Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 11.10.2006, Az.: 2 A 163/06
Aktionsplan; Anwohner; Baustopp; Binnenmarkt; Drittschutz; Fahrverbot; Feinstaub; freier Binnenmarkt; Grenzwert; Immission; Immissionsgrenzwert; LKW-Durchgangsverkehr; Luft; Luftreinhaltung; Messstation; Rußpartikelfilter; Schadstoffe; Schadstoffquellen; TA Luft; Verhältnismäßigkeit; Verkehrsbeschränkung; Überschreitung
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 11.10.2006
- Aktenzeichen
- 2 A 163/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 53230
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 40 Abs 1 BImSchG
- § 47 Abs 2 BImSchG
- § 47 Abs 6 BImSchG
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Die Klägerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Klägerinnen begehren den Erlass eines Aktionsplans zur Luftreinhaltung für Braunschweig insbesondere in den Bereichen G. und H. und die Wiederaufstellung eines Messcontainers am I. in Braunschweig.
Die Klägerinnen wohnen in Braunschweig, J. bzw. K.). Am B.weg wurde bereits im Jahr 2003 der Immissionsgrenzwert nach § 4 Abs. 2 22. BImSchV an mehr als den zugelassenen 35 Tagen im Kalenderjahr überschritten. Gleiches gilt für das Jahr 2004.
Mit Schreiben vom 12. Juli 2005 beantragten die Klägerinnen zunächst bei der Beigeladenen die Aufstellung eines Aktionsplanes zur Luftreinhaltung für Braunschweig. Zur Begründung führten sie aus, dass die Immissionsgrenzwerte der 22. BImSchV ab dem 1. Januar 2005 uneingeschränkt zu beachten seien. Der dort festgelegte Grenzwert sei zum Datum 12. Juli 2005 bereits 42 Mal überschritten. Zulässig seien hingegen nur maximal 35 Überschreitungen. Als geeignete Maßnahme regten die Klägerinnen flächendeckende Fahrverbote für Diesel-Kraftfahrzeuge ohne Rußpartikelfilter sowie einen Baustopp für das ECE-Center sowie die Wiedererrichtung des Schlossparks an. Die Beigeladene unterrichtete die Klägerinnen davon, dass das Niedersächsische Umweltministerium bereits mit der Erarbeitung eines Luftreinhalte- und Aktionsplanes begonnen habe und die örtlichen Schadstoffquellen derzeit analysiert würden, um ein Maßnahmenpaket aufstellen zu können. Darüber hinaus habe sie die Komplettsperrung der Innenstadt für LKW innerhalb des Wilhelminischen Ringes mit einer Ausnahmeregelung für Anlieger durchgeführt. Durch die Einführung einer weiteren Stadtbahnlinie werde eine Buslinie ersetzt. Die Einführung der Regio-Stadtbahn werde darüber hinaus dazu führen, dass erheblich mehr Fahrgäste den öffentlichen Personennahverkehr nutzten. Das beklagte Land teilte den Klägerinnen mit, dass die Planungen zur Aufstellung eines Aktionsplanes bis Ende des Jahres 2005 abgeschlossen sein sollten.
Am 10.05.2005 wurde der Messcontainer am B.weg abgebaut und nach Burgdorf versetzt. Der weiter in Braunschweig befindliche Messcontainer in Broitzem zur Messung der Hintergrundbelastung verblieb an seinem Standort.
Mit Schreiben von 23.02.2006 beantragen die Klägerinnen die Aufstellung eines Aktionsplanes bis zum 10.03.2006 und forderten ferner die Zurückverlegung der Messstation an den B.weg, da die dortigen (Straßen-)Baumaßnahmen abgeschlossen seien. Ein inhaltlich gleicher Antrag wurde auch bei der Beigeladenen gestellt. Die Beigeladene antwortete mit Schreiben vom 9. März 2006, dass sie bereits ein Sofortprogramm aufgelegt habe. Dieses Programm beinhalte u.a. die Sperrung der Innenstadt innerhalb des Wilhelminischen Ringes für LKW und den Einsatz schadstoffreduzierter Busse durch die Braunschweiger Verkehrs AG. Mit Schreiben vom 03.04.2006 führte das beklagte Land aus, dass derzeit ein Gutachter für die Stadt Braunschweig die Emissionsfaktoren für den Straßenverkehr rechnerisch ermittele. Es werde damit gerechnet, dass der Plan nunmehr in 3 Monaten fertiggestellt werde. Mit Schreiben vom 06.04.2006 beantragten die Klägerinnen das Zurückversetzen des Messcontainers bis zum 10.05.2006. Mit Schreiben vom 08.05.2006 übersandte die Beklagte der Beigeladenen den Entwurf eines Aktionsplanes. Nach Befassung durch die politischen Gremien der Beigeladenen nahm diese am 14.07.2006 durch Unterbreitung eigener Vorschläge Stellung. Vorgeschlagen wurden gebietsbezogene Verkehrsbeschränkungen, insbesondere die Reduzierung des Durchgangsverkehrs in der Innenstadt bzw. am B.weg, die „Verflüssigung“ des Verkehrs durch verkehrslenkende Maßnahmen, die Errichtung eines Verkehrsmanagements, d.h. die Informationen der Bevölkerung zur Verkehrslage, die Verstetigung des Verkehrsflusses durch geeignete Schaltung von Lichtsignalanlagen, die Ausweisung von Tempo-30-Zonen, eine Informationskampagne zum Betrieb von ortsfesten Feuerstätten für feste Brennstoffe, die Umstellung der Fahrzeugflotte im öffentlichen Personennahverkehr auf Fahrzeuge mit Rußpartikelfiltern und Begrünungsmaßnahmen, insbesondere durch das Pflanzen neuer Bäume. Der Luftreinhalte- und Aktionsplan wurde mit Schreiben vom 18.07.2006 mit Frist zur Stellungnahme zum 31.10.2006 in die Öffentlichkeitsbeteiligung gegeben.
