Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 17.12.2019, Az.: 15 A 7795/16

Fahrlehrerlaubnis; sexuell; Unzuverlässigkeit; Widerruf

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
17.12.2019
Aktenzeichen
15 A 7795/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69938
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Widerruf der Fahrlehrerlaubnis bei sexuell motivierten Verhaltensweisen - Unzuverlässigkeit eines Fahrlehrers

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Fahrlehrerlaubnis und gegen die Heranziehung zu Verwaltungsgebühren in Höhe von 140,00 EUR.

Der 1971 geborene Kläger war seit dem Jahr 2010 - zunächst als Fahrlehreranwärter - bei verschiedenen Fahrschulen tätig. Seit dem 16.02.2012 ist der Kläger im Besitz einer Fahrlehrerlaubnis. Mit Bescheid vom 30.11.2016 widerrief die Beklagte gegenüber dem Kläger die entsprechende Fahrlehrerlaubnis. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Kläger sei unzuverlässig hinsichtlich der Ausübung des Fahrlehrerberufes. Dies begründete die Beklagte im Wesentlichen mit verschiedenen Vorfällen, von denen sie Kenntnis erlangt hatte: Im Mai 2016 sei der Kläger während einer Fahrstunde mit einer 19-jährigen Fahrschülerin, Frau C., zum X-see gefahren und habe sie aufgefordert, einen Spaziergang zu machen. Dieser Spaziergang habe die Fahrschülerin nach eigener Aussage beängstigt. Auf der Rückfahrt habe der Kläger der Fahrschülerin sein neues iPad gezeigt, wobei im Hintergrund ein pornographischer Film startete. Während einer weiteren Fahrstunde im Juli habe der Kläger dieselbe Fahrschülerin häufig an der Hand berührt, sodass sie die Hand habe vom Lenkrad nehmen müssen, um den ungewollten körperlichen Kontakt abzuwenden. Der Kläger habe während der Fahrstunden oft die Oberschenkel der Fahrschülerin berührt, um über ihre zerrissene Hose zu streicheln. Eine andere 19-jährige Fahrschülerin - Frau D. - habe berichtet, dass es durch den Kläger zu Bemerkungen gekommen sei, wie: „Du siehst aber heute wieder scharf aus“. Auch diese Fahrschülerin habe berichtet, dass der Kläger sie mehrfach zu Spaziergängen aufgefordert habe. Ferner habe sich der Kläger ungefragt über den Schoß der Fahrschülerin gebeugt, um aus der anderen Türablage einen Eiskratzer zu entnehmen. Zudem habe der Kläger ihr während einer praktischen Fahrstunde merklich