Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.10.1990, Az.: 10 L 207/89
Juristische Staatsprüfung; Hausarbeit; Beurteilung; Korrekturgremium; Prüfungsbeanstandung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 16.10.1990
- Aktenzeichen
- 10 L 207/89
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1990, 13016
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1990:1016.10L207.89.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Schleswig 05.04.1989 - 9 A 108/87 (90)
- nachfolgend
- BVerwG - 04.02.1991 - AZ: BVerwG 7 B 7/91
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 9. Kammer - vom 5. April 1989 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger bestand die erste juristische Staatsprüfung im Jahr 1984 nicht. Im Rahmen der Wiederholungsprüfung fertigte er eine Hausarbeit aus dem Gebiet des Strafrechts an. Die Hausarbeit wurde von dem Oberstaatsanwalt N. als Erstbeurteiler, dem Ministerialrat Dr. W. als Zweitbeurteiler, Prof. Dr. S. als Drittbeurteiler und dem Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht H. als Viertbeurteiler übereinstimmend mit der Note "mangelhaft (2 Punkte)" bewertet. Mit Bescheid vom 28. Januar 1986 teilte der Vorsitzende des Justizprüfungsamtes bei dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht dem Kläger mit, daß er die erste juristische Staatsprüfung wiederum nicht bestanden habe, und daß eine nochmalige Wiederholung nicht möglich sei. Auf die Klage des Klägers hob das Verwaltungsgericht durch rechtskräftiges Urteil vom 8. April 1987 die Bewertung der Hausarbeit und die Feststellung in dem Bescheid vom 28. Januar 1986, daß die Prüfung endgültig nicht bestanden sei, sowie den Widerspruchsbescheid vom 14. August 1986 auf. Gleichzeitig verpflichtete es den Beklagten, den Kläger insoweit neu zu bescheiden. In den Urteilsgründen heißt es, dem Kläger dürfe bei der Neubewertung der Hausarbeit nicht als Fehler oder Unterlassung angelastet werden, daß er das Vorliegen eines Vergehens nach dem Waffengesetz nicht geprüft habe, und daß er bei Prüfung der Strafbarkeit der Tatbeteiligten B. und C. nicht erörtert habe, daß der Tatbeteiligte A. möglicherweise eine (andere) Waffe bei sich geführt habe; der Aufgabentext habe besagt, A. habe eine Pistole bei sich gehabt, von der B. und C. aber nichts gewußt hätten. Das Verwaltungsgericht hat ferner darauf hingewiesen, daß die übrigen Einwände des Klägers gegen die Bewertung der Hausarbeit unbegründet und weitere Rechtsfehler nicht ersichtlich seien.
Der Beklagte leitete die Hausarbeit den Mitgliedern des Prüfungsausschusses unter Beifügung des verwaltungsgerichtlichen Urteils zur Neubewertung zu. Da der bisherige Prüfungsausschußvorsitzende, Richter am Oberlandesgericht H., zwischenzeitlich in den Ruhestand getreten war, bestimmte der Beklagte den Vizepräsidenten des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts Dr. K. zum neuen Vorsitzenden. Dagegen äußerte der Kläger Bedenken, denen der Beklagte durch Berufung des Generalstaatsanwaltes T. zum Vorsitzenden des Prüfungsausschusses Rechnung trug. In ihren Gutachten schlugen alle vier Prüfer die Bewertung der Hausarbeit mit "mangelhaft (2 Punkte)" vor. Dabei wurde Generalstaatsanwalt Teschke als Viertbeurteiler tätig. In der mündlichen Beratung vom 23. September 1987 blieb der Prüfungsausschuß einstimmig bei dieser Bewertung. Dies teilte der Beklagte dem Kläger mit Verfügung vom 24. September 1987 mit. Weiter wies der Beklagte darauf hin, daß der Kläger damit die erste juristische Staatsprüfung endgültig nicht bestanden habe.
