Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 12.07.2007, Az.: 13 U 191/06

Rechtsfolgen der Verjährung einer Hauptschuld hinsichtlich einer Gewährleistungsbürgschaft

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
12.07.2007
Aktenzeichen
13 U 191/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 53749
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2007:0712.13U191.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 30.08.2006 - AZ: 6 O 185/05

Fundstellen

  • BauR 2009, 839-840
  • BauR 2008, 1938 (amtl. Leitsatz)
  • IBR 2008, 736 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
  • MDR 2010, 370
  • OLGReport Gerichtsort 2008, 860-861

Amtlicher Leitsatz

Der Gewährleistungsbürge kann sich gegenüber dem Auftraggeber/Bürgschaftsgläubiger erfolgreich damit verteidigen, dass im Verhältnis des Auftraggebers zum Hauptschuldner/Auftragnehmer Verjährung eingetreten ist. Dies ist auch dann, wenn der Auftraggeber Mängel in unverjährter Zeit gegenüber dem Auftragnehmer gerügt hat, aber § 17 Nr. 8 VOB/B bzw. eine vergleichbare Klausel nicht Bestandteil des Vertrags zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer geworden ist (Abgrenzung BGH - VII ZR 127/91 - 21.01.1993).

In dem Rechtsstreit

G. mbH, vertreten durch G. G., E., M.,

Klägerin und Berufungsklägerin,

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte L., W. und Partner, B., M.,

Geschäftszeichen: #####

gegen

V. Versicherungen AG, vertreten durch den Vorstand W. D. und D. W., C., H.,

Geschäftszeichen: #####

Beklagte und Berufungsbeklagte,

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte K. I. C., H., C.

Geschäftszeichen: #####

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juni 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. K. sowie die Richter am Oberlandesgericht W. und B. für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 30. August 2006 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert im Berufungsverfahren wird auf 54.171,38 € festgesetzt.

Gründe

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I. Anstelle des Tatbestands wird auf die tatsächlichen Feststellungen und auf die Entscheidungsgründe im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Antrag weiter. Sie wendet sich gegen die Annahme des Landgerichts, die Beklagte könne sich auf die Verjährung der Gewährleistungsansprüche der K. Bau GmbH (im Folgenden: Firma K.) berufen. Die Bürgschaftsurkunden seien dahin auszulegen, dass die Beklagte in demselben Umfang haften wolle, in dem die Klägerin nach ihren Vereinbarungen mit der Firma K. gesichert gewesen sei. In den von der Klägerin mit der Firma K. abgeschlossenen Generalunternehmerverträgen sei vereinbart, dass die Klägerin die Bürgschaftsurkunde erst mit vollständiger Erledigung aller Gewährleistungsansprüche zurückgeben müsse. Auf die Durchsetzbarkeit der Ansprüche habe es erkennbar nicht ankommen sollen. Hätte das Landgericht die Bürgschaftsverpflichtungen rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, dass die Beklagte auch für verjährte Gewährleistungsansprüche einzustehen habe, so hätte es der Klage in voller Höhe stattgeben müssen. Denn der Klägerin stünden hinsichtlich beider Bauvorhaben Schadensersatzansprüche zu, die der Höhe nach über der jeweiligen Bürgschaftssumme lägen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

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II. Die Berufung ist unbegründet.

3

Das Landgericht hat die geltend gemachten Bürgschaftsforderungen im Ergebnis mit Recht daran scheitern lassen, dass die Beklagte sich auf die Verjährung der Gewährleistungsansprüche berufen kann.

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1. Die Gewährleistungsansprüche sind verjährt.

