Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 21.12.2010, Az.: L 7 AS 1102/10 B ER

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
21.12.2010
Aktenzeichen
L 7 AS 1102/10 B ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 38510
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2010:1221.L7AS1102.10B.ER.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hildesheim - 13.08.2010 - AZ: S 55 AS 1354/10 ER

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hildesheim vom 13. August 2010 wird zurückgewiesen.

Eine Kostenerstattung im Beschwerdeverfahren findet nicht statt.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe

1

Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Das Sozialgericht (SG) hat zu Recht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, weil die Voraussetzungen für die begehrte Verfügung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG nicht vorliegen. Dem Antragsteller ist zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten, weil ihm gegenwärtig keine unmittelbaren Nachteile drohen.

2

Der Antragsteller begehrt, den Antragsgegner zu verpflichten, einen beitragsdeckenden Zuschuss zu den Kosten seiner privaten Kranken- und Pflegeversicherung zu gewähren und seine Beitragsrückstände bei der D. AG auszugleichen.

3

Der 1959 geborene Antragsteller ging bis zum 31. Dezember 2008 einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nach und war bis dahin bei der E. AG privat kranken- und pflegeversichert. Seit dem 16. Februar 2009 bezieht er Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende. Das Versicherungsverhältnis des Antragstellers mit der F. AG wurde ab 24. November 2009 im sogenannten Basistarif neu begründet. Ausweislich des Versicherungsscheins (Bl. 109 ff BA) hatte der Antragsteller zunächst monatlich 320,65 EUR an Versicherungsbeiträgen zu entrichten (284,82 EUR für die KV und 35,83 EUR für die PV). Seit dem 01. Januar 2010 belaufen sich die Beiträge auf insgesamt 327,19 EUR (290,63 EUR KV und 36,56 EUR PV). Mit Änderungs- beziehungsweise Bewilligungsbescheiden vom 01. März 2010 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller für den Monat November 2009 Leistungen in Höhe von 736,62 EUR. Auf den Zuschuss nach § 26 Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - (SGB II) entfielen dabei 33,62 EUR (29,41 EUR KV und 4,21 EUR PV). Ab Dezember 2009 erhielt er monatlich insgesamt 847,09 EUR. Der Zuschuss nach § 26 SGB II belief sich auf monatlich insgesamt 144,09 EUR (KV 126,05 EUR und PV 18,04 EUR). Gegen die Bescheide vom 01. März 2010 erhob der Antragsteller am 16. März 2010 Widerspruch, den der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2010 zurückwies. Der Antragsteller hat am 14. Juli 2010 Klage beim SG Hildesheim erhoben (S 45 AS 1367/10), über die - soweit ersichtlich - eine Entscheidung noch nicht ergangen ist.

4

Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes hat das SG Hildesheim mit dem angegriffenen Beschluss vom 13. August 2010 abgelehnt, weil kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden sei. Gegen den seinem Bevollmächtigten am 18. August 2010 zugestellten Beschluss richtet sich die am 17. September 2010 eingelegte Beschwerde des Antragstellers. Er macht geltend, dass die zugrundeliegende Regelung des § 26 Abs. 2 SGB II verfassungswidrig sei und seine Existenzsicherung gefährdet werde. Er beruft sich ferner auf eine Entscheidung des 15. Senats des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 03. Dezember 2009 (Az: L 15 AS 1048/09 B ER).

5

Die Beschwerde des Antragstellers bleibt erfolglos. Eine Eilbedürftigkeit für eine vorläufige gerichtliche Regelung ist weder hinsichtlich des Beitragsrückstandes noch hinsichtlich der laufenden Beiträge für die private Krankenversicherung feststellbar.

6

Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass für den von einem privaten kranken- und pflegeversicherten Hilfebedürftigen im Sinn des § 9 SGB II im Wege der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes verfolgten Anspruch auf Zahlung eines Zuschusses zu den Beiträgen einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung, der den an die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlenden Beitrag übersteigt, in der Regel kein Anordnungsgrund besteht. Eine Eilbedürftigkeit für eine einstweilige Verfügung ist deshalb nicht gegeben, weil der Kranken- und Pflegeversicherungsschutz des Hilfebedürftigen selbst dann gemäß § 193 Abs. 6 Satz 5 Versicherungsvertragsgesetz weiterbesteht, wenn Beitragsrückstände entstanden sind. Dies gilt sowohl für die Fälle des Zahlungsverzugs als auch dann, wenn der Versicherungsnehmer bereits Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II bezieht. Wie bei allen anderen zivilrechtlichen Verpflichtungen rechtfertigt das Vorhandensein von Schulden grundsätzlich keinen Anordnungsgrund, wenn nicht darüber hinaus im Einzelfall unzumutbare und schwere Nachteile hinzutreten, die unaufschiebbar einer Abhilfe durch gerichtlichen Rechtsschutz erfordern. Derartige Umstände sind von dem Antragsteller jedoch nicht glaubhaft dargelegt worden.

7

An dieser Rechtsprechung, der zwischenzeitlich mehrere Landessozialgerichte gefolgt sind, hält der Senat auch nach erneuter Überprüfung fest. Es wird nicht verkannt, dass der Antragsteller immer mehr in eine Schuldenfalle gerät, die er nicht allein zu verantworten hat. Der Senat sieht sich aber außer Stande, im Eilrechtsschutz die vom Gesetzgeber gesehene und gewollte Rechtsfolge des § 26 Abs. 2 SGB II beiseite zu schieben. Wenn vereinzelt andere Spruchkörper Grundsicherungsträger im Eilverfahren zur vollen Übernahme der Versicherungsprämie verpflichten, so würde nach Auffassung des Senates diese Lösung allein den Interessen des Antragstellers und des privaten Krankenversicherungsunternehmens, nicht aber die Belange des Antragsgegners berücksichtigen. Ist nämlich über den gesetzgeberischen Willen hinaus eine verfassungskonforme Auslegung geboten, dürfte der Interessenlage beider Beteiligten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eher durch die Zuordnung dieser Fälle in die gesetzliche Krankenversicherung in analoger Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) gedient werden. Durch Verpflichtung des Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung würde nämlich der Antragsteller wie die meisten SGB II-Bezieher behandelt und der Antragsgegner wäre nur insoweit (und folglich nicht übermäßig) belastet. Diese Streitfrage braucht vorliegend jedoch nicht entschieden zu werden, weil das Begehren des Antragstellers bereits an der fehlenden Eilbedürftigkeit scheitert.

8

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

9

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren hat keinen Erfolg, weil die Rechtsverfolgung des Antragstellers - wie dargelegt - keine hinreichenden Erfolgsaussichten im Sinne des § 73a SGG in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung - ZPO - bietet.

10

Dieser Beschluss ist nach Maßgabe des § 177 SGG unanfechtbar.