Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 15.01.2003, Az.: 6 A 383/00
Aktenvortrag; Befragung; Beurteilungsspielraum; Bonus-Malus-Regelung; Gesamteindruck; Gesamtnotenbildung; juristisches Staatsexamen; mündliche Prüfung; Prüfungsdauer; Vertiefungsgespräch
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 15.01.2003
- Aktenzeichen
- 6 A 383/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 47995
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 12 Abs 1 GG
- § 8 Abs 2 JAGV ND
- § 39 Abs 1 JAGV ND
- § 39 Abs 3 JAGV ND
- § 39 Abs 4 JAGV ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Es verletzt die Grenzen des Beurteilungsspielraums nicht, wenn der Fachprüfer im Vertiefungsgespräch nach § 39 NJAVO nicht die beim missglücktem Aktenvortrag begangenen Fehler anspricht, sondern an dessen positivem Inhalt anknüpfend vertiefende Fragen zu einem Standardproblem stellt, um eine weitere Entmutigung der Kandidatin zu vermeiden und ihr Gelegenheit zu geben, Kenntnisse und Fertigkeiten zu zeigen.
2. Da § 8 Abs. 2 Satz 2 NJAVO verlangt, dass bei der zweiten Staatsprüfung auch "die Leistungen im Vorbereitungsdienst" berücksichtigt werden müssen, ist es geboten, auch die schlechteren Leistungen in den Stationen zu berücksichtigen, in denen die Kandidatin im Zuge ihres Ergänzungsdienstes erneut tätig geworden ist.
Tatbestand:
Die Klägerin erstrebt eine Verbesserung ihrer Prüfungsgesamtnote in der zweiten juristischen Staatsprüfung, die sie am 19. November 1999 vor dem Beklagten mit der Note „befriedigend (6,91 Punkte)“ als Wiederholerin bestanden hat.
Der Prüfungssausschuss bildete die Gesamtnote im Wesentlichen auf Grund folgender Einzelbewertungen:
.....
An der Prüfung nahmen noch drei weitere Rechtsreferendare teil. Der Prüfungsausschuss hob die Endnote des Mitprüflings R.H. um 0,5 Punkte an, wobei er von folgendem Leistungsbild ausging:
.....
Mit Schreiben vom 27. Dezember 1999 legte die Klägerin gegen die Prüfungsgesamtnote Widerspruch ein, den sie mit Schreiben vom 11. Januar 2000 mit (im Klageverfahren nicht mehr aufrechterhaltenen) Einwänden gegen die Bewertung der Klausuren sowie mit Mängeln der Beurteilung von mündlichen Prüfungsleistungen sowie bei der Gesamtnotenbildung begründete. Gegenüber der Bewertung ihrer mündlichen Leistungen führte sie im Wesentlichen an:
Ihr Aktenvortrag sei sicherlich nicht gut gewesen und habe daran gekrankt, dass sie keinen Aufhebungsvertrag geprüft habe, obgleich sich diese Prüfung durch den Beklagtenvortrag geradezu aufgedrängt habe und die naheliegendste Lösung gewesen sei. Es sei indessen unverständlich, warum sie in dem anschließenden Prüfungsgespräch nicht zu diesem Problem gefragt worden sei. Stattdessen sei die örtliche Zuständigkeit bis ins kleinste Detail diskutiert worden, obwohl sie den Gerichtsstand des Erfüllungsortes von Anfang an richtig erkannt gehabt habe. Ihrer Auffassung nach diene das Vertiefungsgespräch, das sich an den Aktenvortrag anschließe, auch dazu, den Kandidaten auf Falsches bzw. Fehlendes aufmerksam zu machen und ihm so die Gelegenheit zu geben, den Vortrag zu ergänzen. Das sei in ihrem Fall unterlassen worden. Deshalb könne sie die Bewertung des immerhin auch ohne die Auslassungen im Ergebnis richtigen Aktenvortrags mit 4 Punkten nicht akzeptieren, zumal sich der Eindruck aus dem Aktenvortrag auch auf die nachfolgenden Prüfungen übertragen habe.
Beim anwaltlichen Prüfungsgespräch sei sie teilweise in „haarsträubender Weise“ übergangen worden. Schon infolge der Sitzordnung habe sie das Pech gehabt, nach der Schilderung des Falles mit den intellektuell nicht gerade anspruchsvollen Aufgaben, wie der Zusammenfassung des Sachverhalts oder der Frage „Was fragen Sie Ihren Mandanten?“ betraut zu werden. Mehr als unfair sei es indessen, wenn man dann nicht einmal die Gelegenheit erhalte, die Lösung des Falles voranzubringen. Anscheinend habe sie nach ihrem Aktenvortrag einen so vernichtenden Eindruck hinterlassen, dass der Prüfer es nicht mehr für nötig befunden habe, sie noch anspruchsvollere Sachen zu fragen. Während sie in der erbrechtlichen Prüfung nach den genannten Eingangsfragen zumindest noch ein paar Mal drangekommen sei, habe der Prüfer ihr im zweiten Teil, bei der familienrechtlichen Prüfung, auf eine an sie gerichtete Frage nach einem halben Satz das Wort abgeschnitten und einen anderen Kandidaten die Frage beantworten lassen (was sogar einen anderen Prüfer offensichtlich verwundert habe). Weitere Fragen habe sie dann gar nicht mehr gestellt bekommen. Dies sei umso ärgerlicher, als sie einen Teil ihrer Wahlstation beim Familiengericht absolviert habe und viel zu dieser Prüfung hätte beitragen können. Da sie nicht die Gelegenheit bekommen habe, etwas zu sagen, sei es nicht in Ordnung, mit einem knappen befriedigend (7 Punkte) abgespeist zu werden.
Beim verwaltungsrechtlichen Prüfungsgespräch, das einen komplizierten Fall zum Inhalt gehabt habe, bei dem keiner der Kandidaten mit Wissen habe glänzen können, sei unerklärlich, wie es zu den krassen Unterschieden in der Benotung bei etwa gleichwertigen Ansätzen aller Kandidaten gekommen sei.
