Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 23.01.2003, Az.: 3 A 51/02

Aufwendungen; Betreuung; Rückforderung; Unterhaltspflicht; Vermögen

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
23.01.2003
Aktenzeichen
3 A 51/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 47907
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Rückforderungsansprüche eines grundsätzlich Eingliederungshilfeberechtigten gegenüber seinen zu Betreuern bestellten Eltern wegen zu Unrecht gegenüber seinem Vermögen geltend gemachter Aufwendungsersatzansprüche aus §§ 1908 i, 1835, 670 BGB stellen Vermögen iSv § 88 Abs. 1 BSHG dar, die eine Kostenübernahme für vollstationäres Wohnen hindern.

2. Haben zu Betreuern bestellte Eltern eines dauerhaft behinderten (volljährigen) Kindes, welches erhebliches Vermögen besitzt, über Jahre Verbindlichkeiten des Kindes erfüllt, ohne sich über eine Erstattung des Kindes Gedanken gemacht zu haben, kann diesen Leistungen nicht Jahre später durch reine Behauptung eine Zweckbestimmung dahingehend gegeben werden, dass es sich seinerzeit um Aufwendungen iSv §§ 1908i, 1835, 670 BGB gehandelt haben soll.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Übernahme der Kosten für seine vollstationäre Unterbringung in der C. ab 23.04.2001 im Wege der Eingliederungshilfe.

2

Er ist am 09.09.1977 geboren und geistig behindert. Seine Eltern sind seit 1995 zu Betreuern bestellt. Seit September 1996 lebte er im C. in einer vollstationären Heimsonderschule. Dem Kläger wurde Eingliederungshilfe in Form der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung seitens des Beklagten gewährt. Seine Eltern trugen einen Kostenbeitrag in Höhe der für den häuslichen Lebensunterhalt ersparten Aufwendungen entsprechend ihnen gegenüber erlassener Bescheide. Im Sommer 2000 war zunächst beabsichtigt, den Schulbesuch des Klägers um ein weiteres Schuljahr zu verlängern. Bei der Stellung eines Bafög-Antrages im November 2000 gab der Kläger beim Beklagten an, Wertpapiere in Höhe von 116 531,00 DM zu besitzen.

3

Seit dem 23.04.2001 lebt der Kläger in der Dorfgemeinschaft H. in D., wo ein Arbeitstraining in der Werkstatt für Behinderte stattfindet. Bereits mit Schreiben vom 20.02.2001 hatte der Vater des Klägers beim Beklagten die Kostenübernahme beantragt. Gleichzeitig machte er geltend, in der Vergangenheit Aufwendungen in Höhe von 112.000,00 DM gehabt zu haben, die er für den Kläger verauslagt habe. Diese habe er im Dezember 2000 geltend gemacht, so dass der Kläger Anfang Januar 2001 lediglich noch über einen Betrag von 4.014,09 DM verfüge. Bei den Aufwendungen habe es sich um Beiträge für die private Krankenversicherung des Klägers, nicht durch die Krankenversicherung erstattete Krankenhilfeaufwendungen, Kosten für Bekleidung, den von den Eltern an den Beklagten gezahlten Kostenbeitrag, anteilige Urlaubskosten und Kosten für Fahrten einschließlich Unterkunft und Spesen zum Besuch des Klägers seit 1996 gehandelt.