gegen die Hand geschlagen und sie gemaßregelt. Er habe während einer Fahrt der Fahrschülerin eine Trinkflasche vor den Mund gehalten, obwohl diese die Frage nach einem Getränk verneint habe. Bei einer Übungsfahrt habe der Kläger an einer bergigen und kurvigen Streckenstelle ins Lenkrad gegriffen und die Kontrolle über das Fahrzeug in der Gestalt übernommen, dass die Fahrschülerin Todesängste empfunden habe. Im Weiteren habe der Kläger die Fahrschülerin zu einer Gefahrenbremsung aus fast 100 km/h gebracht. Der Kläger habe zu Beginn der Ausbildung die Fahrschülerin darauf hingewiesen, dass alles, was während der Fahrstunden passiere, nicht an die Öffentlichkeit gelangen dürfe. Sonst würde sie den Kläger „richtig kennenlernen“. Im Weiteren sei es im Jahr 2014 zu einem Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft E. wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung gekommen. Dieses Verfahren sei zwar gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, jedoch ergebe sich aus der Akte, dass der Kläger auch im Rahmen des Fahrschulunterrichts seine Machtstellung missbraucht habe, um die betroffene Fahrschülerin - Frau F. - zu sexuellen Handlungen aufzufordern bzw. diese einzufordern. Der Inhaber der Fahrschule, bei welcher der Kläger im Jahr 2013 tätig gewesen sei, habe gegenüber den Ermittlungsbehörden angegeben, er habe beobachtet, wie der Kläger einmal eine Fahrschülerin bei einer Ersteinweisung im Pkw an fast allen Köperteilen berührt habe. Der Inhaber der Fahrschule habe den Kläger darauf hingewiesen, dass er auf keinen Fall Fahrschüler anfassen dürfe. Der Kläger habe hierauf geantwortet, dass ihm dies noch nicht gesagt worden sei. Einem Ausbildungsfahrlehrer einer anderen Fahrschule sei aufgefallen, dass der Kläger gegenüber einer Fahrschülerin verbal übergriffig geworden sei. Bei der Ausbildung der Fahrschülerin habe es sich um eine durch das Arbeitsamt geförderte Maßnahme gehandelt. Der Kläger habe der Fahrschülerin gedroht, für den Fall, dass sie nicht tue, was der Kläger wolle, würde er dafür sorgen, dass sie die Maßnahme verlassen müsse. Außerdem sei in dieser Fahrschule von Zeugen beobachtet worden, wie der Kläger den Rucksack einer Fahrschülerin durchsucht habe. Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei schließlich von der damaligen Fahrschule fristlos gekündigt worden.

