Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 11.01.2006, Az.: 6 B 506/05

60 Minuten; Ausnahmegenehmigung; Auswahlentscheidung; Beförderungszeit; Behinderung; Belastung; besondere Härte; einstweiliger Rechtsschutz; Ermessen; Feststellung; Förderbedarf; Förderschule; Förderschwerpunkte; Gastschulgeld; geistig behindertes Kind; Gesamtbelastung; persönliche Interessen; Schulbezirk; Schulträger; Schulweglänge; sonderpädagogischer Förderbedarf; Therapieangebot; Therapiemöglichkeit; unzumutbare Gesamtbelastung; Wahlrecht; Zuweisung; Zuweisungsentscheidung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
11.01.2006
Aktenzeichen
6 B 506/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 53146
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Welche Schule ein Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu besuchen hat, entscheidet sich auch nach der Festlegung eines Schulbezirks für eine Förderschule nicht aufgrund des § 63 Abs. 3 Satz 4 NSchG, sondern nach der spezielleren Vorschrift des § 68 Abs. 2 Satz 1 NSchG.

2. Die Schulbehörde ist bei ihrer Zuweisungsentscheidung nicht gehalten, sich stets für den kürzesten oder denjenigen Schulweg zu entscheiden, mit dem eine geringere Gesamtbelastung des Kindes verbunden ist, sondern muss ggf. auch das Interesse des Schulträgers berücksichtigen, das bei einem Besuch der Förderschule des Nachbarkreises anfallende sog. Gastschulgeld zu vermeiden.

3. Bei dem Besuch einer Förderschule in einem ländlich strukturierten Gebiet kann auch einem Erstklässler zugemutet werden, für den Schulweg mehr als 45 Minuten in eine Richtung aufzuwenden.

4. Da Förderschulen auch im Primarbereich einen ganztägigen Unterricht organisieren dürfen (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 5 NSchG), ist auch ein mehr als sechs Stunden dauernder Schulbesuch zumutbar, wenn die Schule den Belastungsgrenzen durch ausreichende Erholungsmöglichkeiten Rechnung trägt.

Gründe

1

I. Der Antragsteller möchte einer anderen Förderschule zugewiesen werden.

2

Der im Juni 1998 geborene Antragsteller ist behindert; er leidet im Wesentlichen an einer Vergrößerung der Gehirnsubstanz (Megalenzephalie), die mit einer geistigen Entwicklungsverzögerung einhergeht.

3

Nach Durchführung des Verfahrens zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs stellte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 18.07.2005 fest, dass bei dem Antragsteller ein sonderpädagogischer Förderbedarf mit dem Förderschwerpunkt im Bereich geistige Entwicklung besteht. Der Antragsteller benötige umfangreiche Förderung in den entwicklungsorientierten Lernbereichen Wahrnehmung, Denken, Sprache und Motorik. Zu fördern seien u.a. seine Selbst- und Fremdwahrnehmung sowie seine Handlungsmuster für die Kontaktaufnahme zu anderen Kindern, seine körperliche Koordination und sein Gleichgewichtssinn, seine Sprache und seine Selbstständigkeit im lebenspraktischen Bereich. Dazu seien psychomotorische Angebote und mundmotorische Übungen erforderlich. Auch mit Blick auf seine Ablenkbarkeit benötige der Antragsteller eine kleine überschaubare Lerngruppe, kurze Lerneinheiten mit häufigen Wiederholungen und eine reizreduzierte Umgebung mit handlungsorientierten Unterrichtsverfahren.

4

Mit diesem Bescheid vom 18.07.2005, zugestellt am 20.07.2005, ordnete die Antragsgegnerin gleichzeitig an, dass der zuvor einmal vom Schulbesuch zurückgestellte Antragsteller ab Beginn des Schuljahres 2005/2006 die Schule am Harly in Vienenburg, die vom Landkreis seines Wohnortes unterhaltene Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung, zu besuchen habe.

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Die schon mit Schreiben der Eltern des Antragstellers vom 05.07.2005 vorgebrachte Bitte, ihrem Sohn den Besuch der vom Nachbarkreis unterhaltenen Wartbergschule in Osterode zu gestatten, wo er insbesondere auch eine Reittherapie erhalten könne, lehnte die Antragsgegnerin daneben mit gesondertem Bescheid vom 18.07.2005 ab, da die Voraussetzungen für eine Ausnahmegenehmigung nach § 63 Abs. 3 NSchG nicht vorlägen.