An der Bildung der Gesamtnote sei zu bemängeln, dass die Prüfer ihre Gesamtnote ermessensfehlerhaft nicht nach § 8 Abs. 2 NJAVO angehoben hätten. Ihr leuchte nicht ein, warum ein Prüfling, der im Übrigen bei den Klausuren weniger Punkte erzielt habe als sie, nach in der mündlichen Prüfung ohnehin schon großzügig vergebenen Punkten noch auf ein „vollbefriedigend“ habe gehoben werden müssen, während sie, durch ihren Aktenvortrag schon mehr als genug bestraft, nicht in den Anwendungsbereich dieser Norm fallen solle. Selbst wenn man die Benotung ihres Aktenvortags mit 4 Punkten, mithin einer Bewertung, die sie weder in den Klausuren noch jemals im Verwaltungsdienst erbracht habe, für gerechtfertigt halte, hätten ihre Klausuren sowie ihre Leistungen im Vorbereitungsdienst Beachtung finden müssen. Hier dränge sich insoweit der Verdacht auf, als Wiederholerin habe sie nicht in den Genuss von Zusatzpunkten kommen können. Dies ergebe sich aus der Äußerung des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses nach der Prüfung, der gesagt habe: „Na, ihre Ehrenrunde hat sich ja gelohnt.“ Eine solche Äußerung nach einer für sie dermaßen schlecht gelaufenen mündlichen Prüfung könne sie - gerade auch im Hinblick auf das gute Abschneiden der Mitprüflinge in der mündlichen Prüfung - nur als Hohn bezeichnen, insbesondere, weil ihre guten Vorleistungen auch aus den Klausuren in keiner Weise berücksichtigt worden seien.
In einer von allen Mitgliedern des Prüfungsausschusses unterzeichneten Stellungnahme, die beim Beklagten am 21.03.2000 einging, nahmen die Mitglieder des Prüfungsausschusses zu den auf die mündliche Prüfung sowie die Bildung der Gesamtnote gemünzten Einwendungen der Klägerin im Wesentlichen wie folgt Stellung:
Die Gestaltung des Vertiefungsgesprächs nach dem Aktenvortrag liege im Ermessen des Fachprüfers, wobei Umstände des Einzelfalls dafür maßgebend seien, wie die Akzente gesetzt würden. Nach weitgehend misslungenem Aktenvortrag der Klägerin sei es nicht angezeigt gewesen, im Vertiefungsgespräch Fehler und Mängel aufzudecken, um eine Entmutigung der Kandidatin zu vermeiden. Wegen des Prüfungsziels, Kenntnisse und Fähigkeiten festzustellen, habe es nahe gelegen, an den positiven Vortrag des Inhalts anzuknüpfen und Fragen des Erfüllungsortes beim gegenseitigen Vertrag - ein Standardproblem des allgemeinen Schuldrechts - zu vertiefen. Die Vermutung der Klägerin, der Eindruck aus dem Aktenvortrag habe die Bewertung des Prüfungsgesprächs beeinflusst, sei unbegründet. Die Bewertungen sprächen für sich.
Beim anwaltlichen Prüfungsgespräch sei eine typische Berufssituation des Anwalts simuliert worden - das Gespräch mit dem Mandanten. Die Kandidaten seien einleitend darauf hingewiesen worden, es gehe zunächst darum, den Sachverhalt zu erarbeiten und erst in zweiter Linie um dessen rechtliche Würdigung. Die Prüfungsfrage „Was fragen Sie Ihren Mandanten?“, sei keinesfalls anspruchslos, sondern wesentlicher Bestandteil anwaltlicher Tätigkeit. Sie setze rechtliche Erwägungen voraus. Wenn die Klägerin den Eindruck gewonnen habe, an sie gerichtete Fragen seien nicht anspruchsvoll gewesen, habe sie den Sinn der Prüfung und den Zweck der Simulation nicht verstanden. Ihre Behauptung, sie sei in „teilweise haarsträubender Weise übergangen worden“, treffe nicht zu. Das anwaltliche Prüfungsgespräch sei in vier Abschnitte gegliedert gewesen. Die Klägerin sei - wie alle anderen Kandidaten - im ersten Abschnitt dreimal, im zweiten und dritten Abschnitt je zweimal und im vierten Abschnitt einmal zu Wort gekommen. Dies ergebe sich aus Notizen während des Prüfungsgesprächs, in denen die Beteiligung in zeitlicher Reihenfolge nummeriert festgehalten worden sei. Der Eindruck, die Klägerin sei in geringerem Umfang beteiligt worden, könne sich allenfalls daraus ergeben, dass sie Rechtsansichten als Ergebnis mitgeteilt und nicht - wie andere Kandidaten zum Teil - entwickelt habe. Im familienrechtlichen (vierten) Abschnitt des Prüfungsgesprächs sei der Klägerin nicht das Wort abgeschnitten worden. Der erst kurz vor Ablauf der Prüfungszeit begonnene familienrechtliche Teil habe aus Zeitgründen im Interesse der Gleichbehandlung aller Kandidaten nur noch Kurzbeiträge zugelassen.
Beim verwaltungsrechtlichen Prüfungsgespräch sei es darum gegangen, vor dem Hintergrund geläufiger Rechtsgrundsätze zur Konkretisierung des unbestimmten Gesetzesbegriffs „Feststellung des öffentlich-rechtlichen Anspruchs nach § 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB I“ und zu einer praktisch befriedigenden Lösung beizutragen. Dies sei den Kandidaten in unterschiedlichem Umfang gelungen. Die Unterschiede in der Benotung würden sich aus der unterschiedlichen Substanz der Beiträge erklären.
