Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 03.07.2007, Az.: 2 W 56/07
Entfallen der vertraglich vereinbarten Betriebspflicht bei Verlusten auf Grund einer hypothetischen Betriebsfortführung; Erstreiten eines Titels über einen vertraglich vereinbarten Anspruch auf Erfüllung der Betriebspflicht durch den Vermieter eines Ladenlokals
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 03.07.2007
- Aktenzeichen
- 2 W 56/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 35589
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2007:0703.2W56.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hildesheim - 19.06.2007 - AZ: 3 O 146/07
Rechtsgrundlagen
- § 888 ZPO
- § 893 ZPO
Fundstellen
- GuT 2007, 296
- IWR 2007, 79
- Info M 2008, 22
- MietRB 2007, 288
- NJW-RR 2008, 168-169 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW-Spezial 2007, 499 (Kurzinformation)
- NZM 2007, 838-839 (Volltext mit amtl. LS)
- OLGReport Gerichtsort 2007, 582-583
Amtlicher Leitsatz
- 1)
Die vertraglich vereinbarte Betriebspflicht entfällt nicht schon deshalb, weil die Fortführung des Betriebes zur Folge hätte, dass Verluste erwirtschaftet werden.
- 2)
Der Vermieter eines Ladenlokals ist mit Rücksicht auf § 893 ZPO nicht gehindert, einen Titel über seinen vertraglich vereinbarten Anspruch auf Erfüllung der Betriebspflicht zu erstreiten, auch wenn auf Grund der aktuellen finanziellen Leistungsunfähigkeit des Mieters die Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO voraussichtlich ins Leere laufen wird.
In der Beschwerdesache
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #,
den Richter am Oberlandesgericht # und
den Richter am Amtsgericht #
am 3. Juli 2007
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten zu 1 vom 22. Juni 2007 gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 19. Juni 2007 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Beschwerdewert: 3.600 EUR
Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten zu 1 hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die nachgesuchte Prozesskostenhilfe versagt, weil die Rechtsverteidigung der Verfügungsbeklagten zu 1 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
1.
In § 10 des Mietvertrages vom 12. Oktober 2007 haben die Parteien dadurch, dass sie vereinbart haben, dass der Mieter nicht berechtigt ist, das Geschäftslokal zu schließen oder den Geschäftsbetrieb einzustellen, für die Verfügungsbeklagten eine Betriebspflicht begründet. Auch wenn es sich hierbei um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, bestehen gegen die Wirksamkeit der Klausel keine Bedenken (vgl. BGH NJWRR 1992, 1032), solche bringt die Verfügungsbeklagte zu 1 auch nicht vor.
Die damit vereinbarte Betriebspflicht rechtfertigt den Anspruch des Verfügungsklägers als Vermieter, die Verpflichtung zur Offenhaltung des Geschäfts während der üblichen Geschäftszeiten gegenüber beiden Verfügungsbeklagten als Mieterinnen im Wege einstweiliger Verfügung durchzusetzen, um eine Beeinträchtigung der Attraktivität der gesamten Ladenzeile nicht zu beeinträchtigen (vgl. OLG Düsseldorf ZMR 2001, 131, 132). Die Verfügungsbeklagte zu 1 als eine der Mieterinnen wird von der Betriebspflicht weder durch die behauptete und durch zwei Atteste nur unzureichend belegten wechselnden Erkrankungen noch durch die mangelnde Rentabilität des Geschäfts befreit (vgl. OLG Düsseldorf ZMR 2004, 508).
Dass die Verfügungsbeklagte zu 1 aus Gründen von Erkrankungen selbst den Geschäftsbetrieb nicht aufrecht erhalten kann, ist nicht entscheidend. Wenn die Verfügungsbeklagte zu 2 den Geschäftsbetrieb nicht allein aufrechterhalten kann, müssen sich die Verfügungsbeklagten für die Öffnung des Ladenlokales eines Dritten bedienen. Darauf, dass die Ertragssituation eine derartige Vertretung als unwirtschaftlich erscheinen lässt, kann sich die Verfügungsbeklagte zu 1 im Verhältnis zum Verfügungskläger nicht berufen. Da die Geschäftsentwicklung und damit auch die Notwendigkeit der Inanspruchnahme einer Hilfskraft dem unternehmerischen Risiko des Mieters zuzuordnen ist, entfällt die vertraglich vereinbarte Betriebspflicht auch dann nicht, wenn die Fortführung des Betriebes zur Folge hätte, dass nur Verluste erwirtschaftet werden, so dass es vorteilhafter wäre, das Objekt zu schließen (vgl. BGH a. a. O.; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet, Pacht und Leasingrechts, 9. Aufl., Rdnr. 609).
