Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 11.07.2006, Az.: 3 A 102/06

Bewilligungszeitraum; echte Rückwirkung; Einnahmeerhöhung; Rückforderung; Rückwirkung; unechte Rückwirkung; Verhältnisse; Wohngeld; Änderung der Verhältnisse

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
11.07.2006
Aktenzeichen
3 A 102/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 53302
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der zum 01.01.2004 in Kraft getretene § 29 Abs. 3 S. 3 WoGG ist auch auf im Jahr 2003 abgeschlossene Sachverhalte anwendbar. Eine unzulässige echte Rückwirkung liegt nicht vor, da die Rechtslage so unklar und verworren war, dass eine gesetzliche Klärung erwartet werden musste.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert wird auf 1.092,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

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I. Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Wohngeld.

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Sie stellte beim Beklagten am 28.02.2003 einen (Wiederholungs-)Antrag gerichtet auf die Bewilligung von Wohngeld (Lastenzuschuss) für ein von ihr bewohntes Eigenheim in E.. Dazu gab sie an, bis 10.03.2003 Arbeitslosengeld in Höhe von 87,85 EUR wöchentlich zu erhalten und Arbeitslosenhilfe beantragt zu haben. Auf die Bitte des Beklagten, den Bescheid des Arbeitsamtes über die Höhe der Arbeitslosenhilfe zu übersenden, teilte sie im Juli 2003 mit, dass die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (wegen vorhandenen Vermögens in der Form von Lebensversicherungen) abgelehnt worden sei. Dagegen habe sie erfolglos Widerspruch und nunmehr Klage vor dem Sozialgericht erhoben, über die noch nicht entschieden worden sei. Daraufhin bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 14.08.2003 Wohngeld in Höhe von monatlich 177,00 EUR für die Zeit vom 01.04.2003 bis 31.03.2004. Gleichzeitig forderte er die Klägerin auf, nach endgültiger Entscheidung des Arbeitsamtes über die Zahlung der Arbeitslosenhilfe den Bescheid vorzulegen, damit der Wohngeldanspruch dann neu berechnet werden könne. Am 01.03.2004 stellte die Klägerin einen Wiederholungsantrag. Daraufhin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 04.03.2004 weiterhin Wohngeld in Höhe von monatlich 177,00 EUR für die Zeit vom 01.04. bis 31.12.2004. Auf entsprechenden Wiederholungsantrag erfolgte im Jahr 2005 eine Weiterbewilligung der Wohngeldleistungen.

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Im Oktober 2005 legte die Klägerin dem Beklagten den nach Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens ergangenen Bescheid der Agentur für Arbeit F. vom 06.10.2005 vor. Damit wurde ihr für den Zeitraum vom 11.03.2003 bis 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe in Höhe von 77,63 EUR bzw. 77,49 EUR bzw. 75,39 EUR wöchentlich bewilligt. Daraufhin berechnete der Beklagte mit zwei Bescheiden vom 25.10.2005 (Wohngeldbescheide Nr. 15 und 16) den Wohngeldanspruch für die Zeit vom 01.04.2003 bis 31.03.2004 bzw. 01.04. bis 31.12.2004 mit monatlich 125,00 EUR neu, weil sich das Gesamteinkommen der Klägerin um mehr als 15 % erhöht habe. Die Neuberechnung sei aufgrund des Urteils des Sozialgerichts Braunschweig sowie des Bewilligungsbescheides der Agentur für Arbeit erfolgt. Mit angefochtenem Bescheid vom selben Tag hob der Beklagte seine Wohngeldbescheide vom 14.08.2003 und 04.03.2004 mit Wirkung vom 01.04.2003 bzw. 01.04.2004 gemäß § 48 SGB X auf, da sich die Einnahmen der Klägerin um mehr als 15 % erhöht hätten. Dementsprechend sei das Wohngeld gemäß § 29 Abs. 3 WoGG ab 01.04.2003 neu zu berechnen gewesen. Gleichzeitig forderte er gemäß § 50 Abs. 1 SGB X für die Zeit vom 01.04.2003 bis 31.12.2004 zu Unrecht erhaltenes Wohngeld in Höhe von 1.092,00 EUR zurück. Da das überzahlte Wohngeld mit dem Wohngeld, bewilligt mit Bescheid vom 20.01.2005, in Höhe von monatlich 177,00 EUR verrechnet werde, wurde um Überweisung des Restbetrages in Höhe von 738,00 EUR gebeten.