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Mit Bescheid vom 19.03.2001 lehnte der Beklagte die beantragte Sozialhilfe in Form von Übernahme der Heimkosten für die C. unter Hinweis darauf ab, dass dem Kläger die Aufbringung der Mittel aus seinem eigenen Vermögen zuzumuten sei. Dem Kläger stehe ein Schonbetrag in Höhe von 4.500,00 DM zur Verfügung. Im November 2000 habe dieser noch über Vermögenswerte in Höhe von 116.531,00 DM verfügt. Zum Zeitpunkt des Kostenübernahmeantrages habe dieses Vermögen nur noch 4.014,09 DM betragen, da sein Vater einen großen Teil der Vermögenswerte auf seine Konten übertragen habe. Da zum Zeitpunkt der Vermögensübertragung bereits bekannt gewesen sei, dass der Kläger in absehbarer Zeit zwangsläufig auf Sozialhilfe angewiesen sein werde, sei diese Vermögensübertragung sittenwidrig und gemäß § 138 BGB nichtig. Die Nichtigkeit führe zu einem Herausgabeanspruch des Klägers gegen seinen Vater. Das übertragene Vermögen stelle sozialhilferechtlich weiterhin verwertbares Vermögen im Sinne des § 88 Abs. 1 BSHG dar, womit die entstehenden Heimkosten getragen werden könnten. Dagegen hat der Kläger am 26.03.2001 Widerspruch erhoben.

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In einem am 18.07.2001 angestrengten einstweiligen Rechtsschutzverfahren (3 B 222/01) machte der Kläger geltend, ihm stehe gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe nach §§ 39, 40 BSHG zu. Er habe kein Vermögen, welches er zur Bestreitung der Heimkosten einsetzen könne. Die Abrechnungen seines Vaters seien nicht sittenwidrig. Der Beklagte unterstelle zu Unrecht, dass er sein Vermögen verbraucht habe, um sozialhilfebedürftig zu sein. Im Zeitpunkt der Vermögensübertragung sei ihm bzw. seinen Eltern nicht bekannt gewesen, dass er demnächst auf Leistungen nach dem BSHG angewiesen sein werde, die lediglich einkommens- und vermögensabhängig gezahlt würden. Zu diesem Zeitpunkt sei man noch davon ausgegangen, dass seine Schulzeit verlängert werde. Der Vermögensübertragung im Dezember 2000 sei vielmehr folgender Sachverhalt vorausgegangen: Anlässlich eines Hausbesuches des Vormundschaftsrichters nach den Sommerferien 2000 sei über die Betreuung in den letzten fünf Jahren und über eine weitere Bestellung als Betreuer für weitere fünf Jahre gesprochen worden. Bei diesem Gespräch sei auch erörtert worden, inwieweit seine Eltern ihm gegenüber die verauslagten Kosten geltend machen könnten. Daraufhin habe sein Vater mit Schreiben vom 23.10.2000 dem Amtsgericht Wolfenbüttel eine Kostenaufstellung für die Jahre 1998 bis 2000 mit der Frage geschickt, ob die aufgeführten Kosten geltend gemacht werden könnten. Das Amtsgericht habe mitgeteilt, dass seine Eltern weitgehend von vormundschaftsgerichtlichen Gegenkontrollen freigestellt seien und gegenüber dem Gericht keine Rechnungslegung vornehmen müssten. Es genüge, wenn die geführten Unterlagen nachvollziehbar dokumentiert würden. Daraufhin habe sein Vater den Zeitraum für die Kostenerstattung auf die Jahre 1996 und 1997 erweitert und die Vermögensübertragung vorgenommen. Vor diesem Hintergrund sei die Kostenerstattung gegenüber seinen Eltern nur deshalb im Dezember 2000 vorgenommen worden, weil der Betreuungszeitraum von fünf Jahren abgelaufen gewesen sei und das Amtsgericht Wolfenbüttel keinerlei Bedenken gegen die Kostenerstattung gehabt habe. Von seinen Eltern könne nicht verlangt werden, dass diese die erheblichen Kosten lebenslang trügen, weshalb in der Erstattung der Aufwendungen kein sittenwidriges Rechtsgeschäft gesehen werden könne. Die abgezogenen Aufwendungen für Arzt und Therapiekosten, Bekleidung und Fahrtkosten zwischen Wolfenbüttel und Heiligenberg, für Übernachtung und Verpflegung im Lauf der Abholungen und Rückführungen und anteilige Kosten für Ferienaufenthalte in Dänemark hielten sich im üblichen Rahmen. Nachdem das erkennende Gericht einen Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt hatte (vgl. B. v. 30.08.2001), wies es mit bestandskräftigem Beschluss vom 04.10.2001 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Begründung zurück, der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht über ausreichendes Vermögen in der Form von Rückübertragungsansprüchen gegenüber seinen Eltern zu verfügen.

