Landgericht Lüneburg
Urt. v. 09.04.2002, Az.: 6 S 201/01

Pflicht des Vermieters nach vorzeitiger Auflösung des Mietverhältnisses zur Bemühung um eine alsbaldige anderweitige Vermietung des Mietobjekts; Mitverschulden des Vermieters bei unterlassenem Bemühen um Weitervermietung

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
09.04.2002
Aktenzeichen
6 S 201/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 29550
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:2002:0409.6S201.01.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Winsen - 19.11.2001 - AZ: 21 C 1130/01

Fundstellen

  • DWW 2002, 207-208
  • RdW 2002, 706-707
  • WuM 2002, 267-268 (Volltext mit amtl. LS)

In dem Rechtsstreitverfahren
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg
auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2002
durch
den ...
den Richter am Landgericht ... und
den Richter am Landgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Winsen/Luhe vom 19.11.2001 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und insgesamt, wie folgt, neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.250,00 DM (= 1.150,41 EUR) zuzüglich 10 % Zinsen auf jeweils 750,00 DM (= 383,47 EUR) ab dem 04.03.2001, 04.05.2001 und 04.06.2001 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 3/4 die Beklagte und zu 1/4 der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1

Die Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg.

2

Zu Recht ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass dem Kläger dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch zusteht. Unstreitig war die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses durch den Kläger vom 20.12.2000 berechtigt, weil sich die Beklagte gemäß § 554 BGB a.F. mit der Zahlung des Mietzinses in Verzug befunden hat. Der Kläger kann deshalb wegen der von ihr verschuldeten vorzeitigen Beendigung des bis zum 31.08.2002 nicht ordentlich kündbaren Mietverhältnisses Schadensersatz in Form entgangener Mieten verlangen. Darauf ist das Begehren des Klägers auch unzweifelhaft gerichtet gewesen. Soweit der Kläger von "Wohnungsmieten" spricht, ist aus dem weiteren Zusammenhang seines Vertrages ohne weiteres ersichtlich, dass er damit die ihm auf Grund der fristlosen Kündigung entgangenen Mieten meint. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Klage demnach hinreichend klar auf Schadensersatz gerichtet.

3

Schadensersatz kann der Kläger aber nur für die entgangenen Mieten der Monate März, Mai und Juni 2001 in Höhe von insgesamt 2.250,00 DM (3 × 750,00 DM) verlangen. Für den Monat Juli 2001 steht dem Kläger dagegen kein Anspruch auf Entschädigung mehr zu, weil bereits auf Grund seines eigenen Vorbringens davon auszugehen ist, dass er sich insoweit als Vermieter nicht mehr hinreichend um die Weitervermietung der Wohnung gekümmert hat und ihn deshalb ein überwiegendes Mitverschulden des § 254 BGB an der Entstehung des Schadens trifft. Dies ergibt sich aus Folgendem:

4

Gemäß § 254 BGB muss sich der Kläger als Geschädigter bemühen, den Schaden gering zu halten. Er hat die Maßnahmen zu ergreifen, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensabwendung oder -minderung ergreifen würde. Für den Vermieter nach vorzeitiger Auflösung des Mietverhältnisses bedeutet dies die Obliegenheit, sich nachhaltig um eine alsbaldige anderweitige Vermietung des Mietobjekts zu bemühen (vgl. OLG Düsseldorf, ZMR 1996, 234; OLG Schleswig, WuM 2000, 355 [OLG Schleswig 27.10.1999 - 4 W 13/99]). Welche Bemühungen ein Vermieter dabei im Einzelnen zu unternehmen hat, hängt auch davon ab, wie viel Zeit seit der fristlosen Kündigung vergangen ist und ob die bisherigen Tätigkeiten des Vermieters zur Weitervermietung hinreichend erfolgreich waren, also sich darauf auch geeignete Mietinteressenten gemeldet haben. Die Darlegungs- und Beweislast für ein mitwirkendes Verschulden des Vermieters trifft den ersatzpflichtigen Mieter. Allerdings muss der Vermieter, da es sich um Umstände aus seiner Sphäre handelt, an der Sachaufklärung mitwirken und deshalb im Einzelnen darlegen, was er zwecks Weitervermietung unternommen hat (OLG Schleswig, WuM 2000, 355 [OLG Schleswig 27.10.1999 - 4 W 13/99]).

5

Der Kläger hat durch Vorlage zweier Bescheinigungen belegt, dass er die streitbefangene Wohnung an die Maklerfirmen ... und die Firma ... beide ansässig in ..., zur Weitervermietung gemeldet hat. In der Berufungsinstanz hat er dazu ergänzend vorgetragen, dass die Mietwohnung in die Datenbestände der beiden genannten Maklerfirmen aufgenommen worden sei, die regelmäßig in den örtlichen Tageszeitungen inserierten. Dass auch die streitbefangene Wohnung selbst inseriert worden ist, hat der Kläger nicht dargetan. Stattdessen hat er vorgetragen, dass die Wohnungen durch die Aufnahme in den Datenbestand der Maklerfirmen Interessenten und Wohnungssuchenden, die bei den Maklern angerufen hätten, mit angeboten werden konnten. Außerdem sei an dem Mietobjekt ein großes Schild mit der Aufschrift "Wohnung zu vermieten ..." angebracht gewesen. Auch dies stellt eine geeignete Maßnahme zur Weitervermietung der Wohnung dar, unabhängig davon, wann dieses Schild dort aufgestellt worden ist. Ob dieses Schild dort neu anlässlich des Auszuges der Beklagten aus der streitbefangenen Wohnung oder bereits vorher angebracht gewesen ist, so wie dies die Beklagte behauptet und unter Beweis stellt, ist letztlich unerheblich. Eine geeignete Maßnahme zur Neuvermietung der Wohnung stellt es so oder so dar. Im Ergebnis reichen die von dem Kläger beschriebenen Maßnahmen als Bemühungen für eine anderweitige Vermietung zunächst aus.