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Dagegen hat der Antragsteller am 19.08.2005 Klage erhoben und vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Er macht insbesondere geltend:

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Bereits pädagogische Gründe sprächen dafür, ihm den Besuch der Schule in Osterode zu gestatten, da diese Schule über eigenständige Förderschwerpunkte „Sprache“ sowie „körperliche und motorische Entwicklung“ verfüge, während sich das Angebot in Vienenburg allein auf den Bereich „geistige Entwicklung“ beziehe. Außerdem benötige er ausweislich des Berichtes des Arztes Dr. B. vom Kinderzentrum Pelzerhaken vom 22.07.2005 auch heilpädagogisches Voltegieren, was nur in der Schule in Osterode angeboten werde und dessen private Inanspruchnahme außerhalb der Schulzeit seine ohnehin bereits erhebliche Gesamtbelastung unzumutbar erhöhen würde. Daneben sei er auf eine logopädische Therapie angewiesen, wobei lediglich die von ihm gewünschte Schule über ein eigenständiges logopädisches Angebot im Sinne einer Einzeltherapie verfüge, während dies bei einem Besuch der Schule am Harly wiederum privat organisiert werden müsse, was seine Gesamtbelastung zusätzlich steigern würde. Die Verpflichtung zum Besuch der Schule Am Harly bedeute zudem eine besondere Härte, da sie zu einer unzumutbaren Gesamtbelastung für ihn als Erstklässler führen würde. Die Beförderungszeit von maximal 60 Minuten pro einfache Fahrstrecke werde auch nach dem im Verfahren vorgelegten neuen Tourenplan überschritten, wenn zu den dort ausgewiesenen 55 Minuten, die Geltung nur unter günstigsten Bedingungen haben könnten, die regelmäßigen Verzögerungen hinzugerechnet würden, mit denen insbesondere im Winter infolge schlechter Witterungsverhältnisse, ansonsten aber auch infolge des Berufsverkehrs zu rechnen sei. Zum zweiten werde durch die lange Fahrzeit und wegen des Ganztagsunterrichts auch die Belastungsgrenze für Schüler im Primarbereich von höchstens acht Stunden überschritten. Dies sei nach der Rechtsprechung (Nds. OVG. Beschl. vom 12.02.2004 - 13 LA 312/03) nicht erlaubt. Schließlich sei es auch aus Gründen der Gleichbehandlung geboten, ihm den Besuch der Wartbergschule zu gestatten; zur Zeit würden mehr als 10 Kinder von seinem Wohnort nach Osterode zur Wartbergschule gefahren.

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Der Antragsteller beantragt (sinngemäß),

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die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu gestatten, die Wartbergschule in Osterode am Harz zu besuchen.  

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Sie erwidert im Wesentlichen:

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Pädagogischen Gründe sprächen nicht gegen ihre Entscheidung. Die für den Antragsteller erforderlichen Therapiemöglichkeiten wie Ergo-, Physio-, Schwimm- und Sprachtherapie, die zum Standard einer Förderschule für den Bereich geistige Entwicklung gehörten, würden auch an der Schule Am Harly angeboten. Sofern Therapieangebote in der Wartbergschule nicht unterrichtsimmanent, sondern neben dem Unterricht stattfinden würden, begründe dies einen besonderen Vorteil für den Antragsteller nicht. Insbesondere die in der Schule Am Harly in der ersten Klasse unterrichtsimmanent von einer für den Bereich der Sprachförderung besonders ausgebildeten Lehrerin erteilte Sprachförderung sei qualitativ gegenüber einer an der Schule erteilten Einzeltherapie nicht nachteilig und entspreche der einschlägigen Erlasslage. Soweit die Wartbergschule eine Reittherapie anbiete, könne der Antragsteller daraus für sich nichts herleiten, da er darauf nicht angewiesen sei.

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Auch die Gesamtbelastung des Antragstellers werde durch den Besuch der Schule in Vienenburg nicht überschritten. Nach dem neuen Tourenplan werde der Antragsteller von dem Beförderungsunternehmer mit einem für acht Fahrgäste zugelassenen Bus um 7:00 Uhr abgeholt. Um 7:55 Uhr sei der Bus an der Schule in Vienenburg. Die Rückfahrt beginne um 15:10 Uhr und ende für den Antragsteller um 15:55 Uhr. Mit wesentlichen Verzögerungen sei, wie die Erfahrungen in der Vergangenheit gezeigt hätten, nicht zu rechnen. Die Zumutbarkeit könne sich ohnehin nicht allein an den Interessen des jeweiligen Schülers orientieren. Vielmehr müssten auch öffentliche Interessen, organisatorische Gegebenheiten und Notwendigkeiten des Schulträgers berücksichtigt werden. Der Landkreis Goslar halte in seinem Gebiet für Kinder mit dem Förderbedarf „geistige Entwicklung“ die Schule am Harly vor, und im Rahmen der von ihm organisierten Schülerbeförderung könne er es aus organisatorischen und wirtschaftlichen Gründen nicht leisten, jedem Individualinteresse an einer möglichst günstigen Beförderung Rechnung zu tragen. Die Fahrzeit nach Osterode zur Wartbergschule wäre im Übrigen mit etwa 25 bis 30 Minuten nicht wesentlich kürzer als die reine Fahrzeit zur Schule in Vienenburg, die 35 bis 40 Minuten betrage. Um den Belastungsgrenzen der Schüler zu entsprechen, seien in den Klassenräumen Ruhebereiche eingerichtet, und zusätzlich gebe es einen besonderen Raum zur Entspannung und zur Durchführung eines Wahrnehmungstrainings.

