Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 02.12.2010, Az.: L 8 AY 47/09 B

Übernahme von Passbeschaffungskosten bei der Gewährung von Analogleistungen nach § 2 AsylbLG ist als Ermessensleistung in § 73 SGB XII anzusiedeln; Übernahme von Passbeschaffungskosten bei der Gewährung von Analogleistungen nach § 2 AsylbLG als Ermessensleistung in § 73 SGB XII; Mittel für die Kosten der Passausstellung in den Regelsätzen des § 28 SGB XII

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
02.12.2010
Aktenzeichen
L 8 AY 47/09 B
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 37633
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2010:1202.L8AY47.09B.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Bremen - 11.02.2009 - AZ: S5 K 2393/06

Fundstelle

  • InfAuslR 2011, 307-309

In dem Beschwerdeverfahren
...
hat der 8. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen
am 2. Dezember 2010 in Celle
durch
die Richter Scheider - Vorsitzender - und Wessels sowie die Richterin Huss
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 11. Februar 2009 aufgehoben.

Den Klägern wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. für das Klageverfahren beim Verwaltungsgericht Bremen - 5. Kammer für Sozialgerichtssachen -, Aktenzeichen S 5 K 2393/06 bewilligt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I.

Die Kläger wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen vom 11. Februar 2009, mit dem dieses die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Klageverfahren abgelehnt hat. In der Hauptsache geht es um einen Anspruch der Kläger auf Übernahme von Passbeschaffungskosten.

2

Die Klägerin zu 1. (geboren am 2. Januar 1958), der Kläger zu 2. (geboren am 20. April 1954), der Kläger zu 3. (geboren am 12. Mai 1989) und die Klägerin zu 4. (geboren am 21. Juni 1995) sind am 20. Oktober 1999 ohne Nationalpässe als ehemals jugoslawische Staatsangehörige aus der Volksgruppe der Roma im Kosovo in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Ihr Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland wurde zunächst nach § 55 Ausländergesetz (AuslG) geduldet, ab dem 14. März 2001 erhielten sie eine Aufenthaltsbefugnis gemäß § 32 AuslG, die jeweils verlängert wurde, am 29. Mai 2006 wurde ihnen eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG), befristet bis zum 29. Juni 2008 ausgestellt. Am 18. Juni 2008 schließlich erhielten sie eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG, befristet bis zunächst 31. Dezember 2009 (so genannte Altfallregelung). Zumindest mit den anfangs ergangenen ausländerrechtlichen Verfügungen an die Kläger (vom 26. Januar 2000, vom 31. August 2000), mit denen der Aufenthalt der Kläger zunächst geduldet wurde, wurden die Kläger darauf hingewiesen, sich unverzüglich um einen gültigen Nationalpass zu bemühen und ihre Bemühungen der Ausländerbehörde nachzuweisen. Ob die weiteren Verfügungen (Aufenthaltsbefugnis nach § 32 AuslG, Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG) diesen Hinweis ebenfalls enthielten, lässt sich den Akten nicht entnehmen, weil Durchschriften dieser Verfügungen nicht in den Akten vorhanden sind. Die Kläger erhielten Ausweisersatzpapiere nach § 39 AuslG bzw. § 48 Abs. 2 und Abs. 4 AufenthG, die ebenfalls jeweils verlängert wurden. Sie erhielten zunächst Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), später nach dem SGB XII und seit 1. Juli 2006 Analogleistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) i.V.m. den Vorschriften des SGB XII.

