Landgericht Lüneburg
Urt. v. 15.10.2002, Az.: 6 S 68/02
Bibliographie
- Gericht
- LG Lüneburg
- Datum
- 15.10.2002
- Aktenzeichen
- 6 S 68/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 35182
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGLUENE:2002:1015.6S68.02.0A
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz:
Abzug neu für alt: Die Lebensdauer eines Teppichbodens ist abhängig von Qualität und Ausmaß der Abnutzung (hier: 10 Jahre bei erhöhter Beanspruchung durch Familie mit mehreren Kindern).
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Celle vom 26.03.2002 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und insgesamt, wie folgt, neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 29.029,28 € nebst 4% Zinsen seit dem 25.07.2000 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten erster Instanz tragen der Kläger zu 19% und die Beklagten zu 81%. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache überwiegend Erfolg.
Die Beklagten befinden sich mit Mietzinszahlungen in Höhe von insgesamt 8.155,09 € in Rückstand. Bei der Berechnung des Mietzinsrückstandes hat das Amtsgericht übersehen, dass am 05.02.1998 von den Beklagten 1.012,36 € (DM 1.980,) auf die Januarmiete gezahlt worden sind. Dieser Betrag ist von dem von dem Amtsgericht ermittelten Mietzinsrückstand iHv 12.322,13 € in Abzug zu bringen.
Ferner war die Miete in der Zeit von Dezember 1998 bis einschließlich Dezember 1999 infolge des undichten Daches um 10% gemindert. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass das Dach des Miethauses bei Regen undicht gewesen ist. Die bereits vernommenen Zeugen haben übereinstimmend bekundet, dass es nach Regenfällen zu einem Wassereintritt in dem Haus gekommen ist. Dies war außergerichtlich auch unstreitig. So hat der Kläger mehrfach versucht, die Ursache des Wassereintritts zu beseitigen. Der Umstand, dass die Zeugen nicht bekunden konnten, was Ursache des Wassereintritts gewesen ist, ist unbeachtlich. Wenn es bei bzw. nach Regenfällen zu einem Wassereintritt in einem Mietobjekt kommt, spricht der Beweis des ersten Anscheins für einen Baumangel. Es wäre Sache des Klägers gewesen, diesen Anscheinsbeweis zu widerlegen. Dies ist dem Kläger nicht gelungen. Durch den Wassereintritt wurde die Gebrauchstauglichkeit des Mietobjekts jedoch nur in einem geringen Grad eingeschränkt. Nach dem Beklagtenvortrag mußte bei Regenwetter und bei Tauwetter ein Eimer auf die zweite Treppenstufe und ein Eimer vor die Eingangstür gestellt werden, um eindringendes Wasser aufzufangen. Da der Wassereintritt nur an Regentagen stattfand und der Umfang der Gebrauchsbeeinträchtigung relativ gering war, hält die Kammer eine Mietminderung von 10% für angemessen, aber auch ausreichend. Die Beklagten waren demnach für die Zeit von Dezember 1998 bis einschließlich Dezember 1999 zu einer Mietminderung von insgesamt 1.129,96 € berechtigt.
Der Mietzinsrückstand beträgt somit 10.179,81 € (12.322,13 - 1.012,36 - 1.129,96). Von diesem Betrag ist ferner die Kaution iHv 2.024,72 € (DM 3.960,) in Abzug zu bringen. Eine Verrechnungsvereinbarung haben die Beklagten zwar nicht nachweisen können, da der Kläger auf das Angebot zur Verrechnung der Kaution mit den Mieten für Februar und März 1999 nicht eingegangen ist. Die Mietzinsforderung ist jedoch in Höhe der Kaution durch die mit der Berufung erklärte Aufrechnung erloschen. Die Aufrechnungserklärung in der Berufungsinstanz ist gemäß § 533 ZPO zulässig, da sie sachdienlich ist und auf Tatsachen gestützt wird, die die Kammer ohnehin ihrer Entscheidung nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Der Kautionsrückzahlungsanspruch der Beklagten ist auch fällig, da der Kläger über sechs Monate nach Beendigung des Mietverhältnisses noch nicht über die Kaution abgerechnet hat. Eine Verrechnung des Rückzahlungsanspruchs der Beklagten mit seinem Schadensersatzanspruch wegen unterlassener Schönheitsreparaturen hat der Kläger erkennbar nicht vorgenommen.