Insgesamt habe der Kläger die ihm als Fahrlehrer obliegenden Pflichten gröblich verletzt. Er sei charakterlich ungeeignet für den Beruf des Fahrlehrers. Er habe seine Machtposition als Fahrlehrer missbraucht, um Fahrschülerinnen auf unterschiedliche Weise zu bedrohen, einzuschüchtern oder sie zu bedrängen. Der Kläger habe sich in hohem Maße übergriffig gezeigt und habe die Fahrschülerinnen belästigt. Die Übergriffe seien gegen den Willen der Fahrschülerinnen erfolgt. Wer das Innere eines Fahrschulwagens als Raum für sexuelle Annährungsversuche nutze, sei nicht mehr geeignet, die verantwortungsvolle Stellung eines Fahrlehrers auszuüben.

Mit Bescheid vom 05.12.2016 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger mit Blick auf den Widerruf der Fahrlehrerlaubnis noch Verwaltungsgebühren in Höhe von 140,00 EUR fest.

Hiergegen hat der Kläger am 22.12.2016 Klage erhoben. Der Kläger ist der Ansicht, er sei weiterhin zuverlässig hinsichtlich der Berufsausübung als Fahrlehrer. Ein Widerruf der Fahrlehrerlaubnis sei nicht gerechtfertigt. Es sei keine normierte Pflichtverletzung gegeben. Er trägt im Wesentlichen vor: Etwaige Berührungen der Fahrschülerinnen seien unabsichtlicher Natur und der Tatsache geschuldet gewesen, dass der Kläger als Fahrlehrer teilweise in den Fahrvorgang eingreifen müsse, um Gefahren abzuwenden. Berührungen seien nicht ganz zu vermeiden. Er habe nicht über die Hose der Fahrschülerin gestreichelt. Etwaige Komplimente durch den Kläger seien stets positiv gemeint gewesen. Es sei zu keinerlei Spaziergängen gekommen. Es habe sich vielmehr um Pausen von längeren Fahrstunden gehandelt. Beim Reichen der Trinkflasche während der Fahrt halte er - der Kläger - das Lenkrad. Dies diene nur der Abwehr etwaiger Gefahrenmomente. Der Hinweis darauf, dass alle Gespräche, die im Fahrzeug stattfinden, nicht anderweitig zu verwenden seien, diene dazu, den Fahrschülern Sicherheit zu vermitteln. Es habe keine Drohungen gegeben. Die Gefahrenbremsungen seien notwendig, um die Fahrschüler auf etwaige Gefahren im Straßenverkehr vorzubereiten. Weiter sei das Verfahren bei der Staatsanwaltschaft E. nicht in die Entscheidung bezüglich des Widerrufs der Fahrlehrerlaubnis einzubeziehen, da es eingestellt worden sei. Nach der Beendigung der Affäre zu der vermeintlich Geschädigten sei diese nicht mehr gut auf den Kläger zu sprechen gewesen und habe daher ein Interesse daran, ihm zu schaden. Er befinde sich mit seinem letzten Arbeitgeber - der Fahrschule G. - in einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung. Der Inhaber der Fahrschule verhalte sich grob fehlerhaft und entsprechend verbaler Ankündigungen habe er die Fahrschülerinnen die hier getätigten Aussagen machen lassen. Er sei deshalb ein Opfer seines vormaligen Arbeitgebers geworden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 30.11.2016 sowie den Kostenbescheid vom 05.12.2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide. Diese seien rechtmäßig. Es seien keine Ansatzpunkte ersichtlich, um an der Glaubhaftigkeit der Angaben der verschiedenen Fahrschülerinnen zu zweifeln. Dass eventuell eine Mitarbeiterin der Fahrschule „G.“ Fahrschülerinnen und Fahrschüler aufgefordert habe, zum Verhalten des Klägers auszusagen, entwerte deren Aussagen keinesfalls. Es sei auch nicht zweifelhaft, dass Angaben aus dem eingestellten Ermittlungsverfahren für die Frage der Zuverlässigkeit des Klägers herangezogen werden könnten. Letztlich würden die Angaben des Klägers die Aussagen der Fahrschülerinnen im Wesentlichen bestätigen. Der Kläger habe im Detail eine (aus seiner Sicht rechtfertigende) Begründung für verschiedene seiner Verhaltensweisen angeführt. Dem Kläger fehle es jedoch an Empathie und Einsichtsfähigkeit.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2019 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 30.11.2016 und vom 05.12.2016 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Beklagte hat in nicht zu beanstandender Weise die Fahrlehrerlaubnis des Klägers widerrufen. Die Beklagte hat den Widerruf zutreffend auf die Vorschrift des § 8 Abs. 2 FahrlG a.F. gestützt. Zu beachten ist, dass es sich hinsichtlich dieser gesetzlichen Grundlage um „altes Recht“ in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung handelt, welches zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides vom 30.11.2016 galt und hier deshalb auch anzuwenden ist. Unabhängig davon ist nunmehr eine inhaltlich ähnliche Regelung zum Widerruf einer Fahrlehrerlaubnis in § 14 Abs. 2 FahrlG n.F. enthalten.

Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 FahrlG a.F. ist die Fahrlehrerlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich eine der in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FahrlG a.F. genannten Voraussetzungen weggefallen ist. Unzuverlässig im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FahrlG a.F. ist der Erlaubnisinhaber gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 FahrlG a.F. insbesondere - aber nicht nur - dann, wenn er wiederholt die Pflichten gröblich verletzt hat, die ihm nach diesem Gesetz oder den auf ihm beruhenden Rechtsverordnungen obliegen. Nachdem das Fahrlehrergesetz selbst keine spezialgesetzliche Definition der Unzuverlässigkeit enthält, sind hinsichtlich des Begriffes der Zuverlässigkeit die allgemeinen gewerberechtlichen Grundsätze anzuwenden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.10.1996 - 1 B 197/96 - juris). Danach ist ein Gewerbetreibender dann unzuverlässig, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. Die somit erforderliche Prognose ist ein aus den vorhandenen tatsächlichen Umständen gezogener Schluss auf wahrscheinlich zukünftiges Verhalten des Gewerbetreibenden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.02.1997 - 1 B 34/97 - juris). Insoweit kommt es auf eine Gesamtschau des in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens an. Allerdings kann bereits ein einmaliges Fehlverhalten die Unzuverlässigkeit dann begründen, wenn es schwer wiegt und ein sicheres Symptom dafür ist, dass eine ordnungsgemäße Ausübung des Berufs nicht zu erwarten ist (vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 09.02.2011 - 11 CS 10.3056 - juris mwN). Das Verhalten des Fahrlehrers, welches die Unzuverlässigkeit begründet, muss hierbei nicht die Schwelle der Strafbarkeit überschreiten (vgl. VG Neustadt, Beschluss vom 14.01.2008 - 4 L 1585/07.NW - juris Rn. 18). Gemäß § 6 FahrlG hat der Fahrlehrer die Fahrschüler gewissenhaft auszubilden. Die Pflicht zur gewissenhaften Ausbildung wird in der Fahrschulausbildungsordnung (FahrschAusbO) konkretisiert. Ziel der Ausbildung ist gemäß § 1 Abs. 1 FahrschAusbO, die Befähigung zum sicheren, verantwortungsvollen und umweltbewussten Verkehrsteilnehmer. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FahrschAusbO hat sich die Ausbildung an den Zielen dieser Verordnung zu orientieren. Der Fahrlehrer soll nach § 3 Abs. 2 Satz 3 FahrschAusbO gegenüber dem Fahrschüler sachlich, aufgeschlossen und geduldig auftreten. Der Fahrlehrer steht hierbei in einem besonderen Vertrauens- und Autoritätsverhältnis zu seinen Fahrschülern. Kraft dieses Verhältnisses müssen sich die Fahrschülerinnen und Fahrschüler bei der Ausbildung, insbesondere der praktischen Fahrausbildung, in die Obhut des Fahrlehrers begeben, um gefahrlos das Führen eines Kraftfahrzeuges zu erlernen. Dieses Verhältnis von Lehrer und Schülerin bzw. Schüler ist davon geprägt, dass sich die Schülerin oder der Schüler der fachlichen und persönlichen Autorität des Lehrers soweit unterwerfen müssen, als dies zur Erzielung eines Lernerfolges geboten ist. Dadurch besteht für die Schülerin oder den Schüler naturgemäß eine beachtliche Hemmschwelle, den Lehrer persönlich oder aber auch fachlich zum Beispiel hinsichtlich seiner Methodik in Frage zu stellen. Dieses Hemmnis ist in der Regel umso mehr verstärkt, je größer ein Reifeunterschied ist, der zum Lehrer besteht. Daher ist vor allem das typischerweise jugendliche oder heranwachsende Schülerpublikum in einer Fahrschule weniger in der Lage, sich gegen persönliche Grenzüberschreitungen wie Ruppigkeiten, Beleidigungen oder aber ganz besonders auch sexuelle Anzüglichkeiten oder sonst vergleichbares Fehlverhalten des Fahrlehrers entschieden zur Wehr zu setzen (vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 09.02.2011 - 11 CS 10.3056 - juris Rn. 10; VG Köln, Beschluss vom 22.08.2018 - 23 L 1646/18 - juris Rn. 7 f; VG Stuttgart, Urteil vom 03.05.2012 - 8 K 2956/11 - juris Rn. 45 m.w.N.).