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Daraufhin wies das Niedersächsische Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben mit undatiertem, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 12.02.2002 zugestelltem Bescheid den Widerspruch mit den Gründen des Beschlusses der erkennenden Kammer vom 04.10.2001 (3 B 222/01) zurück und verwies auf vom Kläger einzusetzende Rückforderungsansprüche in Höhe von 87.960,00 DM. Dagegen hat der Kläger am 07.03.2002 Klage erhoben und verfolgt sein Begehren weiter. Zur Begründung trägt er ergänzend vor, ihm stehe gegenüber seinen Eltern und Betreuern kein Rückforderungsanspruch zu. Die Übertragung des Vermögens im Dezember 2000 sei zum Zwecke der Tilgung bestehender und berechtigter Forderungen ihm gegenüber erfolgt. In Bezug auf die Beiträge zur privaten Krankenversicherung, der nicht durch die Krankenversicherung erstatteten Krankenhilfeaufwendungen und die Kosten für Bekleidung habe ein Aufwendungsersatzanspruch bereits aus §§ 1908i, 1835 BGB bestanden. Die genannten Aufwendungen hätten seine Betreuer gerade in ihrer Funktion als Betreuer und innerhalb ihres Aufgabenkreises getätigt. Aufgrund der Höhe dieser Aufwendungen und in Anbetracht seines erheblichen Vermögens sei nicht davon auszugehen, dass diese Aufwendungen zur Erfüllung der Unterhaltspflicht erfolgt seien. Eine solche Vermutung verbiete sich angesichts der Tatsache, dass eine generelle Unterhaltsverpflichtung nach den §§ 1601 ff. BGB nicht bestehe und die Unterhaltspflicht u.a. an die Vermögenslosigkeit des Unterhaltsberechtigten geknüpft sei (§ 1602 Abs. 1 BGB). Zweifellos könnten daher die Eltern eines behinderten Kindes, welches erhebliches Vermögen besitze, von diesem Ersatz der für das Kind getätigten Aufwendungen verlangen. Dagegen spreche auch nicht, dass seine Eltern diese Aufwendungen erst einige Zeit später geltend gemacht hätten. Mit Schreiben vom 23.10.2000 habe sein Vater als Betreuer die Aufwendungsersatzansprüche gegenüber dem Amtsgericht Wolfenbüttel geltend gemacht. Diese seien mit Schreiben des Amtsgerichts vom 01.11.2000 bestätigt worden. Damit seien die ab Juli 1999 entstandenen Aufwendungen binnen der 15-Monatsfrist des § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB geltend gemacht worden. Diese ab dem 01.01.1999 geltende Ausschlussfrist finde keine Anwendung auf für vor diesem Zeitpunkt getätigte Aufwendungen. Insoweit sei eine unmittelbare Geltendmachung der vor 1999 entstandenen Aufwendungen gesetzlich nicht vorgesehen gewesen. Darüber hinaus bestehe auch für eine zeitnahe Geltendmachung der Aufwendungsersatzansprüche keine Vermutung, die solche Aufwendungen gar ausschließen könne. Es müsse berücksichtigt werden, dass zwischen ihm und seinen Eltern unabhängig von deren Doppelfunktion als gleichzeitige gesetzliche Betreuer ein sehr enges persönliches Verhältnis bestehe. Gerade dies habe seine Eltern veranlasst, die notwendigen Aufwendungen zu seinen Gunsten zeitnah, rasch und unbürokratisch zunächst aus ihrem eigenen Vermögen zu erfüllen. Es sei lebensfremd anzunehmen, dass in einem entsprechenden Fall Eltern die von ihnen vorgestreckten Summen gegenüber ihrem Sohn unmittelbar geltend machten und sofort stets aus dessen Vermögen entnehmen würden. Dies würde das Familienleben erheblich belasten. Es entspreche vielmehr der Lebenswirklichkeit, dass seine Eltern nach Ablauf der fünfjährigen Betreuungszeit, als eine weitere Bestellung als Betreuer für weitere fünf Jahre bevorgestanden habe, die verauslagten Kosten geltend gemacht hätten. Eine tatsächliche oder gesetzliche Vermutung, dass die Aufwendungen nicht im Rahmen der Betreuung vorgenommen und nicht zurückgefordert werden sollten, bestehe vor diesem Hintergrund nicht. Insbesondere sei die Ausnahmevorschrift des § 685 Abs. 2 BGB im Rahmen des Anspruches aus § 1835 BGB nicht anwendbar. Dementsprechend obliege es seinen Eltern nicht, Beweis dafür zu erbringen, dass bei der Erfüllung der Verbindlichkeiten die Absicht bestanden habe, von ihm Aufwendungsersatz zu verlangen.

