Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 19.05.2003, Az.: 1 A 89/01
allgemein wissenschaftliche Anerkennung; Beihilfe; ICSI; künstliche Befruchtung; Missbildungsrisiko; Vertrauensschutz
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 19.05.2003
- Aktenzeichen
- 1 A 89/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48005
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 87c Abs 1 BG ND
- § 5 BhV
- § 6 Abs 1 Nr 1 BhV
- § 6 Abs 2 BhV
- § 27a SGB 5
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. ICSI stellt eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode dar. Der beihilferechtliche Ausschluss von mehr als einer ICSI ist daher rechtlich nicht zu beanstanden.
2. Zur Zeit fehlt es auch noch an der begründeten Erwartung, dass die ICSI-Methode nach einer medizinischen Erprobungsphase nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann. Die nach der Rechtsprechung des BVerwG erforderlichen Voraussetzungen für eine ausnahmsweise doch gegebene Verpflichtung des Dienstherrn zur beihilferechlichen Erstattung sind daher nicht gegeben.
3. Zur Frage des Vertrauensschutzes im Einzelfall.
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von dem beklagten Landesamt die Übernahme der Kosten für Maßnahmen im Wiederholungsfall zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mittels Intracytroplasmatischer Spermainjektion (ICSI).
Der Kläger ist verheiratet und steht als Beamter im niedersächsischen Landesdienst; er ist daher dem Grunde nach beihilfeberechtigt (Beihilfebemessungssatz: 50 %). Nach der ärztlichen Bescheinigung von Prof. Dr. med. ... vom ... in ... vom 27. März 2002 stellt die IVF-ICSI-Behandlung für den Kläger und seine Ehefrau aufgrund des männlichen Fertilitätspotentials des Klägers die einzig realistische Möglichkeit dar, eine eigene Schwangerschaft zu erzielen. Bei der ICSI handelt es sich um eine Technik der extrakoparalen Befruchtung, die im Wesentlichen bei Ehepaaren angewandt wird, die infolge einer Fertilitätsstörung des Mannes auf natürlichem Wege keine Kinder zeugen können. In solchen Fällen genügt es in der Regel nicht, Samen- und Eizelle zur spontanen Verschmelzung im Reagenzglas zusammenzubringen (In-Vitro-Fertilisation - IVF). Vielmehr muss ein einzelnes Spermium mit Hilfe einer mikroskopisch dünnen Nadel unmittelbar in die Eizelle indiziert werden. Die übrigen Einzelschritte des Verfahrens bestehen ebenso wie bei der In-Vitro-Fertilisation darin, durch Hormonbehandlung der Frau mehrere Eizellen verfügbar zu machen, dem Körper zu entnehmen und nach dem Befruchtungsvorgang als Embryo wieder in den Körper zu übertragen (sog. Embryonentransfer).
Mit Bescheid vom 26. Oktober 1999 berücksichtigte das beklagte Landesamt die vom Kläger mit Rechnung vom 12. Oktober 1999 geltend gemachten Aufwendungen für die Durchführung einer (ausweislich der vom beklagten Landesamt überreichten Verwaltungsvorgänge: ersten; nach Darstellung des Klägers: zweiten) ICSI-Behandlung als beihilfefähig.
Mit Antrag vom 21. August 2000 machte der Kläger Aufwendungen für die Durchführung einer weiteren ICSI geltend und legte hierzu Rechnungen vom 17. Juli und 18. August 2000 in Höhe von insgesamt 4.143,14 DM vor.