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Gegen die Bescheide vom 25.10.2005 hat die Klägerin am 25.11.2005 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, der Beklagte habe sich in seinem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid auf § 29 Abs. 3 WoGG berufen. Diese Vorschrift finde nur Anwendung, wenn sich im laufenden Bewilligungszeitraum z. B. die Einnahmen so erhöht hätten, dass sich dadurch das Gesamteinkommen um mehr als 15 % erhöht habe. Die Bewilligungszeiträume vom 01.04.2003 bis 31.03.2004 sowie 01.04.2004 bis 31.12.2004 seien aber nicht der laufende Bewilligungszeitraum. Von daher sei eine nachträgliche Aufhebung nicht möglich, insbesondere auch unter Beachtung der Tatsache, dass sich die „Erhöhung des Einkommens“ als späte Frucht eines Sozialrechtsstreites gegen die Bundesagentur für Arbeit ergeben habe und es daraufhin erst im Jahre 2005 zur Gewährung rückwirkender Leistungen gekommen sei. Dementsprechend sei es auch nicht möglich, eine „Forderung“ aus dem Zeitraum 01.04.2003 bis 31.12.2004 mit Wohngeld für das Jahr 2005 zu verrechnen. Daher sei auch der Wohngeldbescheid Nr. 16 abänderungswürdig. Diese Auffassung werde durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.03.2002 (5 C 4.01) gestützt.

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Die Klägerin beantragt (wörtlich),

