Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 26.07.2007, Az.: 6 U 12/07
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 26.07.2007
- Aktenzeichen
- 6 U 12/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 59364
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2007:0726.6U12.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - 14.12.2006 - AZ: 5 O 266/06
- nachfolgend
- BGH - 13.02.2008 - AZ: IV ZR 217/07
Fundstellen
- ErbR 2009, 103-104 (Volltext mit red. LS)
- OLGReport Gerichtsort 2008, 446-447
- ZEV 2008, 485 (Volltext mit red. LS)
- ZErb 2008, 208-209 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
...
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14. Dezember 2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25 564,60 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerinnen begehren Abfindung für einen Erbverzicht.
Sie, I.K. und die Beklagte sind die vier Töchter des am 29. November 1982 vorverstorbenen Bäckermeisters H.G. und dessen am 25. November 2001 verstorbener Ehefrau E.G.. Die Beklagte ist die Erbin der Erblasser aufgrund deren gemeinschaftlichen Testaments vom 11. August 1977. Die Klägerinnen und I.K. sind durch dieses Testament enterbt worden. Aufgrund notariellen Vertrags vom selben Tage verpflichteten die Erblasser sich als Gesamtschuldner, bis zum 31. Dezember 1978 je 25 000 DM an ihre drei enterbten Töchter zu zahlen. Unter der Bedingung der Erfüllung dieses Versprechens erklärten die Klägerinnen und I.K. sich ihren Eltern gegenüber wegen ihrer künftigen gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsansprüche für abgefunden und verzichteten auf diese. Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass I.K. 25 000 DM in der Folge erhalten hat.
Die Klägerinnen haben mit der am 22. August 2006 erhobenen Klage Zahlung von je 25 000 DM nebst Zinsen begehrt. Die Beklagte hat Abweisung der Klage erstrebt. Sie hat behauptet, ihr Vater habe die Ansprüche erfüllt. Außerdem hat sie die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat die Zeugin K. zur Frage der Erfüllung vernommen. Mit dem angefochtenen Urteil hat es der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, aufgrund der Beweisaufnahme sei nicht bewiesen, dass die Erblasser ihre Verpflichtungen gegenüber den Klägerinnen erfüllt hätten; deren Ansprüche seien nicht verjährt, weil es sich um erbrechtliche Ansprüche handele. Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit welcher sie ihr erstinstanzliches Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt.
II.
Die Berufung ist begründet.
1. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Zahlung von je 25 000 DM aus dem Erbverzichtsvertrag, weil die Beklagte von dem diesem zugrunde liegenden Grundgeschäft (Verpflichtung der Klägerinnen zum Erb- und Pflichtteilsverzicht gegen Verpflichtung der Erblasser zur Zahlung der Abfindungen) wirksam am 10. Juli 2007 den Rücktritt erklärt hat. Die Geschäftsgrundlage für diesen Vertrag ist entfallen, ohne dass eine Anpassung an die veränderten Umstände möglich wäre (vgl. § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB). Der durch die Zahlung der Abfindung aufschiebend bedingte Erb- und Pflichtteilsverzicht konnte zwar nach deren Zahlung auch nach Eintritt der Erbfälle noch wirksam werden, er ist aber aus der maßgeblichen Sicht der Erblasser, zu deren Gunsten er erklärt wurde, inzwischen wirtschaftlich sinnlos geworden. Die Beklagte konnte während unverjährter Zeit der Pflichtteilsansprüche der Klägerinnen diesen nur durch Zahlung der jeweils 25 000 DM entgehen. Diese Zahlung hätte zum Wegfall der mit den Erbfällen auflösend bedingt durch die Zahlung der Abfindungen entstandenen Pflichtteilsansprüche der Klägerinnen geführt, die inzwischen verjährt sind, so dass die Erblasser den Verzicht der Klägerinnen nicht mehr benötigen, um sich von der Belastung ihrer zu vererbenden Vermögen mit dem Pflichtteil der Klägerinnen zu befreien. Die Tatsache, dass die Beklagte den Pflichtteilsverzicht der Klägerinnen jederzeit durch Zahlung der Abfindungen wirksam werden lassen konnte, ändert nichts daran, dass die Pflichtteilsansprüche der Klägerinnen mit dem Erbfall entstanden und deren Verjährung lief, sobald die Klägerinnen nach dem Tode der Erblasser Kenntnis von dem Testament vom 11. August 1977 hatten, durch das sie enterbt waren.