Mit Beihilfebescheid vom 31. August 2000 lehnte das beklagte Landesamt die Gewährung einer derartigen Beihilfe ab und führte zur Begründung an, nach den Erläuterungen zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV sei nur eine ICSI beihilfefähig. Weitere Aufwendungen für ICSI könnten nicht mehr berücksichtigt werden.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, er habe auf seine schriftliche Nachfrage vom 3. März 1999 mit Schreiben des beklagten Landesamtes vom 24. März 1999 die Auskunft erhalten, dass vier Versuche beihilfefähig seien. Hierauf habe er sich verlassen. Im Übrigen könne es nicht sein, dass eine Behandlung beihilfefähig sei, ein Behandlungsschritt, der die Voraussetzung für die Durchführung der Behandlung sei, aber nicht. Nach dem Urteil des LSG Niedersachsen vom 23. Februar 2000 - L 4 KR 130/98 - seien die Kosten der ICSI im Rahmen einer homologen In-Vitro-Fertilisation im Rahmen der Krankenbehandlung erstattungspflichtig. Die Behandlung mit der ICSI-Methode sei in seinem Fall nach ärztlicher Feststellung erforderlich gewesen. Die Anerkennung der Beihilfefähigkeit dieser Kosten sei auch nicht durch die entsprechende Anwendung der Ziffer 10.5 der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung ausgeschlossen, da diese Ziffer nach dem genannten Urteil des LSG Niedersachsen nichtig sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2001 wies das beklagte Landesamt den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach Nr. 1.1 der Hinweise zu § 6 Abs. 1 BhV seien Aufwendungen für die homologe In-Vitro-Fertilisation mit anschließendem Embryo-Transfer bzw. Transfer der Gameten beihilfefähig. Laut Nr. 1.3 der Hinweise seien bei der IVF die Aufwendungen für höchstens vier Behandlungen beihilfefähig. Darüber hinausgehende Behandlungen seien nicht beihilfefähig nach Nr. 1.4 der Hinweise. Der Niedersächsische Finanzminister habe sich bis auf Weiteres mit der Berücksichtigung einer ICSI-Maßnahme innerhalb der vier IVF-Versuche einverstanden erklärt. Daher könnten die Aufwendungen für die Durchführung einer zweiten und jeder weiteren ICSI nicht als beihilfefähig anerkannt werden. Etwas anderes folge auch nicht aus seinem Antwortschreiben vom 24. März 1999. Der Kläger habe mit Schreiben vom 3. März 1999 mitgeteilt, dass seine Frau und er auf natürlichem Wege keine Kinder bekommen könnten und sie sich daher zur künstlichen Befruchtung entschlossen hätten. Mit Spermien aus dem Hodengewebe des Klägers sollen eine künstliche Befruchtung (In-Vitro) erfolgen. In dieser kurzen Schilderung sei die ICSI nicht erwähnt worden. Daher sei auch seine Antwort dahingehend gehalten, dass die Aufwendungen bei einer IVF für die ärztliche Feststellung der Voraussetzungen und für höchstens vier Behandlungen beihilfefähig seien. Eine Aussage, dass auch vier ICSI beihilfefähig seien, sei nicht getroffen worden. Zudem sei eine IVF-Behandlung nicht zwangsläufig mit einer ICSI gekoppelt. Für die Beurteilung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen seien nur die Beihilfevorschriften maßgeblich, so dass es auf das vom Kläger zitierte Urteil des Landessozialgerichtes nicht ankomme.
Daraufhin hat der Kläger am 9. März 2001 Klage erhoben, zu deren Begründung er sein bisheriges Vorbringen vertieft. Zum Zeitpunkt seiner schriftlichen Anfrage im März 1999 seien ihm die ärztlichen Fachbegriffe noch nicht geläufig gewesen, so dass er die Behandlung nur global geschildert habe. Die erste Behandlung, welche unter dem 19. Juli 1999 in Rechnung gestellt worden sei, sei mit Beihilfebescheid vom 2. August 1999 als beihilfefähig anerkannt und gezahlt worden. Die zweite Behandlung sei unter dem 12. Oktober 1999 in Rechnung gestellt und mit Beihilfebescheid vom 26. Oktober 1999 als beihilfefähig anerkannt gezahlt worden. Die für die dritte Behandlung in Rechnung gestellten Aufwendungen für die ICSI seien mit dem angefochtenen Beihilfebescheid vom 31. August 2000 abgelehnt worden. Die Kosten für eine vierte Behandlung sei mit Beihilfebescheid vom 5. September 2001 ebenfalls abgelehnt worden; dass hierauf bezogene