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Darüber hinaus habe seinen Eltern ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag zugestanden. Ein Anspruch scheitere nicht an der Vermutung des § 685 Abs. 2 BGB, der auf Sachverhalte wie den vorliegenden keine Anwendung finden könne. Es sei lebensfremd, von Eltern mit Kindern mit Behinderung zu fordern, dass diese immer unmittelbar ein äußerlich erkennbares Zeichen dafür setzen müssten, wenn sie eine Erstattung ihrer erheblichen Aufwendungen von ihrem Kind erhalten wollten. Es entspreche gerade der Lebenswirklichkeit, wenn die Eltern in ihrer Doppelfunktion als Betreuer und Eltern die entstandenen erheblichen Aufwendungsersatzforderungen nicht in unzweckmäßiger und unzumutbarer Weise jedes Mal sofort und einzeln, sondern mit Ende eines Betreuungsabschnittes (hier Oktober 2000) insgesamt geltend machten. Dieser Zeitpunkt markiere einen ersichtlichen und nachvollziehbaren Einschnitt. Dementsprechend hindere das Abwarten auf das Ende des ersten Betreuungsabschnittes bzw. die Tatsache, dass sich seine Eltern bei Übernahme der Verbindlichkeiten keine Gedanken über den unmittelbaren Aufwendungsersatz ihm gegenüber gemacht hätten, einen Ersatzanspruch nicht.