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den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25.10.2005 aufzuheben, den Wohngeldbescheid Nr. 16 vom 25.10.2005 abzuändern und ihr kürzungsfreies Wohngeld zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung trägt er vor, durch die rückwirkende Bewilligung der Arbeitslosenhilfe hätten sich die Einnahmen der Klägerin so erhöht, dass sich dadurch das Gesamteinkommen gemäß § 9 WoGG um mehr als 15 % erhöht habe. Gemäß § 29 Abs. 3 WoGG sei somit über die Gewährung von Wohngeld ab 01.04.2003 von Amts wegen neu zu entscheiden gewesen. Diese Berechnung habe ergeben, dass im umstrittenen Zeitpunkt ein reduzierter Wohngeldanspruch von 125,00 EUR monatlich bestanden habe, weshalb monatlich 52,00 EUR, also insgesamt 1.092,00 EUR, zu Unrecht gewährt worden seien. Dieser Betrag sei gemäß § 50 SGB X zurückgefordert worden. Durch Aufrechnung sei ein Betrag in Höhe von 354,00 EUR ausgeglichen worden. Den Restbetrag in Höhe von 738,00 EUR habe die Klägerin zwischenzeitlich gezahlt. Gemäß § 29 Abs. 4 Satz 1 WoGG in der bis 31.12.2003 geltenden Fassung habe der Wohngeldempfänger der zuständigen Stelle u. a. unverzüglich Mitteilung zu machen, wenn sich im laufenden Bewilligungszeitraum die monatlichen Einnahmen der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder nicht nur vorübergehend um mehr als 15 % gegenüber den im Wohngeldbescheid genannten Einnahmen erhöhen. Dies gelte gemäß § 29 Abs. 4 Satz 3 WoGG auch, wenn sich die Änderung auf einen abgelaufenen Bewilligungszeitraum beziehe, längstens für drei Jahre nach Änderung der Verhältnisse. Maßgebend für den Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse sei der Zeitpunkt des Entstehens des (erhöhten) Zahlungsanspruchs. Um § 29 Abs. 3 WoGG anwenden zu können, sei es notwendig, dass die Voraussetzungen nach § 29 Abs. 4 WoGG vorliegen. Daraus ergebe sich, dass § 29 Abs. 3 WoGG im Rahmen der Vorgaben des § 29 Abs. 4 WoGG auch auf bereits abgelaufene Bewilligungszeiträume anzuwenden sei. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.03.2002 stehe dieser Betrachtungsweise nicht entgegen. Darin überlasse es das Bundesverwaltungsgericht nämlich ausdrücklich künftiger Klärung, ob durch die zum 01.01.2001 wirksam gewordene Anfügung des § 29 Abs. 4 Satz 3 WoGG mit einer erweiterten Mitteilungspflicht längstens für drei Jahre nach der Änderung der Verhältnisse eine andere Auslegung des § 29 Abs. 3 WoGG im Sinne einer rückwirkenden Neuberechnung und Neufestsetzung des Wohngeldes gerechtfertigt sei. Für Fälle, die wie der vorliegende nach dem seit dem 01.01.2001 geltenden Recht zu entscheiden seien, verbleibe es demnach bei der Möglichkeit des Eingriffs in abgelaufene Bewilligungszeiträume längstens für drei Jahre nach der Änderung der Verhältnisse gemäß § 29 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 29 Abs. 4 WoGG. Durch Art. 25 Ziff. 9 des 4. Gesetzes über moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 sei § 29 Abs. 3 WoGG mit Wirkung ab 01.01.2004 um die S. 2 und 3 ergänzt worden.In S. 2 sei u. a. bestimmt, dass im Fall der Erhöhung der Einnahmen (§ 29 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 WoGG) der Beginn des Zeitraums, für den sich die Einnahmen erhöht haben, als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gelte. In S. 3 sei u. a. festgelegt worden, dass die S. 1 und 2 entsprechend gelten, wenn sich die Änderungen nach S. 1 auf einen abgelaufenen Bewilligungszeitraum beziehen, längstens für drei Jahre vor Kenntnis des Wohngeldempfängers von der Änderung der Verhältnisse. Ab 01.01.2004 sei damit auch in § 29 Abs. 3 WoGG ausdrücklich eine Rückgriffsmöglichkeit auf abgelaufene Bewilligungszeiträume geregelt worden. Aus der Gesetzesbegründung des mit Wirkung vom 01.01.2004 neu eingeführten § 29 Abs. 3 S. 2 WoGG ergebe sich, dass mit dieser Regelung klargestellt werden sollte, dass ein Eingriff nicht nur in den laufenden, sondern grundsätzlich auch in einen bereits abgelaufenen Bewilligungszeitraum zulässig sei. Vor dem Hintergrund der dieser Gesetzesänderung zugrunde liegenden, den Eingriff in abgelaufene Bewilligungszeiträume verneinende Urteile des Bundesverwaltungsgerichts und aufgrund der gewählten Formulierung des Gesetzestextes sei davon auszugehen, dass es der Wille des Gesetzgebers gewesen sei, dass diese Regelung ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens auch für zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufene Bewilligungszeiträume, also auch für die Zeiten vor dem 01.01.2004, gelten sollte. Anderenfalls wäre eine ausdrückliche Einschränkung der Bestimmung erforderlich gewesen, welche sich weder aus dem Gesetzestext noch aus dem sich aus der Gesetzesbegründung folgenden Willen des Gesetzgebers ergebe. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin von der Bewilligung der Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 11.03.2003 (Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse) bis 31.12.2004 mit Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 06.10.2005 (eingegangen am 07.10.2005) Kenntnis erhalten. Die Bewilligungszeiträume, für die der Wohngeldanspruch neu berechnet worden sei, lägen somit innerhalb der in § 29 Abs. 3 Satz 3 WoGG vorgesehenen 3-Jahresfrist vor Kenntnis von der Änderung der Verhältnisse. § 29 Abs. 3 S. 3 WoGG sei damit auch die rechtliche Grundlage für die von ihr durchgeführte Neuberechnung und Rückforderung für die Zeit vom 01.04.2003 bis 31.12.2003.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe

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II. Die zulässige Klage, über die die Kammer im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, hat keinen Erfolg.