Die Klägerinnen hatten bereits am 07.04.2006 Klage erhoben. Die Klägerin zu 1), die seit 28 Jahren am B.weg wohnt, ist an Asthma erkrankt. Die Klägerin zu 2) ist Diabetikerin und leidet an einer hypertensiven Herzerkrankung. Die Klägerinnen haben entsprechende Atteste vorgelegt.
Im Übrigen vertiefen und ergänzen die Klägerinnen ihren Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren. Nach Einsicht in den Entwurf des Aktionsplanes bemängeln sie auch dessen Inhalt. Der Aktionsplan sehe geeignete Maßnahmen nicht vor und räume selber ein, das gesetzliche Ziel der Einhaltung der Grenzwerte nicht erreichen zu können.
Die Klägerinnen beantragen,
1. die Beklagte zu verurteilen, einen Aktionsplan zur Luftreinhaltung für Braunschweig insbesondere für den G. und den H. aufzustellen, der festlegt, welche geeigneten Maßnahmen kurzfristig zu ergreifen sind, um die Gefahr der Überschreitung der Immissionsgrenzwerte nach § 4 Abs. 2 22. BImSchV zu verringern und den Zeitraum währenddessen diese Werte überschritten werden, zu verkürzen, so dass die Grenzwerte der 22. BImSchV zukünftig eingehalten sind.
2. die am 10.05.2005 abgebaute Verkehrsmessstation am B.weg oder an einem nahen vergleichbaren Ort wieder zu errichten.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Land erwidert, die Klage sei unzulässig, da die Klägerinnen ein subjektiv-öffentliches Recht nicht geltend machen könnten. Das BImSchG sehe den Erlass eines Aktionsplanes lediglich im Interesse der Allgemeinheit vor. Darüber hinaus werde auch derzeit ein Aktionsplan aufgestellt. Eine weitere Beschleunigung des Verfahrens sei nicht möglich. Ein subjektiv-öffentliches Recht bestehe auch nicht im Hinblick auf das Begehren der Wiederaufstellung eines Messcontainers. Die dazu zu beachtenden Normen, insbesondere § 10 Abs. 2 22. BImSchV mit den Anlagen 2-5, seien nicht drittschützend. Im Ballungsraum Hannover-Braunschweig seien zwei Messstationen (Hannover und Hildesheim) aufgestellt. Dies entspreche den gesetzlichen Vorgaben.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Sie verweist auf die gegenüber dem beklagten Land erfolgten Maßnahmevorschläge.
Ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes - 2 B 164/06 - haben die Beteiligten nach Ankündigung des Termins zur mündlichen Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Verwaltungsvorgänge des beklagten Landes, die Gerichtsakte und die Gerichtsakte des Verfahrens 2 B 164/06, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig.
Der VGH München hat in einem gleich gelagerten Fall dazu im Urteil vom 18.05.2006 - 22 BV 05.2462 -(zitiert nach Juris) ausgeführt:
„(1. …) Der objektiv-rechtliche Verstoß des Beklagten gegen § 47 Abs. 2 BImSchG und Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG verletzt den Kläger in seinen subjektiven Rechten.
§ 47 Abs. 2 BImSchG bezweckt wie Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG nämlich auch den Schutz der von der Überschreitung der festgelegten Immissionsgrenzwerte betroffenen Anwohner.
2. Es ist zwar einzuräumen, dass die Frage, ob § 47 Abs. 2 BImSchG dem betroffenen Nachbarn Drittschutz vermittelt, sich anhand des Gesetzeswortlauts nicht ohne weiteres beantworten lässt. Dies könnte den Schluss nahelegen, dass ein subjektives Recht zur Planaufstellung nicht bestehen könne, weil die Pflicht zur Planaufstellung nur dem Allgemeininteresse diene. Immerhin ist in § 47 Abs. 2 BImSchG nicht ausdrücklich vom Schutz der Anwohner und deren Gesundheit die Rede. Es ist auch in Betracht zu ziehen, dass die Erstellung eines jeden Aktionsplans in ihren Wirkungen weit über den Rechtskreis eines einzelnen betroffenen Anwohners hinausgeht (Willand/Buchholz, NJW 2005, 2641/2644). Auch die gesetzliche Konstruktion scheint eher auf eine objektiv-rechtliche Verpflichtung von Hoheitsträgern hinzudeuten (Herrmann in Koch/Scheuing, GK-BImSchG, RdNr. 133 zu § 47; Jarass, BImSchG, 6. Aufl. 2005, RdNr. 43 zu § 47). Die Zweistufigkeit des Luftqualitätsrechts (in einem ersten Schritt vorbereitende Planaufstellung nach § 47 Abs. 1 und 2 BImSchG, in einem zweiten Schritt Plandurchsetzung nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG) legt es nahe, die nicht unmittelbar luftverbessernd wirkende Qualitätsplanung als außerhalb des Rechtskreises der Betroffenen anzusehen und damit einen Anspruch auf Planung abzulehnen (Sparwasser, NVwZ 2006, 369/376).