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Soweit der Antragsteller sich auf Gleichbehandlung berufe, verkenne er, dass es sich bei den von ihm namentlich genannten Schülern überwiegend um solche Fälle handele, über die vor dem Inkrafttreten der einschlägigen Schulbezirkssatzung, die sie berücksichtige, entschieden worden sei. Teilweise liege auch ein anderer sonderpädagogischer Bedarf vor, dem in der Schule des Landkreises Goslar nicht Rechnung getragen werden könne.

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Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

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II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist zulässig (1.), aber nicht begründet (2.).

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1. Der Zulässigkeit des Begehrens steht nicht entgegen, dass der Klage gegen die Entscheidung der Antragsgegnerin gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung zukommt, sodass der Antragsteller derzeit (noch) nicht gezwungen werden kann, die Förderschule in Vienenburg zu besuchen. Dennoch stünde es ihm nicht frei, die von ihm (nunmehr) gewünschte Förderschule in Osterode zu besuchen; er muss sein dahin zielendes Begehren in der Hauptsache mit der bereits erhobenen Verpflichtungsklage verfolgen. Denn der Gesetzgeber hat das grundsätzliche Recht der Erziehungsberechtigten, die von ihrem Kind zu besuchende Schule auszuwählen (vgl. § 59 Abs. 1 Satz 1 NSchG), bei bestehendem sonderpädagogischem Förderbedarf durch § 68 Abs. 2 Satz 1 NSchG eingeschränkt. Eine Förderschule darf nur nach entsprechender Zuweisung durch die Schulbehörde besucht werden; die dafür gemäß den §§ 119, 120 Abs. 6 NSchG zuständige Landesschulbehörde trifft insoweit eine Entscheidung, der neben der Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs eigenständige Bedeutung zukommt (Nds. OVG, Urt. vom 21.07.1999 – 13 L 2468/99 -, Beschl. vom 06.10.1999 - 13 M 3564/99 -, Beschl. vom 19.03.2001 – 13 LA 340/01 -; VG Hannover, Beschl. vom 10.09.2003 - 6 B 3431/03 -; VG Braunschweig, Urt. vom 17.06.2004 - 6 A 85/04 -) und die ein Wahlrecht der Erziehungsberechtigten ausschließt. Da der Antragsteller seiner Schulpflicht nach § 63 Abs. 1 Satz 1 NSchG zum Besuch einer Förderschule nachkommen möchte, die bereits durch die nicht angefochtene Entscheidung der Antragsgegnerin zum Bestehen sonderpädagogischen Förderbedarfs begründet worden ist, hat er ein berechtigtes Interesse an der baldigen Klärung der Frage, ob er die von ihm gewünschte Förderschule besuchen darf, ohne alsbald wieder mit einem durch die Antragsgegnerin erzwungenen Schulwechsel rechnen zu müssen (in diesem Sinne auch VG Hannover, Beschl. vom 29.07.2003 - 6 B 2994/03 -).

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2. Der Antragsteller hat jedoch weder einen zu sichernden Rechtsanspruch noch sonst die Notwendigkeit einer gerichtlichen Regelung glaubhaft gemacht, bis zur Entscheidung in der Hauptsache die Förderschule Wartberg in Osterode  besuchen zu dürfen. Nach der in diesem Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Sachlage spricht Überwiegendes dafür, dass die angegriffene Entscheidung der Antragsgegnerin zum Schulbesuch Bestand haben wird und der Antragsteller deshalb die Förderschule Am Harly in Vienenburg besuchen muss.

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2.1. Entgegen der Auffassung beider Beteiligter ist über die Frage, welche Schule ein Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu besuchen hat, nicht (auch) aufgrund der Vorschrift des § 63 Abs. 3 Satz 4 NSchG, sondern (allein) gemäß § 68 Abs. 2 Halbsatz 2 NSchG zu entscheiden.

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Zwar hat der Landkreis Goslar als zuständiger Schulträger mit § 1 Abs. 2 seiner „Satzung über die Festlegung der Schulbezirke für den Primarbereich der Förderschulen mit den Schwerpunkten Lernen bzw. Geistige Entwicklung im Landkreis Goslar“ vom 17.05.2004 (Amtsblatt für den Landkreis Goslar, Nr. 13 vom 28.09.2004, S. 250 ff) für die in seinem Bereich unterhaltene Förderschule mit dem Schwerpunkt „geistige Entwicklung“ eine Regelung des (auf das gesamte Kreisgebiet erstreckten) Schulbezirks getroffen, die nach dem Wortlaut des § 68 Abs. 3 Satz 4 NSchG die Möglichkeit eröffnet, den Besuch einer anderen Schule unter den dort genannten Voraussetzungen zu gestatten. In Literatur und Rechtsprechung ist jedoch geklärt, dass § 63 Abs. 3 Satz 4 NSchG bei der Entscheidung über den Besuch einer Förderschule durch die speziellere Vorschrift des § 68 Abs. 2 Satz 1 NSchG verdrängt wird (Brockmann in: Seyderhelm/ Nagel/ Brockmann, Nds. Schulgesetz, § 63 Anm. 4.6, § 68 Anm. 5; VG Braunschweig, Urt. vom 08.11.2001 - 6 A 49/01 -, Nds. Rpfl. 2002, 213; VG Hannover, Beschl. vom 29.07.2003 - 6 B 2994703 -). Die Festlegung eines Schulbezirks durch den Schulträger, die nach § 68 Abs. 2 NSchG für den Primarbereich (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 NSchG) auch einer Förderschule vorgeschrieben ist, wird damit nicht funktionslos, sie hat sich aber in den Gesamtzusammenhang der Kriterien einzuordnen, die bei einer Zuweisungsentscheidung gemäß § 68 Abs. 2 NSchG abzuwägen sind.