Hinzu kommt, dass die Krankheit und behauptete Mittellosigkeit der Verfügungsbeklagte zu 1 und Beschwerdeführerin nicht auszuschließen vermag, dass sie auf die Verfügungsbeklagte zu 2 als Mitmieterin einwirkt und sie zur Fortsetzung des Geschäftsbetriebes veranlasst und zwar entweder persönlich oder durch einen Ditten. Dass auch die Verfügungsbeklagte zu 2 durch Krankheit an einer Fortführung des Betriebes gehindert wäre, behauptet die Verfügungsbeklagte zu 1 nicht. Im Übrigen hat der Verfügungskläger zwar ein Schreiben der Verfügungsbeklagten zu 2 vom 7. Mai 2007 vorgelegt, wonach diese nicht über die finanziellen Mittel zur Fortführung des Geschäfts verfügt und finanzielle Probleme hat. Das genügt aber nicht für den von der Verfügungsbeklagten zu 1 zu führenden Nachweis, dass beiden Mieterinnen - notfalls unter Einsatz von Fremdpersonal - die Fortführung des Geschäfts unmöglich ist. Immerhin hat die Verfügungsbeklagte zu 2 keinen Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung eingelegt. Es kann von der Verfügungsbeklagten zu 1, die unter dem 19. März 2007 mit der Verfügungsbeklagten zu 2 eine Übernahme des Geschäfts durch die Verfügungsbeklagte zu 2 allein vereinbart hat, erwartet werden, dass sie auf die Verfügungsbeklagte zu 2 einwirkt, dass diese den vertraglichen Pflichten beider Mieterinnen gegenüber dem Verfügungskläger als Vermieter nachkommt. Insofern kann die Verfügungsbeklagte zu 1 ihrer Leistungsverpflichtung nachkommen.
2.
Ein Grund für eine einstweilige Verfügung fehlt im Streitfall auch nicht, weil anzunehmen wäre, dass die nach § 888 ZPO zu bewirkende Zwangsvollstreckung (vgl. Senat NJWRR 1996, 585; OLG Düsseldorf NJWRR 1997, 648) bei der Verfügungsbeklagten zu 1 wegen Unmöglichkeit nicht zur Verhängung von Zwangsmitteln führen könnte (vgl. hierzu OLG Karlsruhe MDR 2007, 577; OLG Hamm NJWRR 1988, 1087; OLG Stuttgart MDR 2006, 293 [OLG Stuttgart 26.07.2005 - 5 W 36/05]; vgl. auch OLG Celle MDR 1998, 923 [OLG Celle 26.11.1997 - 4 W 253/97]).
Steht nicht fest, dass die Erfüllung der mit der einstweiligen Verfügung vom 22. Mai 2007 titulierten Betriebspflicht der Verfügungsbeklagten zu 1 unmöglich ist, wird der Verfügungskläger die Vollstreckung gegenüber der Verfügungsbeklagten zu 1 zunächst einmal betreiben können und dürfen. Selbst wenn man jetzt schon annehmen würde, dass eine solche Vollstreckung nach § 888 ZPO gegen die Verfügungsbeklagte zu 1 wegen ihrer finanziellen Situation keinen Erfolg hätte, wäre der Verfügungskläger nicht gehindert, gleichwohl im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens seinen Leistungsanspruch titulieren zu lassen. Dies folgt aus § 893 ZPO, der klarstellt, dass die Geltendmachung von Schadensersatz trotz eines bereits erstrittenen Titels, der auf eine Individualleistung gerichtet ist, zulässig ist. § 893 ZPO betrifft insbesondere die Fälle, in denen der Gläubiger eine Handlung nicht erzwingen kann, weil die Zwangsvollstreckung wegen der finanziellen Situation des Schuldners ins Leere läuft. Aus dieser gesetzlichen Regelung folgt, dass ein Gläubiger regelmäßig zunächst seinen bestehenden Anspruch auf Leistung titulieren lassen und die Zwangsvollstreckung aus dem Titel betreiben darf, ohne schon im Klageverfahren darauf verwiesen zu werden, es sei schon jetzt abzusehen, dass die Zwangsvollstreckung voraussichtlich ins Leere laufe.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO, Nr. 1812 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG.
Streitwertbeschluss:
Beschwerdewert: 3.600 EUR
Die Wertfestsetzung erfolgt mit Rücksicht auf die anwaltlichen Gebühren nach dem für die Hauptsache maßgeblichen Gegenstandswert, Nr. 3335 Abs. 1 1. Halbsatz des Vergütungsverzeichnisses zu § 2 Abs. 2 RVG. Den Streitwert der Hauptsache hat das Landgericht zu Recht auf 3.600 EUR festgesetzt.