Aus rechtssystematischen und teleologischen Gründen ist der Anspruch der betroffenen Anwohner auf Aufstellung eines Aktionsplans i.S. des § 47 Abs. 2 BImSchG jedoch zu bejahen.
a) Maßgeblich für diese Betrachtung ist das Rechtsgut, das durch die Regelung nach ihrem Sinn und Zweck geschützt werden soll, nicht aber, inwieweit dieses Rechtsgut in tatsächlicher Hinsicht bereits akut gefährdet ist oder ob der Schutz auf diese Weise in vollem Umfang sichergestellt werden kann oder ob er lediglich eine statistischepidemiologisch ableitbare Verbesserung bewirkt. Unerheblich ist auch, ob eine Definition einer gesundheitlich begründeten Gefahrenschwelle oder ein sozio-ökonomischer Konsens über eine angemessene Antwort auf eine statistische Korrelation vorliegt. Es ist daran zu erinnern, dass normative Grenzwerte nie allein auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern immer auch auf politischen Wertungen beruhen. Die Zielrichtung der Luftreinhalteplanung ist eindeutig. Das Rechtsgut, das mit Hilfe des aufzustellenden Aktionsplans geschützt werden soll, ist in erster Linie die Gesundheit der betroffenen Anwohner. Mittel zum Zweck ist die Einhaltung drittschützender Immissionsgrenzwerte. Die Gesundheit der betroffenen Anwohner zu schützen, ist der Zweck der Immissionsgrenzwerte des § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV und des Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Abschnitt I der Richtlinie 99/30/EG. Die Überschreitung dieser Immissionsgrenzwerte soll durch den aufzustellenden Aktionsplan möglichst weitgehend vermieden werden (vgl. Art. 1 der Richtlinie 96/62/EG). Es handelt sich bei der Gesundheit der betroffenen Anwohner um ein grundrechtlich geschütztes Rechtsgut (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und darüber hinaus auch um ein europarechtlich geschütztes Rechtsgut. Der Europäische Gerichtshof hat in vergleichbaren Fällen keinen Zweifel daran gelassen, dass die Betroffenen in allen Fällen, in denen die Überschreitung der Grenzwerte die menschliche Gesundheit gefährden könnte, in der Lage sein müssen, sich auf zwingende Vorschriften zu berufen, um ihre Rechte geltend machen zu können (EuGH vom 30.5.1991, NVwZ 1991, 866/867; EuGH vom 12.12.1996, NVwZ 1997, 369/370). Am drittschützenden Charakter der Immissionsgrenzwerte für Feinstaub PM10 kann es aus diesem Blickwinkel somit keinen Zweifel geben (vgl. Calliess, NVwZ 2006, 1/6 f.; Krohn, ZUR 2005, 371/373; Rehbinder, Rechtsgutachten, S. 62). Demgemäß erzielte auch die 29. Umweltrechtliche Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht vom 3. bis 5. November 2005 in Berlin Einigkeit darüber, dass vom Grundsatz her für die Betroffenen ein Anspruch auf die Aufstellung von Luftreinhalteplänen besteht (Stüer, Tagungsbericht, DVBl 2005, 1566/1568).
b) Zwar bedeutet der Umstand, dass der Schutz hochrangiger Rechtsgüter der betroffenen Anwohner auf dem Spiel steht, nicht notwendig, dass diese allein aus diesem Grund beliebige Maßnahmen von Hoheitsträgern verlangen können, damit die zu ihrem Schutz festgelegten Immissionsgrenzwerte eingehalten werden. Beim Aktionsplan handelt es sich aber nicht nur um eine von mehreren möglichen Maßnahmen, sondern ihm kommt hier eine Sonderstellung zu. Die betroffenen Anwohner müssen hier zumindest das beanspruchen können, was das Gesetz in solchen Fällen für den Regelfall vorsieht. Der Weg zur Einhaltung dieser drittschützenden Immissionsgrenzwerte führt zumindest im Regelfall über die Luftreinhaltepläne und Aktionspläne nach § 47 Abs. 1 und 2 BImSchG sowie Art. 8 Abs. 3 und Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG; nur so können aufeinander abgestimmte, auf Effektivität, Synergieeffekte und Interessenausgleich bedachte Maßnahmen vorbereitet werden (Krohn, ZUR 2005, 371/373; Rehbinder, Rechtsgutachten, S. 63). Erst hieraus können sich Ansprüche nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG oder nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ergeben; selbst wenn insofern Ermessensspielräume bestünden, so wäre das Gewicht der Luftreinhaltung durch den Aktionsplan verstärkt und kaum zu überspielen (Rehbinder, NuR 2005, 493/496). Die betroffenen Anwohner würden um ihre Ansprüche auf Durchsetzung von in Plänen nach § 47 Abs. 1 und 2 BImSchG enthaltenen Maßnahmen nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG oder nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG gebracht, wenn die zuständige Behörde sich rechtswidrig der Aufstellung solcher Pläne entziehen würde. Dies brauchen die betroffenen Anwohner daher nicht hinzunehmen. Die Verweisung der betroffenen Anwohner auf Ansprüche auf Einzelmaßnahmen, losgelöst vom Aktionsplan, ist problematisch und stellt keinen vollwertigen Ersatz dar (vgl. zur Problematik Urteil des BayVGH vom 18. Mai 2006 in Sachen 22 BV 05.2461). Die Pläne nach § 47 Abs. 1 und 2 BImSchG sind das in aller Regel erforderliche Bindeglied zwischen zwar verbindlichen, jedoch keine konkreten Maßnahmen implizierenden Zielvorgaben für den Gesundheitsschutz einerseits und einem einklagbaren Anspruch auf die Umsetzung der geplanten Maßnahmen zur Zielerreichung andererseits (Sparwasser, NVwZ 2006, 369/377, m.w.N.).