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Der Beklagte hat mit den Wohngeldbescheiden Nr. 15 und 16 vom 25.10.2005 rechtsfehlerfrei den Wohngeldanspruch der Klägerin für die Zeiträume von 01.04.2003 bis 31.03.2004 und 01.04. bis 31.12.2004 auf der Grundlage von § 29 Abs. 3 Satz 3 WoGG (i. d. F. v. 07.07.2005) neu berechnet. Folgerichtig sind die ursprünglichen Bewilligungsbescheide vom 14.08.2003 und 04.03.2004 rechtsfehlerfrei gemäß § 48 SGB X i. V. m. § 29 Abs. 3 Satz 3 WoGG aufgehoben und das überzahlte Wohngeld in Höhe von insgesamt 1.092,00 EUR gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zurückgefordert worden.

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Nach § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WoGG ist über die Leistung von Wohngeld von Amts wegen vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an neu zu entscheiden, wenn sich die Einnahmen im laufenden Bewilligungszeitraum so erhöht haben, dass sich dadurch das Gesamteinkommen um mehr als 15 v. H. erhöht und dies zu einem Wegfall oder zu einer Verringerung des Wohngeldes führt. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt im Fall des Satzes 1 Nr. 2 der Beginn des Zeitraums, für den sich die Einnahmen erhöht haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn sich die Änderungen auf einen abgelaufenen Bewilligungszeitraum beziehen, längstens für drei Jahre vor Kenntnis des Wohngeldempfängers von der Änderung der Verhältnisse; der Kenntnis steht die Nichtkenntnis infolge grober Fahrlässigkeit gleich (vgl. § 29 Abs. 3 Satz 3 WoGG).

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Im vorliegenden Verfahren haben sich die Einnahmen der Klägerin im hier relevanten Zeitraum vom 01.04.2003 bis 31.12.2004 unzweifelhaft und unbestritten um mehr als 15 v. H. erhöht. Denn in den zugrunde liegenden Wohngeldbescheiden waren keine Einnahmen der Klägerin berücksichtigt worden, da die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe im Sommer 2003 zunächst abgelehnt worden war. Aufgrund des dagegen erfolgreich geführten Widerspruchs- und Klageverfahrens erhielt die Klägerin ausweislich des Bescheides der Agentur für Arbeit F. vom 06.10.2005 für den Zeitraum vom 11.03.2003 bis 31.12.2004 rückwirkend Arbeitslosenhilfe in Höhe von wöchentlich 77,63 EUR bzw. 77,49 EUR bzw. 75,39 EUR. Damit ist eine wohngeldrechtlich erhebliche Änderung nach dem Ablauf der Bewilligungszeiträume 01.04.2003 bis 31.03.2004 und 01.04. bis 31.12.2004 eingetreten. Diese Einkommenserhöhung ist seitens des Beklagten rechtsfehlerfrei zum 01.04.2003 berücksichtigt worden. Denn maßgeblich für die Änderung der Verhältnisse ist die finanzielle Veränderung als solche - nicht die Kenntnis hiervon. Dies ergibt sich aus § 29 Abs. 3 Satz 2 WoGG, der gemäß § 29 Abs. 3 Satz 3 WoGG analog bei Änderungen, die sich wie hier auf abgelaufene Bewilligungszeiträume beziehen, gilt. Da die Klägerin (rückwirkend) zum 11.03.2003 Arbeitslosenhilfe erhalten hat, war ab dem nächsten 1., also dem 01.04.2003, neu über den Wohngeldanspruch zu entscheiden.