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Eine Verpflichtung zum Ersatz der Aufwendungen für die im Rahmen der Betreuung getätigten Fahrtkosten bestehe ebenfalls aus § 1835 BGB. Die geltend gemachten Aufwendungen für die Fahrtkosten seien insgesamt zum Zwecke der Betreuung entstanden und hätten sich als notwendige Folge der Übernahme derselben ergeben. Die Fahrten seiner Eltern zu ihm seien aufgrund des pädagogisch-medizinischen Betreuungskonzeptes der C. notwendig gewesen. Nur dadurch habe seine optimale Förderung bewirkt werden können. Die Förderung und die Aufrechterhaltung des persönlichen Kontaktes zum Betreuten sei insoweit als vergütungsfähige Tätigkeit anerkannt. Die dementsprechend in diesem Maß notwendige Aufrechterhaltung des Kontaktes sei damit von den Betreuern zu gewährleisten. Die Doppelfunktion der Eltern als nahe Familienangehörige und Betreuer dürfe diesen nicht zum Nachteil gereichen.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 19.03.2001 in der Gestalt des am 12.02.2002 zugestellten Widerspruchsbescheides des Niedersächsischen Landesamtes für Zentrale Soziale Aufgaben aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Betreuungskosten in der C. vom 23.04.2001 bis 12.02.2002 zu übernehmen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er verweist auf seine Stellungnahmen zu dem Verfahren 3 B 222/01 sowie den Widerspruchsbescheid des NLZSA. Ergänzend führt er aus, dass auch in der Klagebegründung keinerlei Nachweise darüber vorgelegt worden seien, dass die Absicht bestanden habe, von dem Kläger Ersatz der Leistungen zu verlangen. Die Beweislast liege insoweit bei den Eltern des Klägers. Da der Kläger unzweifelhaft über ein erhebliches Vermögen verfügt habe, hätten die Eltern die Verbindlichkeiten des Kindes entweder direkt aus dem Vermögen entnehmen können oder wenigstens zeitnah die vorgestreckten Summen geltend machen müssen. Dass dies nicht in angemessener Frist erfolgt sei, ergebe sich aus der analogen Anwendung des neu gefassten § 1835a BGB, wonach die Aufwandsentschädigungen jährlich zu zahlen seien. Bezüglich der geltend gemachten Fahrtkosten sei zu unterscheiden, ob diese als Betreuer geltend gemacht wurden oder ob sie aufgrund des normalen Eltern-Kind-Verhältnisses entstanden seien. Im Übrigen sei der geltend gemachte Betrag völlig unangemessen. Weder in dem Gespräch mit dem Vormundschaftsrichter noch in den Schreiben des Amtsgerichts Wolfenbüttel vom 10.09.2001 und 01.11.2000 sei über die Höhe des Ausgleichsanspruches entschieden worden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie im Verfahren 3 B 222/01 sowie die vorgelegten Verwaltungsvorgänge des Beklagten, des NLZSA sowie die Betreuungsakte des Amtsgerichts Wolfenbüttel (9 XVII 2226) Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Verpflichtungsklage hat keinen Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 19.03.2001 in der Gestalt des undatierten, am 12.02.2002 zugestellten Widerspruchsbescheides des NLZSA, mit dem die Übernahme der Kosten für das vollstationäre Wohnen des Klägers in der C. ab 23.04.2001 unter Hinweis auf vorhandenes Vermögen in Höhe von seinerzeit 87.960,00 DM abgelehnt wurde, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

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Dem Kläger steht für den im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens lediglich überprüfbaren Zeitraum vom 23.04.2001, seinem Zuzug auf den H., bis zur Zustellung des undatierten Widerspruchsbescheides am 12.02.2002 gegenüber dem Beklagten kein Anspruch auf Übernahme der Kosten für das vollstationäre Wohnen im H. gemäß § 39 BSHG zu. Unzweifelhaft erfüllt der Kläger die Voraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungshilfe gemäß § 39 BSHG. Gemäß § 28 Abs. 1 BSHG ist jedoch Hilfe in besonderen Lebenslagen, wie Eingliederungshilfe, nur zu gewähren, soweit dem Hilfesuchenden die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Bestimmungen des Abschnitts IV nicht zuzumuten ist. Im vorliegenden Verfahren ist dem Kläger die Tragung der Kosten aus eigenen Mitteln, insbesondere seinem Vermögen, zuzumuten.

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Gemäß § 88 Abs. 1 BSHG ist Vermögen im Sinne dieses Gesetzes das gesamte verwertbare Vermögen, zu dem auch Forderungen und sonstige Rechte gehören (vgl. LPK, BSHG, 5. Aufl.: § 88 Rn. 9). Der Kläger verfügt nach Ansicht der Kammer über Vermögen in einer Höhe, mit dem er die Kosten für den o.g. Zeitraum abdecken kann. Ihm stehen entsprechende Rückforderungsansprüche gegenüber seinen Eltern als Betreuer zu. Die Eltern und Betreuer des Klägers waren nicht über §§ 1908i, 1835 BGB berechtigt, gegenüber diesem Aufwendungsersatzansprüche in Höhe von rd. 112.000,00 DM geltend zu machen, was dazu geführt hat, dass das Vermögen des Klägers bis zum Beginn seines Aufenthaltes im H. von im November 2000 noch vorhandenen 116.531,00 DM auf 4.014,09 DM reduziert worden war.