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Das Landgericht hat ausgeführt: In § 7 des jeweiligen Generalunternehmervertrags sei eine Gewährleistungsfrist von fünf Jahren, beginnend mit der förmlichen Abnahme der gesamten Bauleistung vereinbart. Die förmliche Abnahme habe bei beiden Objekten am 16./21. Dezember 1999 stattgefunden, sodass die Gewährleistung am 21. Dezember 2004 abgelaufen wäre. Gemäß dem jeweiligen Abnahmeprotokoll sei jedoch eine hiervon abweichende Gewährleistung bis zum 28. November 2004 für das Bauvorhaben T. und bis zum 15. November 2004 für das Objekt N. vereinbart worden. Diese Fristen seien aufgrund des Gewährleistungsverzichts der Beklagten verlängert worden, und zwar hinsichtlich des Bauvorhabens N. bis zum 31. Januar 2005 und hinsichtlich des Objekts T. bis zum 31. März 2005. Die durch die Mängelanzeige vom 7. März 2003 eingetretene "Quasi-Unterbrechung" nach § 13 Nr. 5 VOB/B ziehe das Ende der Verjährungsfrist nicht weiter hinaus, da sich diese ab Zugang der Mängelanzeige mit einer Frist von zwei Jahren berechne. Die Verjährung der Gewährleistungsansprüche sei nicht dadurch gehemmt oder unterbrochen worden, dass die Klägerin am 23. März 2005 wegen der Bürgschaftsforderungen Mahnbescheide beantragt hätte (BGH, Urt. v. 12. März 1980 - VIII ZR 115/79).

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Diesen Ausführungen tritt der Senat mit der Maßgabe bei, dass die Beklagte auch hinsichtlich des Bauvorhabens N. bis zum 31. März 2005 auf die Verjährungseinrede verzichtete (Bd. I Bl. 123 d. A.).

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2. Die Beklagte kann die Verjährung der Gewährleistungsansprüche geltend machen.

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a) Die Befugnis des Gewährleistungsbürgen, sich auf die Verjährung des Gewährleistungsanspruchs zu berufen, folgt, sofern im Bürgschaftsvertrag nichts anderes vereinbart ist, aus § 768 BGB. Dies gilt auch dann, wenn wie hier die Bürgschaftsklage vor Vollendung der Verjährung des Gewährleistungsanspruchs erhoben ist (BGH, Urt. v. 9. Juli 1998 - IX ZR 272/96), und es sich um eine selbstschuldnerische Bürgschaft handelt (BGH, Urt. v. 12. März 1980 - VIII ZR 115/79).

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b) Die Beklagte hat im Bürgschaftsvertrag nicht die Verpflichtung übernommen, die Klägerin auch wegen solcher Ansprüche zu sichern, die die Klägerin wegen der eingetretenen Verjährung gegenüber dem Auftragnehmer nicht mehr durchsetzen kann. Das ergibt eine Auslegung des Bürgschaftsvertrags.

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Durch die Bezugnahme des Bürgscheins auf den Werkvertrag und durch die Formulierung, die Bürgschaft diene dazu, "die vertragsgemäße Gewährleistung ... sicherzustellen", wird nach dem objektiven Verständnis klargestellt, dass die Beklagte in demselben Umfang haften will, in dem die Klägerin nach ihren Vereinbarungen mit dem Auftragnehmer gesichert sein soll (vgl. BGH, Urt. v. 21. Januar 1993 - VII ZR 221/91).

11

In dem von der Klägerin mit der Firma K. geschlossenen Generalunternehmervertrag ist nicht vereinbart, dass die Firma K. der Klägerin eine Bürgschaft auch für verjährte Gewährleistungsansprüche bereitzustellen hat. Eine solche Abrede haben weder die Klägerin und die Firma K. ausdrücklich getroffen, noch ist sie dem Generalunternehmervertrag im Wege der Auslegung zu entnehmen. Zwar ist es richtig, dass der Auftragnehmer nach der Rechtsprechung zu § 17 Nr. 8 VOB/B in der am 1. März 1999 geltenden Fassung eine Sicherheit im Sicherungsfall verwerten darf, auch wenn die der Sicherungsvereinbarung zugrunde liegenden Gewährleistungsansprüche zwar verjährt sind, er aber die Mängel, auf denen die geltend gemachten Ansprüche beruhen, in unverjährter Zeit gerügt hat (BGH, Urt. v. 21. Januar 1993 - VII ZR 127/91). Im Streitfall haben die Vertragsparteien der beiden Generalunternehmerverträge die VOB/B aber nur für den Fall vereinbart, dass sich aus dem Vertrag nichts Gegenteiliges ergibt (Ziff. 2.1. d der Generalunternehmerverträge). "Gegenteiliges" ergibt sich indes aus Ziff. 8.3 Satz 6 der Verträge, wo es heißt:

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"Die Gewährleistungsbürgschaft ist durch den AG zurückzugeben, wenn alle Gewährleistungsansprüche gleich welcher Art aus diesem Vertrag, auch wenn sie sich auf zusätzliche Leistungen beziehen, erledigt sind."

