Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 15.12.2010, Az.: L 2 KN 40/10
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 15.12.2010
- Aktenzeichen
- L 2 KN 40/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 38508
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2010:1215.L2KN40.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Stade - AZ: S 31 R 406/09
Fundstelle
- NZS 2011, 347
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen
Tatbestand
Der am 29. Januar 1947 geborene Kläger wendet sich gegen die Neuberechnung der ihm seit August 2007 gewährten Altersrente.
Der Kläger bezog vom 1. August 1996 bis zum 30. Juni 1998 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Der Rentenberechnung lagen 53,1427 Entgeltpunkte zugrunde (vgl. Anlage 6 des Bescheides vom 19. März 1997). In der Folgezeit war der Kläger erneut erwerbstätig.
Im Oktober 2007 beantragte er die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab August 2007. Mit Bescheid vom 30. Oktober 2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab August 2007 die begehrte Altersrente in Höhe eines monatlichen Zahlbetrages in Höhe von 1.353,43 EUR ab Dezember 2007. Zugleich bewilligte sie ihm für den Zeitraum August bis November 2007 eine Nachzahlung von 5.413,72 EUR. Ausweislich der Begründung des Bescheides hatte die Beklagte bei der Rentenberechnung 56,3265 Entgeltpunkte mit einem Zugangsfaktor von 1,0 herangezogen, da diese bereits Grundlage einer früheren Rente, d.h. der bis 1998 bezogenen Rente wegen Berufsunfähigkeit, gewesen seien. Weitere 0,5681 Entgeltpunkte hatte die Beklagte mit einem Zugangsfaktor von 0,838 herangezogen, so dass sich im Ergebnis 56,8026 Entgeltpunkte ergaben. Diese multipliziert mit dem damaligen aktuellen Rentenwert von 26,27 EUR ergaben einen Bruttorentenbetrag von 1.492,20 EUR, entsprechend einem Nettozahlbetrag nach Abzug der Beiträge bzw. Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 1.353,43 EUR.
Nach nochmaliger Prüfung hob die Beklagte bereits zwei Tage später diesen Bescheid mit weiterem Bescheid vom 1. November 2007 gestützt auf § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auf. Nunmehr ging die Beklagte davon aus, dass alle 56,8946 Entgeltpunkte nur unter Berücksichtigung eines Korrekturfaktors von 0,838 heranzuziehen seien, so dass lediglich 47,6777 Entgeltpunkte mit dem aktuellen Rentenwert von 26,27 zu multiplizieren seien. Dies ergab einen Bruttorentenbetrag von nur noch 1.252,49 EUR, entsprechend einem Nettorentenauszahlungsbetrag von 1.136,02 EUR und einem Nachzahlungsbetrag für August bis November 2007 in Höhe von nur noch 4.544,08 EUR.
Zur Begründung seines Widerspruchs hat sich der Kläger auf das Fehlen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 SGB X berufen. Sein Vertrauen sei schutzwürdig, zumal er vor Erlass des inhaltlich nicht nachvollziehbaren Korrekturbescheides nicht angehört worden sei.
Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 8. September 2009 zurück. Der Ausgangsbescheid vom 30. Oktober 2007 sei rechtswidrig gewesen, da dieser 56,3265 Entgeltpunkte mit einem Zugangsfaktor von 1,0 bewertet habe, obwohl die in früheren Jahren gewährte Rente wegen Berufsunfähigkeit bereits vor Vollendung des 62. Lebensjahres weggefallen sei. Die Rücknahme dieses Bescheides stütze sich auf § 45 SGB X. Der Kläger habe bei Erhalt des Korrekturbescheides vom 1. November 2007 noch keine Rentenleistungen aufgrund des Ausgangsbescheides vom 30. Oktober 2007 erhalten und könne sich daher nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen. Überdies habe der Kläger Anspruch auf eine Rentenabschlagsausgleichszahlung aus der Seemannskasse, die im Ergebnis die streitige Differenz ausgleiche. Bei der Ausübung des Ermessens sei den Interessen der Versichertengemeinschaft an einem gesetzmäßigen und wirtschaftlichen Umgang mit den vorhandenen Mitteln der Vorrang gegenüber den Interessen des Klägers an einer Gewährung der der Höhe nach fehlerhaft ermittelten Rentenleistungen zuzubilligen. Die zunächst unterbliebene Anhörung sei im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden.