Dieses Bindeglied darf nicht dazu führen, dass der betroffene Anwohner von seinem Gesundheitsschutz und einem einklagbaren Anspruch hierauf entfernt wird; diesem Ziel soll das Instrument der planerischen Bewältigung des Luftreinhalteproblems offensichtlich nicht dienen.
c) Dieses Ergebnis wird auch durch die gebotene europarechtsfreundliche und richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts gestützt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sind die europarechtlichen Vorgaben inhaltlich unbedingt und hinreichend bestimmt, behandeln die Regelungsgegenstände abschließend und enthalten so vollständige Regelungen, dass sogar eine unmittelbare Anwendung der Richtlinien in Betracht kommt, um die es angesichts des Vorhandenseins auslegungsfähiger nationaler Normen aber gar nicht geht. Für die Aufstellung der Pläne nach § 47 Abs. 1 und 2 BImSchG und Art. 8 Abs. 3 sowie Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG ist die Annahme einer mangelnden inhaltlichen Unbedingtheit und hinreichenden Bestimmtheit der europarechtlichen Vorgaben nicht nachvollziehbar. Das europäische Recht verlangt die Einhaltung eindeutiger Immissionsgrenzwerte, und zwar hauptsächlich mit den Mitteln der Luftqualitätsplanung - der Aktionsplan wird in Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG konkret benannt. Dies soll im Gesundheitsinteresse der im Plangebiet von Grenzwertüberschreitungen Betroffenen geschehen (Art. 1 der Richtlinie 96/62/EG; vgl. dazu auch Sparwasser, NVwZ 2006; 369/376, Calliess, NVwZ 2006, 1/6 f.). Unstreitig ist, dass die europarechtlichen Vorgaben gemäß Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Abschnitt I der Richtlinie 99/30/EG, deren Umsetzung § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV vornimmt, auch dem individuellen Gesundheitsschutz der konkreten Anwohner dienen (Art. 1 der Richtlinie 99/30/EG; vgl. dazu auch Calliess, NVwZ 2006, 1/7, m.w.N.). Zwar legt das europäische Recht nicht fest, welche Stelle der Verwaltung tätig werden soll und könnte dies einer unmittelbaren Anwendung entgegenstehen. Doch sind die diesbezüglichen Bestimmungen im vorliegenden Fall vom nationalen Gesetzgeber bereits geschaffen worden (Art. 8 BayImSchG), so dass insofern keine Hindernisse mehr bestehen.“
Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung an.
2. Die Klage ist weder im Hinblick auf die begehrte Aufstellung eines Aktionsplanes Luftreinhaltung (a.) noch im Hinblick auf die geforderte Wiederaufstellung einer Messstation (b.) begründet.
a.) Die Klägerinnen haben - über die bereits eingeleiteten Maßnahmen hinaus - keinen Anspruch auf Aufstellung eines Aktionsplanes.
Rechtsgrundlage für die Aufstellung des begehrten Aktionsplanes Luftreinhaltung ist § 47 Abs. 2 BImSchG. Danach hat die zuständige Behörde einen Aktionsplan aufzustellen, der festlegt, welche Maßnahmen kurzfristig zu ergreifen sind, wenn die Gefahr besteht, dass die durch eine Rechtsverordnung nach § 48 a Abs. 1 BImSchG festgelegten Immissionsgrenzwerte oder Alarmschwellen überschritten werden. Nach Satz 2 der Vorschrift müssen die im Aktionsplan festgelegten Maßnahmen geeignet sein, die Gefahr der Überschreitung der Werte zu verringern oder den Zeitraum, währenddessen die Werte überschritten werden, zu verkürzen. Nach Satz 3 der genannten Vorschrift können Aktionspläne Teil eines Luftreinhalteplanes nach Abs. 1 sein.
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 47 Abs. 2 BImSchG sind erfüllt. Unstreitig wurde in den Jahren 2003 bis 2005 der über 24 Stunden gemittelte Immissionsgrenzwert für Partikel PM 10 von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr überschritten.