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2.2. Bei der Entscheidung nach § 68 Abs. 2 NSchG hat die Landesschulbehörde vorrangig zu prüfen, welche Form der Beschulung dem Kind, das sonderpädagogischen Förderbedarf hat, die „notwendige Förderung“ gewährleistet (§ 63 Abs. 1 Satz 2 NSchG). Dabei hat sie auch die entsprechenden Vorstellungen der Erziehungsberechtigten angemessen zu würdigen. Ist die Landesschulbehörde zu der in diesem Verfahren nicht streitigen und deshalb auch nicht zu überprüfenden Feststellung gelangt, dass eine Beschulung in einer anderen Schulform (§§ 14 Abs. 1 Satz 1, 23 Abs. 3, 68 Abs. 1 Satz 2 NSchG) den Erfordernissen des Kindes nicht gerecht wird oder unter angemessener Berücksichtigung der organisatorischen, personellen und sachlichen Gegebenheiten nicht organisiert werden kann, muss sie im Rahmen des § 68 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 NSchG (ferner) entscheiden, welche Förderschule für das Kind geeignet ist. Soweit mehrere hinreichend geeignete Förderschulen in Betracht kommen, wird es bei der Ausübung des der Schulbehörde eröffneten Auswahlermessens geboten sein, das vom Schulträger erlassene Satzungsrecht zur Schulbezirkseinteilung in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Der subjektive Anspruch des betroffenen Kindes und seiner Erziehungsberechtigten erstreckt sich nicht auf die aus ihrer individuellen Sicht (theoretisch) bestmögliche Schulorganisation, sondern darauf, dass die Landesschulbehörde eine ermessensfehlerfrei Entscheidung trifft, die den individuellen Belangen des betroffenen Kindes und den Wünsche seiner Erziehungsberechtigten auf der Grundlage der organisatorischen, personellen und sächlichen Gegebenheiten (auch in der Begründung der Entscheidung) im notwendigen Umfang angemessen Rechnung trägt (vgl. dazu auch Brockmann in: Seyderhelm/ Nagel/ Brockmann, a.a.O., § 68 Anm. 5, sowie BVerfG, Beschl. vom 08.10.1997 - 1 BvR 9/97 -, BVerfGE 96, 288 ff).

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2.3. Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass die angegriffene Zuweisungsentscheidung der Antragsgegnerin, die diese im Laufe des Verfahrens in nach §§ 39 Abs. 1, 45 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) i.V.m. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG und § 114 Satz 2 VwGO zulässiger Weise ergänzend begründet hat, rechtsfehlerhaft ist. Die Antragsgegnerin hat - soweit in diesem Verfahren ersichtlich - ohne erkennbaren Ermessensfehler entschieden, dass dem sonderpädagogischen Förderbedarf des Antragstellers in der Förderschule Am Harly im notwendigen Umfang Rechnung getragen werden kann (2.3.1.), ihm der Besuch dieser Schule trotz der längeren Wegstrecke bzw. der zu erwartenden Gesamtbelastung nicht unzumutbar ist (2.3.2.) und ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit den Schülern, die aufgrund früherer Entscheidungen der Antragsgegnerin die Förderschule in Osterode besuchen, nicht besteht (2.3.3.).

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2.3.1. Die Antragsgegnerin hat nachvollziehbar ausgeführt, dass die Förderschule Am Harly alle zum Standard einer Förderschule für den Bereich geistige Entwicklung gehörenden Therapiemöglichkeiten wie Ergo-, Physio-, Schwimm- und Sprachtherapie anbietet. Demgegenüber hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass diese Förderschule seinen individuellen Förderbedürfnissen nicht in dem gebotenen Umfang gerecht werden könnte.

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a. Soweit der Antragsteller behauptet, er sei auf das an der Wartbergschule angebotene heilpädagogische Voltegieren angewiesen, wird dies durch die Bescheinigung des Arztes Dr. B. vom Kinderzentrum Pelzerhaken vom 22.07.2005 nicht belegt. Der Arzt führt insoweit lediglich aus, dass der Antragsteller „auch vom heilpädagogischen Voltegieren Nutzen ziehen“ würde, „wenn dies vor Ort möglich ist“. Eine Notwendigkeit, diese Form der physiotherapeutischen Behandlung aufzunehmen, ist damit ersichtlich nicht gemeint, zumal Dr. B. in diesem Zusammenhang noch betont, dass er die Fortsetzung der Ergotherapie im Sinne des Konzepts der sensorischen Integration für wichtiger halte als eine physiotherapeutische Behandlung.