3

Am 17. Mai 2006 beantragte der Kläger zu 2. die Bewilligung einer einmaligen Beihilfe für die Kosten der Passbeschaffung. Er führte aus, nach ständiger Rechtsprechung des VG Bremen gehörten bei passlosen Ausländern die Kosten der Passbeschaffung zum Teil des notwendigen Lebensunterhaltes, der nicht durch die Regelsätze abgedeckt sei. Daher seien für die Kosten der Passbeschaffung einmalige Beihilfen zu gewähren (VG Bremen, Urteil vom 7. Dezember 2004 - 3 K 837/04 -). Mit Schreiben vom 20. Juni 2006 führten die Kläger - mittlerweile vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten - weiter aus, sie benötigten Pässe, um sich dauerhaft in Deutschland aufhalten zu können. Derzeit verfügten sie lediglich über Ausweisersatzpapiere der Ausländerbehörde. Diese seien lediglich Provisorien, die nur ausnahmsweise ausgestellt werden könnten. Außerdem sei es nicht möglich, damit in das europäische Ausland zu reisen. Dies sei jedoch insbesondere für die minderjährigen Kinder der Familie wichtig. In absehbarer Zeit werde der Kläger zu 3. voraussichtlich im Rahmen einer Abschlussfahrt der 10. Klasse in das europäische Ausland reisen. Außerdem könne es jederzeit sein, dass auch die Tochter J., die Klägerin zu 4., im Rahmen sportlicher oder kultureller Aktivitäten in das benachbarte Ausland reisen wolle. Vor allem aber seien die Kläger gemäß § 3 AufenthG passpflichtig. Ein Verstoß gegen die Passpflicht könne gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG mit Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden. Gemäß § 48 Abs. 1 AufenthG sei der Ausländer verpflichtet, seinen Pass auf Verlangen den mit der Ausführung des AufenthG betrauten Personen vorzulegen. Diese Verpflichtung beinhalte, dass er alles in seinen Kräften Stehende unternehmen müsse, um überhaupt erst einmal einen Pass zu erlangen. Die Kläger seien bestrebt, möglichst bald einen Pass zu erhalten. Allerdings hätten sie allein die finanziellen Mittel dazu nicht.

4

Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 4. Juli 2006 ab. Die Kläger hätten Anspruch auf Leistungen nach demAsylbLG. Nach § 6 dieses Gesetzes könnten anfallende Fahrt-/Reisekosten sowie Passkosten nur übernommen werden, wenn Leistungsberechtigte von der Ausländerbehörde der Beklagten aufgefordert würden, sich im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten bei ihrer auswärtigen Botschaft oder anderen Einrichtungen zu melden und die Beschaffung von Pässen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Vorbereitung der freiwilligen Ausreise des Leistungsberechtigten stünde. Eine entsprechende Bescheinigung der Ausländerbehörde hätten die Kläger nicht vorgelegt. Auch im SGB XII sei eine Übernahme von Kosten für die Passbeschaffung nicht vorgesehen. Den dagegen eingelegten Widerspruch vom 7. Juli 2006 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. August 2006 zurück. Im Widerspruchsbescheid führte sie aus, zwar seien die Vorschriften der §§ 3 bis 7 AsylbLG im Fall der Kläger nicht anzuwenden, jedoch seien die Kosten für Dienstleistungen und andere Waren Bestandteil des Regelsatzes und somit vom Hilfeempfänger selbst zu tragen. Hierzu zählten auch die Passkosten. Auch ein solcher einmalig auftretender Bedarf sei seit dem 1. Januar 2005 nach den Vorschriften des SGB XII aus den laufenden Leistungen zu bestreiten. Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb die Kläger auf die Ausstellung von Pässen angewiesen seien, weil gemäß § 5 Abs. 3, zweiter Halbsatz AufenthG von der Passpflicht nach § 3 AufenthG abgesehen werden könne. Eine voraussichtlich im Schuljahr 2006/2007 anstehende Schulfahrt in das europäische Ausland des Klägers zu 3. stelle keinen gegenwärtigen Bedarf dar.