Der Anspruch des Klägers auf Mietzinszahlung beträgt somit infolge der Aufrechnung mit dem Kautionsrückzahlungsanspruch nur noch 8.155,09 € (10.179,81 - 2.024,72).
Soweit die Beklagten geltend machen, das Amtsgericht habe bei den Mietzinsrückständen verfahrensfehlerhaft weitere Beträge zu Unrecht nicht abgesetzt, hat die Berufung keine Aussicht auf Erfolg. Entgegen der Auffassung der Beklagten wurde am 20.10.1997 keine weitere Zahlung in Höhe von 1.012,36 € (DM 1.980,) geleistet. Bei dieser angeblichen Zahlung handelt es sich um die Überweisung vom 30.07.1997, mit Wertstellung zum 31.07.1997, die von dem Amtsgericht bereits berücksichtigt worden ist. Die Beklagten haben insoweit offensichtlich das Datum des Kontoauszuges mit dem Zahlungsdatum verwechselt (Bl. 145 d.A.).
Das Amtsgericht hat ferner zutreffend den Mietzinsrückstand für September 1997 auf 306.78 € (DM 600,) beziffert. Soweit die Beklagten geltend machen, dass hinsichtlich eines Betrages iHv 255,65 € (DM 500,) eine Vereinbarung zwischen den Parteien über die Bezahlung eines Gartenhauses bestanden habe und sich zum Beweis für diese Behauptung erstmals in der Berufungsbegründung auf den Zeugen V. berufen, handelt es sich um ein neues Beweismittel, dass in der Berufungsinstanz nicht mehr zuzulassen ist. Die Beklagten hätten den Zeugen bereits im ersten Rechtszug benennen können. Anhaltspunkte dafür, dass die Benennung des Zeugen nicht möglich gewesen ist, sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Das Amtsgericht hat auch nicht verfahrensfehlerhaft gehandelt. Die Benennung von Zeugen obliegt der jeweiligen Partei. Das Gericht ist nicht gehalten, ein als Anlage vorgelegtes Schreiben zum Anlaß zu nehmen, bei der Partei nachzufragen, ob sie den Empfänger des Schreibens als Zeugen benennen möchte.
Soweit die Beklagten geltend machen, das Amtsgericht sei nur unter Übergehung von Beweisantritten zu dem Ergebnis gekommen, die Beklagten seien nicht berechtigt gewesen, die Miete für Oktober 1997 um 306,78 € wegen des abgerutschten Hanges zu mindern, hält dieser Vortrag der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Amtsgericht hat sämtliche von den Parteien zu dem Beweisthema "ein Gehweg auf dem Grundstück an der Küchenfront sei abgerutscht gewesen, es habe hohe Unfallgefahr bestanden" vernommen. Ausweislich des Schriftsatzes des Beklagtenvertreters vom 19.03.2001 (Bl. 236 d.A.) wurden die Zeugen ... nicht zu dem Beweisthema benannt, sondern dazu, welche Arbeiten von den Beklagten bezüglich des abgerutschten Hanges durchgeführt worden sind. Da diese Frage nicht Beweisthema gewesen ist, hat das Amtsgericht zu Recht von einer Vernehmung dieser Zeugen abgesehen.
Hinsichtlich der Verurteilung zur Tragung der Kosten für Schönheitsreparaturen und Beschädigungen der Mietsache hat die Berufung der Beklagten in Höhe von 1.520,83 € Aussicht auf Erfolg. Bei der Erneuerung des Teppichbodens und der Holztreppe ist ein Abzug neu für alt zu berücksichtigen. Nach den sich bei den Akten befindlichen Fotos und nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Teppichboden über das normale Maß einer ordnungsgemäßen Abnutzung beschädigt ist. Der Teppich weist an mehreren Stellen instensive gelbliche Verfleckungen auf bis hin zur völligen Entfärbung des Teppichs. Diese Flecken beschränken sich auch nicht auf einen kleinen Bereich, sondern ziehen sich über eine Fläche von mehreren m2 hin. Angesichts der Qualität des Teppichs und der erhöhten Beanspruchung des Teppichs bei einer Vermietung des Hauses an eine Familie mit mehreren Kindern geht die Kammer von einer Lebenserwartung von 10 Jahren aus. Nach den Feststellungen des Sachverständigen M. belaufen sich die Kosten für die Erneuerung des Teppichbodens auf 4.201,77 €. Unter Berücksichtigung einer Mietdauer von 2 Jahren und 5 Monaten hat sich der Kläger bezüglich des Teppichs einen Abzug neu für alt in Höhe von 1.050,44 € anrechnen zu lassen.