Seinen am 2. Oktober 1987 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, daß der Prüfungsausschuß fehlerhaft zusammengesetzt gewesen sei, weil anderen als den bisherigen Prüfern die Neubewertung der Hausarbeit hätte übertragen werden müssen. Er beanstandete ferner, daß Generalstaatsanwalt T. - wie aus der Vorbemerkung in seinem Votum hervorgehe - keine Kenntnis vom Inhalt des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 8. April 1987 gehabt habe. Schließlich rügte der Kläger, die neuen Voten ließen nicht hinreichend erkennen, daß sich die Prüfer mit der Hausarbeit gedanklich eigenständig neu befaßt hätten.
Mit Schreiben vom 29. Oktober 1987 übersandte der Beklagte sämtlichen Mitgliedern des Prüfungsausschusses die Widerspruchsbegründung des Klägers zur Kenntnis und ggf. zur Stellungnahme binnen einer Woche. Bis auf Generalstaatsanwalt T. äußerten sich die Prüfer nicht. Generalstaatsanwalt T. stellte mit Schreiben vom 2. November 1987 klar, daß er sein Gutachten ohne Berücksichtigung der früheren Vorgänge verfaßt habe. Nach Niederlegung des Votums habe er auch das Urteil des Verwaltungsgerichts gelesen. Er habe jedoch keinen Anlaß gesehen, anschließend seine Beurteilung zu ändern oder zu ergänzen. Mit Bescheid vom 6. November 1987 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Der Kläger hat am 25. November 1987 Klage erhoben und geltend gemacht: Der Widerspruchsbescheid sei schon deshalb rechtswidrig, weil der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts sich auf eine reine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt habe, obwohl im Widerspruchsverfahren auch die Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes zu überprüfen sei. Außerdem habe keine förmliche Abhilfeentscheidung durch den Prüfungsausschuß stattgefunden. Die Erklärung von Generalstaatsanwalt T., er habe das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Abfassung seines Gutachtens gelesen, sei als Schutzbehauptung anzusehen. Ferner sei zu beanstanden, daß im angefochtenen Prüfungsbescheid vom 24. September 1987 eine Begründung dafür fehle, weshalb die Hausarbeit erneut mit "mangelhaft (2 Punkte)" bewertet worden sei. Außerdem hätte für die Neubewertung ein neuer Prüfungsausschuß eingesetzt werden müssen. Anderenfalls sei eine Unvoreingenommenheit der Prüfer nicht gewährleistet. Auch sei es problematisch, Generalstaatsanwalt T. zum Vorsitzenden des Prüfungsausschusses zu berufen, da er Vorgesetzter des Erstbeurteilers der Hausarbeit, Oberstaatsanwalt N., sei. Schließlich sei gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen worden. So sei das Votum von Generalstaatsanwalt T. widersprüchlich, wenn er den Kern der Aufgabenstellung der Hausarbeit für zumindest vertretbar gelöst halte, aber trotzdem die Bewertung mit "mangelhaft (2 Punkte)" als großzügig ansehe. Darin liege eine Verkennung des Systems von Notenstufen und Punktzahlen. Schließlich sei es unzulässig, dem Kläger eine Verwendung des Urteilsstiles vorzuhalten, obwohl dies bei einfachen Fragestellungen in der Ausbildungsliteratur empfohlen werde.