Mit der am 9. Oktober 2009 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass es im Ergebnis als paradox zu werten sei, wenn sich die Zeit seiner Weiterbeschäftigung rentenmindernd ausgewirkt habe. Bei durchgehender Berufsunfähigkeit wäre ihm trotz des Ausbleibens von Beiträgen eine höhere Rente zu bewilligen gewesen. Die Seemannskasse gleiche die streitige Differenz nur bis zum 65. bzw. bis zum 75. Lebensjahr aus.
Mit Urteil vom 28. Mai 2010, dem Kläger zugestellt am 1. September 2010, hat das Sozialgericht Stade die Klage abgewiesen. Die Regelung des § 77 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), wonach für diejenigen Entgeltpunkte, die bereits Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer früheren Rente waren, der frühere Zugangsfaktor maßgebend bleibt, greife nur dann ein, wenn sich die Folgerente nahtlos an die vorhergehende Rente anschließe und wenn die alte Rente nach Vollendung des 62. Lebensjahres weggefallen sei. Letzteres folge aus § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI. Für die Heranziehung des gekürzten Zugangsfaktors sprächen auch die Regelungen des § 88 SGB VI.
Mit der am 15. September 2010 eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und beruft sich insbesondere auf den Wortlaut des § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB VI.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 28. Mai 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 1. November 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Beklagte war zu einer Teilaufhebung ihres vorausgegangenen Rentenbescheides vom 30. Oktober 2007 unter Heranziehung des reduzierten Zugangsfaktors von 0,838 für alle Entgeltpunkt nach Maßgabe des § 45 SGB X berechtigt, da dieser Ausgangsbescheid rechtsfehlerhaft 56,3265 Entgeltpunkte mit einem Zugangsfaktor von 1,0 herangezogen hat und da sich der Kläger gegenüber der damit korrespondierenden Teilrücknahme des Ausgangsbescheides nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen kann; das ihr durch § 45 SGB X eingeräumte Ermessen hat die Beklagte fehlerfrei ausgeübt.
1. Richtigerweise waren auch die im Ausgangsbescheid zunächst mit einem Zugangsfaktor von 1,0 bewerteten 56,3265 Entgeltpunkte entsprechend den Berechnungen im Korrekturbescheid vom 1. November 2007 nur nach Maßgabe des reduzierten Zugangsfaktors von 0,838 heranzuziehen.
Der Zugangsfaktor richtet sich nach dem Alter der Versicherten bei Rentenbeginn oder bei Tod und bestimmt, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen sind (§ 77 Abs. 1 SGB VI). Dieser Zugangsfaktor beträgt für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente waren, nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI bei Renten wegen Alters, die mit Ablauf des Kalendermonats des Erreichens der Regelaltersgrenze oder eines für den Versicherten maßgebenden niedrigeren Rentenalters beginnen, 1,0, wohingegen er nach Ziff. 2 der genannten Vorschrift bei Renten wegen Alters, die vorzeitig in Anspruch genommen werden, für jeden Kalendermonat um 0,003 niedriger als 1,0 anzusetzen ist.
Bei Beginn der dem Grunde antragsgemäß zugebilligten Altersrente hatte der Kläger 60 Jahre und 6 Monate vollendet, ihm fehlten damit an der damaligen Regelaltersgrenze von 65 Jahren noch 54 Monate. Für jeden dieser 54 Monate war der Zugangsfaktor um 0,003 zu reduzieren, so dass dieser nur noch in Höhe von 0,838 heranzuziehen war.
Der Kläger kann sich im Ergebnis auch nicht auf die Ausnahmevorschrift des § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB VI berufen, wonach für diejenigen Entgeltpunkte, die bereits Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer früheren Rente waren, der frühere Zugangsfaktor maßgebend bleibt. Bei der gebotenen ergänzenden Heranziehung der Rechtsgedanken der §§ 88 Abs. 1 und 306 Abs. 2 SGB VI kommt eine Heranziehung des § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB VI zugunsten des Versicherten nur in Betracht, wenn zwischen der früher gewährten und der nunmehr zu bewilligenden Rente kein Unterbrechungszeitraum von mehr als 24 Kalendermonaten gelegen hat. Im vorliegenden Fall lagen jedoch mehr als neun Jahren zwischen dem Auslaufen der Berufsunfähigkeitsrente zum 30. Juni 1998 und dem Beginn der Altersrente am 1. August 2007.