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Damit haben die Vertragsparteien anstelle von § 17 Nr. 8 VOB/B eine andere Regelung getroffen. Der Senat unterstellt, dass es sich, wie die Beklagte vorträgt, um eine Individualvereinbarung handelt. Bei der Auslegung der Regelung ist vom Wortlaut auszugehen. Gewährleistungsansprüche sind auch dann "erledigt" in Sinne der Abrede, wenn sie verjährt und deshalb nicht mehr durchsetzbar sind. Die Firma K. hat nach dem Wortlaut der Vereinbarung also keine Verpflichtung übernommen, der Klägerin eine Bürgschaft auch für verjährte Gewährleistungsansprüche zu geben. Dieses Ergebnis ist interessengerecht, weil nach den gesetzlichen Vorschriften der Bürge sich auf die Verjährung der Hauptforderung berufen kann (§ 768 BGB), und weil es im Bauvertrag - jedenfalls zwischen zwei Unternehmen - eindeutig zum Ausdruck kommen muss, wenn der Auftragnehmer ausnahmsweise verpflichtet sein soll, eine weitergehende Bürgschaft bereitzustellen. Letzteres ist hier nicht der Fall. Anders als bei § 17 Nr. 8 VOB/B a.F., wo es ausdrücklich heißt, dass der Auftraggeber, soweit zur Zeit des Ablaufs der Verjährungsfrist seine Ansprüche noch nicht erfüllt sind, einen entsprechenden Teil der Sicherheit zurückbehalten darf, enthalten die Generalunternehmerverträge keine hinreichend deutlichen Anhaltspunkte für eine Verpflichtung zur Bereitstellung einer Bürgschaft für verjährte Gewährleistungsansprüche.

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Ziff. 8.3 Satz 6 der Verträge stellt auch nicht nur, wie die Klägerin geltend macht, eine ergänzende Regelung zu § 17 Nr. 8 VOB/B dar. Vielmehr weicht Ziff. 8.3 Satz 3 der Verträge von § 17 Nr. 8 VOB/B inhaltlich ab und tritt die Stelle von § 17 Nr. 8 VOB/B.

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Ein übereinstimmender Wille der Klägerin und der Firma K. dahin, dass die Firma K. eine Bürgschaft auch für verjährte Gewährleistungsansprüche bereitstellen solle, kann nicht festgestellt werden.

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Somit kann offen bleiben, ob die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart worden ist, und, falls nein, ob § 17 Nr. 8 VOB/B a.F. einer isolierten Überprüfung nach § 307 ff. BGB bzw. nach dem AGB-Gesetz standhält (zur Inhaltskontrolle des § 17 Nr. 8 VOB/B:

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Kleine-Möller, NZBau 2002, 589). Nicht zu entschieden werden braucht auch, ob die Inanspruchnahme der Bürgschaften zum überwiegenden Teil daran scheitert, dass die vorgetragenen Schadensersatzansprüche weitgehend Mängel betreffen, die in der Mängelanzeige der Klägerin an den Insolvenzverwalter der Firma K. vom 7. März 2003 nicht enthalten sind.

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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor. Entgegen der Klägerin im Schriftsatz vom 9. Juli 2007 vertretenen Auffassung ist nicht im Hinblick auf das Urteil des Kammergerichts vom 24. Oktober 2006 - 7 U 6/06 - ein Fall des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gegeben. Das Kammergericht führt in dem von der Klägerin genannten Punkt nur aus, dass der Bundesgerichtshof die in BGHZ 121, 168, veröffentlichte Rechtsprechung (Urteil vom 21. Januar 1993 - VII ZR 127/91) nicht aufgegeben habe. Diesen Standpunkt vertritt auch der Senat.