Widerspruchsverfahren sei derzeit ausgesetzt. Die Aufwendungen für die ICSI seien Kosten, die aus Anlass einer Krankheitsbehandlung entstanden seien. Die homologe ICSI-Behandlung stelle eine medizinische Heilbehandlung dar. Zwar sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG, Urt. v. 22. März 2001 - 2 C 36/00 -, DVBl 2001, 1214) die ICSI-Behandlung zwar gerade keine allgemeine anerkannte Heilmethode. Zum einen sei aber zu bedenken, dass das beklagte Landesamt durch Erstattung einer ICSI-Behandlung zu verstehen gegeben habe, es stelle die geeignete Behandlungsmethode nicht grundsätzlich in Frage. Zum zweiten könne das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes auf seinen Fall keine Anwendung finden, da es sich bei dem dort zu entscheidenden Fall um die unentgeltliche truppenärztliche Versorgung durch die freie Heilfürsorge gehandelt habe und nicht wie in seinem Fall um die Anwendung von Beihilferecht. Und schließlich sei zu bedenken, dass die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten dann die Erstattung von Kosten einer nicht allgemein anerkannten Heilmethode zulasse, wenn ein anerkanntes Heilverfahren nicht zur Verfügung stehe und die Aussicht bestehe, dass die Außenseitermethode zukünftig nach einer Erprobungsphase noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werde. Diese Voraussetzungen lägen bei der streitigen ICSI-Behandlung vor. Auch im Beihilferecht würden die Kosten für vier IVF-Behandlungen übernommen. Daher gebiete es der Gleichbehandlungsgrundsatz, dass die Kosten auch für vier ICSI-Behandlungen als beihilfefähig anerkannt werden müssten. Ein Grund für die Beschränkung der Beihilfefähigkeit auf eine einzige ICSI-Behandlung sei nicht ersichtlich. Eine einzige Behandlung sei nur in wenigen Fällen geeignet, eine Schwangerschaft herbeizuführen. Medizinische Gründe für diese Beschränkung der Beihilfe seien nicht ersichtlich. Er habe daher einen Anspruch auf Erstattungen seiner Aufwendungen für den hier streitigen „dritten Versuch“.
Der Kläger beantragt,
das beklagte Landesamt unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 31. August 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2001 zu verpflichten, ihm gemäß seinem Antrag vom 21. August 2000 Beihilfe auch für die Aufwendungen für die dort genannte ICSI-Behandlung zu gewähren, den sich ergebenden Differenzbetrag auszuzahlen und mit 5 % über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Das beklagte Landesamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es auf die Gründe des Widerspruchsbescheides und trägt ergänzend vor, der Kläger hätte sich vor seiner Anfrage vom März 1999 bei den ihn behandelnden Ärzten im Vorfeld über die medizinischen Fachausdrücke erkundigen können und müssen. Dass sich der Kläger über die Maßnahme bzw. die Bezeichnung In-Vitro im Unklaren befunden habe, sei der Anfrage nicht zu entnehmen gewesen. Soweit er darauf verweise, dass nicht nur Aufwendungen für eine, sondern bereits für zwei ICSI-Behandlungen als beihilfefähig anerkannt worden seien, könne dies anhand der noch vorliegenden Unterlagen nicht mehr nachvollzogen werden. Unabhängig davon sei dem jedoch auch entgegenzuhalten, dass eine Berücksichtigung der Aufwendungen für einen zweiten Versuch fehlerhaft erfolgt wären und hieraus kein Anspruch auf eine weitere fehlerhafte Berücksichtigung entstehen könne. Bei Zeugungsunfähigkeit bzw. Unfruchtbarkeit handele es sich um Sonderfälle zum Krankheitsbegriff. Aufwendungen für künstliche Befruchtungen seien keine Krankenbehandlungskosten, sie veränderten den zeugungsunfähigen Zustand nicht. Die Anzahl der Versuche für die verschiedenen Formen der künstlichen Befruchtung sei daher allein aus fürsorgerischen Gründen abweichend vom allgemeinen Notwendigkeitsmaßstab des § 5 BhV auf eine bestimmte Anzahl pro beihilfeberechtigt festgelegt worden. Durch die Beihilfevorschriften werde jedoch die ICSI-Behandlung nicht ausdrücklich gemäß § 6 Abs. 2 BhV von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, so dass die dahingehende Argumentation des Klägers ins Leere gehe.