Die Gesamtnote entspreche dem rechnerischen Ergebnis der Prüfungsleistungen. Der Prüfungsausschuss habe auf Grund des Gesamteindrucks aller Prüfungsleistungen und der Leistungen während des Vorbereitungsdienstes keinen Anlass gesehen, nach pflichtgemäßem Ermessen von der errechneten Punktzahl abzuweichen. Dies sei bei der Verkündung des Prüfungsergebnisses sowohl allgemein erläutert als auch für die Klägerin konkret damit begründet worden, dass auch die Ergebnisse der Arbeitsgemeinschaft und der schriftlichen Arbeiten keinen Anhaltspunkt böten, die errechnete Punktzahl zu erhöhen. Von der Abweichklausel habe die Kommission nur in einem Fall Gebrauch gemacht, in dem die gleichmäßigen Leistungen im Vorbereitungsdienst und die überlegten und verständnisvollen Beiträge in der mündlichen Prüfung die Überzeugung begründet hätten, die errechnete Punktzahl gebe den Leistungsstand des Kandidaten nicht zutreffend wieder. Die Beiträge der Klägerin hätten - abgesehen von den mitgeteilten Gründen - eine solche Überzeugung nicht vermitteln können, weil sie eine wesentlich geringere argumentative Substanz aufgewiesen hätten. Unbegründet sei ihr Verdacht, Wiederholer kämen von Vornherein nicht in den Genuss von Zuschlagspunkten. Die Bemerkung über die „Ehrenrunde“ habe nicht „Hohn“, sondern Anerkennung enthalten. Sie beruhe auf der in langjähriger Tätigkeit als Prüfer gewonnenen Erfahrung, dass ein befriedigendes Examensergebnis für Wiederholer eher eine Ausnahme darstelle. Soweit die Klägerin ihre „guten Vorleistungen“ in den Klausuren anspreche, sei darauf hinzuweisen, dass fünf von acht Klausuren ausreichend gewesen seien. Auch daran gemessen bedeute die befriedigende Gesamtnote einen Prüfungserfolg.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2000, der Klägerin zugestellt am 28.06.2000, wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit der am 28.07.2000 erhobenen Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend:
Die Bewertung der noch im Widerspruchsverfahren angegriffenen Klausuren solle nicht weiter angefochten werden. Nach wie vor wende sie sich indessen gegen Bewertungen in der mündlichen Prüfung.
Hinsichtlich ihres Aktenvortrags räume sie ein, dass die äußere Form ihres Vortrags "- gerade am Anfang - auf Grund sehr großer Nervosität an zum Teil eklatanten Versprechern" gelitten habe. Ferner sei inhaltlich zu Recht kritisiert worden, dass sie nicht geprüft habe, ob ein Aufhebungsvertrag zum Auflösung des Mietverhältnisses geführt und sie die Falllösung allein unter dem Gesichtspunkt einer Kündigung abgehandelt habe. Gleichwohl sei nicht einzusehen, dass ihre Gesamtleistung lediglich als gerade noch ausreichend bewertet worden sei.
Sie halte es auch für einen schweren Fehler des Prüfungsverfahrens, dass sie im anschließenden Prüfungsgespräch nicht nach dem Aufhebungsvertrag gefragt worden sei. Stattdessen seien ihr Fragen zum Erfüllungsort bei Hol-, Schick- und Bringschuld gestellt worden, obgleich dies ein untergeordnetes, von ihr bereits angesprochenes und richtig dargestelltes Thema gewesen sei. Soweit die Prüfer demgegenüber - wie im Widerspruchsbescheid ausgeführt - gemeint hätten, es stünde in ihrem Ermessen, was Thema des Vertiefungsgesprächs sei und sie hätten es wegen des "weitgehend misslungenen" Vortrags nicht für angezeigt gehalten, Mängel aufzudecken, sei dies rechtlich nicht haltbar. Der Ausschuss sei vielmehr verpflichtet gewesen, ihr die Möglichkeit zu bieten, sich mit den Mängeln ihres Vortrags auseinander zu setzen.
Ihre Kritik an der Bewertung des anwaltlichen Prüfungsgesprächs halte sie aufrecht. Selbst wenn sie genau so oft wie andere Kandidaten drangekommen sein sollte, habe sie dennoch "teilweise" auf bereits gestellte Fragen im Rahmen der familienrechtlichen Prüfung nicht antworten dürfen (Beweis: Zeugnis der Mitkandidaten, Zeugnis der Zuhörerin NN).
Nicht nachvollziehbar sei auch, dass sie für diesen Teil der mündlichen Prüfung lediglich 7 Punkte bekommen habe, während zwei andere, ihrer Auffassung nach gleichwertige Beiträge, im zweistelligen Bereich bewertet worden seien. Sie habe alle an sie gerichteten Fragen beantwortet. Bei der erbrechtlichen Prüfung habe die Befragung der anderen Kandidaten teilweise auf ihren Ansätzen aufgebaut, ohne dass die Prüfer etwas daran auszusetzen gehabt hätten. Sie habe, wie ihr ein Mitkandidat aus Osnabrück gleich nach der Prüfung bestätigt habe, den Sinn und Zweck eines Mandantengesprächs gewusst und sei dementsprechend auch ausführlich fragend vorgegangen. In der anschließenden Diskussion habe sie ebenso wie die anderen Kandidaten Beiträge zur Abgrenzung von Vermächtnis und Auflage sowie zur Kollision von Testament und notariellem Vertrag geleistet (Beweis: Zeugnis der Mitkandidaten, Zeugnis der Zuhörerin NN).
Die deutlich unterschiedlichen Bewertungen des verwaltungsrechtlichen Gesprächs ließen sich nicht einfach dadurch erklären, dass der eine oder andere Kandidat durch seinen Beitrag fallspezifische Aspekte besser erfasst und gewürdigt und dadurch eher zur Bewältigung des Streitfalls beigetragen habe. Die pauschale Begründung, dies sei den Kandidaten in unterschiedlichem Umfang gelungen, sei bezogen auf diese Prüfung "einfach unwahr". Da keiner der Kandidaten einen brauchbaren Lösungsansatz habe entwickeln können, verstoße es gegen anerkannte Bewertungsgrundsätze, dass diese gleichermaßen dürftigen Leistungen ganz erheblich unterschiedlich bewertet worden seien. Unwahr sei, dass der eine oder andere Kandidat fallspezifische Aspekte besser erfasst und gewürdigt habe.