Anders als im vom VGH München entschiedenen Fall ist das beklagte Land jedoch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht untätig. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die Grenzwerte des § 4 Abs. 2 22. BImSchV bereits ab dem 01. Januar 2005 einzuhalten gewesen sind. Es mag auch sein, dass das beklagte Land bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht mit dem notwendigen und möglichen Nachdruck die zur Einhaltung der Grenzwerte erforderlichen Maßnahmen ergriffen hatte. Aus dem Tatbestand ergibt sich aber auch, dass fortlaufend an der Aufstellung des Aktionsplanes Luftreinhaltung gearbeitet wurde und wird. Schließlich ist die gesetzlich zwingend vorgeschriebene Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 47 Abs. 5 BImSchG, § 12 Abs. 7, 1 22. BImSchV) derzeit bereits eingeleitet. Das beklagte Land hat - wenn auch unter dem gerichtlichen Druck - nicht einmal mehr der Bitte der Beigeladenen um Abwarten einer noch zu erstellenden Stellungnahme vor Öffentlichkeitsbeteiligung stattgegeben (vgl. den Vermerk vom 20.07.2006 BA B). Darüber hinaus ist bei erforderlichen Maßnahmen im Straßenverkehr nicht nur die Anhörung der zuständigen Straßenbau- und Straßenverkehrsbehörden erforderlich, sondern nach § 47 Abs. 4 S. 2 BImSchG vielmehr die Herstellung des Einvernehmens gesetzlich angeordnet. Maßnahmen, die durch die Beigeladene als zuständige Straßenverkehrsbehörde angeordnet werden müssen, bedürfen also der Zustimmung der Beigeladenen. Angesichts dieser Sach- und Rechtslage sieht die Kammer für eine weitere Beschleunigung des Verfahrens keinen Spielraum. Die Klägerinnen haben also, soweit ihr Begehren auf Aufstellung eines Aktionsplanes Luftreinhaltung Braunschweig gerichtet war, ihr Klageziel zunächst formal erreicht.
Die Kammer ist auch der Auffassung, dass der in Aufstellung befindliche Aktionsplan nicht ungeeignet ist, die normativen Vorgaben zu erfüllen. Nach § 47 Abs. 2 Satz 2 BImSchG müssen die im Aktionsplan festgelegten Maßnahmen geeignet sein, die Gefahr der Überschreitung der Grenzwerte zu verringern oder den Zeitraum, währenddessen die Werte überschritten werden, zu verkürzen. Ziel der Maßnahmen muss es zunächst - über den missverständlichen Wortlaut hinaus - sein, die Überschreitung vollständig zu verhindern bzw. zu beseitigen (Jarass, BImSchG, 6. Aufl., § 47 Rn 23). Dass durch die Maßnahmen des Aktionsplans auch im Jahr 2010 die Grenzwerte für Partikel nicht einzuhalten sein werden, stellt der Aktionsplan indes selbst fest. Im Aktionsplan wird dazu ausgeführt:
„7.6 Ausblick
In den vorangehenden Kapiteln sind Maßnahmen zur Verbesserung der Luftgute in Braunschweig beschrieben worden. Wie dargelegt resultiert die Belastung im Stadtgebiet aus der Summe von Hintergrundbelastung und lokal verursachter Belastung (s. Kapitel 6). Eine Reduzierung der lokal verursachten Belastung soll durch die unter Kapitel 7.2 und 7.3 beschriebenen lokalen Maßnahmen erreicht werden. Das Ergebnis der vergleichenden Berechnungen zur Luftschadstoffbelastungen in der Stadt Braunschweig, in dem die Auswirkungen der lokalen Maßnahmen - soweit berechenbar- untersucht wurden, zeigte im Vergleich der Ist-Situation 2002 mit der Prognose für 2010 bezogen auf die Schadstoffe PM10 und NO2 große Unterschiede. Während für die Stickoxide (NO2) deutliche Reduktionen für das Prognosejahr 2010 nachgewiesen werden konnten, fiel der Effekt aufgrund der hohen Hintergrundbelastung für PM10 erheblich geringer aus.
Der zurzeit gültige Grenzwert für PM10 wird an vielen Straßenzügen demnach auch zukünftig im Stadtgebiet nicht eingehalten werden, wahrend der ab 1.1.2010 verbindliche Grenzwert für Stickoxide an vielen Punkten im Stadtgebiet in der Prognoseberechnung unterschritten wird. Nach wie vor sind jedoch Belastungsschwerpunkte auch für Stickoxide vorhanden, insbesondere Teile des östlichen Rings, die Bereiche um die Kreuzung Celler Straße/ Neustadtring sowie Sonnenstraße/ Güldenstraße (s. Kapitel 5) sind betroffen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die bisher geplanten bzw. in Umsetzung befindlichen lokalen Maßnahmen die Situation verbessern, aber voraussichtlich nicht ausreichen werden, um gemäß Bundesimmissionsschutzgesetz die Grenzwerte sowohl für PM10 als auch ab 1.1.2010 für NO2 im Stadtgebiet flächendeckend einhalten zu können. Es bleibt zu ermitteln, welche Reduktionspotenziale durch ein übergreifendes Gesamtpaket nicht nur auf lokaler Ebene erreicht werden und wie die Entwicklung der Luftschadstoffbelastung in der Zukunft insgesamt zu beurteilen ist. Insbesondere sind auch die Auswirkungen auf Reduktionsmaßnahmen zur Hintergrundbelastung der PM10 Fraktion abzuwarten. Es wird daher notwendig sein abzuschätzen, ob weitere lokale Maßnahmen zu ergreifen sind. Sofern abzusehen ist, dass die Grenzwerte trotz Bemühungen aller Beteiligter nicht eingehalten werden können, sind weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung zu entwickeln.“
Für den B.weg ergibt sich dieses Ergebnis, dass die Grenzwerte nach § 4 Abs. 2 22. BimSchV nach 2010 nicht eingehalten werden können, aus der Korrelation zwischen Jahresmittelwert und der Überschreitung der Tagesmittelwerte. Bei einem Jahresmittelwert von mehr als 31 Mikrogramm/m 3 Partikeln kann von einer Überschreitungshäufigkeit von mehr als 35 Tagen ausgegangen werden (S. 7 des Luftreinhalte- und Aktionsplanes). Für den Bereich B.weg ist für den Planfall 2010 von einem Jahresmittelwert von 37 Mikrogramm/m 3 auszugehen (S. 16 des Luftreinhalte- und Aktionsplanes). Dies bedeutet zwar eine positive Veränderung um 37 %, reicht aber nicht aus, um eine Überschreitung des Tagesmittelwertes auf 35 Tage pro Jahr zu begrenzen, von der - wie ausgeführt - bereits bei einem Jahresmittel von 31 Mikrogramm/m 3 auszugehen ist. Angesichts der hohen Hintergrundbelastung von 29 Mikrogramm/m 3 (S. 17 des Luftreinhalte- und Aktionsplanes) ist ein Vermeiden der Grenzwertüberschreitung für Tagesmittelwerte an mehr als 35 Tagen im Jahr auch ohne weiteren Verkehr zu erwarten.