Der Kläger hat beantragt,
den Prüfungsbescheid des Beklagten vom 23. September 1987 und den Widerspruchsbescheid des Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 6. November 1987 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Hausarbeit des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat erwidert: In der Rechtsprechung sei anerkannt, daß in Prüfungsangelegenheiten die Kontrollbefugnis der Widerspruchsbehörde in gleicher Weise wie die der Gerichte eingeschränkt sei. Eines förmlichen Abhilfeverfahrens habe es nicht bedurft, da eine Personengleichheit zwischen dem Präsidenten des Oberlandesgerichts als Widerspruchsbehörde und dem Vorsitzenden des Justizprüfungsamtes bestehe. Generalstaatsanwalt T. habe in einer ergänzenden dienstlichen Äußerung vom 27. April 1988 erklärt, daß er sein Votum erst nach Lektüre des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 8. April 1987 unterschrieben habe. Auch hätten bei seiner Bewertung die Beanstandungen des Verwaltungsgerichts keine Rolle gespielt. Wie aus den einzelnen Voten hervorgehe, habe jeder Prüfer eine gedanklich eigenständige Neubewertung der Hausarbeit des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts vorgenommen. Der Prüfungsausschuß sei nicht fehlerhaft besetzt gewesen. Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, daß seine Hausarbeit durch andere Mitglieder des Prüfungsamtes bewertet würde. Für Zweifel an einer unparteiischen Amtsausübung des Generalstaatsanwaltes T. bestünde kein Anlaß. Der Umstand, daß die als Mitglieder des Justizprüfungsamtes nebenamtlichen Mitglieder der Prüfungskommission in ihrer hauptberuflichen Tätigkeit dienstlich miteinander verbunden oder sonstwie bekannt seien, sei für sich genommen auf eine unvoreingenommene Bewertung der Arbeit des Kandidaten ohne Einfluß. Die Neubewertung der Hausarbeit sei nicht unter Verletzung der Verordnung über eine Noten- und Punkteskala zustande gekommen. Insbesondere lasse die einzige positive Anmerkung im Votum des Generalstaatsanwalt T. nicht die Schlußfolgerung zu, seine Benotung sei widersprüchlich. Die Gesamtheit seiner Ausführungen zeige vielmehr, daß eine bessere Beurteilung als mit "mangelhaft (2 Punkte)" nicht in Betracht gekommen sei. Zwar könne im Einzelfall auch einmal der Urteilsstil in einer Hausarbeit angebracht sein, doch hätten die Prüfer zu Recht beanstandet, daß der Kläger den Urteilsstil vielfach verwendet habe.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 5. April 1989 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Neubescheidung zu. Es lägen weder Verfahrensfehler im Neubescheidungs- und Widerspruchsverfahren noch Rechtsanwendungsfehler vor. Die Behauptung des Klägers, Generalstaatsanwalt T. habe sein Votum geschrieben, ohne zuvor das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 8. April 1987 gelesen zu haben, sei durch die dienstliche Äußerung vom 27. April 1988 widerlegt. Aus den Voten der Prüfer ergebe sich eine nach den Umständen erforderliche hinreichende gedankliche Neubefassung mit der Hausarbeit. Soweit sich der Kläger zugleich auf das Fehlen einer hinreichenden Begründung berufe, übersehe er, daß nach § 109 Abs. 2 LVwG bei Prüfungsentscheidungen eine schriftliche Begründung nur auf Antrag, der innerhalb von zwei Wochen gestellt werden könne, zu erteilen sei. Einen solchen Antrag habe der Kläger nicht gestellt. Der Prüfungsausschuß sei nicht fehlerhaft besetzt gewesen. Die JAO enthalte keine Vorschriften darüber, wie der Prüfungsausschuß zu besetzen sei, wenn er aufgrund eines verwaltungsgerichtlichen Bescheidungsurteils erneut über eine Hausarbeit zu befinden habe. Auch eine bestimmte Verwaltungspraxis habe sich insoweit nicht gebildet. Ebensowenig sei die Auswahl des neuen Vorsitzenden des Prüfungsausschusses verfahrensfehlerhaft. Es sei kein Grund ersichtlich, daß Generalstaatsanwalt T. außerstande sein sollte, die häusliche Arbeit des Klägers unvoreingenommen zu bewerten. Es sei nicht zu beanstanden, daß sich die Widerspruchsbehörde auf eine reine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt habe. Durch die Weiterleitung des bei der Ausgangsbehörde eingelegten Widerspruchs an die Widerspruchsbehörde sei eine formlose Nichtabhilfeentscheidung getroffen worden. Zwar sei diese verfahrensfehlerhaft, da sie eine Verletzung der Pflicht der Ausgangsbehörde darstelle, den angegriffenen Verwaltungsakt im Abhilfeverfahren nochmals auf seine Recht- und Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Dies müsse besonders in Prüfungsfällen gelten, in denen die Widerspruchsbehörde auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Prüfungsentscheidung beschränkt sei. Dieser Verfahrensfehler habe sich jedoch nicht ausgewirkt und sei deshalb nach § 115 LVwG unbeachtlich. Die Mitglieder des Prüfungsausschusses seien vor der Entscheidung über den Widerspruch noch einmal angehört worden und hätten nicht zu erkennen gegeben, daß sie von ihren bisherigen Bewertungen abrücken wollten. Der Vorsitzende habe sich schriftlich geäußert und an seinem Votum ausdrücklich festgehalten. Fehler bei der Bewertung der Hausarbeit seien nicht zu erkennen. Der vom Kläger zitierte Satz aus dem Votum des Prüfers T. sei aus dem Zusammenhang gerissen. Auf ihn folgten negative Bemerkungen, eingeleitet durch den Satz: "Das ist indessen das einzige, was ich positiv hervorzuheben vermag". Die Bewertung erscheine plausibel begründet und nicht in sich widersprüchlich. Im übrigen seien nicht nur die Kürze der Hausarbeit, sondern vornehmlich ihr Inhalt von den Prüfern gerügt worden. Die Verwendung des Urteilsstiles sei lediglich wegen seiner Häufigkeit beanstandet worden.