Die erläuterte Regelung des § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB VI verfolgt im Ergebnis zwei Ziele: In erster Linie wollte der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift zulasten der Versicherten sicherstellen, dass die mit einem vorzeitigen Rentenbezug einhergehende (sich auf die gesamte Dauer des Rentenbezuges erstreckende) Kürzung des Zugangsfaktors auch dann dauerhaft wirksam bleibt, wenn der Versicherte in eine andere Rente wechselt. Dabei machen bereits die Tatbestände der Ausnahmevorschriften des § 77 Abs. 3 Satz 3 SGB VI deutlich, dass § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB VI nicht nur Fallgestaltungen eines nahtlosen Überganges von der einen in die andere Rente erfassen soll (abweichend: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 1. Senat U.v. 24. August 2005 - L 1 RA 243/03 - mwN).
Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des Zugangsfaktors ein Mittel gewählt, das die Kosten des vorzeitigen Altersrentenbezugs allein denjenigen Versicherten auferlegen soll, die tatsächlich früher eine Altersrente beziehen, und den Vorteil des früheren Bezugs dadurch für die gesamte Versichertengemeinschaft kostenneutral ausgestaltet (BVerfG, B.v. 5. Februar 2009 - 1 BvR 1631/04 - NZS 2009, 621). Die angestrebte Kostenneutralität für die Versichertengemeinschaft war nur dann zu realisieren, wenn der Zugangsfaktor dauerhaft, d.h. letztlich bis zum Ableben des Versicherten, rentenreduzierend wirksam blieb (vgl. auch die Gesetzesbegründung zum Rentenreformgesetz 1992 BT-Drs. 11/4124 und 4452, zu § 76 des Entwurfes). Dementsprechend musste der Gesetzgeber Vorsorge dagegen treffen, dass bei einer Unterbrechung des Rentenbezuges oder bei einem Wechsel in eine andere Rentenart für die Folgezeit die Kürzung des Zugangsfaktors wegfallen und damit die angestrebte Kostenneutralität für die Versichertengemeinschaft entfallen könnte. Dieser Perpetuierung einer einmal erfolgten Kürzung des Zugangsfaktors dient in erster Linie die Regelung des § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB VI. Bezieht beispielsweise ein Versicherter vom 60. Lebensjahr an eine auf zwei Jahre befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung, bei der der Zugangsfaktor nach § 77 zu kürzen ist, arbeitet er nachfolgend (nach einer zwischenzeitlichen Besserung seines Gesundheitszustandes) noch drei Jahre und bezieht er dann mit Erreichen der Regelaltersgrenze die Altersrente, dann ist bei Letzterer nach § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB VI weiterhin anknüpfend an den vorausgegangenen vorzeitigen Rentenbezug ein reduzierter Zugangsfaktor heranzuziehen. Lediglich der Umfang der Reduktion ist in Anwendung des § 77 Abs. 3 Satz 3 SGB VI im Hinblick darauf zu begrenzen, dass es im Ergebnis bei einem zweijährigen vorzeitigen Rentenbezug verblieben ist.
Neben dieser im Vordergrund stehenden Perpetuierung eines reduzierten Zugangsfaktors zulasten des Versicherten kann sich aus der Regelung § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB VI in Sonderfällen allerdings auch eine Begünstigung des Versicherten ergeben. Dies betrifft Fallgestaltungen, in denen die durch § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB VI vorgesehene Fortschreibung des Zugangsfaktors der Ausgangsrente den Versicherten begünstigt, weil eine eigenständige Ermittlung des Zugangsfaktors für die Folgerente für ihn nachteiliger wäre.