Es ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass dem beklagten Land ein Planungsermessen zu der Frage zusteht, welche Maßnahmen ergriffen werden sollen. Derzeit nicht zumutbare Maßnahmen brauchen nicht ergriffen zu werden. Nicht zumutbar können dabei sowohl unverhältnismäßige Maßnahmen wie die Komplettsperrung der Braunschweiger Innenstadt aber auch noch nicht durchsetzbare Maßnahmen wie die Einrichtung einer Umweltzone sein. Ferner ist auch zu berücksichtigen, dass ein Aktionsplan kurzfristige Maßnahmen enthalten soll. Ein Luftreinhalteplan soll hingegen eine nachhaltige Konzeption beinhalten. Ein Katalog kurzfristiger Maßnahmen ist jedoch ständig zu aktualisieren und den tatsächlichen (und rechtlichen) Möglichkeiten anzupassen. Die Kammer geht mithin davon aus, dass das beklagte Land die tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten jederzeit im Blick behält und den Aktionsplan entsprechend anpasst. Auch insoweit genügt der Entwurf des Aktionsplanes den an ihn zu stellenden Anforderungen, da er einen konkreten Ausblick (ebenfalls Ziff. 7.6) auf zukünftige Maßnahmen gibt. Die Kammer ist also mit dem VGH München (aaO.) der Auffassung, dass keine - rechtlich oder tatsächlich - unmöglichen Maßnahmen verlangt werden können; sie sieht das beklagte Land aber in der Verpflichtung darauf hinzuwirken, dass der rechtliche Rahmen soweit erforderlich erweitert und von den dann bestehenden Möglichkeiten Gebrauch gemacht wird.
Der VGH München hat zur Frage des Einflusses der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten der beklagten Behörde auf den Inhalt des Anspruchs des klagenden Bürgers folgendes ausgeführt:
„Die Verpflichtung des Beklagten reicht indes materiell im vorliegenden Fall weniger weit, als der Kläger annimmt. Richtig ist zwar, dass gesetzlich grundsätzlich das Ziel vorgegeben ist, das ein Aktionsplan erreichen muss; er muss "sicherstellen" (Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 96/62/EG), dass der maßgebliche Immissionsgrenzwert künftig eingehalten wird bzw. dass sich die Überschreitungen im zulässigen Rahmen halten. Hierbei handelt es sich um den vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Normalfall. Vorgegeben ist ein eindeutig bestimmtes Ziel; offen bleibt nur, auf welchen Wegen es erreicht werden soll.
Entgegen der Auffassung des Klägers muss ein Aktionsplan im Sinn des § 47 Abs. 2 BImSchG und des Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG aber nicht unter allen Umständen zwingend die Einhaltung des Immissionsgrenzwerts des § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV für Feinstaubpartikel PM10 gewährleisten können, auch nicht vom Jahr 2008 an. So verhält es sich im vorliegenden Fall bei der Luftgütemessstelle Landshuter Allee.
1. Zum einen kann der zuständigen Behörde die im Normalfall geforderte Gewährleistung tatsächlich unmöglich und deshalb auch rechtlich nicht geboten sein. „Ultra posse nemo obligatur“. Dies ist hier der Fall.
Dies beruht darauf, dass der Aktionsplan die großräumige Luftverschmutzung und deren Beitrag zur Überschreitung der Immissionsgrenzwerte (im vorliegenden Fall 43 %) kaum beeinflussen kann und dem beklagten Freistaat Bayern die Normsetzungskompetenz für eine Reihe von in Betracht kommenden Maßnahmen fehlt.