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des beklagten Landesamtes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO) hat keinen Erfolg.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die hier streitige weitere ICSI-Behandlung entsprechend seinem Antrag vom 21. August 2000, so dass der angefochtene Bescheid des beklagten Landesamtes vom 31. August 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2001 rechtmäßig ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 87 c Abs. 1 NBG sind auf die Beamten des Landes Niedersachsen die für Bundesbeamte geltenden Beihilfevorschriften (BhV) anzuwenden. Maßgeblich sind dabei die zur Zeit der Entstehung der geltend gemachten Aufwendungen geltenden Fassungen des Beamten- und Beihilferechtes. Beihilfefähig sind gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV u. a. Aufwendungen für ärztliche Leistungen aus Anlass einer Krankheit. Dabei sind solche Aufwendungen beihilfefähig, die dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BhV). Das Bundesministerium des Innern kann die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für eine Untersuchung oder Behandlung nach einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methode jedoch begrenzen oder ausschließen (§ 6 Abs. 2 BhV); dies ist grundsätzlich mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, wie sie für den Bereich der Krankenfürsorge durch die Beihilfevorschriften konkretisiert wird, vereinbar.
Ein solcher Ausschluss der ICSI-Behandlung von der Beihilfefähigkeit liegt zwar (anders als etwa im Bereich der freien Heilfürsorge für Soldaten - vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 22.3.2001 - 2 C 36/00 -, NVwZ 2001, 1409 - und anders als seit dem 1. Januar 2000 in Nordrhein-Westfalen) im hier maßgeblichen Bereich der Bundesbeamten und der niedersächsischen Beamten - noch - nicht vor (vgl. dazu im Einzelnen VG Osnabrück, Urt. v. 19.12.2001 - 3 A 75/00 -). Entgegen der Ansicht des Klägers folgt der Ausschluss jeder weiteren ICSI-Behandlung von der Beihilfefähigkeit aber aus der maßgeblichen generellen Vorgabe seitens des Ministers der Finanzen, dass abgesehen von der ersten jede weitere ICSI-Behandlung bereits nicht "dem Grunde nach notwendig" i. S. d. Beihilfevorschriften ist.
Eine solche Notwendigkeit im beihilferechtlichen Sinn ist für die zweite und jede weitere ICSI zu verneinen, weil es sich bei dieser um eine wissenschaftlich (noch) nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode handelt, die zwar (noch) nicht von einem Ausschluss gemäß § 6 Abs. 2 BhV erfasst wird, die Voraussetzungen für einen solchen Ausschluss aber gegeben sind (so auch BVerwG, Urt. v. 22.3.2001 - 2 C 36/00 -, a. a. O.; VG Osnabrück, Urt. v. 19.12.2001 - 3 A 75/00 -). In einem solchen Fall liegt es im Ermessen der Festsetzungsstelle, ob und in welchem Umfang die Aufwendungen aufgrund des Fürsorgegrundsatzes dennoch übernommen werden. Auch die Zuständigkeit des Ministers der Finanzen, die Ausübung dieses Ermessens dahingehend zu steuern, dass stets nur die Kosten für nur eine ICSI übernommen werden, ist gegeben.
Als wissenschaftlich allgemein anerkannt sind solche Methoden und Heilmittel anzusehen, die wenn auch nicht von der herrschenden, so doch von der überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für die Behandlung der jeweiligen Krankheit als wirksam und geeignet erachtet werden. Um "anerkannt" zu sein, muss einer Behandlungsmethode deshalb von dritter Seite zuerkannt werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Krankheitsfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Zur "wissenschaftlichen" Anerkennung müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Zur "allgemeinen" Anerkennung muss die Therapieform zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden. Somit ist eine Behandlungsmethode jedenfalls dann "wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt", wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering beurteilt (BVerwG, Urt. v. 29.6.1995 - 2 C 15.94 -, NJW 1996, 801; Urt. v. 18.6.1998 - 2 C 24.97 -, NJW 1998, 3436).