Die nach § 8 Abs. 2 NJAVO zu treffende Entscheidung sei ermessensfehlerhaft. Es leuchte nicht ein, warum ein Kandidat, der mit den Klausuren weniger Punkte als sie erzielt habe und dessen Leistungen in der mündlichen Prüfung "- zu Recht -" großzügig mit vielen Punkten bewertet worden seien, von durchschnittlich 6 Punkten aus den Klausuren noch auf ein vollbefriedigendes Gesamtergebnis angehoben worden sei, während sie - durch ihren Aktenvortag schon mehr als genug "bestraft" - nicht in den Genuss einer Anhebung kommen solle. Schon ihre zu berücksichtigenden Leistungen im Vorbereitungsdienst und aus den Klausuren hätten eine Anhebung nahe gelegt.
Nach wie vor gehe sie davon aus, dass der Prüfungsausschuss ihr gegenüber befangen gewesen sei und ermessensfehlerhaft die Tatsache berücksichtigt habe, dass sie "Wiederholerin" gewesen sei. Bereits während des Vorgesprächs sei der Vorsitzende irrig davon ausgegangen, sie sei bereits beim ersten Staatsexamen "auch schon mal durchgefallen". Nachdem er nach der mündlichen Prüfung geäußert habe, "na, Ihre Ehrenrunde hat sich ja gelohnt", sei ihr Verdacht bestätigt worden. Denn diese Äußerung könne sie nur als Hohn auffassen, nachdem die mündliche Prüfung für sie derart schlecht verlaufen sei und sie sich anders als alle anderen Kandidaten gegenüber den schriftlichen Ergebnissen nicht verbessert habe. Dass damit Anerkennung verbunden gewesen sein soll, sei nicht glaubhaft und zeige noch viel deutlicher die Voreingenommenheit der Kommission.
Die Klägerin beantragt,
die Prüfungsentscheidung vom 19. November 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Landesjustizprüfungsamtes vom 26. Juni 2000 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über das Ergebnis der zweiten juristischen Staatsprüfung erneut zu entscheiden.
Der Beklagte verteidigt seine Entscheidungen unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Prüfungsausschusses vom Februar/März 2000 sowie den Widerspruchsbescheid und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die vom beklagten Amt vorgelegten Prüfungsunterlagen für die zweite juristische Staatsprüfung sowie auf das aus den über den Vorbereitungsdienst geführten Personalakten der Klägerin beigezogene Prüfungsheft Bezug genommen. Diese Unterlagen waren ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die auf die Änderung einzelner Prüfungsentscheidungen beschränkte Klage ist als Bescheidungsklage zulässig, aber nicht begründet. Die von der Klägerin erhobenen Rügen gegen die Entscheidungen des Prüfungsausschusses sind nicht begründet; ihr steht der geltend gemachte Anspruch auf Neubescheidung nicht zu.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann nicht davon ausgegangen werden, die Entscheidungen des Prüfungsausschusses seien schon deshalb fehlerhaft, weil seine Mitglieder ihr gegenüber befangen gewesen seien.
Soweit die Klägerin meinen sollte, bereits im Vorgespräch habe der Vorsitzende des Prüfungsausschusses durch seinen irrigen Hinweis auf eine Wiederholung des ersten Staatsexamens Anlass für die Annahme gegeben, er übe sein Amt nicht unparteilich im Sinne des § 21 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1, 3 Nr. 2 NVwVfG aus, hätte sie dies unverzüglich geltend machen müssen (vgl. dazu VGH Kassel, Beschl. vom 08.02.2000 - 8 ZU 4400/00, zitiert nach Juris; OVG Koblenz, Urt. vom 15.01.1999 - 2 A 1094/98 -, DVBl. 1999, 1597; Zimmerling / Brehm, Prüfungsrecht, 2. Aufl., 2001, Rn. 205 m. w. Nw.).
Abgesehen davon lässt sich dieser Bemerkung ebenso wenig wie seiner Bemerkung nach dem Abschluss der mündlichen Prüfung entnehmen, der Vorsitzende oder gar ein anderes Mitglied des Prüfungsausschusses sei gegenüber der Klägerin voreingenommen. Die Bemerkung „Na, ihre Ehrenrunde hat sich ja gelohnt“ lässt sich bei der gebotenen objektiven Betrachtung auch aus der Sicht eines verständigen Prüflings und selbst mit Rücksicht auf eine Enttäuschung über das Prüfungsergebnis unschwer als das verstehen, was damit auch nach den Angaben ihres Urhebers gemeint war: nicht Hohn, sondern eine Anerkennung für eine aus langjähriger Erfahrung gewonnene Einschätzung, dass ein befriedigendes Examensergebnis für Wiederholer eher eine Ausnahme darstelle. Dass die Klägerin dieser Ermutigung zur positiven Betrachtung des Prüfungsergebnisses eine andere Selbsteinschätzung und Erwartungshaltung entgegensetzt, mag ihre Sicht der Dinge erklären, macht das Verhalten des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses aber nicht angreifbar. Hinreichende Anhaltspunkte, aus denen im Übrigen auf die Befangenheit eines Mitglieds des Prüfungsausschusses geschlossen werden könnte, liegen nicht vor.