Dies gilt z. B. für den Erlass einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG, für eine Verschärfung der durch die 1. BImSchV an Kleinfeuerungsanlagen gestellten Anforderungen, für die steuerliche Förderung von Dieselkraftfahrzeugen mit Rußpartikelfiltern, für eine Mautspreizung zu Gunsten schadstoffarmer Fahrzeuge; insofern bestehen Zuständigkeiten des Bundes. Andere Maßnahmen liegen im Verantwortungsbereich der Europäischen Gemeinschaft. Dies wird auch von der Europäischen Kommission so gesehen. In der Begründung zum Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über die Grenzwerte für SO2, NOX, Partikel und Pb, und zwar im Kapitel „Auswirkungen der vorgeschlagenen Richtlinie auf die Unternehmen“, heißt es unter 2. u. a.: „Wenn die Grenzwerte überall in der Gemeinschaft eingehalten werden sollen, sind weitere Maßnahmen (auch) auf gemeinschaftlicher und (nicht nur auf) lokaler Ebene erforderlich“. Im Anschluss daran werden die Zulassungsvorschriften der EG für Fahrzeuge und Industrieanlagen beispielhaft erwähnt (BR-Drs. 986/97, S. 85); zu denken ist z. B. an Abgasnormen, wie die nunmehr von der Europäischen Kommission vorgeschlagene EURO-5-Norm. Auch an den Bereich der Landwirtschaft und die Emission von Ammoniumverbindungen ist in diesem Zusammenhang zu erinnern, wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof dargelegt hat. Wie auf der 29. Umweltrechtlichen Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht vom 3. bis 5. November 2005 in Berlin ausgeführt wurde, ist daher an vielen Belastungsschwerpunkten erst dann mit einer Einhaltung der Grenzwerte zu rechnen, wenn zusätzlich zu den möglichen lokalen Maßnahmen in Deutschland bzw. EU-weit zusätzliche Begrenzungen für Feinstaubemissionen getroffen werden (Stüer, Tagungsbericht, DVBl 2005, 1566/1568). Das Gesetz anerkennt die möglichen Wirkungsgrenzen von Aktionsplänen im Einklang mit Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/92/EG dadurch, dass diese den Zeitraum der Gefahr der Überschreitung nur verkürzen oder die Gefahr einer Überschreitung nur mindern müssen. Diese Formulierung darf nicht als missverständlich abgetan werden, sondern muss ernst genommen werden. Man wird sie als Einräumung eines gewissen Spielraums, sogar als Zulassung erst mittelfristig wirksamer Maßnahmen verstehen müssen (Rehbinder, NuR 2005, 493/495).
2. Die Gewährleistung der künftigen Einhaltung des Immissionsgrenzwertes des § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV für Feinstaubpartikel PM10 kann außerdem gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Zu denken ist insbesondere an von den eingeleiteten Maßnahmen betroffene Dritte, z. B. Gewerbetreibende und Verkehrsteilnehmer, die am vorliegenden Rechtsstreit nicht beteiligt sind, aber sich u. U. mit Rechtsmitteln gegen die einzelnen Maßnahmen zur Wehr setzen könnten. Auch dies ist hier der Fall. Der EuGH stellt in seiner Rechtsprechung die Forderung auf, dass Umweltschutzmaßnahmen geeignet und erforderlich sein sowie in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen müssen. Diese Rechtsprechung berücksichtigt dabei nicht nur den Umweltschutz als eines der wesentlichen Ziele der Gemeinschaft, sondern auch den für das Funktionieren des europäischen Binnenmarkts wesentlichen freien Warenverkehr (Art. 28, 29 EG) einschließlich der freien Warendurchfuhr (EuGH vom 15.11.2005, DVBl 2006, 103/104). Bereits im Urteil vom 11. Juli 1974 (Rs 8/74, Slg. 1974, 837) hat der EuGH einerseits jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, als Maßnahme mit kontingentgleicher Wirkung im Sinn des Art. 28 EGV beurteilt. Der Ausdruck Handelsregelung hat dabei, wie die spätere Rechtsprechung gezeigt hat, keine einschränkende Bedeutung (Grabitz/Hilf, Das Recht der EU, Rdnr. 14 zu Art. 28 EGV, m.w.N.). Im Urteil vom 20. Februar 1979 (Rs 120/78, Slg 1979, 649) hat der EuGH andererseits festgestellt, dass Hemmnisse für den Binnenhandel hinzunehmen sind, soweit diese Bestimmungen notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen (des Allgemeinwohls) gerecht zu werden, u. a. dem auch in der Ausnahmevorschrift des Art. 30 EGV genannten Schutz der öffentlichen Gesundheit. In späteren Urteilen hat der EuGH auch den Umweltschutz als zwingendes Erfordernis anerkannt (Grabitz/Hilf, a.a.O., Rdnr. 18 zu Art. 28 EGV, m.w.N.). Die zwingenden Erfordernisse (des Allgemeinwohls), zu denen also auch der Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Umweltschutz gehören, sind allerdings nur zu berücksichtigen, wenn und soweit die Beschränkungen als Mittel zu Erreichung des als legitim anerkannten Ziels geeignet, notwendig und verhältnismäßig sind. Sie müssen tatsächlich geeignet sein, den mit ihnen verfolgten Zweck zu verwirklichen, dürfen nicht in einem unangemessenen Verhältnis zu ihm stehen, und dieses Ziel darf nicht durch Maßnahmen erreicht werden können, die den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr weniger beschränken (so bereits EuGH vom 20.2.1979, Slg 1979, 