Hinsichtlich der Holztreppe steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Treppe vom Erdgeschoss zum Dachgeschoss derart beschädigt gewesen ist, dass nur eine Erneuerung der Treppe in Betracht kam. In Abweichung von der vorläufigen Beurteilung in dem Prozesskostenhilfebeschluss geht die Kammer bezüglich der Treppe nunmehr von einer Lebenserwartung von 25 Jahren aus. Dabei ist berücksichtigt, dass es sich um eine Treppe aus Kiefernholz handelt, deren Haltbarkeit gegenüber einer Treppe aus Hartholz wesentlich geringer ist. Unter Berücksichtigung einer Mietdauer von 2 Jahren und 5 Monaten muß sich der Kläger von den Gesamtkosten für die Erneuerung der Treppen in Höhe von 4.703,89 € einen Abzug von 470,39 € anrechnen lassen.
Darüber hinaus bietet die Berufung im Hinblick auf die Kosten für die Durchführung von Schönheitsreparaturen und Schäden keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat nach § 529 ZPO seiner Entscheidung die von dem Amtsgericht festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen. Nach den Feststellungen des Amtsgericht hat der Kläger die einzelnen Beschädigungen des Mietobjektes bewiesen.
Hiervon hat das Berufungsgericht auszugehen, da diese Feststellungen mit dem Ergebnis der vor dem Amtsgericht durchgeführten Beweisaufnahmen übereinstimmen. Ausweislich des Protokolls vom 03.07.2001 hat der Zeuge M. den Zustand des Hauses bei Auszug der Beklagten im einzelnen beschrieben und auf seine Gutachten Bezug genommen.
Das Berufungsgericht ist grundsätzlich an die Feststellungen des Amtsgerichts gebunden. Eine Bindung besteht nur dann nicht, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellungen begründen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Der Zeuge M. hat eindeutig ausgesagt. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts ist auch vollständig und rechtlich möglich. Verstöße gegen Denk, Natur oder Erfahrungsgesetze sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.
Die Berufung kann auch nicht darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht, daß heißt darauf, dass eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (§ 546 ZPO). Das Amtsgericht hat seine Entscheidung - ohne dass dies ausdrücklich festgestellt worden ist - hinsichtlich der Schönheitsreparaturen auf § 326 BGB a.F. und hinsichtlich der Beschädigungen der Mietsache auf pVV des Mietvertrages gestützt. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist § 326 BGB a.F. auch anwendbar. Die Beklagten sind ihrer Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen nicht nachgekommen. Die Durchführung von Schönheitsreparaturen wurde gemäß § 3 Ziffer 2 des Mietvertrages wirksam auf die Beklagten übertragen. Es ist unerheblich, dass die Parteien keine Renovierungsfristen vereinbart haben. Die formularvertragliche Abwälzung der Schönheitsreparaturen wird dadurch nicht unwirksam (vgl. SoergelHeintzmann §§ 535,536 Rn. 302). Angesichts des Zustandes der Mietsache bei Rückgabe war die Renovierungspflicht auch bereits vor Ablauf der üblichen Renovierungsfristen entstanden. Die Beklagten sind auch wirksam unter Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung zur Beseitigung der einzelnen Mängel aufgefordert worden.
Angesichts des erheblichen Umfangs der Schönheitsreparaturen war der Kläger auch berechtigt, ein Sachverständigengutachten zur Feststellung der Schäden in Auftrag zu geben. Das Amtsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung den Beklagten die Kosten für dieses Gutachten auferlegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts Bezug genommen.
Kostenentscheidung:
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, 2 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf der entsprechenden Anwendung der §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen.