Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 19.07.2007, Az.: 8 U 8/07

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
19.07.2007
Aktenzeichen
8 U 8/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 59346
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2007:0719.8U8.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 19.12.2006 - AZ: 2 O 37/06

Fundstellen

  • OLGReport Gerichtsort 2008, 151-153
  • VersR 2007, 1501-1502 (Volltext mit red. LS)

Tenor:

  1. Die Berufung des Klägers gegen das am 19.12.2006 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Hannover wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

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Weder weist die Entscheidung des LG Rechtsfehler auf noch rechtfertigen die gem. § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Auskunftsansprüche gegen die Beklagte nicht zu. Dafür fehlt es an einer Rechtsgrundlage.

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Zu Recht hat das LG angenommen, dass sich die begehrten Auskunftsansprüche weder aus § 55 Abs. 3 VAG oder § 10a Abs. 1 VAG noch aus § 16 der Versicherungsbedingungen ergeben. Das wird von dem Kläger mit seiner Berufung auch nicht in Abrede gestellt.

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Die vom Kläger verlangten Auskünfte lassen sich aber auch nicht aus § 242 BGB (Treu und Glauben) herleiten, wie er weiterhin meint. Insoweit kann zunächst auf die zutreffenden Erwägungen des LG verwiesen werden, denen der Senat beitritt. Lediglich ergänzend bleibt im Hinblick auf die Berufungsangriffe anzumerken:

5

Die für einen Auskunftsanspruch nach Treu und Glauben erforderliche "Sonderverbindung" zwischen den Parteien kann auch im Rahmen bestehender Vertragsverhältnisse vorliegen, was vom LG in der angefochtenen Entscheidung vom Ansatz her auch nicht bezweifelt worden ist. Dies ändert aber nichts daran, dass ein über das allgemeine Informationsinteresse hinausgehendes besonderes Bedürfnis für die geforderte Auskunftserteilung über die gesetzlich normierten Informationsrechte hinaus bestehen muss. Nach der Rechtsprechung besteht ein aus § 242 BGB hergeleiteter Auskunftsanspruch außerdem lediglich dann, wenn der Anspruchsteller über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und er deswegen daran gehindert ist, ein ihm zustehendes (oder zumindest von ihm behauptetes) Recht wahrzunehmen. Wie bereits das LG zutreffend hervorgehoben hat, dient der aus § 242 BGB hergeleitete Auskunftsanspruch der Vorbereitung eines konkreten Anspruchs (vgl. BGH NJW 2002, 3771 [BGH 17.07.2002 - VIII ZR 64/01]). Darum aber geht es dem Kläger im vorliegenden Fall nicht.

6

Dass der Kläger die Beklagte auf Leistung in Anspruch nehmen will, etwa auf Anlage eines höheren Sparanteils oder auf Zahlung einer höheren Kapitalsumme, trägt er nicht vor. Auch eine Kündigung mit Geltendmachung des Rückkaufswertes der Versicherung steht nicht konkret im Raum. Stattdessen geht es dem Kläger, wie er mit der Berufungsbegründung auch noch einmal klargestellt hat, allein um die Möglichkeit der Nachprüfung der von der Beklagten jeweils ermittelten garantierten Kapitalbeträge und deren zinsmäßige Entwicklungen. Um hier evtl. Fehler nachweisen zu können, verlangt der Kläger eine jährliche Auskunft über den Beitragsanteil aus der jeweils gezahlten Jahresprämie auf die Lebensversicherung, der auf die Sparanteile angelegt worden ist, und die dazugehörige Zinsberechnung. Für einen solchen Anspruch, der nicht der Vorbereitung der Durchsetzung konkreter Rechte dient, kann § 242 BGB keine Rechtsgrundlage sein.