18

Nach diesen Vorschriften kann der Vormund bzw. Betreuer nach den für den Auftrag geltenden Vorschriften der §§ 669, 670 BGB von dem Betreuten Vorschuss oder Ersatz verlangen, wenn er zum Zwecke der Führung der Betreuung Aufwendungen macht. In Anbetracht der Bezugnahme auf die Vorschriften betreffend den Auftrag sind unter Aufwendungen alle Vermögensopfer zu verstehen, die der Beauftrage bzw. Betreuer zum Zwecke der Ausführung des Auftrags bzw. der Betreuung freiwillig macht oder die sich als notwendige Folge des Auftrags bzw. der Übernahme der Betreuung ergeben (vgl. Palandt, BGB: § 1835 Rn. 10, § 670 Rn. 2). Wie aus dem Wortlaut ersichtlich, setzt ein Anspruch aus § 1835 BGB eine Leistung mit einer entsprechenden Zweckbestimmung voraus. Zweckgerichtet ist eine Leistung dann, wenn bei der Leistung zum Ausdruck gebracht wird, aus welchem Grund sie erfolgt. Einer nach außen erkennbaren Zweckbestimmung kommt dann eine besondere Bedeutung zu, wenn sich Eltern – wie im vorliegenden Fall – in einer Doppelrolle als familienrechtlich auch gegenüber einem volljährigen Behinderten Unterhaltsverpflichtete und gleichzeitig Betreuer im Sinne der Betreuungsvorschriften des BGB befinden. In Anbetracht dieser Abgrenzungsnotwendigkeit müssen nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass tatsächlich eine Aufwendung im Rahmen der Betreuung getätigt und nicht eine Zuwendung im Rahmen der allgemeinen Unterhaltspflicht aus §§ 1601 ff. BGB erfüllt wurde. Dabei ist auf den Rechtsgedanken der Vermutung aus § 685 Abs. 2 BGB abzustellen, wonach Eltern, die ihren Abkömmlingen Unterhalt gewähren, im Zweifel die Absicht fehlt, von dem Empfänger Ersatz zu verlangen (vgl. für den im Wortlaut § 670 vergleichbaren § 1648 BGB, Urt. d. BGH v. 05.11.1997 – XII ZR 20/96 -, MDR 1998, 225 ff.). Vor diesem Hintergrund ist das Vorliegen von Anhaltspunkten zu verlangen, die die auf der allgemeinen Lebenserfahrung beruhende Vermutung des § 685 Abs. 2 BGB entkräften können.

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Bei einer Gesamtbetrachtung liegen im vorliegenden Verfahren keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Eltern des Klägers im Zeitpunkt der jeweiligen Begleichung des Krankenversicherungsbeitrages für den Kläger, der von der Krankenkasse nicht übernommenen Krankenhilfeleistungen, der Bekleidungskosten, der Urlaubskosten sowie der Fahrtkosten einschließlich Unterkunft und Verpflegung Aufwendungen im Rahmen der Betreuung vorgenommen haben, für die sie vom Kläger Ersatz verlangen wollten und konnten. Die Eltern haben bei jeweiliger Übernahme der Verbindlichkeiten in keinster Weise deutlich gemacht, eine fremde Schuld begleichen zu wollen. Nach ihren eigenen Angaben haben sie sich keinerlei Gedanken gemacht. Sie haben trotz der erheblichen Zahlungen im Zeitraum seit 1996 vier Jahre lang keinerlei Rückgriff auf das umfangreiche Vermögen ihres Sohnes genommen. Insoweit ist in die Gesamtbetrachtung auch einzubeziehen, dass eine irgendwie geartete Inanspruchnahme des Vermögens des Klägers auch in der Zeit vor 1996, in der der Kläger, ohne dass seine Eltern als Betreuer eingesetzt worden waren, zu Hause gelebt hat, in nennenswerter Weise nicht erfolgt ist.