Soweit die Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung hat vortragen lassen, der Prüfer H., dessen Verhalten sie bereits während der Prüfung als "merkwürdig" empfunden habe, sei "vielleicht" bereits während der Prüfung zu deren Durchführung nicht in der Lage gewesen, wie sie nunmehr vermute, nachdem er "kurz nach der Prüfung" seine Tätigkeit als Rechtsanwalt u.a. wegen psychischer Probleme habe aufgeben müssen, veranlasst dies die Kammer nicht, weitere Ermittlungen bezüglich der gesundheitlichen Eignung dieses Prüfers am 19. November 1999 anzustellen. Dazu sind die Angaben der Klägerin zu spekulativ und substanzlos. Böten sie Anlass zu weiteren Ermittlungen, die eine Vertagung notwendig gemacht hätten, würde die Kammer die Angaben der Klägerin gemäß § 87b Abs. 3 VwGO als verspätet zurückweisen, da sie die Erledigung des Rechstreits verzögern würden. Die Klägerin war aufgrund der Verfügung des Vorsitzenden der Kammer vom 11. Dezember 2002, zugestellt am 14. Dezember 2002, gehalten, alle weiteren zur Klagebegründung vorgebrachten Erklärungen abschließend bis zum 30. Dezember 2002 abzugeben. Trotz der ihr erteilten Belehrung über die andernfalls nach § 87b Abs. 3 VwGO eintretenden Folgen hat die Klägerin diesen (für die Kammer überraschenden) Gesichtspunkt erst im Laufe der mündlichen Verhandlung unterbreiten lassen, ohne auch nur ansatzweise Gründe anzugeben, die diese Verspätung entschuldigen könnten.
Die von der Klägerin erhobenen Rügen zur Bewertung ihrer Leistungen beim Aktenvortrag bzw. dem anschließenden Vertiefungsgespräch, beim anwaltlichen und dem verwaltungsrechtlichen Prüfungsgespräch zeigen Rechtsmängel nicht auf; solche sind auch sonst nicht ersichtlich.
In Bezug auf die gerichtliche Kontrolldichte in prüfungsrechtlichen Streitverfahren ist zu unterscheiden zwischen Fachfragen und prüfungsspezifischen Wertungen. In Bezug auf Fachfragen hat das Gericht aufgrund hinreichend substanziierter Einwendungen des Prüflings notfalls mit sachverständiger Hilfe (vgl. dazu selbst für den Prüfungsrechtsstreit über eine juristische Staatsprüfung BVerwG, Beschl. vom 21.07.1998 - 6 B 44/98 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 390) darüber zu befinden, ob die von dem Prüfer als falsch bewertete Lösung im Gegenteil richtig oder jedenfalls vertretbar ist. Dabei sind unter Fachfragen alle Fragen zu verstehen, die fachwissenschaftlicher Erörterung zugänglich sind. Hingegen ist den Prüfern ein Bewertungsspielraum zuzubilligen, soweit komplexe prüfungsspezifische Bewertungen - z.B. bei der Gewichtung verschiedener Aufgaben untereinander, bei der Auswahl und der Einordnung des Schwierigkeitsgrades der Aufgabenstellung oder bei der Würdigung der Qualität der Darstellung - im Gesamtzusammenhang des Prüfungsverfahrens getroffen werden müssen und sich nicht ohne Weiteres in nachfolgenden Verwaltungsstreitverfahren einzelner Prüflinge isoliert nachvollziehen lassen (vgl. im einzelnen BVerfG, Beschl. vom 17.04.1991 - 1 BvR 419/81 und 213/83 - BVerfGE 84, 34, 50 ff.; BVerwG, Urt. vom 21.10.1993 - 6 C 12.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 320 S. 307 f.; Urt. vom 16.03.1994 - 6 C 5.93 - a.a.O. Nr. 329 S. 11; Beschl. vom 17.12.1997 - 6 B 55.97 -). Soweit der Beurteilungsspielraum reicht, hat das Gericht lediglich darüber zu befinden, ob die Grenzen des Bewertungsspielraums verletzt worden sind, etwa weil die Prüfer von falschen Tatsachen ausgegangen sind, allgemein anerkannte Bewertungsgrundsätze missachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt haben (BVerwG, Urt. vom 21.10.1993 a.a.O. S. 308; Urt. vom 16. März 1994 a.a.O.; Beschl. vom 10.10.1994 - 6 B 73.94 - Buchholz a.a.O. Nr. 338 S. 48).
§ 39 der Verordnung zum Niedersächsischen Gesetz zur Ausbildung der Juristinnen und Juristen vom 02.11.1933 (Nds. GVBL. S. 561) in der hier maßgeblichen Fassung, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 22.10.1996 (Nds. GVBl. S. 433) - NJAVO – modifiziert diese allgemeinen Prüfungsgrundsätze für die hier in Rede stehende mündliche Prüfung ersichtlich nicht. Diese Vorschrift bestimmt in ihrem Absatz 1 (lediglich), dass die mündliche Prüfung besteht aus einem "freien Aktenvortrag mit einem anschließenden kurzen Vertiefungsgespräch, dessen Punktzahl mit 12 vom Hundert, sowie vier Prüfungsgesprächen, deren Punktzahlen mit je 7 vom Hundert in die Prüfungsgesamtnote eingehen." Zur inhaltlichen Ausgestaltung der Prüfungsgespräche schreiben § 39 Abs. 4 Satz 1 und 2 NJAVO vor, dass sie entsprechend den vier Pflichtstationen zu gliedern sind und von den jeweils typischen Berufssituationen ausgehen sollen. Nach § 39 Abs. 4 Satz 3 NJAVO dienen die Prüfungsgespräche der Feststellung, ob der Prüfling in der Lage ist, Aufgaben und Probleme der juristischen Praxis rasch zu erfassen, die maßgebenden Gesichtspunkte zutreffend zu erkennen und durch überzeugende Erwägungen zu einer Lösung beizutragen.
Nach diesen Grundsätzen kann dem Vorbringen der Klägerin sowie den sonstigen erkennbaren Umständen nicht entnommen werden, dass der Prüfungsausschuss die Leistungen der Klägerin rechtsfehlerhaft bewertet hat. Die Klägerin hat selbst nicht behauptet und auch im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die Bewertungen ihrer mündlichen Prüfungsleistungen auf fachlich unzutreffenden Annahmen beruhen. Die sonach allein in Rede stehenden Grenzen ihres Bewertungsspielraumes hat der Prüfungsausschuss indessen ersichtlich nicht überschritten.