6

Dass die Beklagte schlicht bestreitet, dass die Maklerfirmen regelmäßig werbende Anzeigen geschaltet haben und die Wohnung in den Datenbestand aufgenommen worden ist, ist unerheblich. Denn nachdem der Kläger seine Bemühungen nachvollziehbar dargelegt hat, wäre es Sache der Beklagten gewesen, konkret vorzutragen und vor allem unter Beweis (gegebenenfalls durch Benennung der Makler) zu stellen, dass die behaupteten Bemühungen nicht unternommen worden sind. Das hat die Beklagte aber nicht getan.

7

Die oben beschriebenen Bemühungen, von denen auf der Grundlage des Vortrages des Klägers auszugehen ist, reichen nach Auffassung der Kammer zwar für die ersten sechs Monate nach der im Dezember 2000 erfolgten fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses aus, für die Zeit danach ab Juli 2001 dagegen ist der Kläger seiner Pflicht zur Schadensminderung nicht mehr hinreichend nachgekommen. Denn Ende Juni 2001 waren bereits mehr als 6 Monate seit der fristlosen Kündigung des Klägers vergangen, ohne dass seine bisherigen Bemühungen als Vermieter zur Neuvermietung erfolgreich waren. Bei dieser Sachlage hätte ein durchschnittlicher Vermieter, der eine Wohnung über einen so langen Zeitraum erfolglos in der oben beschriebenen Weise auf dem Wohnungsmarkt angeboten hat, seine Tätigkeiten zur Weitervermietung intensiviert und weitere, zusätzliche erfolgversprechende Maßnahmen in die Wege geleitet, um wirtschaftlichen Schaden von sich abzuwenden. Insbesondere hätte ein durchschnittlicher Vermieter nunmehr über den bzw. die beauftragten Makler oder auch selbst die Wohnung in Zeitungsinseraten konkret angeboten. Ein solches marktgerechtes Verhalten darf auch von dem Kläger im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht verlangt werden.

8

Da der Kläger diesen, nach Ablauf von 6 Monaten seit der fristlosen Kündigung erhöhten Anforderungen nicht nachgekommen ist, trifft ihn nach Auffassung der Kammer ein ganz überwiegendes Mitverschulden an dem Ausfall des Mietzinses für den Monat Juli 2001. Deshalb kann er für diesen Monat den entgangenen Mietzins von insgesamt 750,00 DM nicht mehr verlangen.

9

Dass der Kläger darüber hinaus seine Pflicht zur Schadensminderung gemäß § 254 BGB (auch) deshalb verletzt hat, weil er einen von der Beklagten gestellten, geeigneten Nachmieter ohne hinreichenden Grund abgelehnt hat, hat diese nicht bewiesen. Denn nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ist das Amtsgericht zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass nicht bewiesen sei, dass der Kläger dem Zeugen ... erlaubt habe, dass er die streitbefangene Wohnung weiter nutzen könne. Die diesbezügliche Beweiswürdigung des Amtsgerichts ist nicht zu beanstanden.

10

Soweit die Beklagte erst in der Berufungsinstanz behauptet hat, dass vor dem Einzug des ... in die streitbefangene Wohnung dessen Vater ... in einem Telefongespräch mit dem Kläger dessen Einverständnis mit der weiteren Nutzung und Unter- bzw. Weitervermietung an seinen Sohn eingeholt habe, hat sich dieser Sachvortrag in der Beweisaufnahme vor der Kammer nicht bestätigt. Der Zeuge ... hat lediglich bekundet, mit dem Kläger nach dem Austausch des Türschlosses an der Wohnung und damit nach dem Einzug des ... telefoniert zu haben. Ein (vorheriges) Einverständnis des Klägers zur Nutzung der Wohnung lässt sich danach also nicht feststellen. Zudem waren die Angaben des Zeugen ... zu dem Inhalt des Telefonats mit dem Kläger recht ungenau. Nach seinen Bekundungen soll der Kläger sich dahin geäußert haben, dass ... sich mit ihm in Verbindung setzen könne. Schlüssel zu der Wohnung habe er von dem Kläger nicht erhalten. Eine (nachträgliche) Genehmigung der Nutzung der Wohnung durch ... und die verbindliche Zusage des Klägers zur Weiter- bzw. Untervermietung an diesen kann aus diesen recht ungenauen Angaben des Zeugen nicht hergeleitet werden. Zumal der gemäß § 141 ZPO persönlich angehörte Kläger den von dem Zeugen ... bekundeten Inhalt des Telefonats bestritten hat. Im Ergebnis ist danach weiterhin davon auszugehen, dass der unstreitig erfolgte Einzug und die anschließende Nutzung der Wohnung durch ... ohne Zustimmung des Klägers als Vermieter erfolgt ist. Eine Verpflichtung zum Abschluss eines (Nachfolge-)Mietvertrages mit einer Person, die ohne Kenntnis und vorherige Zustimmung des Vermieters eigenmächtig in eine Wohnung einzieht, besteht aber nicht.

11

Die Kostenentscheidung orientiert sich gemäß § 92 Abs. 1 ZPO an dem Maße des jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens.

12

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO analog in Verbindung mit §§ 711, 713 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.