Hier ist bereits ein einmaliges Fehlverhalten des Klägers so schwerwiegend gewesen, dass der Widerruf seiner Fahrlehrerlaubnis gerechtfertigt ist. Die Kammer hat keine Zweifel daran, dass der Kläger während einer Ausbildungsfahrt im Mai 2016 im Ausbildungsfahrzeug in Gegenwart der Fahrschülerin Frau C. sein iPad anschaltete, sodann im Hintergrund ein pornographischer Film startete und die Fahrschülerin dies auch wahrgenommen hat. Für die Kammer sind keine Ansatzpunkte ersichtlich, weshalb die insoweit getätigten Angaben der Frau C. gegenüber der Behörde nicht glaubhaft sein sollten. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung den Vorfall schon nicht substantiiert bestritten und die Aussage der Fahrschülerin hierzu auch nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil: Er hat auf Nachfrage des Gerichts ausgeführt, er könne sich zwar nicht mehr an den Vorfall erinnern, könne aber auch nicht ausschließen, dass auf seinem iPad im Hintergrund „ein Porno“ gelaufen sei. Die Kammer geht insofern davon aus, dass tatsächlich ein pornographischer Film abgespielt wurde. Es ist unerheblich, ob es sich um ein privates iPad des Klägers gehandelt hat und - wie der Kläger zu seiner Verteidigung in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat - eine entsprechende Internetseite „zunächst einmal aufgerufen“ wurde. Der Kläger hat in jedem Fall Sorge dafür zu tragen, dass er in der Gegenwart von Fahrschülerinnen und Fahrschülern keinen pornographischen Film auf einem Wiedergabemedium startet und dieser Film dann von einer Fahrschülerin (oder einem Fahrschüler) gesehen werden kann. Hierbei ist es auch nicht von Bedeutung, ob die Filmaufnahmen möglicherweise nur für einen kurzen Zeitraum zu erkennen gewesen sind. Entscheidend ist, dass sich die Fahrschülerin durch die ermöglichte Wahrnehmung sehr unwohl gefühlt hat. Dies ergibt sich so eindeutig aus den in dem Verwaltungsvorgang befindlichen Angaben der Fahrschülerin gegenüber der Behörde (Protokoll vom 19.09.2016, Blatt 6 des Verwaltungsvorgangs). Es handelt sich aus Sicht der Kammer um ein grobes Fehlverhalten des Klägers, welches sexuell belästigend erscheint. Auffällig ist insoweit auch, dass die Fahrschülerin bereits zuvor den Eindruck hatte, der Kläger wolle ihr „näher kommen“. Diesbezüglich hat wohl das allgemeine Gesamtverhalten des Klägers bei der Fahrschülerin diesen Eindruck erweckt. Es wäre Aufgabe des Klägers gewesen, einen solchen Eindruck stets zu vermeiden. Wer - wie der Kläger - das stark beengte Innere eines Fahrzeuges für ein völlig distanzloses Verhalten nutzt, welches von der Fahrschülerin - und im Übrigen auch von einem objektiven Dritten - als sexueller Annäherungsversuch verstanden werden muss, ist nicht mehr geeignet, die verantwortungsvolle Stellung eines Fahrlehrers auszuüben (vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 09.02.2011 - 11 CS 10.3056 - juris Rn. 11). Die anzustellende Prognose fällt hinsichtlich des Klägers allein schon vor diesem Hintergrund negativ aus.

Selbst wenn man zu dem Ergebnis gelangen würde, das geschilderte Fehlverhalten (Zeigen eines pornographischen Films) könnte für die Annahme der Unzuverlässigkeit des Klägers allein nicht ausreichend sein, so wäre jedoch dieses Fehlverhalten in der Zusammenschau mit einer ganzen Reihe weiterer Pflichtverletzungen des Klägers als derartig gröblich anzusehen, dass von einer Unzuverlässigkeit des Klägers als Fahrlehrer auszugehen ist. Aus den Schilderungen der Fahrschülerinnen Frau C. und Frau D. ergibt sich ein in sich stimmiges Bild eines für den Kläger offenbar typischen Verhaltensmusters, wonach er in verschiedenen Situationen Verhaltensweisen offenbarte, die geeignet sind, das sexuelle Ehrgefühl der Fahrschülerinnen grob zu verletzen.