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Vor diesem Hintergrund hat der Kläger die Vermutung, dass seinen Eltern die Absicht fehlte, von ihm Ersatz zu verlangen, nicht entkräftet. Wenn diese geltend machen, sie hätten sich erst aufgrund des Gespräches mit dem Vormundschaftsrichter nach Ablauf der 5-jährigen Betreuungszeit entschlossen, die aufgelaufenen Verbindlichkeiten nunmehr als Aufwendungen im Sinne von §§ 1835, 670 BGB geltend zu machen, kann dies die oben geschilderte rechtliche Situation nicht mehr nachträglich ändern. Dies würde eine nachträgliche Änderung der Zweckbestimmung von Leistungen nach einem Zeitraum von mehreren Jahren bedeuten, welche rechtlich nicht möglich ist. Insoweit verkennt die Kammer nicht, dass auch Eltern eines behinderten Kindes, welches ein erhebliches Vermögen besitzt, grundsätzlich von diesem Ersatz der für das Kind getätigten Aufwendungen verlangen können. Besitzt jedoch ein dauerhaft behindertes Kind seit frühester Kindheit ein unzweifelhaft bestehendes erhebliches Vermögen, ist davon auszugehen, dass Eltern bzw. Betreuer, die Verbindlichkeiten dieses Kindes erfüllen, entstehende erhebliche Aufwendungen entweder direkt aus dem Vermögen des Kindes entnehmen (was im Rahmen eines Anspruches aus § 1835 BGB unabhängig von § 181 BGB ohne weiteres zulässig wäre), wenigstens zeitnah von ihnen vorgestreckte Summen gegenüber diesem Vermögen geltend machen oder zumindest bei einer Gesamtbetrachtung deutlich wird, dass die Absicht bestand, vom Kind Ersatz zu verlangen. Dies gilt erst recht, wenn in er Vergangenheit nicht nennenswert auf vorhandenes Vermögen zurückgegriffen wurde und ab einem bestimmten Zeitpunkt diese Handhabung geändert werden soll. Dafür spricht gerade, dass Eltern schwerbehinderter Kinder sich ihrer lebenslangen Unterhaltspflicht bewusst sind und eine Änderung der Verhältnisse in der Regel nicht zu erwarten ist. Erfüllen jedoch Eltern Verbindlichkeiten ihres behinderten Kindes über Jahre hinweg, ohne das Vermögen des Kindes nennenswert in Anspruch zu nehmen oder auf andere Weise deutlich zu machen, dass Aufwendungen für das Kind im Rahmen der Betreuung vorgenommen werden, kann diesen Aufwendungen nicht Jahre später durch reine Behauptung eine entsprechende Zweckbestimmung gegeben werden.

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Auch in Bezug auf den seit 1996 von den Eltern gezahlten Kostenbeitrag steht ihnen kein Ersatzanspruch gegenüber dem Kläger zu. Denn insoweit haben die Eltern des Klägers unzweifelhaft auf an sie persönlich gerichtete, auf § 43 Abs. 2 BGB gestützte Bescheide an den Beklagten geleistet. Aus dem in den Verwaltungsvorgängen vorhandenen Schriftverkehr ist ersichtlich, dass sie damit eine eigene aus ihrer Unterhaltspflicht resultierende Pflicht tatsächlich erfüllen wollten. Eine nachträgliche Änderung dieser Zweckbestimmung nach einem Zeitraum von mehreren Jahren dahingehend, dass mit der Zahlung nunmehr eine vom Beklagten wegen Unkenntnis des Vermögens nicht erkannte Pflicht des Klägers erfüllt werden sollte, ist rechtlich nicht möglich.

22

Nach alledem ist davon auszugehen, dass dem Kläger gegenüber seinen Eltern Rückforderungsansprüche zustehen, deren Einsatz ihm zur Begleichung der Kosten für das vollstationäre Wohnen im H. vom 23.04.2001 bis 12.02.2002 zuzumuten ist.

23

Die Klage ist dementsprechend mit der für den Kläger negativen Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO abzuweisen.

24

Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

25

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung gemäß §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 VwGO liegen nicht vor.