Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 31.10.2006, Az.: 2 B 408/06

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
31.10.2006
Aktenzeichen
2 B 408/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 44245
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2006:1031.2B408.06.0A

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz/Leitsätze

Auch Straßenverkehrsrecht! Verstöße können Zweifel an der luftverkehrsrechtlichen Zuverlässigkeit begründen.

An die luftverkehrsrechtliche Zuverlässigkeit eines Fluglehrers sind besondere Anforderungen zu stellen.

Tenor:

  1. Der Antrag wird abgelehnt.

    Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

    Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Erteilung der Berechtigung, als Fluglehrer tätig sein zu dürfen.

2

Der Antragsteller ist Inhaber eines Luftfahrerscheins für Berufsflugzeugführer. Nach strafgerichtlichen Verurteilungen vom 15.07.2003 wegen einer am 03.05.2003 begangenen Körperverletzung, und vom 08.03.2004 wegen versuchter Nötigung, ordnete die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 09.08.2004 das Ruhen der Berufsflugzeugführerlizenz des Antragstellers wegen Zweifeln an der Zuverlässigkeit als Luftfahrtzeugführer an. Im darauffolgenden psychiatrischen Fachgutachten vom 10.01.2005 wurden Zweifel an der Flugtauglichkeit des Klägers nicht geäußert. Die Antragstellerin folgte aber den Empfehlungen der Gutachter und ordnete mit Bescheid vom 16.02.2005 an, dass der Antragsteller sich für eine Dauer von vier Jahren alle sechs Monate fachpsychiatrisch untersuchen lassen und eine Bescheinigung über einen unauffälligen Befund beizubringen habe. Diese Anordnung ist nach einem erfolglosen Widerspruchsverfahren bestandskräftig.

3

Nach einer Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes sind im Jahre 2005 gegen den Antragsteller drei rechtskräftige Bußgeldbescheide ergangen:

4

- 14.04.2005 - wegen Inbetriebnahme eines Kfz?s ohne vorgeschriebenes amtliches Kennzeichen.

5

- 04.07.2005 - wegen Geschwindigkeitsüberschreitung von 31 km/h.

6

- 18.08.2005 - wegen Geschwindigkeitsüberschreitung von 41 km/h (mit Fahrverbot).

7

Am 07.07.2006 begann der Antragsteller die Ausbildung zum Fluglehrer (Fl(A)). Mit Bescheid vom 31.07.2006 untersagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Fortsetzung der Ausbildung zum Erwerb der Berechtigung Fl(A). Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, dass der Kläger für diese Tätigkeit nicht die hinreichende Zuverlässigkeit aufweise. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 16.08.2006 zurück.

8

Der Antragsteller hat am 06.09.2006 Klage erhoben (2 A 384/06) und am 26.09.2006 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Er verweist darauf, dass nach den vorliegenden psychiatrischen Gutachten Zweifel an seiner Zuverlässigkeit nicht vorliegen. Die strafrechtlichen Verurteilungen seien auf eine schwierige Trennung von seiner Freundin zurückzuführen. Diese Verurteilungen seien auch nicht für die Zuverlässigkeit für den Umgang mit Luftfahrzeugen von Bedeutung. Schließlich sei ihm nicht zuzumuten, erst die Ausbildung zu absolvieren, um dann nach Durchführung des Verfahrens 2 A 384/06 ggf. als Fluglehrer wegen mangelnder Zuverlässigkeit nicht tätig sein zu dürfen.

9

Der Antragsteller beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege einer Zwischenregelung zu verpflichten, ihm die Berechtigung als Fluglehrer (Fl(A)) bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage im Verfahren 2 A 384/06 unter der Voraussetzung zu erteilen, dass er alle Prüfungen für diese Berechtigung bestanden hat,

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hilfsweise,

11

die Antragsgegnerin im Wege einer Zwischenregelung zu verpflichten, ihm die Berechtigung als Fluglehrer (Fl(A)) bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren 2 A 384/06 unter der Voraussetzung zu erteilen, dass er alle Prüfungen für diese Berechtigung bestanden hat, verbunden mit der Auflage, dass er alle fachpsychiatrischen Kontrolluntersuchungen, einschließlich der schriftlichen Bescheinigungen über das Fortbestehen des unauffälligen psychopathologischen Befundes, alle sechs Monate bis zum 31.07.2009 durchführt.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzuweisen.

