt des Versicherten, d.h. für den Fall sicherzustellen, dass der Versicherte im eigenen Haushalt bzw. im Haushalt seiner Familienmitglieder lebt. Dies hat für in Einrichtungen der Eingliederungshilfe untergebrachte Behinderte zu einer Erklärung des Deutschen Vereins – abgedruckt in NDV 2001, 233 – dahingehend geführt, dass verlangt wird, dass die zustehende gesetzliche Leistung der häuslichen Krankenpflege auch stationär untergebrachten Menschen mit psychischer und/oder körperlicher Behinderung, die in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe leben, erbracht werden soll. Für pflegebedürftige Menschen bestehen die Sonderregelungen des SGB XI (§ 43a i.V.m. § 43 Abs. 2 SGB XI) und damit jedenfalls im gegenwärtigen Zeitraum auch kein Anspruch auf häusliche Krankenpflege gegen die Krankenversicherung. Eine bereits gesetzlich geregelte vorrangige Verpflichtung der Krankenversicherung für den stationär untergebrachten Personenkreis des § 72 BSHG ist danach nicht ersichtlich. Unstreitig besteht auch kein Vertrag über integrierte Versorgungsformen nach § 140b SGB V. Nach summarischer Prüfung ist rechtlich nicht geklärt, ob ein solcher Vertrag für die vorliegende tatsächliche Versorgung in der Krankenstation mit dem Antragsteller überhaupt in Betracht kommt. Sollte dies der Fall sein, so läge zur Zeit noch keine Änderung der Verhältnisse vor, die eine Kündigung rechtfertigte. Vielmehr müsste nach Auffassung des Gerichts von dem Antragsteller zunächst verlangt werden, sich um einen derartigen Vertragsabschluss zu bemühen. Eine Kündigung zum Ende des laufenden Jahres vor dem Versuch einer Anpassung des Vertrages ist aber nicht gerechtfertigt.

27

Dies gilt auch, soweit in der Krankenstation auch Sterbebegleitung, also Hospizarbeit, geleistet wird, und mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen unter Umständen Vereinbarungen hierüber getroffen werden könnten.

28

Dem Anspruch des Antragstellers steht auch nicht entgegen, dass die Leistungsvereinbarung nur „vorsorglich“ gekündigt wurde, da der Antragsgegner die Auffassung vertritt, eine Leistungsvereinbarung im Sinne der §§ 93 Abs. 2, 93a BSHG n.F., die Grundlage für die Festsetzung bzw. den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung sein könne, bestehe für die Krankenstation nicht. Diese Fragen sind Gegenstand der zwischen den Parteien anhängigen weiteren verwaltungsgerichtlichen Rechtstreitigkeiten. Bis zu deren Entscheidung gilt aber gemäß § 93b Abs. 2 Satz 4 BSHG die bisherige Vergütungsvereinbarung weiter. Der Anspruch des Antragstellers im vorliegenden Verfahren ist darum auf Erhaltung dieser Fortgeltungsregelung trotz der ausgesprochenen Kündigung gerichtet.

29

Bei Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Fortdauer der bis einschließlich 2001 einvernehmlich geregelten Handhabung zum Zwecke der Sicherung des Fortbestandes der Einrichtung. Das öffentliche Interesse des Sozialhilfeträgers daran, nicht mit Kosten belastet zu werden, für die die Zuständigkeit anderer Sozialleistungsträger gegeben ist, tritt demgegenüber hinter diesem Interesse zurück, zumal der Sozialhilfeträger ggf. Kostenerstattung gemäß den §§ 102 ff. SGB X von den vorrangig verpflichteten Sozialleistungsträgern verlangen kann.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 i.V.m. § 188 Satz 2 VwGO.