Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 03.12.2019, Az.: 13 A 2445/19
Brille; Dienstunfall; Ersatzhöhe; Fürsorgepflicht; Lehrerin; Sachschaden; Schschadenersatz
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 03.12.2019
- Aktenzeichen
- 13 A 2445/19
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2019, 69540
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 36 BeamtVG ND
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt den Ersatz eines ihr während der Dienstzeit entstandenen Schadens an ihrer Brille.
Bei der Klägerin handelt es sich um eine Grundschullehrerin. Sie trug eine Brille mit Geleitssichtgläsern des Unternehmens Carl Zeiss. Ausweislich einer vorliegenden Rechnung kaufte sie diese Gläser Ende August 2016 für einen Gesamtpreis von 1353,00 €.
Am 22. Januar 2019 war die Klägerin im Schulgebäude unterwegs, als plötzlich vor ihr durch eine Schülerin mit Wucht die Tür aufgerissen wurde. Die Tür prallte gegen die linke Schläfe der Klägerin. Dabei brach von ihrer Brille der Bügel und ein Stück des Kunststoffglases heraus.
Die Klägerin ließ ein gleichwertiges Glas in ihre Brille wieder einarbeiten. Nach einer vorgelegten Rechnung vom 2. Februar 2019 bezahlte sie dafür 716,00 €.
Am 11. Februar 2019 ging die entsprechende Unfallanzeige bei der Beklagten ein. Außerdem zeigte die Klägerin den entstandenen Sachschaden an. Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Klägerin im März 2019 mit, dass sie - bei einem entsprechenden Antrag - mit einer Zahlung ihrer privaten Krankenversicherung in Höhe von 211,50 € rechne.
Mit Bescheid vom 20. März 2019 gewährte die Beklagte der Klägerin zu den verbleibenden 504,50 € eine Erstattung des Sachschadens in Höhe von insgesamt 138,50 €. Die Beklagte führte aus, die Erstattungsbeträge würden sich nach den Preisen für Brillengläser für mittlere Art und Güte richten. Für ein zylindrisches Mehrstärkenglas sei eine Erstattung bis zu 92,50 € pro Glas möglich; wenn es sich um eine Gleitsichtausführung handle, könnten weitere 21,00 € hinzugerechnet werden. Darüber hinaus könnten pro Glas bis zu 25,00 € Einschleifkosten übernommen werden. Einen Sachschadensersatz über 138,50 € hinaus lehnte die Beklagte ab
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Eine Zahlung der privaten Krankenversicherung werde sie nicht in Anspruch nehmen. Ihr Schaden liege bei 716,00 €. Sie habe exakt ein Glas in gleicher Qualität und Güte wiedereinsetzen lassen, wie es zerstört worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. April 2019 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 24. April 2019 zugestellt.
Die Klägerin hat am 13. Mai 2019 Klage erhoben.
Sie trägt vor, dass es sich um den Ersatz eines Brillenglases für eine bereits vorhandene Brille handelte. Es sei ihr nicht zuzumuten, eine Brille mit zwei unterschiedlich geschliffenen Gläsern zu tragen. Es handelt sich bei dem Brillengestell um ein besonderes Designermodel, die Form sei dadurch vorgegeben. Da es eine randlose Brille sei, seien Kunststoffgläser zwingend. Bei der Beauftragung der Reparatur sei sie davon ausgegangen, dass sie sich ein Brillenglas gleicher Art und Güte als Ersatz habe zulegen dürfen Es handele sich bei der Brille nicht um ein Luxusgut, sondern um ein notwendiges Hilfsmittel.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 20. März 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2019 aufzuheben und ihr, der Klägerin, die Kosten für das im Rahmen des Dienstunfalles vom 22. Januar 2019 beschädigte Brillenglas in Höhe von 716 Euro abzüglich bereits erstatteter 138,50 Euro (mithin weitere 577,50 Euro) zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt der Klage entgegen.
Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung und mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter und nach § 101 Abs. 2 VwGO weiterhin ohne mündliche Verhandlung.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf einen weitergehenden Schadensersatz.
Sind bei einem Dienstunfall Kleidungsstücke oder sonstige Gegenstände, die die Beamtin oder der Beamte mit sich geführt hat, beschädigt oder zerstört worden oder abhandengekommen, so kann zwar gem. § 36 NBeamtVG dafür Ersatz geleistet werden.