649; Grabitz/Hilf, a.a.O., Rdnr. 21 zu Art. 28 EGV, m.w.N.). Daraus ist allgemein zu folgern, dass den Rechten derer, die von Maßnahmen der Luftreinhaltung betroffen wären, nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen ist. Was das Gesetz und die Richtlinie 96/92/EG bei Unbeeinflussbarkeit der Luftqualität durch Luftreinhaltepläne, z. B. bei einem hohen Grundpegel durch Dieselfahrzeuge oder bei einem hohen Anteil an ferntransportiertem Feinstaub verlangen bzw. zulassen könnten, wird durch die vorhandenen Vorschriften nicht konkret bestimmt (vgl. Rehbinder, NuR 2005, 493/496; Jarass, BImSchG, 6. Aufl. 2005, RdNr. 23 zu § 47). "Radikale" Maßnahmen brauchen im Rahmen eines Aktionsplans aber jedenfalls nur dann ergriffen zu werden, wenn auch deren Folgen für das Wirtschaftsleben sorgfältig geprüft und angemessen ausgeglichen werden konnten (EuGH vom 15.11.2005, DVBl 2006, 103/104 f.). Ein großzügiger Maßstab ist dabei allerdings nicht anzulegen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass sich die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte der 22. BImSchV in aller Regel mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung sichern lässt (Amtliche Begründung, BT-Drs. 14/8450, S. 11; BVerwG vom 18.11.2004, DVBl 2005, 386/390; BVerwG vom 23.2.2005 - Az. 4 A 5.04, S. 10 des UA). Die Annahme, dass dies nicht möglich ist, ist daher begründungsbedürftig. Derartige Gründe können sich vor allem aus ungewöhnlichen örtlichen Gegebenheiten (zentrale Verkehrsknotenpunkte, Vielzahl von Emittenten) ergeben (vgl. BVerwG a.a.O.). Hiervon ist auf Grund der oben dargelegten Gegebenheiten möglicherweise häufiger auszugehen, als der Gesetzgeber angenommen hat. Wie die vom Beklagten vorgelegten fundierten Prognosen zeigen, lassen weder die von ihm vorbereiteten zusätzlichen Maßnahmen (die Umleitung des LKW-Durchgangsverkehrs über 3,5 Tonnen auf den Autobahnring A 99 sowie die Einrichtung einer Umweltzone innerhalb des ...), noch sonstige realistischerweise in Betracht zu ziehende verhältnismäßige Maßnahmen erwarten, dass die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte des § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV für Feinstaubpartikel PM10 künftig an der Luftgütemessstelle L. gewährleistet werden kann. Die Minderung der Immissionsbelastung durch Feinstaubpartikel PM10 könnte bei der Umleitung des Durchgangsverkehrs von LKW über 3,5 Tonnen ca. 2,5 % bis 3,8 % betragen (bezogen auf den Jahresgrenzwert des § 4 Abs. 4 der 22. BImSchV). Die Zahl der Überschreitungen des Immissionsgrenzwerts des § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV für Feinstaubpartikel PM10 könnte durch diese Umleitung des Durchgangsverkehrs von LKW über 3,5 Tonnen - grob geschätzt - um 8 bis 15 verringert werden. Die geplante Umweltzone könnte die Gesamtpartikelemissionen um ca. 10 % vermindern. Die Verschärfung der Anforderungen an Feuerungsanlagen für Festbrennstoffe durch die Änderung der einschlägigen Verordnung der Landeshauptstadt ... vom 26. April 2006 wirkt sich in der absehbaren Zukunft noch wenig aus, weil sie nur für neue Anlagen gilt.“
Dieser Auffassung kann sich die erkennende Kammer mit den oben genannten Einschränkungen anschließen. Die Kammer versteht die Entscheidung des VGH München auch nicht so, dass im Fall der aktuell fehlenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit von Maßnahmen eine Untätigkeit der zuständigen Behörde gerechtfertigt wäre. Sie hat - wie dargelegt - auf eine Änderung der Verhältnisse hinzuwirken und jede sich bietenden tatsächliche oder rechtliche Änderung auszunutzen, bis die Grenzwerte der 22. BImSchV eingehalten sind.
b.) Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Aufstellung eines Messcontainers am B.weg, weil das Gesetz eine entsprechende Anspruchsgrundlage nicht enthält.
Angenommen als Anspruchsgrundlage käme (den drittschützenden Charakter vorausgesetzt) die Anlage 3 zur 22. BImSchV in Betracht, so wären die Klägerinnen nicht in Rechten verletzt. Braunschweig liegt nach der Einteilung nach § 9 22. BImSchV im Ballungsraum Hannover-Braunschweig mit gut 1,5 Millionen Einwohnern. Die für einen solchen Ballungsraum erforderliche Anzahl von Messstellen ist vorhanden. Die großräumigen Standortkriterien (Anlage 2 zur 22. BImSchV) rechtfertigen eine für die Klägerinnen günstigere Beurteilung nicht. Danach sollen die Messstationen u.a. in Gebieten aufgestellt werden, in denen die höchsten Konzentrationen auftreten. Dass die derzeit in Hannover und Hildesheim aufgestellten Stationen nicht diesen Vorgaben entsprechend eingesetzt sind, vermag die Kammer nicht festzustellen. Darüber hinaus sollen die Standorte auch so gewählt sein, dass sie für ähnliche Standorte, die nicht in unmittelbarer Nähe liegen, ebenfalls repräsentativ sind. Das beklagte Land sieht eine Vergleichbarkeit Braunschweigs mit der Station in Hannover als gegeben an. Die Kammer sieht keinen Anlass, an dieser Aussage zu zweifeln.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.