26

Vor diesem Hintergrund ist auch eine bei der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigende Notwendigkeit, zusätzlich zum Schulunterricht eine Reittherapie zu organisieren, nicht glaubhaft gemacht.

27

b. Ebenfalls nicht glaubhaft gemacht hat der Antragsteller, dass die in der Förderschule Am Harly angebotene unterrichtsimmanente Sprachförderung nicht ausreiche und er deshalb auf die einschlägigen Angebote der Wartbergschule angewiesen sei. Allein der Umstand, dass diese Förderschule einmal pro Woche eine logopädische Einzeltherapie anbietet, ist nicht geeignet, das an der Förderschule Am Harly praktizierte Konzept einer in den Unterricht integrierten Sprachförderung als weniger oder nicht geeignet zu qualifizieren. Dieses Konzept wird durch den einschlägigen Runderlass „Sonderpädagogische Förderung“ des Nds. Ministeriums für Kultur vom 01.02.2005 (SVBl 2/2005 S.49; ber. SVBl. 3/2005 S.135) sogar gefordert. Dort heißt es (zu II. 2.2): „Therapeutische Maßnahmen sind einzeln oder in Kleingruppen unterrichtsbegleitend einzubeziehen, damit den Schülerinnen und Schülern eine durchgängige Teilhabe am Unterricht ermöglicht wird. In gleicher Weise sind notwendige medizinisch-pflegerische Maßnahmen einzubinden.“

28

2.3.2. Der Antragsteller hat ferner nicht glaubhaft gemacht, dass ihm der Besuch der Förderschule Am Harly nicht zumutbar ist. Insbesondere ist nicht glaubhaft gemacht, dass sowohl der für die einzelnen Wegstrecken als auch der für den Schulbesuch insgesamt aufzubringende Zeitaufwand sowie die damit einhergehende Gesamtbelastung unzumutbar groß sind.

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a. Die Kammer verkennt nicht, dass mit der Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin Nachteile für den Antragsteller verbunden sind, die dieser bei einem Besuch der Förderschule in Osterode nicht zu erdulden hätte. Nach dem aktuellen Tourenplan des vom Schulträger beauftragten Busunternehmens sind für die Fahrt des Antragstellers zur Schule nach Vienenburg 55 Minuten und für die Rückfahrt 45 Minuten zu veranschlagen. Dass dieser Wert, wie der Antragsteller behauptet, infolge ungenügender Berücksichtigung schlechter Witterungsverhältnisse oder ungünstiger Verkehrsverhältnisse zu niedrig angesetzt sei, ist nicht ersichtlich. Aber auch ohne witterungs- oder verkehrsbedingte Verzögerungen, die - wenn überhaupt - im Übrigen auch für die Fahrt nach Osterode gälten, ist dieser Schulweg länger als derjenige zur Wartbergschule in Osterode.

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Um die Beförderungszeit von bis zu 55 Minuten, bei der neben den reinen Fahrzeiten von 40-45 Minuten auch Zeiten für das Zu- bzw. Aussteigen von vier weiteren Schülern angesetzt sind, mit dem zeitlichen Aufwand vergleichen zu können, der entstünde, wenn der Antragsteller die Wartbergschule in Osterode besuchen würde, kann zunächst nur auf die reine Fahrzeit abgestellt werden, die nach den plausiblen Angaben des Landkreises Goslar bei einer Fahrt des Antragstellers zur Wartbergschule in Osterode etwa 25-30 Minuten betragen würde. Da auch insoweit mit Zu- bzw. Ausstiegszeiten anderer Schüler gerechnet werden müsste, ergibt sich schultäglich durch den Besuch der Schule in Vienenburg eine zeitliche Mehrbelastung für den Antragsteller im Umfang von maximal 30 Minuten.

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Dieser Mehrbelastung des Antragstellers stehen gewichtige Interessen des örtlich zuständigen Schulträgers gegenüber, die die Antragsgegnerin bei ihrer Entscheidung nicht übergehen durfte. Sie musste insbesondere die Interessen des Landkreises Goslar berücksichtigen, nicht zusätzliche Kosten (sog. Gastschulgeld, hier nach den Angaben des Landkreises: 770 Euro/Schuljahr und Kind) für den Besuch der vom Nachbarkreis unterhaltenen Wartbergschule in Osterode aufbringen zu müssen, solange er sowohl ausreichende Kapazitäten an einer gleichwertigen eigenen Förderschule bereithält als auch einen geeigneten Schülertransport zu dieser Schule organisiert.

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Dass die Antragsgegnerin das im Wesentlichen durch diese Belange des Schulträgers geprägte öffentliche Interesse an einem Besuch der  Förderschule Am Harly gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers überbewertet hat, ist nicht ersichtlich.