So schilderte Frau C. im Rahmen ihrer behördlichen Aussage am 19.06.2016, der Kläger habe in einer Fahrstunde häufig ihre Hand berührt. Sie habe diese vom Lenkrad nehmen müssen, um die Berührung durch den Kläger zu verhindern. Außerdem habe der Kläger allgemein während der Fahrstunden häufig ihre Oberschenkel berührt, um über die zerrissene Hose zu streicheln. Sie habe das Verhalten des Klägers als ungewöhnlich und befremdlich empfunden. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung hierzu erklärt, es komme häufig vor, dass er bei Gefahrensituationen oder bei Fahrfehlern in das Lenkrad greifen müsse und es hierbei zur einer Berührung der Hand kommen könne. Im Übrigen hat der Kläger aber zugestanden, dass es während einer Fahrstunde vorkommen könne, dass er den Oberschenkel einer Fahrschülerin berühre. Dies müsse er ab und zu machen, wenn eine Gefahrensituation vorliege. Typisches Beispiel sei, wenn eine Fahrschülerin oder ein Fahrschüler „auf der Bremse stehe“ und er dafür sorgen müsse, dass die Bremse gelöst werde. Wenn das Problem nicht verbal gelöst werden könne, müsse er auch mit der Hand an den Oberschenkel gehen. Es sei ihm im konkreten Fall aber nicht darum gegangen, jemanden zu streicheln.

Die Kammer glaubt dem Kläger nicht, dass es ihm hier allein um die Fahrausbildung gegangen ist, in deren Rahmen aus seiner Sicht die Berührungen erfolgt sind. Aus Sicht des Gerichts scheint der Kläger schlicht den Körperkontakt zu der Fahrschülerin gesucht zu haben. Er hat vielmehr während der praktischen Übungsfahrten seine Stellung als Fahrlehrer wiederholt dazu benutzt, um unter dem Deckmantel einer vermeintlichen Fehlerkorrektur oder einer vorliegenden Gefahr die Hand und den Oberschenkel der Fahrschülerin zu berühren (vgl. hierzu VG Köln, Beschluss vom 22.08.2018 - 23 L 1646/18 - juris Rn. 14). Der Vortrag des Klägers entkräftet diesen Vorwurf nicht. Es mag sein, dass eine Berührung der Hand einer Fahrschülerin bei einem Gefahrengriff in das Lenkrad grundsätzlich vorkommen kann. Hier ging es aber um häufiges Berühren, wobei sich die Fahrschülerin hierbei gezwungen sah, die Hand vom Lenkrad zu nehmen. Dies macht deutlich, dass es sich nicht um einen „üblichen“ Fall des Griffes in das Lenkrad gehandelt hat. Aus der Sicht der Fahrschülerin war das Verhalten des Klägers ungewöhnlich und befremdlich. Es erscheint tatsächlich auch sehr ungewöhnlich, dass eine Fahrschülerin eine Hand vom Steuer nehmen muss, um dem Fahrlehrer „auszuweichen“. Hinsichtlich der Berührungen der Oberschenkel hat der Kläger eingeräumt, dass dies zu seiner üblichen Ausbildungsweise zählt. Dies führt jedoch nicht zu einer Rechtfertigung, sondern zeigt vielmehr auf, dass es dem Kläger an der notwendigen Einsicht fehlt. Die Berührungen der Oberschenkel können auf keinen Fall als nötige Hilfestellung im Rahmen des Unterrichts angesehen werden, um das Bein der Fahrschülerin - in einer wie auch immer gearteten Weise - von der Bremse zu lösen. Eine solche Situation ist allein verbal zu regeln. Der Einsatz der Hand am Oberschenkel der Fahrschülerin liegt außerhalb eines angemessenen Umgangs und ist schlicht distanzlos sowie übergriffig. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung ebenfalls überzeugend hervorgehoben, dass solche Berührungen aus fachlicher Sicht nicht erforderlich sind. Es kann insoweit dahinstehen, ob der Kläger zusätzlich auch den Oberschenkel der Fahrschülerin „gestreichelt“ hat, obgleich der Kammer keine Ansatzpunkte vorliegen, dass die konkrete Schilderung der Fahrschülerin in diesem Punkt unzutreffend sein könnte, denn schließlich dürfte zwischen einer einfachen Berührung und einem Streicheln ein deutlicher Unterschied bemerkbar sein.