Das Gesetz eröffnet jedoch mit dieser Regelung lediglich dem Dienstherrn im Rahmen seines ihm obliegenden Ermessens die Möglichkeit, seinen Beamten einen während der Ausübung des Dienstes erlittenen Sachschaden zu ersetzen. Der Dienstherr hat bei der sachgerechten Ermessensausübung zum einen die ihm gegenüber dem Beamten obliegende Fürsorgepflicht zu beachten, andererseits allerdings auch seine Verpflichtung, mit öffentlichen Mitteln sparsam umzugehen.
In diesem Rahmen ist es nicht zu beanstanden, wenn – wie hier - der Dienstherr zum Einen einen Beamten auf eine anderweitige Erstattungsmöglichkeit, etwa die Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen einer Krankenversicherung, verweist. Es ist zwar nachvollziehbar, dass die Klägerin im Hinblick auf eine zu erwartende Beitragsrückerstattung Leistung ihrer Krankenversicherung nicht in Anspruch nehmen möchte. Hier muss die Klägerin abwägen, was für sie letztendlich günstiger ist, die Beitragsrückerstattung oder die Versicherungsleistung selbst. Wenn sich die Klägerin dafür entscheidet, ihre Versicherungsleistung nicht in Anspruch zu nehmen, besteht jedoch kein Rechtsanspruch darauf, die insoweit offenen Kosten der Allgemeinheit aufzubürden.
Es entspricht weiterhin pflichtgemäßen Ermessen, wenn die Beklagte die Höhe des Ersatzes eines Sachschadens auf den Betrag beschränkt, der für einen entsprechenden Gegenstand mittlerer Art und Güte aufzuwenden wäre.
Das erkennende Gericht hat im Urteil vom 24. März 2017 – 13 A 4002/16 – (rechtskräftig) – zu der vergleichbaren Vorschrift des Beamtenversorgungsgesetzes des Bundes u.a. ausgeführt:
„„Nach dem Sinn und Zweck der Ermessensermächtigung beim Sachschadenersatz in § 32 S. 1 BeamtVG soll der Dienstherr nicht jeden Schaden ersetzen und auch nicht stets vollen Ersatz leisten müssen. Es soll vielmehr ein angemessener Ausgleich zwischen der dem Dienstherrn obliegenden Fürsorgepflicht einerseits und der Verpflichtung des Dienstherrn zur sparsamen Verwaltung öffentlicher Mittel andererseits geschaffen werden, namentlich unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessenlage und der hierauf bezogenen Risikozuweisung, die sich bei Sachschäden im Vergleich zu Personenschäden ergibt. Bei Personenschäden muss der Dienstherr vollen Ersatz leisten, weil der Beamte seine Person notwendig immer in den durch die Dienstausübung charakterisierten Risikobereich des Dienstherrn einbringt. Welche Gegenstände ein Beamter im Dienst mit sich führt, unterliegt dagegen in der Regel seiner eigenen freien Entscheidung. Würde für Schäden an mitgeführten Gegenständen uneingeschränkt Ersatz geleistet, hätte es der Beamte in der Hand, etwa durch das Mitführen besonders wertvoller Gegenstände den Dienstherrn ohne dessen Zutun mit unangemessenen Haftungsrisiken zu belasten (VG Regensburg Urt. v. 2.5.2012 – 1 K 11.580, BeckRS 2012, 53611 m.w.N.).“
Daran hält das Gericht fest. Die Klägerin verkennt, dass es vorliegend nicht um einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch geht, nachdem vom Schädiger der Zustand wiederhergestellt werden muss, der vor dem schädigenden Ereignis bestand. Bei der Gewährung einer Entschädigung von im Rahmen des Dienstes beschädigten Gegenständen, die ein Beamter mit sich geführt hat, handelt es sich nicht um Schadensersatz aus einer unerlaubter Handlung nach § 823 (die der Dienstherr ja gar nicht begangen hat, sondern hier eine offenbar noch nicht deliktsfähige Schülerin), sondern vielmehr lediglich um eine Leistung zum Ausgleich von Härten im Rahmen der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.