Der Kläger hat gegen den ihm am 12. April 1989 zugestellten Gerichtsbescheid am 5. Mai 1989 Berufung eingelegt. Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen, wobei er sich vor allem gegen die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses und gegen die Durchführung des Abhilfeverfahrens wendet. Das Ermessen des Beklagten sei dahingehend auf Null reduziert gewesen, daß nur eine Besetzung des Prüfungsausschusses mit neuen Prüfern rechtmäßig gewesen wäre. Ihm könne nicht vorgehalten werden, daß er vor der Neubewertung die Besetzung des Prüfungsausschusses nicht gerügt habe. Abgesehen davon, daß es keine Vorschrift gebe, die insoweit einen Ausschluß des Rügerechts vorsehe, habe er die Hoffnung gehabt, daß sich die Prüfer unvoreingenommen mit seiner Hausarbeit erneut auseinandersetzen würden. Diese Hoffnung habe sich jedoch nicht bewahrheitet. So habe insbesondere der Erstgutachter das ursprüngliche Votum fast wörtlich übernommen. Die fehlende förmliche Nichtabhilfeentscheidung stelle einen wesentlichen Verfahrensfehler dar, weil ein möglicher Einfluß auf das Prüfungsergebnis nicht ausgeschlossen werden könne. § 46 VwVfG und § 115 LVwG könnten nicht herangezogen werden, weil es sich um eine Prüfungsentscheidung handele, bei der ein gerichtlich nicht voll nachprüfbarer Entscheidungsspielraum bestehe. Insbesondere könne nicht ausgeschlossen werden, daß eine neuerliche Beratung der Sache durch den Prüfungsausschuß dazu geführt hätte, bestimmte Bestandteile der Arbeit besser zu bewerten.
Der Kläger beantragt,
den angefochtenen Gerichtsbescheid zu ändern und nach dem Klagantrag zu erkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid. Ergänzend führt er aus, daß die Frage, ob und inwieweit der Prüfungsausschuß neu zu besetzen sei, Gegenstand eingehender Überlegungen und Prüfungen gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten einschließlich der Akten VG 9 A 68/86 und der beigezogenen Prüfungsakten Bezug genommen.
II.