Zu Unrecht macht die Klägerin geltend, sie hätte während des Vertiefungsgesprächs auf die – auch nach ihrer eigenen Einschätzung gravierenden – Mängel ihres Aktenvortrags angesprochen werden und auf diese Weise Gelegenheit erhalten müssen, Ergänzungen anzubringen. Einen ausdrücklichen Rechtssatz dieses Inhalts gibt es nicht, und auch prüfungsrechtliche Grundsätze gebieten es nicht, das Vertiefungsgespräch auf ein Verfahren zur Korrektur begangener Fehler zu beschränken. In den jeweiligen Hinweisen für den Vortrag in der mündlichen Prüfung, die vor der Prüfung an die Prüflinge versandt worden sind, heißt es demgemäß (zu Nr. 6) zu Recht: "Nach dem Vortrag findet ein kurzes Vertiefungsgespräch statt. Es kann zum Beispiel auf klarstellende oder ergänzende Ausführungen zum Vortrag hinzielen oder alternative Lösungsmöglichkeiten ansprechen. Es kann aber auch Themen aus dem vom Prüfling gewählten Schwerpunktbereich bzw. Teilschwerpunkt betreffen, die mit der Vortragsakte in Zusammenhang stehen". Damit ist der Sache nach zutreffend darauf hingewiesen, dass es weitgehend dem Beurteilungsermessen des Fachprüfers überantwortet ist, wie das Vertiefungsgespräch gestaltet wird. Die dazu angestellten Erwägungen, eine weitere Entmutigung der Klägerin durch die Erörterung von Fehlern zu vermeiden und deswegen am positiven Inhalt des Vortrags anzuknüpfen, indem vertiefende Fragen des Erfüllungsortes beim gegenseitigen Vertrag gestellt wurden, um ihr so anhand eines Standardproblems des allgemeinen Schuldrechts Gelegenheit zu geben, Kenntnisse und Fertigkeiten zu zeigen, verletzt die Grenzen des Beurteilungsspielraums nicht.
Dem Vortrag der Klägerin zum Verlauf des anwaltlichen Prüfungsgesprächs, bei dem ein Mandantengespräch, also eine typische Berufssituation des Anwalts, simuliert worden ist, lässt sich ebenfalls kein Rechtsverstoß entnehmen.
Ihre Vermutung, sie habe durch ihren Aktenvortrag einen "so vernichtenden Eindruck hinterlassen", dass der Prüfer es nicht mehr für nötig befunden habe, sie noch anspruchsvollere Sachen zu befragen, wird durch den Akteninhalt nicht bestätigt und durch die ihr bei diesem Prüfungsgespräch erteilte Einzelbewertung eher widerlegt, die mit 7 Punkten eine ganze Notenstufe über der Bewertung ihres Aktenvortrags mit 4 Punkten liegt.
Soweit die Klägerin der Sache nach rügt, sie sei in zu geringem Umfang gefragt worden, lässt sich eine Verletzung der Chancengleichheit ebenfalls nicht feststellen.
Eine zeitliche Vorgabe für den Mindestumfang der mündlichen Prüfung jedes einzelnen Kandidaten enthalten die maßgeblichen Bestimmungen nicht. § 39 Abs. 3 Satz 1 und 2 NJAVO legt lediglich fest, dass die Prüfungsgespräche bei vier Prüflingen insgesamt etwa drei Stunden dauern sollen und durch angemessene Pausen zu unterbrechen sind. Die danach auf die einzelnen Fachgebiete der Prüfungsgespräche und jeden Prüfling rechnerisch entfallenden Zeitanteile treffen ebenfalls noch keine Aussage über die Intensität der Prüfung und die Bedeutung von Fragestellungen und Antworten in Bezug auf die Leistungsbeurteilung der einzelnen Kandidaten. Die Prüfer haben vielmehr im Rahmen des ihnen überantworteten Bewertungsspielraums die Prüflinge so lange zu prüfen, bis sie sich ein hinreichend sicheres Bild von ihren Leistungen und der Befähigung in dem in § 39 Abs. 4 Satz 3 NJAVO umschriebenen Sinn machen können. Da häufig die in einem Prüfungstermin geprüften Kandidaten einen unterschiedlichen Leistungsstand haben, ist naturgemäß der zeitliche Aufwand in Bezug auf jeden Prüfling sowie dessen Wortanteil nicht durchweg gleich groß. Allein aus einer unterschiedlichen Anzahl von Fragestellungen sowie aus unterschiedlichen zeitlichen Anteilen an einem Prüfungsgespräch kann deshalb nicht mit Erfolg ein Prüfungsmangel hergeleitet werden. Allerdings erfordert der sich aus § 39 Abs. 4 Satz 3 NJAVO ergebende Prüfungszweck ein Mindestmaß an Beteiligung eines jeden Prüflings an dem Prüfungsgespräch. Dieses Mindestmaß ist ersichtlich weder mit Blick auf die Häufigkeit gestellter Fragen noch bezogen auf die Möglichkeit zur Demonstration fachlicher Fähigkeiten unterschritten worden.
Die Klägerin hat ihre in diesem Zusammenhang ohnehin nicht hinreichend substanziierte Behauptung, sie sei bei diesem Prüfungsgespräch in "teilweise haarsträubender" Weise übergangen und ihr sei nicht die Gelegenheit gegeben worden, "etwas zu sagen", nach der Stellungnahme des Prüfungsausschusses nicht wiederholt. Die Kammer sieht deshalb keinen Anlass an der Richtigkeit der Angaben des Prüfungsausschusses zu zweifeln, die dieser anhand von Notizen festgehalten hat, die während des Prüfungsgesprächs angefertigt und in denen die Beteiligungen in zeitlicher Reihenfolge nummeriert festgehalten worden sind. Danach ist das anwaltliche Prüfungsgespräch in vier Abschnitte gegliedert gewesen. Die Klägerin ist - wie alle anderen Kandidaten - im ersten Abschnitt dreimal, im zweiten und dritten Abschnitt je zweimal und im vierten Abschnitt einmal zu Wort gekommen. Sie räumt nunmehr selbst ein, sie habe beim Mandantengespräch ausführlich gefragt und in der anschließenden Diskussion Beiträge zur Abgrenzung von Vermächtnis und Auflage sowie zur Kollision von Testament und notariellem Vertrag geleistet. Die von ihr diesbezüglich (unsubstanziiert) angeregte Beweisaufnahme ist nicht erforderlich, da sich den Angaben des Beklagten, der auf die Stellungnahme des Prüfungsausschuss Bezug genommen hat, nichts entnehmen lässt, was ihren Angaben zum tatsächlichen Verlauf der Prüfung widerspräche.