Weiteres Fehlverhalten des Klägers ergibt sich mit Blick auf die Fahrschülerin Frau D.. Frau D. hat in ihrer Aussage vom 17.10.2016 gegenüber der Behörde zu Protokoll gegeben (vgl. Blatt 91 des Verwaltungsvorgangs), der Kläger habe mehrmals anzügliche Bemerkungen gemacht. Diese Aussage ergänzte die Fahrschülerin im Rahmen eines mit der Sachbearbeiterin der Beklagten geführten Telefongespräches am 18.11.2016 dahin, der Kläger habe ihr gegenüber etwa gesagt: „Du siehst ja heute wieder scharf aus!“ (vgl. Bl. 117 des Verwaltungsvorgangs). Der Kläger hat hierzu in der mündlichen Verhandlung erklärt, er könne sich nicht daran erinnern, solche Bemerkungen gemacht zu haben. Er „neige dazu“, dies auszuschließen, weil die Bemerkung „scharf aussehen“ nicht zu seinem Wortschatz passe. Dies stellt für die Kammer schon kein Bestreiten der Äußerung dar, sondern erschöpft sich im Ungenauen. Im Rahmen der Klagebegründung hat der Kläger hervorgehoben, es habe sich lediglich um positive Komplimente gehandelt. Unter Berücksichtigung dieser Einlassungen ist die Kammer davon überzeugt, dass der Kläger sich tatsächlich auch in einer Art und Weise - als anzüglich empfunden - gegenüber der Fahrschülerin geäußert hat, wie diese es beschrieben hat. Es ist auch insoweit nicht im Ansatz erkennbar, weshalb sich die Fahrschülerin eine solche Aussage des Klägers ausdenken sollte. Sie hat durch ihre Aussage auch keine ersichtlichen Vorteile erlangen können. Anzügliche Bemerkungen erwecken bei der Adressatin den Eindruck einer sexuell motivierten Äußerung. Solche Äußerungen sind in der Fahrausbildung völlig fehl am Platz. Selbst wenn der Kläger hiermit „positive Komplimente“ verteilen wollte, sind diese jedenfalls bei der Fahrschülerin keineswegs so angekommen. Für einen Fahrlehrer gilt es, auch solche Situationen zu vermeiden, denn sie lassen ihn in einem Licht erscheinen, in denen andere regelmäßig ein sexuelles Interesse des Fahrlehrers vermuten werden.

Die Fahrschülerin Frau D. hat zudem ausgeführt (vgl. Blatt 117a des Verwaltungsvorgangs), der Kläger habe sich bei einer Fahrstunde direkt nach dem Einsteigen in das Fahrschulfahrzeug über ihren Schoß gebeugt, um den Eiskratzer aus der anderen Türablage zu nehmen. Dies sei ihr unangenehm gewesen. Der Kläger hat im Rahmen seiner Klagebegründung eine Berührung anlässlich der Herausnahme des Eiskratzers zugestanden. Er hat sich darauf berufen, es habe sich um eine unbeabsichtigte Berührung gehandelt. Solche seien niemals ganz zu vermeiden. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu diesem Vorwurf erklärt, er habe hieran keine Erinnerung. Wenn er sich jedoch über den Schoß der Fahrschülerin gebeugt haben sollte, so sei dies unbeabsichtigt gewesen. Die Kammer geht nach dieser Einlassung davon aus, dass sich der Vorfall tatsächlich auch so zugetragen hat, wie es die Fahrschülerin geschildert hat. Es ist nicht nachvollziehbar, wie der Kläger sich unbeabsichtigt über den Schoß der Fahrschülerin gebeugt haben will. Eine solche Handlung geschieht nicht unbeabsichtigt. Die Situation wäre ferner durch den Kläger auf einfache Weise lösbar gewesen, denn er hätte die Fahrschülerin schlicht darum bitten können, dass diese ihm den Eiskratzer reicht. Unter diesem Aspekt ist der Hinweis darauf, unbeabsichtigte Berührungen könnten nicht immer vermieden werden, nicht weiterführend. Letztlich macht auch die beschriebene Situation wiederum deutlich, dass der Kläger offenbar nicht im Stande ist, zu Fahrschülerinnen die nötige professionelle (körperliche) Distanz zu wahren und unangenehme Gefühle bei den Fahrschülerinnen zu vermeiden.