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Der Änderung der Wohngeldbewilligung für das Jahr 2003 (01.04. - 31.12.2003) steht nicht entgegen, dass § 29 Abs. 3 S. 2 und 3 WoGG erst mit dem 4. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl. I, S. 2954, 2987) mit Geltung ab dem 01.01.2004 eingeführt worden ist. Vor dieser Gesetzesänderung regelte § 29 Abs. 3 WoGG zwar lediglich die Neuberechnung von Wohngeld von Amts wegen bei erheblichen Änderungen in einem noch laufenden Bewilligungszeitraum. Die Erweiterung des Gesetzes auch auf Änderungen in Bezug auf bereits abgelaufene Bewilligungszeiträume zum 01.01.2004 ist jedoch rechtmäßig erfolgt; insbesondere stellt sie keinen Fall unzulässiger echter Rückwirkung eines Gesetzes dar.

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Dabei ist zu unterscheiden zwischen echter Rückwirkung, die dann vorliegt, wenn sich ein Gesetz nachträglich ändert und in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift, und unechter Rückwirkung, bei der auf noch nicht abgewickelte Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft eingewirkt wird (vgl. Seifert/Hömig, GG für die Bundesrepublik Deutschland: VII Rn. 7 unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Echte Rückwirkung ist dem Grunde nach verboten. Dies ergibt sich aus dem dem Rechtsstaatsprinzip immanenten Gebot der Rechtssicherheit, die für den Bürger in erster Linie Vertrauensschutz bedeutet. Dabei kommt es nicht auf die subjektiven Vorstellungen des einzelnen Betroffenen, sondern auf eine objektive Betrachtung an. Dementsprechend wird das Vertrauen des Einzelnen in den Bestand von Rechtsnormen und Rechtsakten bis zu ihrer ordnungsgemäßen Aufhebung geschützt. Im Grundsatz des Vertrauensschutzes findet das Rückwirkungsverbot jedoch nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze. Es gilt dort nicht, wo sich ausnahmsweise kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte. Das ist namentlich dann der Fall, wenn die Betroffenen schon im Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen wird, nicht mit dem Fortbestand der Regelung rechnen konnten. Ferner kommt ein Vertrauensschutz nicht in Betracht, wenn die Rechtslage so unklar und verworren war, dass eine Klärung erwartet werden musste (vgl. für alles Vorstehende BVerfG, B. v. 25.05.1993 - 1 BvR 1509, 1648/91 -, BVerfGE 88, 384, 404).