5

Dagegen haben die Kläger am 18. September 2006 beim Verwaltungsgericht Bremen Klage erhoben. Während des Klageverfahrens haben sie im Oktober 2006 das Generalkonsulat der Republik Serbien in Hamburg aufgesucht und dort Anträge auf Reisepass-Erstellung gestellt. Die Reisepässe sind mit Datum vom 30. November 2006 ausgestellt worden. Dabei sind der Klägerin zu 1. Kosten in Höhe von 188,00 EUR, dem Kläger zu 2. in Höhe von 212,00 EUR, dem Kläger zu 3. in Höhe von 130,50 EUR und der Klägerin zu 4. in Höhe von 57,60 EUR in Rechnung gestellt worden. Die Kläger haben die Pässe bezahlt. Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits sind den Klägern, die nunmehr im Besitz von Nationalpässen waren, auf Grund der zum 28. August 2007 in Kraft getretenen Altfallregelung des§ 104a AufenthG, die auf dem Bleiberechtsbeschluss der Innenministerkonferenz (IMK) vom 17. November 2006 aufbaut, Aufenthaltserlaubnisse erteilt worden. Im Rahmen der Antragsbearbeitung forderte die Ausländerbehörde der Beklagten die Kläger auf, ihre Nationalpässe vorzulegen. Eine Kostenübernahme lehnte sie jedoch weiterhin ab, da die Kläger bereits über Pässe verfügten und der Bedarf deshalb bereits gedeckt sei.

6

Mit Beschluss vom 11. Februar 2009 hat das VG den Antrag auf Bewilligung von PKH für die Kläger abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Klageverfahren habe nicht die erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht. Es habe ausländerrechtlich keine Notwendigkeit für die Passbeschaffung bestanden, da die Kläger im Besitz von Ausweisersatzpapieren gewesen seien. Dass einer der Söhne der Familie an einer Klassenfahrt im Schuljahr 2006/2007 habe teilnehmen wollen, begründe keine konkrete Bedarfslage. Die Bedarfslage sei auch deshalb abzulehnen, weil die Kläger in der Lage gewesen seien, die Kosten für die Passbeschaffung alsbald nach Klagerhebung selbst zu bestreiten. Deshalb könnten die Kosten gemäß § 73 SGB XII nicht übernommen werden.

7

Gegen den am 17. Februar 2009 zugestellten Beschluss haben die Kläger am 17. März 2009 Beschwerde eingelegt. Diese begründen sie damit, dass nach überwiegender Rechtsauffassung verschiedener Gerichte ein Anspruch auf einmalige Beihilfen für die Beschaffung von Pässen bestehe. Es habe auch ein Bedarf bestanden, denn ein Ausweisersatzpapier ersetze nicht den Pass, sondern lediglich den Ausweis. Erfahrungsgemäß würden Inhaber von Ausweisersatzpapieren bei jeder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und des Ausweisersatzes von der Ausländerbehörde nachdrücklich auf ihre Passpflicht hingewiesen. Die dem angefochtenen Beschluss zu Grunde liegende Annahme, mit der einmaligen Ausstellung eines Ausweisersatzes sehe die Ausländerbehörde die Passpflicht als erfüllt an, treffe daher nicht zu.

8

II.

Die gemäß den §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde ist auch begründet. Entgegen der Annahme des VG besteht im vorliegenden Klageverfahren die für die Bewilligung von PKH erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a SGG, § 114 ZPO). Die Erfolgsaussichten ergeben sich zum einen schon daraus, dass die Rechtsprechung überwiegend die Übernahme von Passbeschaffungskosten bei der Gewährung von Analogleistungen nach § 2 AsylbLG als Ermessensleistung in § 73 SGB XII ansiedelt. Da die Beklagte weder im Ablehnungsbescheid noch im Widerspruchsbescheid Ermessen ausgeübt hat, wären die Bescheide schon aus diesem Grund aufzuheben und die Beklagte wäre - sofern nicht eine Ermessenreduzierung auf Null angenommen werden kann - zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verurteilen.