33

b. Auch mit der Inkaufnahme des Umstands, dass der Antragsteller bei einem Besuch der Schule Am Harly pro Schultag um etwa 30 Minuten länger und an drei von fünf Schultagen (montags und freitags endet die Schulbesuchszeit bereits um 12:00 Uhr) mehr als acht Stunden (von 7:00 Uhr bis 15:55 Uhr) von zu Hause abwesend ist, hat die Antragsgegnerin die Grenzen ihres Ermessens nicht überschritten. Die dem Antragsteller in zeitlicher Hinsicht zugemutete (Mehr-)Belastung überschreitet weder eine von Rechts wegen anzunehmende allgemeine noch eine durch individuelle Besonderheiten begründete individuelle Zumutbarkeitsgrenze.

34

Die Schulbehörde ist im Rahmen des § 68 Abs. 2 Satz 1 NSchG nicht gehalten, sich stets für den kürzesten oder denjenigen Schulweg zu entscheiden, mit dem eine geringere Gesamtbelastung des Kindes verbunden ist. Sie darf insbesondere auch dann zu dem Besuch einer Förderschule verpflichten, wenn dies für das betroffene Kind mit Fahrzeiten von mehr als 45 Minuten in eine Richtung verbunden ist. Die vom Antragsteller angeführten Belastungsgrenzen („60 Minuten“ pro einfache Fahrstrecke, Gesamtbelastung von maximal 8 Stunden pro Schultag) gelten in dieser allgemeinen Form jedenfalls bei einer Auswahlentscheidung zum Besuch einer Förderschule in einem ländlichen Gebiet nicht.

35

aa. Soweit in der Rechtsprechung für Schüler des Primarbereichs eine zeitliche Obergrenze für den Schulweg von 45 Minuten in einer Richtung angenommen wird (so etwa VG Hannover, Beschl. vom 05.05.2003 - 6 A 5712/02 - bezogen auf eine innerstädtische Beförderung zu einer allgemeinen Schule; bestätigt durch Nds. OVG, Beschl. vom  12.02.2004 - 13 LA 312/03 -), ergibt sich daraus kein Maßstab für den hier zu beurteilenden Fall des Besuchs einer Förderschule in einem ländlich strukturierten Gebiet.

36

Die Frage, welcher Schulweg einem Schüler zumutbar ist, wird zunächst durch § 114 NSchG aufgeworfen. Nach § 114 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 NSchG hat der Schulträger grundsätzlich die in seinem Gebiet wohnenden Schüler der 1. bis 10. Schuljahrgänge unter „zumutbaren Bedingungen“ zur Schule zu befördern oder ihnen oder ihren Erziehungsberechtigten die notwendigen Aufwendungen für den Schulweg zu erstatten. Die Schülerbeförderung gehört zum eigenen Wirkungskreis der Landkreise und kreisfreien Städte (§ 114 Abs. 1 Satz 3 NSchG), die die weiteren Voraussetzungen der Beförderungs- oder Erstattungspflicht, insbesondere auch die Mindestentfernung zwischen Wohnung und Schule, von der an die Beförderungs- oder Erstattungspflicht besteht, unter Berücksichtigung der Belastbarkeit der Schüler und der Sicherheit des Schulwegs selbst festlegen können (§ 114 Abs. 2 NSchG). Bei der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "zumutbaren Bedingungen" sollten nach der Begründung zur Regierungsvorlage des Entwurfs eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes (LT-Ds 9/1085 , S. 78) die Empfehlungen der "Niedersächsischen Landeskommission Schülertransport" vom März 1979 eine wesentliche Orientierungshilfe bilden. Diese hat eine Gesamtbetrachtung der schulischen Belastung empfohlen und aufgrund einer arbeitsphysiologischen Untersuchung als Richtwerte für Schüler bis zu 10 Jahren eine tägliche Beanspruchung von maximal sechs Stunden und für Schüler bis zu 15 Jahren eine tägliche Beanspruchung von maximal acht Stunden bei einer Sechs-Tage-Woche für zumutbar erklärt (Bericht S. 15). Mit Blick auf die reine Wegezeit knüpfte § 2 Abs. 2 der - mit Ablauf des Jahres 1980 außer Kraft getretenen - Verordnung über den Schülertransport i. d. F. vom 17. August 1978 (Nds. GVBl. S. 625) einen Anspruch auf Beförderung bzw. auf Kostenersatz daran an, dass der Schulweg in einer Richtung länger als zwei Kilometer ist oder ein Schüler des Primarbereichs dafür mehr als 45 Minuten und ein Schüler des Sekundarbereichs I mehr als 60 Minuten benötigen würde. Entsprechende Obergrenzen für die Zumutbarkeit der Schulweglänge waren damit jedoch nicht formuliert.

37

In der Rechtsprechung insbesondere des Niedersächsisches Oberverwaltungsgerichts sind diese Werte in der Folgezeit auch bei der Konkretisierung eines dem § 114 NSchG entnommenen „übergeordneten Grundsatz(es)  der Zumutbarkeit für den gesamten Bereich der Schülerbeförderung“ (Urteil vom 20.02.2002 - 13 L 3502/00 -, NVwZ-RR 2002, 580 f; zur sachgleichen Vorgängervorschrift bereits Nds. OVG, Urt. vom 30.11.1983 - 13 A 56/83 -, NVwZ 1984, 812 ff) herangezogen und als Anhaltspunkte für die grundsätzliche Bestimmung von Zumutbarkeitsgrenzen nicht nur im Sinne von Mindestentfernungen zur Anspruchsbegründung, sondern auch zur Bestimmung der maximal zumutbaren Schulweglänge und einer nicht mehr zumutbaren Gesamtbelastung diskutiert worden. In dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20.02.2002 (a. a. O.) heißt es dazu in Anknüpfung an die frühere Rechtsprechung jedoch einschränkend: „Die genannten Zeiten bilden keine feste Obergrenze, die bei der gerichtlichen Kontrolle als normativer Maßstab unmittelbar anwendbar wäre, zumal die Verordnung über den Schülertransport mit den darin enthaltenen Zeitgrenzen außer Kraft getreten ist. Mit der Übertragung der Schülerbeförderung auf die Landkreise und kreisfreien Städte als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises hat der Gesetzgeber - wie bereits dargestellt - diese zugleich ermächtigt, im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts innerhalb eines Gestaltungsspielraums die Erfüllung dieser Aufgabe auszuformen.“  Insoweit ist auch in der Rechtsprechung stets anerkannt worden, dass es Umstände geben kann, die eine höhere zeitliche Belastung rechtfertigen (so auch Nds. OVG, Beschl. vom 12.02.2004 - 312/03 -; VG Hannover Urt. vom 05.08.2003 - 6 A 5712/02 -). Dazu sind insbesondere die Fälle der „Ersatzschulen mit eigenem Bildungsgang wie den Waldorfschulen, die nicht so dicht gestreut sind wie die öffentlichen Regelschulen“ (Nds. OVG, Urt. vom 30.11.1983, a. a. O.), gezählt worden und die Fälle von Schulwegen im ländlichen Raum (vgl. dazu etwa VG Hannover, Urt. vom 04.09.2002 - 6 A 133/02 -). Nicht zuletzt bei den Fallgestaltungen, in denen eine Überschreitung der ansonsten angenommenen Zumutbarkeitsgrenzen akzeptiert worden ist, weil diese auf der von den Erziehungsberechtigten freiwillig getroffenen Entscheidung zum Besuch einer anderen als der räumlich nächstgelegenen Schule beruhten (vgl. dazu etwa VG Hannover, Beschl. vom 05.05.2003, a. a. O., unter Hinweis auf seinen Beschl. vom 19.10.2001 - 6 B 3273/01 -; Nds. OVG, Beschl. vom 12.02.2004, a. a. O.), ist deutlich geworden, dass es in diesem Zusammenhang nicht um eine Betrachtung gegangen ist, die sich allein an den Kräften der betroffenen Kinder orientiert hat, sondern um Entscheidungen, bei denen auch Gesichtspunkte des öffentlichen Interesses mitberücksichtigt worden sind, insbesondere die Interessen des betroffenen Schulträgers an einer auch finanziell vertretbaren Schulorganisation.

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Die Kammer kann dahingestellt sein lassen, ob ein Schulträger gehalten ist, seine diesbezügliche Interessenlage stets und umfassend in Satzungsform festzulegen und dadurch den ihm vom Gesetzgeber bewusst zugewiesenen Gestaltungsspielraum zur Bestimmung des „zumutbaren“ Schulwegs förmlich zu konkretisieren (vgl. dazu - weitergehend - etwa Nds. OVG, Urt. vom 30.01.1983, a. a. O.; vgl. ferner Littmann in: Seyderhelm/ Nagel/ Brockmann, a. a.O., § 114 Anm. 5.1). Jedenfalls dann, wenn - wie hier bei der Satzung über die Schülerbeförderung im Landkreis Goslar vom 12.06.1995 (Amtsblatt für den Landkreis Goslar vom 23.05.1995, Nr. 15, S. 349 ff) -  ausdrückliche kommunale (Satzungs-)Vorschriften über die im Regelfall zumutbare maximale Schulweglänge fehlen, aber anhand der einschlägigen Satzung über die Schulbezirkseinteilung feststeht, dass der Schulträger für den Besuch der einzigen einschlägigen Förderschule alle in seinem Gebiet anfallenden Schulwege für zumutbar erachtet, besteht vorbehaltlich etwaiger Besonderheiten des Einzelfalls grundsätzlich kein Anlass anzunehmen, die Schulbehörde dürfte diese Gegebenheiten nicht im Rahmen ihres Auswahlermessens angemessen berücksichtigen.

39

Die dem Antragsteller zugemuteten Fahrzeitbelastungen rechtfertigen sich aus der Tatsache, dass es um den Besuch einer Förderschule in einem ländlich strukturierten Gebiet geht. Der aus der ländlichen Gebietsstruktur folgende relativ weite Schulweg zur einzigen für den Antragsteller innerhalb des Kreisgebietes geeigneten Förderschule bedingten bereits relativ lange (reine) Fahrzeiten. Dass die dem Antragsteller gewährte Beförderung, die mit einem für acht Schüler eingerichteten Sammeltransport durchgeführt wird, im Vergleich zu einem denkbaren, aber teureren Individualtransport zu einer weiteren Beanspruchung um etwa 15 Minuten in eine Richtung führt, kommt zwar erschwerend hinzu, fällt bei einer Gesamtbetrachtung gegenüber den vom Schulträger verfolgten Interessen jedoch nicht entscheidend ins Gewicht.