Dahingestellt bleiben kann, ob der Klägerin im familienrechtlichen (vierten) Abschnitt des Prüfungsgesprächs das Wort "abgeschnitten" worden ist. Denn nach den insoweit unwidersprochen gebliebenen Angaben des Prüfungsausschusses sind in dem erst kurz vor Ablauf der Prüfungszeit begonnenen familienrechtlichen Teil aus Zeitgründen im Interesse der Gleichbehandlung aller Kandidaten nur noch Kurzbeiträge zugelassen worden. Auch wenn es insoweit zu einer Unterbrechung der Klägerin gekommen sein sollte, wäre nicht ersichtlich, dass sie dadurch unfair behandelt oder in ihrer Chancengleichheit verletzt worden wäre.
Soweit die Klägerin darüber hinaus geltend gemacht hat, sie habe "teilweise" auf bereits gestellte Fragen nicht antworten dürfen, fehlt es an einer hinreichenden Substanziierung, sodass die von ihr im Sinne eines Ausforschungsbegehrens angeregte Beweisaufnahme (Vernehmung der anderen Prüflinge sowie einer noch nicht einmal namentlich benannten Zuhörerin) nicht durchzuführen ist.
Hinsichtlich der Rüge, ihr seien keine hinreichend gehaltvollen Fragen gestellt worden, lässt sich ein Prüfungsmangel ebenfalls nicht feststellen. Unstreitig sind die Prüflinge zu Beginn dieses Prüfungsgesprächs darauf hingewiesen worden, dass es zunächst darum gehe, den Sachverhalt zu erarbeiten und erst in zweiter Linie um dessen rechtliche Würdigung. Auch vor diesem Hintergrund ist die an die Klägerin gerichtete Prüfungsfrage „Was fragen Sie Ihren Mandanten?“ nicht anspruchslos, sondern wesentlicher Bestandteil anwaltlicher Tätigkeit, der rechtliche Erwägungen voraussetzt.
Schließlich ist auch die Entscheidung des Prüfungsausschusses rechtlich nicht zu beanstanden, bei der Gesamtnotenbildung im Falle der Klägerin nicht gemäß § 8 Abs. 2 NJAVO vom rechnerischen Ergebnis ihrer Leistungen abzuweichen.
Nach § 8 Abs. 2 NJAVO kann der Prüfungsausschuss von der errechneten Punktzahl bis zu einem Punkt abweichen, wenn dies auf Grund des Gesamteindrucks den Leistungsstand des Prüflings besser kennzeichnet und wenn die Abweichung auf das Bestehen der Prüfung keinen Einfluss hat; hierbei sind in der zweiten juristischen Staatsprüfung auch die Leistungen im Vorbereitungsdienst zu berücksichtigen. An diese Voraussetzungen einer Abweichung ist der Prüfungsausschuss strikt gebunden. Die Ermächtigung zu einer Ermessensentscheidung betrifft ausschließlich die Rechtsfolgeseite. Sie setzt voraus, dass auf der Tatbestandsseite alle dort aufgeführten Merkmale erfüllt sind, ehe von der Ermächtigung zur Abweichung Gebrauch gemacht werden darf (vgl. hierzu: BVerwG, Urt. vom 12.07.1995, BVerwGE 99, 74 m.w.N.). Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine typische Härtefallklausel, die Unbilligkeiten und ungewollten Härten einer rechnerischen Gesamtnotenbildung im Einzelfall begegnen und ggf. auch dem Gesamteindruck des Prüfungsausschusses ausnahmsweise innerhalb der normativen Korrekturmöglichkeit bis zu einem Punkt Geltung verschaffen will. Der Prüfungsausschuss verfügt insoweit nur über eine eingeschränkte Beurteilungsermächtigung. Er darf von ihr erst dann Gebrauch machen, wenn die näheren Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 NJAVO erfüllt sind. Hierzu gehört, dass er bei seiner Entscheidung sämtliche Prüfungsleistungen und auch die Leistungen des Prüflings im Vorbereitungsdienst berücksichtigt und der Prüfling einen Gesamteindruck hinterlassen hat, der durch die Anhebung von bis zu einem Punkt besser gekennzeichnet wird. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist gerichtlich überprüfbar (BVerwG, Urt. vom 12.07.1995, aaO.; Nds. OVG Lüneburg, Urt. vom 15.07.1988, DVBl 1989, 112 [OVG Niedersachsen 15.09.1988 - 10 A 31/88] m.w.N.).