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Der Senat hat zudem bereits in einer Einzelrichterentscheidung (Urt. v. 9.3.2006 - 8 U 181/05) mit der einhelligen Rechtsprechung in diesem Bereich (vgl. BGHZ 87, 346 = VersR 1983, 746; OLG Karlsruhe VersR 1992, 219 [LG Darmstadt 03.05.1991 - 1 O 5/91]; Urt. v. 15.12.2005 - 12 U 1/05, S. 8 f.; OLG Stuttgart RuS 2000, 255 f. unter 1.) festgestellt, dass der Versicherungsnehmer grundsätzlich keinen weitergehenden Anspruch gegen den Lebensversicherer auf Einzelauskünfte über Höhe, Art der Ermittlung oder Verteilung des Gewinns hat. An dieser Auffassung hält der Senat fest, auch wenn der Kläger hier nicht unfassend Auskunft über die Überschuss- und Gewinnbeteiligungsberechnungen, Abschluss- und Verwaltungskosten verlangt, sondern seiner Formulierung nach "nur" Auskunft zu dem Garantiekapital. Denn auch diese Einzelauskunft betrifft den Kernbereich der Ermittlung des Überschussanteils bzw. der Überschussberechnung im Rahmen der Aufstellung des Geschäftsplanes, bei dem dem Versicherer nach bisherigem Recht ausdrücklich Spielräume eingeräumt worden sind, die der Versicherungsnehmer hinzunehmen hat. So räumt der Kläger in seiner Berufungsbegründung auch selbst ein, dass "ansatzweise" implizit doch Einblick in die Kalkulationsgrundlagen der Beklagten verlangt wird. Zu der damit verbundenen Offenlegung ihrer Berechnungsgrundlagen ist die Beklagte aber aus den in der Entscheidung des Senats vom 9.3.2006 (s.o.) genannten Gründen nicht verpflichtet, zumal der Kläger über die Entwicklung des Garantiekapitals und die Berechnung der Überschussbeteiligung, aufgeteilt nach bereits bisher erreichten und garantierten Überschussbeteiligungen und künftig zu erwartenden, nicht garantierten Überschussbeteiligungen, jährlich bereits durch die Beklagte informiert worden ist und wird, wie die von ihm selbst eingereichten Unterlagen, etwa mit seinem Schriftsatz vom 7.6.2006 auf Bl. 96 ff. d.A., belegen. Anhand dieser jährlichen Mitteilungen kann der Kläger jedenfalls nachvollziehen, in welcher Höhe das ihm garantierte Zukunftskapital inkl. der bereits garantierten Überschussbeteiligungen gestiegen ist, und dies den von ihm gezahlten halbjährlichen Versicherungsprämien auf die Lebensversicherung gegenüberstellen. Bereits daraus kann der Kläger als Versicherungsnehmer wesentliche Daten erkennen, die eine Entscheidungsgrundlage dafür bilden können, inwieweit sich die jährlichen Beitragszahlungen "rentieren" und das von der Versicherung zugesicherte einmalige Garantiekapital erhöhen. Eine solche Gegenüberstellung hat der Kläger schließlich auch selbst bereits in seinem Schriftsatz vom 7.6.2006 auf S. 3a (Bl. 89 d.A.) vorgenommen. Bereits die daraufhin gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen es ihm, für sich persönlich zu beurteilen, inwieweit sich die abgeschlossene Lebensversicherung noch "lohnt", oder eine Kündigung bzw. Beitragsfreistellung derselben vorgenommen werden sollte. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang gerügt hat, dass auf der Grundlage seiner Berechnungen trotz steigender Gesamtjahresprämien die Erhöhung des Garantiekapitalpotentials Jahr für Jahr geringer ausfalle, können allein daraus Zweifel an der Zulässigkeit der Verwendung der von ihm erbrachten Lebensversicherungsbeiträge nicht hergeleitet werden. Die Beklagte hat diesen Effekt mit Schreiben vom 24.3.2005 (Anlage B 5, Bl. 67 ff. d.A.) u.a. nachvollziehbar damit begründet, dass mit zunehmenden Alter das Todesfallrisiko steige, sodass der hinzukommende Versicherungsschutz teurer werde.

8

Auch wenn keine Prüfung des Einzelfalles erfolgt, bleibt es dabei, dass in Fällen wie dem vorliegenden, die noch in die Zeit vor die Deregulierung des Versicherungsmarktes fallen, durch das frühere Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen und die heutige Bundesanstalt für Finanzdienstaufsicht die erforderliche Kontrolle des Versicherers erfolgt (BGH, a.a.O.). Soweit der Kläger im Übrigen nochmals auf die Entscheidung des BVerfG vom 26.7.2005 (NJW 2005, 2376) abstellt und auch im Hinblick darauf zukünftig einen gesetzlichen Auskunftsanspruch erwartet, zeichnet sich zwar im Rahmen der anstehenden Reform des VVG eine solche gesetzliche Neuregelung ab. Weitergehende Informationspflichten, die über die alljährliche Information über den Stand der Ansprüche des Versicherungsnehmers unter Einbeziehung der Überschussbeteiligung hinausgehen und auch die Erteilung von Einzelauskünften in der vom Kläger begehrten Form vorsehen, werden nach dem derzeitigen Stand des Gesetzgebungsverfahrens aber nicht begründet werden. § 155 des Regierungsentwurfes zum neuen VVG (Bundestag-Drucksache 16/3945 vom 20.12.2006) lautet (nur):

9

"§ 155 Jährliche Unterrichtung

10

Bei Versicherungen mit Überschussbeteilung hat der Versicherer den Versicherungsnehmer jährlich in Textform über die Entwicklung seiner Ansprüche unter Einbeziehung der Überschussbeteiligung zu unterrichten. Ferner hat der Versicherer, wenn er bezifferte Angaben zur möglichen zukünftigen Entwicklung der Überschussbeteiligung gemacht hat, den Versicherungsnehmer auf Abweichungen der tatsächlichen Entwicklung von den anfänglichen Angaben hinzuweisen."

11

Mit dieser und auch der geplanten Neuregelung in § 7 Abs. 1 und 2 VVG-E, mit dem die Möglichkeit geschaffen wird, im Verordnungsweg Bestimmungen über die Informationen des Versicherungsnehmers vor Abgabe von dessen Vertragserklärungen zu treffen, will der Gesetzgeber, wie der Begründung zum Gesetzesentwurf zu entnehmen ist (BT-Drucks. 16/3945 v. 20. Dez. 2006 auf S. 50 ff.), u.a. auch der Forderung des BVerfG auf Sicherung größerer Transparenz hinsichtlich der Entwicklung von Überschussquellen und der Auskehrung von Überschüssen nachkommen. In der Sache wird damit allerdings lediglich die Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.11.2002 über Lebensversicherungen in nationales Recht umgesetzt. Denn auch diese Richtlinie fordert nur eine alljährliche Information über den Stand der Gewinnbeteiligung (Art. 36 Abs. 2 mit Anh. III Bd. 3). Weitergehende Einzelauskünfte sind nicht vorgesehen. Gerade auch vor dem Hintergrund dieser zu erwartenden gesetzlichen Neuregelung hält der Senat, ebenso wie das OLG Köln in seinem gerichtlichen Hinweis vom 12.3.2007 in dem Rechtsstreit 5 u 228/06 (Anlage BE 2 zur Berufungserwiderung der Beklagten), die Herleitung weitergehender Auskunftspflichten aus § 242 BGB nicht für angebracht.

12

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

13

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen dafür gem. § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.