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Zwar ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die zum 01.01.2004 eingeführten Regelungen des § 29 Abs. 3 Satz 2, 3 WoGG im vorliegenden Verfahren Wirkungen auf einen in der Vergangenheit abgeschlossenen Sachverhalt entfalteten. Denn der Beklagte hat mit dem Bescheid Nr. 15 vom 25.10.2005 eine Neuberechnung von Wohngeldansprüchen vorgenommen, die Leistungen für einen bereits abgelaufenen Bewilligungszeitraum (01.04.2003 bis 31.03.2004) betrafen. In Anbetracht der besonderen Umstände der oben beschriebenen Gesetzesänderung zum 01.01.2004 kann den von dieser Regelung Betroffenen und damit auch der Klägerin Vertrauensschutz jedoch nicht zugebilligt werden. In dem hier insoweit maßgeblichen Zeitraum vom 01.04. bis 31.12.2003, für den die neuen Vorschriften des § 29 Abs. 3 Satz 2, 3 WoGG eine rückwirkende Regelung bewirkten, konnten die Betroffenen bereits nicht mit dem Fortbestand der ursprünglichen Regelungen rechnen. Die Rechtslage in Bezug auf eine Neuberechnung von Wohngeldansprüchen von Amts wegen bei Änderungen in Bezug auf bereits abgelaufene Bewilligungszeiträume war zu diesem Zeitpunkt unklar und verworren, so dass eine gesetzliche Klärung erwartet werden musste. Denn das Bundesverwaltungsgericht hatte mit zwei Urteilen vom 21.03.2002 (5 C 4.01 und 5 C 7.01, BVerwGE 116, 161 ff. bzw. WuM 2003, 156 ff.) zur Frage der Aufhebung von Wohngeldbescheiden für bereits abgelaufene Bewilligungszeiträume im Falle von rückwirkenden Einkommenserhöhungen für Zeiträume von 1994 bis 1998 und damit zur Anwendbarkeit u. a. des § 29 WoGG in der damals geltenden Fassung Stellung genommen. Das Gericht sah in den Entscheidungen hinsichtlich einer rückwirkenden Aufhebung der Wohngeldbewilligung die §§ 29 und 30 WoGG im Verhältnis zu § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und Satz 3 SGB X als abschließend an, so dass die rückwirkende Aufhebung eines Bescheides nicht nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und Satz 3 SGB X, sondern nur nach § 29 Abs. 3 WoGG möglich sein sollte. Hingewiesen wurde jedoch darauf, dass der (seinerzeitige) § 29 Abs. 3 WoGG tatbestandlich einen laufenden Bewilligungszeitraum voraussetze. Seitens des Bundesverwaltungsgerichts wurde ausdrücklich offen gelassen, ob das Gesetz zur Änderung des Wohngeldgesetzes und anderer Gesetze vom 22.12.1999 (BGBl. I, S. 2671) mit Wirkung zum 01.01.2001, welches im hier umstrittenen Zeitraum des Jahres 2003 galt, durch die in § 29 Abs. 4 Satz 3 WoGG auch auf abgelaufene Bewilligungszeiträume erweiterten Mitteilungspflichten über den damaligen Wortlaut des § 29 Abs. 3 WoGG hinaus eine Überprüfung und Neubescheidung auch für abgelaufene Bewilligungszeiträume ermöglichen sollte oder als bereits möglich voraussetzte. Damit war im Jahr 2003 die Rechtslage in Bezug auf wohngeldrechtlich erhebliche Einnahmeerhöhungen in Bezug auf bereits abgelaufene Bewilligungszeiträume ungeklärt. Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass in der Gesetzesbegründung zur ab 01.01.2004 geltenden Fassung des § 29 Abs. 3 Satz 2 und 3 WoGG ausdrücklich die zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Bezug genommen wird. Außerdem wird ausdrücklich ausgeführt, dass nunmehr „durch eine Änderung des § 29 Abs. 3 WoGG (Satz 3 der Vorschrift) klargestellt werden soll, dass ein Eingriff nicht nur in den laufenden, sondern grundsätzlich auch in einen bereits abgelaufenen Bewilligungszeitraum zulässig ist“ (BT-DRS 15/1516, S. 78). Damit ist die jedenfalls im Jahr 2003 verworrene Rechtslage durch die Gesetzesänderung zum 01.01.2004 eindeutig geklärt worden, weshalb sich die Betroffenen bereits für das Jahr 2003 nicht auf Vertrauensschutz berufen können. Vor diesem Hintergrund begegnet die Anwendung der Regelungen des § 29 Abs. 3 Satz 3 WoGG auch auf die für das Jahr 2003 bewilligten Wohngeldleistungen keinen rechtlichen Bedenken.

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Bei Einnahmen aus Arbeitslosenhilfe entsprechend der Regelung in dem Bescheid der Agentur für Arbeit F. vom 06.10.2005 ergab sich eine Verringerung des Wohngeldes von 177,00 EUR auf 125,00 EUR monatlich. Dementsprechend war das Wohngeld, wie in den Wohngeldbescheiden Nr. 15 und 16 vom 25.10.2005 erfolgt, neu zu berechnen. Da auch die übrigen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist der Bescheid der Beklagten vom 25.10.2005, mit dem die ursprünglichen Wohngeldbewilligungsbescheide aufgehoben wurden, rechtmäßig. Die Anordnung der Erstattung des überzahlten Wohngeldes in Höhe von 1.092,00 EUR wurde rechtmäßig auf § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestützt, wonach die bereits erbrachten Leistungen zu erstatten sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist.

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Nach alledem ist die Klage mit der für die Klägerin negativen Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO i. V. m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 3 GKG.