Für die Anwendung des § 8 Abs. 2 NJAVO sind die Gründe maßgeblich, mit denen der Prüfungsausschuss den von ihm gewonnenen Gesamteindruck des Prüflings kennzeichnet. Für eine Änderung des errechneten Prüfungsergebnisses können ausschließlich leistungsbezogene Erwägungen Bedeutung erlangen. Ein von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abweichender Gesamteindruck ist allerdings nicht schon dann gerechtfertigt, wenn der Prüfling im Vergleich mit den von ihm geschriebenen Aufsichtsarbeiten wesentliche bessere Leistungen im Prüfungsgespräch gezeigt hat und der Prüfungsausschuss deshalb die nach der Prüfungsordnung vorgegebenen Gewichtungsanteile für korrekturbedürftig ansieht. Ein sicheres Auftreten und gute Leistungen eines Prüflings in der mündlichen Prüfung bedingen noch nicht einen Korrekturbedarf hinsichtlich seiner schlechter benoteten Aufsichtsarbeiten (BVerwG, Urt. vom 12.07.1995, aaO.). Umgekehrt dürfen die Prüfer auch gute Noten für Aufsichtsarbeiten nicht allein deshalb für korrekturbedürftig erachten, weil der Referendar in der mündlichen Prüfung durch eine starke Zurückhaltung, zögerliches Reagieren oder geringe gedankliche Beweglichkeit aufgefallen ist. Denn die in der jeweiligen Prüfungsordnung festgelegte konkrete Gewichtung der verschiedenen Prüfungsleistungen in den unterschiedlichen Prüfungsbereichen dient dazu, im Hinblick auf die vielfältigen beruflichen Anforderungen allen Prüflingen mit unterschiedlichen Neigungen, Begabungen, Stärken und Schwächen möglichst gleiche Chancen für eine erfolgreiche Prüfung einzuräumen. Die mündliche Prüfung bietet allerdings gerade auch die Möglichkeit, etwa bestehenden Zweifeln hinsichtlich des wahren Leistungsbildes eines Prüflings, die sich dem Prüfungsausschuss im Hinblick auf die bei den schriftlichen Prüfungsleistungen erzielten Noten aufgedrängt haben, nachzugehen und sie durch eine entsprechende Gestaltung der mündlichen Prüfung abzuklären.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze erweist sich die Entscheidung des Prüfungsausschusses, das rechnerische Ergebnis der Prüfung nicht zu verändern, als rechtmäßig.
Der Prüfungsausschuss hat in seiner Stellungnahme dargelegt, dass er auf Grund des Gesamteindrucks aller Prüfungsleistungen und der Leistungen während des Vorbereitungsdienstes keinen Anlass gesehen habe, im Falle der Klägerin (wie auch bei zwei anderen Prüflingen dieses Termins) nach pflichtgemäßem Ermessen von der errechneten Punktzahl abzuweichen. Zur Begründung hat er dazu ausgeführt, die Ergebnisse der Klägerin aus den Arbeitsgemeinschaften und den schriftlichen Arbeiten hätten keinen Anhaltspunkt geboten, die errechnete Punktzahl zu erhöhen. Dabei durfte der Prüfungsausschuss alle während des Vorbereitungsdienstes erzielten Noten (mit Rücksicht auf die unterschiedliche Dauer der jeweiligen Ausbildungsstationen auch gewichtet) berücksichtigen, wozu er unstreitig Gelegenheit hatte, da alle Personalakten und damit auch das Zeugnisheft vorlagen. Indem § 8 Abs. 2 Satz 2 NJAVO verlangt, dass bei der zweiten Staatsprüfung auch "die Leistungen im Vorbereitungsdienst" berücksichtigt werden müssen, ist es entgegen der in der mündlichen Verhandlung geltend gemachten Auffassung der Klägerin nicht gestattet, die schlechteren Leistungen in den Stationen unberücksichtigt zu lassen, in denen sie im Zuge ihres Ergänzungsdienstes erneut tätig geworden ist. Dies folgt bereits daraus, dass die im Einzelfall angeordnete Wiederholung von Teilen der Ausbildung im Vorbereitungsdienst in aller Regel - wie auch hier - nicht zu dem erneuten Durchlaufen eines vollständigen Ausbildungsabschnitts führt, sondern in solchen Fällen zumeist eine Verlängerung einzelner oder mehrerer Ausbildungsstationen darstellt, mit der der in dieser Ausbildungsphase nicht mit Erfolg vermittelte Ausbildungsstoff ergänzend behandelt werden soll. Die im Ergänzungsdienst durchlaufenen Ausbildungsabschnitte stellen deshalb einen regelmäßig nur geringfügigen Teil der jeweiligen Ausbildungsstation dar und können die früheren Leistungen während des regulären Vorbereitungsdienstes nicht ersetzen.
Soweit der Prüfungsausschuss im Falle des R.H. von der Möglichkeit der Abweichung (hier um einen halben Punkt) Gebrauch gemacht hat, lässt diese Entscheidung Hinweise auf eine gleichheitswidrige Benachteiligung der Klägerin nicht zu. Indem der Ausschuss insbesondere auf die gleichmäßigen Leistungen des R.H. im Vorbereitungsdienst abgestellt hat und die überlegten und verständnisvollen Beiträge des Prüflings in der mündlichen Prüfung bei dem Ausschuss die Überzeugung begründet haben, die errechnete Punktzahl gebe den Leistungsstand des Prüflings nicht zutreffend wieder, hat er nachvollziehbare Kriterien benannt, die er im Falle der Klägerin auch deshalb nicht für gegeben erachtet hat, weil ihre Beiträge eine wesentlich geringere argumentative Substanz aufgewiesen hätten. Dem hat die Klägerin Substanzielles, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben des Prüfungsausschusses erlaubte, nicht entgegengesetzt. Soweit die Klägerin, die eine durchschnittliche Ausbildungsnote von 10,69 (ggü. 12,5 bei R.H.) erzielt hat, geltend macht, sie habe in den schriftlichen Arbeiten mit durchschnittlich 6,75 Punkten ein besseres Ergebnis erzielt als R.H. mit durchschnittlich 6,06 Punkten, begründet dies allein einen hinreichenden Anlass für eine Anhebung nach § 8 Abs. 2 JAVO nicht.
Die Klage ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Nebenentscheidungen im Übrigen beruhen auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG. In Verfahren, in denen es lediglich um die Verbesserung einer Prüfungsnote geht, nimmt die Kammer in Übereinstimmung mit dem Nds. Oberverwaltungsgericht Lüneburg den gesetzlichen Auffangwert an (Nds. OVG Lüneburg, Urt. vom 07.10.1999 - 10 L 6651/96 -; Kammer, Urt. vom 21.06.2000 - 6 A 109/99 -). Da die Klage bereits vor dem 1. Januar 2002 erhoben war, ist gemäß § 15 GKG der Wert des damaligen Betrags (8000 DM) zu Grunde zu legen.