2. Unabhängig davon ist ein Anspruch der Klägerinnen auf Zahlung von je 25 000 DM verjährt.
a) Es handelt sich bei dem Anspruch nicht um einen erbrechtlichen, sondern um einen schuldrechtlichen. Die Tatsache, dass die Klägerinnen die Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung eingegangen sind, die im Erbrecht ihre Grundlage hat, bedeutet nicht, dass die Zahlungsverpflichtung, welche die Erblasser als Gegenleistung dafür eingegangen sind, im Erbrecht gründet; sie ist rein schuldrechtlicher Natur (§ 241 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sie hat ihren Ursprung im zweiten und nicht im fünften Buch des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Auch aus der von den Klägerinnen vorgelegten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18. April 2007 - IV ZR 279/05 - (Bl. 169 d.A.) ergibt sich nichts anderes, weil diese einen Fall betrifft, der im fünften Buch des Bürgerlichen Gesetzbuchs geregelt ist. Die vom Bundesgerichtshof angeführte Motivationslage des Gesetzgebers für die Beibehaltung der 30-Jahresfrist bei erbrechtlichen Ansprüchen, dass bei Ansprüchen unter Verwandten persönliche Rücksichten darauf, ob und wann die gerichtliche Klärung eines Anspruchs sinnvoll erscheint, eher Anerkennung verdienen als im Bereich geschäftlicher Beziehungen bedeutet nicht, dass rein schuldrechtliche Ansprüche, bei denen diese Motivationslage auch bestehen mag, ebenfalls der 30-jährigen Verjährung zu unterwerfen sind. Dies führte gerade zu einer Verwässerung des nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom Gesetzgeber erstrebten Ziels der Verjährungsregelung, Einheitlichkeit und Klarheit zu schaffen.
b) Die am 4. August 2006 eingereichte und am 22. August 2006 zugestellte Klage hat die Verjährung nicht gehemmt. Diese war mit Ablauf des 31. Dezember 2004 bereits eingetreten, worauf der Senatsvorsitzende schon mit Schreiben vom 22. März 2007 (Bl. 118 f.d.A.) hingewiesen hat. Seit dem 1. Januar 2002 lief die regelmäßige Verjährung von drei Jahren (§ 195 BGB). Sie löste an diesem Tag die 30-jährige Verjährung (§ 195 BGB a.F.) ab (Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB), die am 1. Januar 1979 begonnen hatte, als die Stundung der für den Erb- und Pflichtteilsverzicht vereinbarten Abfindung bis zum 31. Dezember 1978 beendet war.
3. Die Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen vom 12. und 18. Juli 2007 gaben dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, während der Antrag in dem Schriftsatz vom 12. Juli 2007, eine Erklärungsfrist zu der Rücktrittserklärung der Beklagten zu bestimmen, nicht zu berücksichtigen war, weil er nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden konnte. Ein Wertersatzanspruch der Klägerinnen kommt nicht in Betracht. Die Beklagte hat durch das dem Erb- und Pflichtteilsverzicht zugrunde liegende Grundgeschäft nichts erlangt. Dieser Verzicht ist nicht wirksam geworden. Die aufschiebende Bedeutung, unter welcher er stand, ist nicht eingetreten. Die Abfindungsversprechen an die Klägerinnen sind unerfüllt geblieben. - Die Anfechtung des gemeinschaftlichen Testamentes durch die Klägerinnen ist wirkungslos. Die Erblasser hätten nicht anders als geschehen testiert, wenn sie bedacht hätten, dass die Klägerinnen die Abfindungsansprüche verjähren ließen. Denn allein die Klägerinnen hatten es in der Hand, die Abfindungen rechtzeitig zu fordern.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1, 2 ZPO. Den Klägerinnen war nicht zu gestatten, die Vollstreckung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Beklagten abzuwenden. Sie haben nicht dargetan, dass die Vollstreckung durch die Beklagte ihnen einen nicht zu ersetzenden Nachteil brächte (§ 712 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 ZPO).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.