13

Sie erwidert, der Antragsteller sei bereits wegen der erfolgten strafrechtlichen Verurteilungen aber auch wegen der Mitteilungen aus dem Verkehrszentralregister als unzuverlässig einzustufen. Die Ausübung einer Tätigkeit als Lehrberechtigter für Flugausbildung sei im Hinblick auf die Zuverlässigkeit abweichend von der des Luftfahrzeugführers zu beurteilen. Diese Tätigkeit sei nämlich mit besonderer Verantwortung für die Bewerber verbunden. Einer solchen Verantwortung könne der Antragsteller nicht gerecht werden.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die Gerichtsakte sowie die im Verfahren 2 A 384/06 beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die Gerichtsakte Bezug genommen.

15

II.

Der nach § 123 Abs. 1 VwGO zulässige Antrag ist nicht begründet. Dem Antragsteller steht der insoweit erforderliche Anordnungsanspruch, d.h. die materielle Berechtigung seines Begehrens, nicht zu; wenigstens hat er diesen Anspruch nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat weder Anspruch auf Weiterführung der Ausbildung zum Fluglehrer noch auf die Erlaubnis, als solcher tätig sein zu dürfen.

16

Nach § 4 Abs. 1, 4 LuftVG bedarf das Führen eines Luftfahrzeugs durch einen Fluglehrer und auch die Ausbildung, die ein Fluglehrer vornimmt (§ 5 LuftVG) der Erlaubnis. Die fachlichen Voraussetzungen für das Lehrpersonal sind in den JAR-FCL I deutsch festgelegt (§ 20 Abs. 2 Nr. 4 LuftVZO). Darüber hinaus muss die Gewähr dafür vorliegen, dass keine Tatsachen vorliegen, die den Bewerber als unzuverlässig erscheinen lassen, die beabsichtigte Tätigkeit als Luftfahrtpersonal auszuüben (§ 24 Abs. 1 Nr. 3 LuftVZO).

17

1.) Dem Antrag muss schon deshalb der Erfolg versagt bleiben, da es der Antragsgegnerin verwehrt ist, die vom Antragsteller begehrte Erlaubnis für die Tätigkeit als Fluglehrer unter der Bedingung, dass der Antragsteller alle Prüfungen für diese Berechtigung besteht, zu erteilen. Das Bestehen der Prüfung (und damit der Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen nach JAR-FCL I) ist nämlich gesetzliche Voraussetzung des begehrten Verwaltungsaktes. Die zuständige Behörde hat es grundsätzlich nicht in der Hand, im Widerspruch zum Rechtscharakter einer Nebenbestimmung, wesentliche Voraussetzungen des Verwaltungsaktes auf eine Nebenbestimmung "abzuschieben" (VGH Bad.-Würt., Urt. vom 13.03.2001 - 11 S 2474/99 -, zit. nach juris), da ansonsten eine Erlaubniserteilung im Extremfall sogar unter der Bedingung der Erfüllung aller gesetzlichen Voraussetzungen zulässig wäre. Dass der Kläger derzeit die gesetzlichen Voraussetzungen nach JAR-FCL I nicht erfüllt, ist unstreitig und ergibt sich bereits aus seinem Antrag.

18

2.) Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis als Fluglehrer, da Tatsachen vorliegen, die ihn als für diese Tätigkeit unzuverlässig erscheinen lassen (§ 24 Abs. 1 Nr. 3 LuftVZO). Die Antragsgegnerin hat zu Recht die Weiterführung der Ausbildung untersagt (§ 24 Abs. 4 Satz 5 LuftVZO). Tatsachen, die einen Bewerber als unzuverlässig erscheinen lassen, sind in § 24 Abs. 2 LuftVZO genannt. Die entscheidende Kammer hat dazu ausgeführt (Beschl. vom 28.11.2005 - 2 B 290/05 -):