Dies kommt zum einen in Betracht, wenn die Ausgangsrente zu einem Zeitpunkt festzustellen war, als das SGB VI - wie im vorliegenden Fall bezogen auf Erwerbsminderungsrenten - noch keine Kürzung des Zugangsfaktor vorsah und dementsprechend ein ungekürzter Zugangsfaktor von 1,0 fortzuschreiben wäre. Zum anderen kommen namentlich Fallgestaltungen in Betracht, in denen der Versicherte (mit oder auch ohne Unterbrechung) von einer Erwerbsminderungsrente in eine vorzeitige Altersrente wechselt. Während der Gesetzgeber bei Erwerbsminderungsrenten durch die Regelungen in § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Satz 3 SGB VI die maximal in Betracht kommende Kürzung des Zugangsfaktors auf 0,892 begrenzt hat, kommen bei Altersrenten in Anwendung des § 77 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI auch weitergehende Kürzungen in Betracht. Dementsprechend ist es für den Versicherten in solchen Ausnahmefällen vorteilhaft, wenn in Anwendung des § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB VI es bei der Heranziehung des für ihn günstigeren Zugangsfaktors der vorausgegangenen Rentenbewilligung verbleibt.
Dem Kläger ist zuzugestehen, dass § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB VI seinem Wortlaut nach keine zeitliche Grenze für die Heranziehung eines günstigeren Zugangsfaktors aus einer vorausgegangenen Rentenbewilligung vorsieht. Unter Berücksichtigung der ausdrücklichen gesetzgeberischen Regelung vergleichbarer Übergangsfälle beim Wechsel von einer Rente in eine andere ist das Fehlen einer ausdrücklichen zeitlichen Begrenzung aber als planwidrige Lücke des Gesetzes zu werten, die in entsprechender Anwendung der in § 88 Abs. 1 Satz 2 und in § 306 Abs. 2 SGB VI jeweils normierten Frist von 24 Kalendermonaten zu schließen ist.
Der o.g. Gesetzesbegründung lassen sich zunächst keine Hinweise darauf entnehmen, dass der Gesetzgeber die sich aus § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB VI in den angesprochenen Ausnahmefällen ergebende Privilegierung für die Rentenbezieher bewusst ohne zeitliche Limitierung der Dauer der Unterbrechung des Rentenbezuges einführen wollte. Die eher knapp gehaltenen Hinweise in der Gesetzesbegründung sprechen vielmehr dafür, dass es dem Gesetzgeber entscheidend auf die angesprochene Perpetuierung eines reduzierten Zugangsfaktors zulasten des Versicherten ankam.
Hingegen hat der Gesetzgeber in anderen Zusammenhängen ausdrücklich geregelt, für welche Unterbrechungszeiträume für den Versicherten günstige Elemente vorausgegangener Rentenbewilligungen auch der Folgerente zugrunde zu legen sind. Hat ein Versicherter eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente erneut eine Rente, dann schreibt § 88 Satz 2 SGB VI ausdrücklich vor, dass ihm für diese Rente mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden. Der Gesetzgeber hat diesbezüglich ausdrücklich geregelt, dass bei Unterbrechungen von bis zu 24 Monaten Dauer die der Rentenberechnung zugrunde zu legende Zahl der persönlichen Entgeltpunkte bei der Folgerente nicht niedriger ausfallen darf als bei der Ausgangsrente. Damit hat er im Umkehrschluss zugleich normiert, dass der Versicherte sich bei einer Folgerente auch mit einer geringeren Entgeltpunktzahl zu begnügen hat, wenn (sich eine entsprechend verminderte Zahl nach Maßgabe der bei Bewilligung der Folgerente geltenden gesetzlichen Vorgaben ergibt und) die Unterbrechung des Rentenbezuges mehr als 24 Monate umfasst hat.
Diese Frist von 24 Monaten findet sich ferner in der Regelung des § 306 Abs. 2 SGB VI.
Die von § 88 Satz 2 SGB VI ausdrücklich geregelte Interessenlage ist vergleichbar mit der Interessenlage eines Versicherten, der die für ihn günstigere Bemessung des Zugangsfaktors in der Ausgangsrente nach einer Rentenunterbrechung bei der Folgerentenberechnung fortgeschrieben sehen will. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, das Interesse des Versicherten an der Beibehaltung einer für in günstigen Bemessung des Zugangsfaktors als größer oder schutzwürdiger als sein Interesse an der Beibehaltung einer für ihn günstigen Gesamtzahl der Entgeltpunkte zu bewerten. Nachdem der Gesetzgeber letzteres Interesse in der ausdrücklichen Regelung des § 88 Satz 2 SGB VI nur für Unterbrechungszeiträume von bis zu 24 Kalendermonaten als schutzwürdig angesehen hat, ist die diesbezüglich in § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB VI bestehende Regelungslücke ebenfalls in diesem Sinne zu schließen: Auch auf eine für ihn günstigere Bemessung des Zugangsfaktors in der Ausgangsrente kann sich der Versicherte nach einer Rentenunterbrechung bei der Folgerentenberechnung nur dann berufen, wenn die Unterbrechung nicht mehr als 24 Kalendermonate umfasst hat. Diese Höchstfrist im vorliegenden Zusammenhang um ein Mehrfaches überschritten worden.
