Landgericht Lüneburg
Urt. v. 04.06.2002, Az.: 6 S 26/02
Bibliographie
- Gericht
- LG Lüneburg
- Datum
- 04.06.2002
- Aktenzeichen
- 6 S 26/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 35180
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGLUENE:2002:0604.6S26.02.0A
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz:
Ein eigenes Kündigungsrecht entsteht für den Erwerber erst mit vollständigem Eigentumserwerb. Vorher von ihm ausgesprochene Kündigungen werden durch einen nachträglichen Eigentumserwerb nicht geheilt.
Zum Meinungsstreit, ob vor Eigentumserwerb das Kündigungsrecht des Veräußerers an den künftigen Erwerber abgetreten oder dieser zur Kündigung im eigenen Namen ermächtigt werden kann.
Aus einer kaufvertraglichen Regelung über den Gefahrübergang kann der Käufer keine Rechte hinsichtlich des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zwischen dem Grundstücksverkäufer und dem Mieter bestehenden Mietverhältnis herleiten (vgl. OLG Celle OLGR 1999, 281).
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgericht Winsen/Luhe vom 21.01.2002 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Amtsgericht hat zu Recht die Räumungsklage abgewiesen, da die Kündigungen des Klägers unwirksam sind.
Die fristlose Kündigung des Klägers vom 04.12.2001 wegen Zahlungsverzugs ist unwirksam, da sich zu diesem Zeitpunkt der Beklagte nicht mehr mit Mieten im Rückstand befunden hat. Die Parteien waren sich im Termin vor dem Amtsgericht am 11.12.2001 einig, dass alle Rückstände ausgeglichen sind.
Auch die Kündigungen vom 12.04., 21.08., 23.08. und 27.08.2001 sind unwirksam. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger zur Kündigung des Mietverhältnisses nicht befugt, da er nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen gewesen ist. Der Erwerber eines Hauses tritt gemäß § 571 BGB erst mit Eintragung im Grundbuch kraft Gesetzes anstelle des Vermieters in das bestehende Mietverhältnis mit allen Rechten und Pflichten gegenüber dem Mieter ein. Der Kläger wurde erst nach Ausspruch der Kündigungen am 06.09.2001 ins Grundbuch eingetragen. Die nachträgliche Eintragung führt nicht dazu, dass bereits vorher ausgesprochene Kündigungen wirksam werden.
Das Kündigungsrecht ist dem Kläger auch weder durch den Grundstücksverkäufer abgetreten worden, noch hat dieser den Kläger zur Kündigung ermächtigt. In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob mietvertragliche Gestaltungsrechte abtretbar sind. Dies wird zum Teil wegen der sich aus der Natur des Dauerschuldverhältnisses ergebenden engen Bindung an die Vertragsparteien und wegen der tiefgreifenden Wirkung auf den Vertragsbestand verneint (Soergel/Heintzmann § 564 Rn. 28 mwN; SchmidtFutterer § 564 Rn. 50). Ein derart umfassendes Gestaltungsrecht könne nicht von dem Inhaber des Rechtsverhältnisses losgelöst und zur ausschließlichen Berechtigung einem Dritten übertragen werden. Nach anderer Auffassung ist das Kündigungsrecht als unselbständiges Gestaltungsrecht durchaus abtretbar (PalandtHeinrichs 60 Aufl. § 413 Rn. 7). Dies beruhe vor allem auf der Vertragsfreiheit der Parteien. Auch habe der Veräusserer an dem Schicksal des Mietverhältnisses in der Regel kein Interesse mehr.
Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob die Abtretung eines mietvertraglichen Kündigungsrecht wirksam ist, offen gelassen und eine unwirksame Abtretungserklärung nach § 140 BGB in eine wirksame Ermächtigung zur Kündigung nach § 185 BGB umgedeutet (vgl. BGH NJW 1998, 896 [BGH 10.12.1997 - XII ZR 119/96]).
Dieser Meinungsstreit kann jedoch dahinstehen, da weder eine Abtretung noch eine Ermächtigung des Klägers zur Kündigung seitens des Verkäufers vorliegt. Eine ausdrückliche Erklärung des Grundstücksverkäufers, dass er das Kündigungsrecht an den Kläger abtrete oder ihn zu der Ausübung der Kündigung ermächtige, ist unstreitig nicht gegeben und wird von dem Kläger auch nicht behauptet. Entgegen der Auffassung des Klägers enthält § 4 des Grundstückskaufvertrages auch keine konkludente Abtretung bzw. Ermächtigung hinsichtlich des Kündigungsrechts. In § 4 des Grundstückskaufvertrages ist der Besitzübergang geregelt. Nach dieser Bestimmung gehen vom Tag der Übergabe an die Rechte und Nutzungen, sowie die Gefahr und die öffentlichen Lasten und Abgaben auf den Käufer über. Bei § 4 des Kaufvertrages handelt es sich um eine kaufvertragliche Regelung über den Gefahrübergang gemäß § 446 BGB, ohne jeden Bezug zu einem konkreten Mietverhältnis. Aus dieser kaufvertraglichen Regelung kann der Kläger keine Rechte hinsichtlich des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zwischen dem Grundstücksverkäufer und dem Beklagten bestehenden Mietverhältnis herleiten (vgl. OLG Celle OLGR 1999, 281).
Der Kläger kann seine Rechtsauffassung hinsichtlich einer angeblich erfolgten Abtretung bzw. Ermächtigung auch nicht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshof (NJW 1998, 896 [BGH 10.12.1997 - XII ZR 119/96]) stützen. Der Bundesgerichtshof hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem der Verkäufer eines vermieteten Grundstücks dem Käufer nach Vertragsschluß, aber vor der Grundbucheintragung des Käufers ausdrücklich das Recht abtrat, "die Mietverträge gegenüber den Mietern von Gewerbeobjekten zu kündigen". Die zu diesem Sachverhalt ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden, da es hier - wie bereits ausgeführt - gerade an einer solchen ausdrücklichen oder konkludenten Erklärung des Verkäufers fehlt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf der analogen Anwendung von §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.