Letztlich hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch zugestanden, eine weitere Fahrschülerin bei der Einweisung am Fahrzeug an fast allen Körperstellen berührt zu haben (vgl. Blatt 32 des Verwaltungsvorgangs). Es mag sein, dass der Kläger gegenüber seinem damaligen Arbeitgeber geäußert hat, er werde dies zukünftig nicht mehr tun. Seine oben geschilderten Verhaltensweisen gegenüber Fahrschülerinnen belegen aber, dass der Kläger sein Verhalten insoweit nicht „im Griff“ und er eine nicht zu akzeptierende Auffassung von seiner „Lehrpraxis“ hat. Nach dem Eindruck aus der mündlichen Verhandlung bestehen aus Sicht der Kammer erhebliche Zweifel daran, dass sich der Kläger seiner Rolle als Fahrlehrer und der hieraus resultierenden Verantwortung vollständig bewusst ist. Diese Gesamtumstände sind aus Sicht der Kammer jedenfalls ausreichend für die Annahme der Unzuverlässigkeit des Klägers. Dieser erscheint nach den hier angeführten erheblichen Vorfällen charakterlich ungeeignet, den Beruf des Fahrlehrers weiterhin auszuüben. Die Beklagte hat insofern nachvollziehbar prognostiziert, dass der Kläger wahrscheinlich auch zukünftig nicht die an ihn gestellten Anforderungen erfüllen wird und er in der schon beschriebenen Weise unzuverlässig ist.

Steht - wie vorliegend - die Unzuverlässigkeit fest, so ist die Fahrlehrerlaubnis zwingend zu widerrufen. Ein Ermessen steht der Beklagten nach dem klaren Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 1 FahrlG a.F. („ist zu widerrufen“) nicht zu.

Nach alledem kommt es nicht weiter darauf an, ob der Kläger seine Pflichten als Fahrlehrer auch dadurch verletzt hat, dass er etwa unnötig gefährliche Gefahrenbremsungen durchgeführt hat und bei einer Übungsfahrt an einer bergigen und kurvigen Streckenstelle ins Lenkrad gegriffen und die Kontrolle über das Fahrzeug in der Gestalt übernommen hat, dass die Fahrschülerin Todesängste empfunden hat. Es kommt auch nicht weiter darauf an, ob er einer Fahrschülerin auf die Hand geschlagen und er auch eventuell versucht haben könnte, Fahrschülerinnen einzuschüchtern. Letztlich musste die Kammer nicht weiter bewerten, ob der Kläger im Rahmen der Fahrschulausbildung eine sexuelle Beziehung zu einer seiner Fahrschülerinnen begonnen hat und ob in dem hierzu in den Akten befindlichen umfangreichen Angaben ein weiterer Ansatzpunkt für die Annahme einer Unzuverlässigkeit des Klägers zu sehen ist. Deshalb ist nicht von Relevanz, ob die Aussagen der entsprechenden Fahrschülerin - wie der Kläger wohl meint - von einer Schädigungsabsicht getragen sind.

Ferner ist auch der Bescheid vom 05.12.2016, mit dem die Beklagte gegenüber dem Kläger mit Blick auf den Widerruf der Fahrlehrerlaubnis Verwaltungsgebühren in Höhe von 140,00 EUR festgesetzt hat, rechtmäßig. Es ist nicht ersichtlich, dass dieser dem Grunde oder der Höhe nach zu beanstanden wäre. Der Kläger hat hierzu auch nicht weiter vorgetragen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.