40

bb. Die Antragsgegnerin hat die Grenzen des ihr eingeräumten Ermessens auch mit Blick auf die mit dem Besuch der Förderschule in Vienenburg zusammenhängende Gesamtbelastung des Antragstellers nicht überschritten.

41

Die von der Rechtsprechung für Schüler des Primarbereichs diskutierte Zumutbarkeitsgrenze von sechs Zeitstunden (vgl. dazu wiederum Nds. OVG, Beschl. vom  12.02.2004 - 13 LA 312/03 -) kommt bei Schülern des Primarbereichs einer Förderschule nicht zum Tragen. § 23 Abs. 1 Satz 5 NSchG lässt es ausdrücklich zu, dass Förderschulen (auch im Primarbereich) einen ganztägigen Unterricht vorsehen dürfen. Der Gesetzgeber hat damit allen Bestrebungen eine Absage erteilt, auch für Schüler einer Förderschule eine allgemeine Belastungsgrenze zu bestimmen, die unterhalb der Zumutbarkeitsgrenze für Ganztagsschüler liegt, die er (ohne Wegzeiten) mit acht Zeitstunden angesetzt hat (§ 23 Abs. 1 Satz 4 NSchG). Demgemäß bestimmt auch der Runderlass „Sonderpädagogische Förderung“ (a. a. O., II. 2.2.), dass eine Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung  in der Regel als Ganztagsschule geführt werden soll.

42

Vor diesem Hintergrund durfte die Antragsgegnerin zu Recht annehmen, dass der Gesamtbelastung des Antragstellers an der Förderschule gezielt begegnet werden kann. Die Förderschule ist mehr als alle anderen Schulformen darauf ausgerichtet, den individuellen Belastungsgrenzen der jeweiligen Schüler Rechnung zu tragen. Die Zusammensetzung der Klassen, der integrativ erteilte Unterricht, das grundsätzliche Verbot von Hausaufgaben bei Ganztagsunterricht und auch die räumliche Organisation der Förderschule sind darauf eingestellt, auf die nicht selten erheblichen individuellen Unterschiede Rücksicht zu nehmen und eine Überforderung der Schüler zu vermeiden. Der Runderlass „Sonderpädagogische Förderung“ gebietet für jede Förderschule, die tägliche Gesamtbelastung der Schülerinnen und Schüler zu berücksichtigen, und gibt der Klassenlehrerin bzw. dem Klassenlehrer besonders auf, die Einhaltung dieser Regelung zu überwachen (I.15 a. E.). 

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Dass der Antragsteller, bedingt durch seine individuelle Konstitution, wegen der ihm schultäglich aufgegebenen Gesamtbelastung Schaden erleiden könnte, ist nicht ersichtlich. Auch die Förderschule Am Harly hat in ihren Klassenräumen Ruhebereiche eingerichtet und hält zusätzlich einen besonderen Raum zur Entspannung vor. Die Tatsache, dass die Schulzeit an drei der fünf Schultage erst um 15:00 Uhr endet, erklärt sich nicht zuletzt aus den dabei eingeplanten Ruhephasen.

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2.3.3. Schließlich bestehen auch keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin sich durch frühere Entscheidungen in einer  Weise gebunden hat, dass dem Antragsteller daraus ein Recht auf Gleichbehandlung erwachsen sein könnte. Zwar hat die Antragsgegnerin in der Vergangenheit auch Schüler mit dem (hier nur vergleichbaren) Förderschwerpunkt „geistige Entwicklung“ aus dem Landkreis Goslar der Förderschule in Osterode zugewiesen. Die Antragsgegnerin hat jedoch mit ihrem Schriftsatz vom 05.01.2006 überzeugend ausgeführt, dass es sich insoweit um eine Entscheidungspraxis gehandelt hat, die sie seit den schulorganisatorischen Änderungen im Landkreis Goslar und dem damit einhergehenden Erlass der Satzung vom 17.05.2004 mit Rücksicht auf die Interessenlage des Schulträgers geändert hat. Da die Antragsgegnerin die schulorganisatorischen Entscheidungen des Schulträgers im Rahmen ihrer Entscheidung nach § 68 Abs. 2 NSchG angemessen berücksichtigen muss, ist es von Rechts wegen ausgeschlossen, dass die Antragsgegnerin an ihrer früheren Entscheidungspraxis festhalten und in diesem Sinne Ansprüche auf Gleichbehandlung zugunsten des Besuchs der Wartbergschule in Osterode begründen könnte.

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Der Antrag ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

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Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG, wobei die Kammer den für ein Hauptsacheverfahren anzunehmenden (hier: gesetzlichen Auffang-) Wert wegen der Vorläufigkeit einer Entscheidung in diesem Verfahren halbiert.