9

Da die Kläger dem Personenkreis nach § 2 Abs. 1 AsylbLG angehörten, ist Rechtsgrundlage für den Leistungsanspruch § 2 Abs. 1 AsylbLG i.V.m. § 73 SGB XII. Danach können sozialhilferechtliche Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Eine sonstige Lebenslage ist gegeben, wenn die bedarfsauslösende Situation weder im SGB XII noch in anderen Bereichen des Sozialrechts geregelt und bewältigt wird. Die bedarfsauslösende Situation hinsichtlich der Notwendigkeit der Passausstellung ergibt sich für die Kläger als Ausländer aus ihrer Passpflicht gemäß den §§ 3 Abs. 1, 48 AufenthG, verbunden mit der Verpflichtung zur Entrichtung der Gebühren für die Passerteilung (vgl SG Berlin, Urteil vom 26. November 2008 - S 51 AY 46/06 -, SG Halle, Urteil vom 30. Januar 2008 - S 13 AY 76/06 -, SG Duisburg, Urteil vom 9. Oktober 2008 - S 16 (31) AY 12/06 -). Entgegen den Ausführungen des VG im angefochtenen Beschluss sind Passpflicht und ausweisrechtliche Pflichten nach dem AufenthG streng zu trennen. Ausländer dürfen gemäß § 3 Abs. 1 AufenthG nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Ein Ausländer, der einen Pass weder besitzt noch in zumutbarer Weise erlangen kann, genügt der Ausweispflicht mit der Bescheinigung über einen Aufenthaltstitel oder die Aussetzung der Abschiebung, wenn sie mit den Angaben zur Person und einem Lichtbild versehen und als Ausweisersatz bezeichnet ist, § 48 Abs. 2 AufenthG. Mit Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr oder mit Geldstrafe wird gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG bestraft, wer sich entgegen § 3 Abs. 1 i.V.m. § 48 Abs. 2 AufenthG im Bundesgebiet aufhält.

10

§ 48 AufenthG begründet darüber hinaus weitere ausweisrechtliche Pflichten. Nach Abs. 1 der Vorschrift ist ein Ausländer verpflichtet, seinen Pass, seinen Passersatz oder seinen Ausweisersatz und seinen Aufenthaltstitel oder eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung auf Verlangen den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und vorübergehend zu überlassen, soweit dies zur Durchführung oder Sicherung von Maßnahmen nach diesem Gesetz erforderlich ist. Besitzt der Ausländer keinen gültigen Pass oder Passersatz, ist er verpflichtet, an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken sowie alle Urkunden und sonstigen Unterlagen, die für die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit und für die Feststellung und Geltendmachung einer Rückführungsmöglichkeit in einen anderen Staat von Bedeutung sein können und in deren Besitz er ist, den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden auf Verlangen vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen. Kommt der Ausländer seiner Verpflichtung nach Satz 1 nicht nach und bestehen tatsächliche Anhaltspunkte, dass er in Besitz solcher Unterlagen ist, können er und die von ihm mitgeführten Sachen durchsucht werden. Der Ausländer hat die Maßnahme zu dulden (§ 48 Abs. 3 AufenthG in der vom 1. Januar 2005 bis 27. August 2007 gültigen Fassung).§ 48 Abs. 2 AufenthG macht deutlich, dass der Ausländer der Passpflicht lediglich dann durch Vorlage eines Ausweisersatzes nachkommt, wenn er einen Pass weder besitzt noch in zumutbarer Weise erlangen kann. Der Mangel an finanziellen Ressourcen lässt die Zumutbarkeit i.S. dieser Vorschrift nicht entfallen. Dies bedeutet im Fall der Kläger, dass sie ihrer Passpflicht gemäß § 3 Abs. 1 AufenthG durch Mitführung der Ausweisersatzpapiere gerade nicht genügten, denn die Pässe waren von ihnen im serbischen Generalkonsulat in Hamburg in zumutbarer Weise zu erlangen.