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Es hat unter Berücksichtigung der Ausführungen des Senats im Beschluß vom 13. Juli 1988 (10 OVG B 250/88), mit dem eine Beschwerde des Klägers gegen den die Gewährung von Prozeßkostenhilfe ablehnenden Beschluß des Verwaltungsgerichts vom 28. März 1988 zurückgewiesen worden war, zutreffend dargelegt, daß der Kläger keinen Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide und Neubewertung der Hausarbeit hat. Wegen der Begründung wird zunächst auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides Bezug genommen, denen sich der Senat anschließt (Art. 2 § 6 EntlG). Zum Berufungsvorbringen des Klägers wird ergänzend ausgeführt:
1. Entgegen der Auffassung des Klägers kann nicht beanstandet werden, daß die vom Verwaltungsgericht durch rechtskräftiges Urteil vom 8. April 1987 angeordnete Neubewertung der Hausarbeit des Klägers mit Ausnahme des neu bestellten Vorsitzenden des Prüfungsausschusses, Generalstaatsanwalt T., von den bisherigen Prüfern vorgenommen wurde. Auf welche Weise eine fehlerhafte Prüfungsentscheidung zu korrigieren ist, ist dem jeweiligen Prüfungsrecht zu entnehmen (BVerwG, Beschl. v. 3. 3. 1983, Buchholz 421.0 Nr. 172). Die maßgebliche Landesverordnung über die Ausbildung der Juristen (JAO) in der Fassung vom 2. August 1985 (GVOBl S. 237) enthält dazu jedoch keine ausdrückliche Regelung. Auch hat sich insoweit im Zuständigkeitsbereich des Beklagten keine bestimmte Verwaltungspraxis herausgebildet. In einem solchen Fall hat es aber das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa Urt. v. 9. 7. 1982, Buchholz 421.0 Nr. 161), der der Senat folgt, grundsätzlich für zulässig erklärt, daß die ursprünglichen Prüfer mit der Nachkorrektur betraut werden. Denn es kann nicht von vornherein unterstellt werden, daß die Prüfer nicht fähig oder willens wären, die erneute Bewertung unbefangen vorzunehmen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Gründe vorliegen, die geeignet sind, Mißtrauen gegen eine unparteiische Prüfertätigkeit zu erwecken (vgl. BVerwG, Urt. v. 9. 7. 1982, aaO; Beschl. v. 29. 1. 1985, Buchholz 421.0 Nr. 209). Dafür fehlen hier jedoch konkrete Anhaltspunkte.
Im übrigen hat der Kläger diesen Einwand verspätet geltend gemacht. Bei der Verletzung von Verfahrensvorschriften ist es Obliegenheit des Prüflings, daß er die Verstöße alsbald, jedenfalls vor Erlangung der Kenntnis vom Prüfungsergebnis rügt, soweit ihm das zumutbar ist (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 15. 5. 1990, 10 OVG A 64/88; Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, 2. Aufl., RdNr. 428 m.w.N.). Er handelt widersprüchlich und treuwidrig, wenn er später bei einer ihn nicht zufriedenstellenden Bewertung seiner Prüfungsleistung eine aus seiner Sicht fehlerhafte Verfahrensweise beanstandet. Die nachträgliche Berücksichtigung einer derartigen Rüge würde gegen den Grundsatz der Chancengleichheit im Prüfungsverfahren verstoßen, weil der Prüfling damit eine weitere, den übrigen Prüflingen nicht zustehende Prüfungschance gewinnen würde (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 13. 3. 1989, 10 OVG A 57/88). Im vorliegenden Fall hatte der Kläger zwar Bedenken gegen den in Aussicht genommenen neuen Vorsitzenden des Prüfungsausschusses geäußert, denen der Beklagte durch Berufung des Generalstaatsanwaltes T. sofort Rechnung trug. Der Kläger wandte sich aber vor der Neubewertung nicht dagegen, daß der Beklagte den Prüfern Oberstaatsanwalt N., Ministerialrat Dr. W. und Prof. Dr. S. erneut die Bewertung seiner Hausarbeit übertragen hatte. Die Bestellung dieser Prüfer rügte er erst, nachdem ihm die erneute Bewertung der Hausarbeit mit "mangelhaft (2 Punkte)" mitgeteilt worden war.