Nach diesen Grundsätzen fehlt es der ICSI an der allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung. Dies folgt daraus, dass diese Methode wegen des zumindest noch nicht hinreichend geklärten Missbildungsrisikos der Embryonen bei den maßgebenden fachärztlichen Kreisen überwiegend keine wissenschaftliche Anerkennung gefunden hat und zur Zeit auch nicht findet. Während die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung vom 14. August 1990 unter den in Nr. 10 gezeichneten ärztlichen Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung die ICSI-Behandlung noch gar nicht nannten, wurde diese Nr. 10 mit Wirkung zum 1. Oktober 1997 um die Nr. 10.5 ergänzt: Hiernach ist die ICSI-Behandlung "derzeit keine Methode der künstlichen Befruchtung im Sinne dieser Richtlinien". Grund hierfür und für die im Anschluss hieran an die nach dieser Methode behandelnden Ärzte gerichtete Aufforderung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, durch entsprechende Studien gesicherte Daten über die so geborenen Kinder zu gewinnen, war, dass für die Beurteilung dieser Methode keine ausreichenden Unterlagen zur Beweissicherung für ihre Unbedenklichkeit vorlagen. Diese Auffassung bestätigte der Arbeitsausschuss Familienplanung des Bundesausschusses am 5. Oktober 1998, wobei er insbesondere auf die nicht abschätzbaren Risiken - wie etwa eine erhöhte Fehlbildungsrate und vermehrte Chromosomenanomalien - verwies. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Spitzenverbände der Krankenkassen haben in ihrer gemeinsamen Stellungnahme vom 26. November 1998 die Krankenkassen unter Hinweis auf die bestehende Fehlbildungsrate bei nach ICSI geborenen Kindern aufgefordert, die Kostenübernahme für die ICSI-Behandlung in der gesetzlichen Krankenversicherung auszuschließen. In dieser Stellungnahme wird wegen der gesundheitlichen Risiken auch eine nur ausnahmsweise bestehende Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung verneint. Auch wenn demgegenüber die Bundesärztekammer und die Richtlinien der Arbeitsgemeinschaft Fortpflanzungsmedizin der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe die ICSI für ethisch vertretbar halten, zwingt dies den Dienstherrn angesichts der genannten fachmedizinischen Äußerungen nicht dazu, die Kosten für die Anwendung der ICSI zu übernehmen. Vielmehr rechtfertigt das derzeit nicht auszuschließende Risiko erhöhter Missbildungsgefahr bei Anwendung der ICSI den Ausschluss sowohl der Beihilfefähigkeit als auch der freien Heilfürsorge (vgl. im Einzelnen BVerwG, Urt. v. 22.3.2001 - 2 C 36.00 -, a. a. O.). Der Einwand des Klägers, dieses Urteil des Bundesverwaltungsgericht habe sich auf einen Fall der freien Heilfürsorge für Soldaten bezogen und sei im beamtenrechtlichen Beihilferecht nicht anwendbar, geht daher fehl. Anhaltspunkte dafür, dass die herrschende oder doch überwiegende Meinung in der medizinischen Wissenschaft hinsichtlich der hier umstrittenen Behandlungsmethode eine andere Auffassung vertritt, sind weder hinreichend geltend gemacht noch sonst erkennbar. Insbesondere ist es nicht ausreichend, wenn einige Stimmen die fragliche Methode anerkannt haben oder - wie hier - für ethisch vertretbar halten. Maßgebend ist vielmehr die Anerkennung in der gesamten medizinischen Wissenschaft (BVerwG, Urt. v. 18.6.1998 - 2 C 24.97 - NJW 1998, 3436; Nds. OVG, Urt. v. 10.11.1998 - 5 L 2829/96 -; VG Lüneburg, Urt. v. 20.11.2002 - 1 A 126/00 -).
Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethoden ist grundsätzlich - von Ausnahmefällen abgesehen - mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, wie sie für den Bereich der Krankenfürsorge durch die Beihilferegelung konkretisiert wird, vereinbar. Dem Dienstherrn steht insoweit ein Gestaltungsspielraum zur Verfügung, innerhalb dessen er die Voraussetzungen, den Umfang sowie die Art und Weise dieser speziellen Fürsorge bestimmen kann.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG, Urt. v. 18.6.1998 - 2 C 24.97 -, a. a. O. m. w. N.) kann der Dienstherrn in Ausnahmekonstellationen zwar gleichwohl verpflichtet sein, die Kosten einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode nach den jeweiligen Bemessungsgrundsätzen zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht dann, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, wenn im Einzelfall das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Weitere Voraussetzung der Beihilfefähigkeit ist dann aber auch, dass die wissenschaftlich noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann. Nicht ausreichend ist hierfür hingegen, dass weiterhin die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Anerkennung besteht. Dass die Methode wissenschaftlich nicht endgültig verworfen worden ist und eine Anerkennung in Zukunft noch in Betracht kommen könnte, genügt jedoch nicht, um ausnahmsweise die Beihilfefähigkeit einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode zu rechtfertigen. Voraussetzung ist vielmehr, dass nach dem Stand der Wissenschaft, die Aussicht, d. h. die begründete Erwartung auf wissenschaftliche Anerkennung besteht (BVerwG, Urt. v. 18.6.1998 - 2 C 24.97 -, a. a. O.). Hieran fehlt es indes im Fall der ICSI (a. A. ohne Begründung VG Braunschweig, Urt. v. 29.6.1999 - 7 A 7559/97 -). Denn angesichts der obigen Stellungnahmen aus der Wissenschaft ist auf der Basis einer begründeten Erwartung nicht erkennbar, dass die ICSI nach einer medizinischen Erprobungsphase in näherer Zukunft doch noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden wird.
Auf Vertrauensschutzgesichtspunkte im Zusammenhang mit seiner Anfrage an das beklagte Landesamt vom 3. März 1999 und die schriftliche Beantwortung durch das Landesamt vom 24. März 1999 kann sich der Kläger ebenfalls nicht mit Erfolg berufen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Widerspruchsbescheid des beklagten Landesamtes vom 12. Februar 2001 verwiesen, dessen Begründung das Gericht folgt
(§ 117 Abs. 5 VwGO) und der der Kläger nichts entscheidend Neues entgegen gesetzt hat. Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn - wie der Kläger vorträgt - das beklagte Landesamt in der Vergangenheit nicht nur die Aufwendungen für die erste ICSI-Behandlung, sondern auch diejenigen für die zweite Behandlung als beihilfefähig anerkannt hat. Denn eine solche Anerkennung wäre erkennbar irrtümlich erfolgt, ohne dass der Kläger darauf vertrauen durfte, dass das beklagte Landesamt auch die Kosten für zwei weitere ICSI-Behandlungen übernehmen würde.
Ob im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ein Anspruch auf Kostenübernahme für weitere Behandlungen in Form der ICSI besteht, ist beihilferechtlich nicht von Belang. Die dort einschlägige Vorschrift des § 27 a SGB V mit der gesetzlichen Überschrift "Künstliche Befruchtung" erweitert den Bereich der versicherten Krankenbehandlungen auf medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn diese Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind und eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht; letzteres ist nach vier erfolglosen Versuchen in der Regel zu verneinen. Hiernach kommt es nur auf eine hinreichende Aussicht für den Eintritt einer Schwangerschaft an; Risiken, die sich aus der angewandten Methode für das Kind ergeben können, schließen den Anspruch nicht aus. An diese Beurteilung ist der Dienstherr bei der Ausgestaltung der freien Heilfürsorge und der beamtenrechtlichen Beihilfe hingegen aber gerade nicht gebunden (BVerwG, Urt. v. 22.3.2001 - 2 C 36.00 -, a. a. O.). Der Kläger beruft sich daher zu Unrecht und ohne Erfolg auf das Urteil des Bundessozialgerichtes vom 3. April 2001 - B 1 KR 40/00 R -, das für den Bereich des § 27 a SGB V die Verpflichtung einer gesetzlichen Krankenkasse bejaht, die Kosten für vier Versuche für eine künstliche Befruchtung mittels ICSI zu übernehmen.