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Mittel für die Kosten der Passausstellung sind nicht in den Regelsätzen des § 28 SGB XII enthalten. Es bestand keine Notwendigkeit zur Aufnahme von Pass- und Personalausweisgebühren in die Regelsatzleistung, da bei Bedürftigkeit von der Gebührenerhebung für die Ausstellung - deutscher - Personalausweise und Reisepässe abgesehen werden kann. Getragen wird dies von den gebührenrechtlichen Regelungen zum Passrecht. Nach § 3 der Gebührenverordnung zumPassgesetz (abgedruckt bei Süßmuth/Koch, Pass- und Personalausweisrecht, 4. Auflage, Stand: Mai 2006, Ziffer 5a) können die Gebühren für die Passausstellung bei Bedürftigkeit des Gebührenschuldners ermäßigt oder erlassen werden. Als bedürftig ist ein Passbewerber gemäß Ziffer 20.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Passgesetzes insbesondere dann anzusehen, wenn er Anspruch auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt oder Anspruch auf Sozialhilfe hat, die den Anspruch auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt beinhaltet, oder entsprechende, das Existenzminimum sichernde Leistungen der Kriegesopferfürsorger erhält oder höchstens entsprechende Einkünfte hat. Deshalb ist insoweit von keiner Bedarfslage auszugehen, die sozialhilferechtlich im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt bei der Regelsatzbemessung hätte aufgefangen werden müssen. Gestützt wird dies durch die Zusammensetzung der Regelsatzinhalte. Aufgeführt werden Pass- und Personalausweisgebühren insbesondere nicht in der Abteilung 12 ("Andere Waren und Dienstleistungen") der der Regelsatzbemessung zu Grunde liegenden Einkommens- und Verbrauchsstatistik (vgl Schwabe, Die Zusammensetzung des Regelsatzes, ZfF 2008, Seite 145, 151). Vor diesem Hintergrund können die Kläger nicht auf ein Ansparen im Regelsatz enthaltener Mittel verwiesen werden. Aus dem gleichen Grund scheidet die Inanspruchnahme von Darlehen nach § 37 Abs. 1 SGB XII aus (SG Berlin, Urteil vom 26. November 2008 - S 51 AY 46/06 -).

12

Hinzu kommt, dass die Kläger ihre Pässe, zwar nicht für die ihnen am 29. Mai 2006 ausgestellten Aufenthaltserlaubnisse gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG, wohl aber für die ihnen im Anschluss an die bis 29. Mai 2008 befristeten Aufenthaltserlaubnisse am 18. Juni 2008 erteilten Aufenthaltserlaubnisse gemäß § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG (so genannte Altfallregelung) benötigten. Entsprechend wurden sie von der Ausländerbehörde der Beklagten mit Schreiben vom 9. April 2008 aufgefordert, zu einem Termin zwecks Erteilung des Aufenthaltstitels die Nationalpässe mitzubringen. Insoweit kommt sogar hinsichtlich des von der Beklagten auszuübenden Ermessens eine Ermessensreduzierung auf Null in Betracht (vgl LSG NRW, Urteil vom 10. März 2008 - L 20 AY 16/07 -). Danach spreche vieles dafür, den Anspruch auf Erstattung der Passersatzkosten bereits deshalb zu bejahen, weil die Kläger Passpapiere auch benötigten, um von der Bleiberechtsregelung der ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) (siehe auch Altfallregelung des § 104a AufenthG) profitieren zu können. Es erscheine schlichtweg nicht hinnehmbar, wenn die Rechtsordnung den Klägern auf der einen Seite etwas zu geben bereit sei, was sie auf der anderen Seite (leistungsrechtlich) durch mangelhafte finanzielle Ausstattung der grundsätzlich Anspruchsberechtigten unmöglich machen würde.

13

Allerdings ist offen, ob einer Kostenerstattung durch die Beklagte gegebenenfalls der Nachranggrundsatz des§ 2 SGB XII entgegensteht. Bisher ist nicht aufgeklärt und von den Klägern auch nicht vorgetragen worden, mit welchen finanziellen Mitteln sie die Passbeschaffungskosten beglichen haben. Die laufenden Leistungen nach dem SGB XII reichten nicht aus, die Passbeschaffungskosten unmittelbar befriedigen zu können. Dies wird im erstinstanzlichen Verfahren noch aufzuklären sein.

14

Die Kläger können als Bezieher von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II - siehe Bescheid vom 19.November 2010 - weiterhin nicht mit ihrem eigenen Einkommen und Vermögen zu den Kosten der Prozessführung beitragen.

15

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

16

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

Scheider
Wessels
Huss