2. Der Kläger nimmt zu Unrecht an, daß das Abhilfeverfahren unter einem wesentlichen Verfahrensfehler leide. § 72 VwGO geht vom Regelfall aus, daß die Ausgangsbehörde nicht mit der Widerspruchsbehörde identisch ist, und stellt für diesen Fall sicher, daß die Ausgangsbehörde nochmals mit der Sache befaßt wird und ihre Entscheidung überprüfen muß. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 20. 7. 1984, BVerwGE 70, 4 = DVBl 1985, 57) ist hingegen bei Identität von Ausgangsbehörde und Widerspruchsbehörde grundsätzlich ein förmliches Abhilfeverfahren nicht erforderlich. Entgegen der Auffassung des Beklagten dürfte eine derartige Identität hier aber nicht vorliegen, auch wenn eine Personengleichheit zwischen dem Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichtes als Widerspruchsbehörde und dem Vorsitzenden des Justizprüfungsamtes bei dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht besteht. In §§ 8 Abs. 2, 29 JAO ist ausdrücklich festgelegt, daß nächsthöhere Aufsichtsbehörde für das Justizprüfungsamt der Präsident des Oberlandesgerichts ist. Der Vorsitzenden des Justizprüfungsamtes muß - wie aus § 9 Abs. 2 JAO hervorgeht - nicht zwangsläufig der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts sein. Selbst wenn eine solche Übung bestehen sollte, sind das Justizprüfungsamt und der Präsident des Oberlandesgerichts jeweils selbständige Behörden. Hinzu kommt, daß es sich bei der Prüfungsentscheidung um eine Entscheidung mit Beurteilungsspielraum handelt, deren Überprüfung zumindest in inhaltlicher Hinsicht Aufgabe des Prüfungsausschusses ist (vgl. dazu OVG Hamburg, Urt. v. 27. 4. 1987, KMK-HSchR 1988, 286, 291 f.). Diese Überlegungen sprechen dafür, den zuständigen Prüfungsausschuß am Abhilfeverfahren eigenständig zu beteiligen. Da aber Verfahrensregelungen für das Abhilfeverfahren fehlen, bleibt es ihm überlassen, wie er zu seiner Entscheidung kommt. Der Senat hält es grundsätzlich nicht für erforderlich, daß der Prüfungsausschuß zu einer mündlichen Beratung über den Widerspruch des Prüflings zusammentritt. Vielmehr wird in der Regel auch ein schriftliches Umlaufverfahren ausreichen, das allerdings mit einem aktenkundigen Ergebnis enden muß. Auf eine mündliche Beratung wird lediglich dann nicht verzichtet werden können, wenn sich die Mitglieder des Prüfungsausschusses im schriftlichen Verfahren nicht auf eine einheitliche Haltung zum Widerspruch des Prüflings einigen können.
Hieran gemessen ist das Abhilfeverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Zwar hat der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts als Widerspruchsbehörde mit Schreiben vom 29. Oktober 1987 sämtlichen Mitgliedern des Prüfungsausschusses die Widerspruchsbegründung des Klägers zur Kenntnisnahme übersandt und gleichzeitig darauf hingewiesen, daß er über den Widerspruch entscheiden werde, wenn innerhalb einer Frist von einer Woche keine gegenteilige Stellungnahme des Prüfungsausschusses vorliege. Kein Mitglied des Prüfungsausschusses hat daraufhin Veranlassung gesehen, von der Bewertung der Hausarbeit mit "mangelhaft (2 Punkte)" abzuweichen. Es fehlt jedoch eine ausdrückliche abschließende Nichtabhilfeentscheidung des Prüfungsausschusses.
Dieser Verfahrensfehler war aber nicht wesentlich, weil auch ohne ihn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können (vgl. § 115 LVwG). Da allen Mitgliedern des Prüfungsausschusses die Widerspruchsbegründung des Klägers bekannt war, sie aber übereinstimmend keinen Grund für eine Änderung ihrer Bewertung gesehen haben, hätte sich auch bei Durchführung eines förmlichen Verfahrens nach § 72 VwGO keine Auswirkung auf das Prüfungsergebnis zugunsten des Klägers ergeben. Abgesehen davon machte der Kläger in seiner Widerspruchsbegründung vom 20. Oktober 1987 lediglich Verfahrensfehler geltend (fehlerhafte Zusammensetzung des Prüfungsausschusses, fehlende Kenntnis des Prüfers Generalstaatsanwalt T. vom Inhalt des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 8. 4. 1987 und keine hinreichende gedankliche Neubefassung der Prüfer mit der Hausarbeit). Da die Kontrollbefugnis des Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts als Widerspruchsbehörde in gleicher Weise wie die der Gerichte eingeschränkt ist, so daß er in den Beurteilungsspielraum des Prüfungsausschusses nicht eingreifen darf, dagegen aber etwaige Verfahrensmängel voll überprüfen kann, hat ein fehlerhaftes Verfahren nach § 72 VwGO nicht das gleiche Gewicht, als wenn der Kläger die inhaltliche Leistungsbewertung angegriffen hätte, die allein dem Prüfungsausschuß obliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
Dr. Jank
Dr. Heidelmann
Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Greve ist wegen Urlaubs gehindert zu unterschreiben Dr. Jank