In diesem Zusammenhang beruft sich der Kläger vergeblich darauf, dass es für ihn möglicherweise bezogen auf seine Rentenansprüche günstiger gewesen wäre, wenn er sich sein Gesundheitszustand nicht gebessert hätte und er dementsprechend dauerhaft berufsunfähig geblieben und eine entsprechende Rente bis zum Beginn der Altersrente bezogen hätte. Eine solche eventuelle Begünstigung wäre als Ausdruck dessen zu werten gewesen, dass der Gesetzgeber die Einführung eines reduzierten Zugangsfaktors auch für Erwerbsminderungsrenten zum 1. Januar 2001 auf neu zu bewilligende Renten begrenzt und insbesondere unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes keine vergleichbaren Kürzungen für Bestandsrenten vorgesehen hat. Seinerzeit bezog der Kläger schon keine Berufsunfähigkeitsrente mehr. Hypothetische Erwägungen unter Heranziehung anderer als der tatsächlich erlebten Sachverhalte begründen beim Kläger ebenso wenig wie bei anderen Versicherten einen Anspruch auf eine anderweitige Bewertung ihrer Rentenansprüche.
2. Soweit ein Verwaltungsakt, der - wie vorliegend der Bescheid vom 30. Oktober 2007 - ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 des § 45 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X). Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB X).
Im vorliegenden Fall wird eine Betätigung des Vertrauens des Klägers in den Bestand des Bescheides vom 30. Oktober 2007 in der ohnehin nur äußerst knappen Zeitspanne zwischen der Bekanntgabe dieses Bescheides und der Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides vom 1. November 2007 von diesem selbst nicht dargetan; sie ist auch anderweitig in keiner Weise ersichtlich. Namentlich hat er die streitige Differenz zwischen den mit dem Ausgangsbescheid zuerkannten Rentenleistungen und den mit dem (Teil-)Aufhebungsbescheid noch belassenen Leistungen nie erhalten und dementsprechend auch nicht verbrauchen können; Vermögensdispositionen aufgrund des Ausgangsbescheides sind ebenso wenig erkennbar.
Die Beklagte hat ihr Ermessen in der insoweit maßgebenden Fassung des Widerspruchsbescheides fehlerfrei im Sinne der rückwirkenden Korrektur des Rentenbewilligungsbescheides ausgeübt. Namentlich sind auch von Seiten des Klägers keine besonderen Gesichtspunkte vorgetragen worden, die Anlass zu einer anderweitigen Ermessensausübung hätten geben können.
Überdies wird jedenfalls ein erheblicher Teil der mit der Teilaufhebung des Rentenbewilligungsbescheides vom 30. Oktober 2007 verbundenen Nachteile für den Kläger dadurch ausgeglichen, dass er aufgrund der verminderten Rentenansprüche weitergehende Leistungsansprüche gegen die Seemannskasse geltend machen kann. Davon hängen jedoch nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen für den angefochtenen (Teil-)Aufhebungsbescheid ab; auch im Falle des Fehlens von Ausgleichsansprüchen gegenüber der Seemannskasse hätte die Beklagte im gleichen Sinne entscheiden dürfen. Da auch die Ermessensausübung nicht entscheidend von solchen Ausgleichsansprüchen abhängt, bedarf es im vorliegenden Verfahren keiner weitergehenden Abklärung des Umfanges solcher - grundsätzlich auch von Seiten des Klägers eingeräumter - Ansprüche.
Die vor Erlass des (Teil-)Aufhebungsbescheides durch § 24 SGB X vorgeschriebene Anhörung des Klägers ist zwar unterblieben, bedingt durch die Nachholung der Anhörung im Widerspruchsverfahren ist dieser Verfahrensfehler jedoch gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X als unbeachtlich anzusehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.