19

"Wenn in der derzeit geltenden Fassung dieser Norm u.a. von bestandskräftigen, unanfechtbaren Entscheidungen der Verwaltungsbehörde die Rede ist und es nicht mehr heißt: "... mehrfach rechtskräftig festgestellte erhebliche Verstöße gegen Verkehrsvorschriften ...", so hat sich nach Ansicht der Kammer materiell-rechtlich - jedenfalls zu Gunsten des Antragstellers - nichts geändert. Die Geschwindigkeitsübertretungen - insbesondere auch die Vielzahl in so kurzer Zeit - stellen beachtliche Verstöße gegen Verkehrsvorschriften dar und sind durch rechtskräftige Bußgeldbescheide der zuständigen Behörden geahndet worden. Sie sind geeignet, auf die charakterliche Ungeeignetheit des Antragstellers Rückschlüsse zuzulassen, und Zweifel an seiner Eignung zu begründen. Die durch die Übertretungen zutage getretenen Zweifel an der Zuverlässigkeit sind nicht deshalb in Frage zu stellen, weil es sich um Vergehen im Straßenverkehrsrecht handelt und diese etwa nicht geeignet wären, eine Unzuverlässigkeit auch in luftverkehrsrechtlicher Hinsicht zu begründen. Es ist nämlich nicht ernsthaft zweifelhaft, dass auch und gerade Verstöße gegen Vorschriften des Straßenverkehrs die Annahme der luftverkehrsrechtlichen Ungeeignetheit begründen können (vgl. Beschl. der Kammer vom 11.06.2002 - 2 B 175/02 - m.w.N.). Schon der Wortlaut des § 24 Abs. 2 LuftVZO schließt Verfehlungen im Straßenverkehr nicht aus. Er nennt sie nur ausdrücklich nicht mehr. Wer gegen Straßenverkehrsvorschriften verstößt lässt jedoch erkennen, dass er es generell mit der Beachtung von Verkehrsvorschriften nicht so genau nimmt, und dass dies auch im Blick auf luftverkehrsrechtliche Vorschriften durchaus erwartet werden kann (vgl. Giemulla/Schmid, Kom. zum Luftverkehrsrecht, § 4 LuftVG Nr. 26 m.w.N.). Dabei ist zusätzlich nicht außer Acht zu lassen, dass die Anforderungen, die an die Zuverlässigkeit von Luftfahrzeugführern zu stellen sind, nicht geringer sein können als im Straßenverkehr. Wegen der besonderen Gefahren des Luftverkehrs und der unter Umständen schwerwiegenden Auswirkungen eines Luftverkehrsunfalls aufgrund Nichtbeachtung von Flugverkehrsregeln ist ihnen eher noch größere Bedeutung beizumessen."

20

An dieser durch das Nds. Oberverwaltungsgericht bestätigten Rechtsprechung (Beschl. vom 18.07.2002 - 12 ME 535/02 -) hält die Kammer auch nach nochmaliger Überprüfung fest. Sie sieht sich dabei auch in Übereinstimmung mit anderer obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. VGH München, Urt. vom 12.10.1998 - 20 ZB 98.2762 -, zit. nach juris). Die Kammer verkennt auch nicht, dass § 24 Abs. 2 LuftVZO nur eine Regelvermutung zu Lasten des in der dort beschriebenen Art und Weise auffällig gewordenen Bewerbers enthält. Sie verkennt auch nicht, dass sich der Antragsteller im Jahre 2003 in einer psychischen Ausnahmesituation befunden haben mag, die nach den vorliegenden Gutachten so nicht mehr besteht. Bei einer Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Antragstellers, die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur anhand der Aktenlage erfolgen kann, geht die Kammer jedoch davon aus, dass es sich bei ihm um eine Person handelt, die sicherlich in Extremsituationen, aber auch in Alltagssituationen eine Neigung besitzt, sich an festgesetzte Regeln nicht zu halten. Dies ist durch die mehrfachen Verkehrsverstöße, die in einem Fall auch zu einem Fahrverbot geführt haben, belegt. Ein Fahrverbot hingegen rechtfertigt in der Regel, von der Unzuverlässigkeit des Antragstellers auszugehen (Giemulla/Schmid, Luftverkehrsgesetz, Stand Februar 2006, § 4 Rn 26). Angesichts der "Vorbildfunktion" hält die Kammer diese Einschätzung mit der Antragsgegnerin für besonders bedeutsam. Dies steht auch in Übereinstimmung mit dem Wortlaut von § 24 Abs. 1 Nr. 3 LuftVZO. Die Vorschrift hebt nämlich darauf ab, dass der Bewerber für "die beabsichtigte Tätigkeit" zuverlässig sein muss. Danach ist es durchaus zulässig zu differenzieren, ob der Bewerber als Fluglehrer und damit als besonderes (gesetzestreues) Vorbild für seine Flugschüler fungieren muss, oder ob er als Pilot ein gesetzestreues Verhalten an den Tag zu legen hat. Damit ist nicht ausgedrückt, dass ein Pilot sich nicht auch an - straßenverkehrsrechtliche - Vorschriften zu halten hat. Vielmehr gehen die Anforderungen an einen Fluglehrer noch weiter. Ein Fluglehrer hat in besonderem Maße die gesetzlichen Vorschriften zu beachten, sodass auch einzelne Verstöße bereits schwer wiegen.

21

Nach den obigen Ausführungen ist auch dem Hilfsantrag nicht stattzugeben.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

23

Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327 ff.). Für sonstige Erlaubnisse für Luftfahrtpersonal sind nach Ziff. 26.4. 7. 500 € anzusetzten. Dieser Wert war nicht zu halbieren, da die getroffene Entscheidung in der Sache die Hauptsache vorwegnimmt.