Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 29.01.2015, Az.: 6 U 33/14

Abstandnahme vom Urkundenprozess im Berufungsverfahren über ein Vorbehaltsurteil

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
29.01.2015
Aktenzeichen
6 U 33/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 23237
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2015:0129.6U33.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 11.02.2014

Fundstellen

  • AW-Prax 2016, 219
  • BauR 2015, 1218
  • BauR 2015, 1219
  • IHR 2015, 247-249
  • MDR 2015, 671
  • PAK 2015, 152

Amtlicher Leitsatz

Legt der Beklagte gegen das Vorbehaltsurteil im Urkundenprozess Berufung ein, kann der Kläger im Berufungsverfahren vom Urkundenprozess abstehen, auch wenn die Frist für die Anschlussberufung verstrichen ist.

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 11. Februar 2014 verkündete Vorbehaltsurteil des Vorsitzenden der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hildesheim ist in der Hauptsache erledigt.

Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 165.810,64 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2013 zu zahlen. Die weitergehende Anschlussberufung wird unter teilweiser Abweisung der Klage zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 15 % und die Beklagte 85 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils für die jeweils andere Partei vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 195.196,16 € festgesetzt.

Gründe

A.

Die Klägerin verlangt den Kaufpreis für gelieferte Ware.

Sie stellt Geräte, Einrichtungsgegenstände und Verbrauchsmaterial her für Labore in der Histologie, Zytologie und Pathologie. Die Beklagte handelt mit diesen Artikeln. Die Klägerin lieferte der M- s.r.l. mit Sitz bei Verona in Italien im Jahre 2010 solche Artikel zum Preise von insgesamt 195.196,16 €. Die Auftragsbestätigungen der Klägerin an die M- s.r.l. enthalten den Vermerk:

"Terms of delivery: EXW-Ex Works."

Aufgrund notariellen Vertrages vom 16. März 2011 (Leitzordner 2 Hefter I Anlage B 1) übertrug die Klägerin, einzige Gesellschafterin der M- s.r.l., ihre Gesellschaftsanteile an dieser auf die Beklagte. Diese verbürgte sich in dem Vertrage für die Schuld der M- s.r.l. gegenüber der Klägerin für deren Lieferungen und gegebene Gesellschafterdarlehen in Höhe von 1.046.935 €. Aufgrund notariellen Vertrages vom 14. Dezember 2011 verschmolzen die M- s.r.l. und die Beklagte.

Die Klägerin hat im Urkundenprozess 195.196,16 € nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen geltend gemacht. Sie hat dazu Aufträge, Auftragsbestätigungen und Lieferscheine vorgelegt, die ausnahmslos nicht unterschrieben sind. Auf diese hat sie ihre Forderung gestützt. Außerdem hat sie vorgetragen, auf die Forderung von 1.046.935 € ständen nach Zahlungen und Aufrechnungen noch 227.877,92 € offen.

Die Beklagte hat Abweisung der Klage erstrebt. Sie hat gemeint, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte sei nicht gegeben. Ferner hat die Beklagte behauptet, in Höhe von 49.800 € habe sie die Klagforderung erfüllt. Schließlich hat sie aufgerechnet mit dem Betrag von 150.869 €. Dazu hat sie behauptet, die Klägerin habe sie durch unrichtige Bilanzierung der M- s.r.l. geschädigt.

Das Landgericht hat der Klage durch Vorbehaltsurteil stattgegeben. Es hat den Erfüllungseinwand für substanzlos gehalten und die Schadensersatzforderung für mit im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln nicht beweisbar.

Gegen dieses Urteil, auf das zur näheren Sachdarstellung verwiesen wird, hat die Beklagte sich mit der Berufung gewendet, mit welcher sie ihr Ziel weiterverfolgt hat.

Nach Hinweis des Senatsvorsitzenden in der Verfügung vom 18. September 2014 hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 11. November 2014 erklärt, vom Urkundenprozess abzustehen. Hierauf hat die Beklagte ihre Berufung für erledigt erklärt. Dem hat die Klägerin widersprochen und beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin

1. 195.196,16 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit den Zeitpunkten in den Jahren 2010 und 2011 zu zahlen, die sich aus der im Antrag genannten Zinsstaffel ergeben, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Schriftsatz vom 21. Juni 2013, Bl. 55 - 57 d. A.),

2. 3.629 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung unter Abweisung der im ordentlichen Verfahren verfolgten Klage als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise,

sie zurückzuweisen.

Sie hat ausgeführt, warum aus ihrer Sicht die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht gegeben sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

Die Berufung ist erledigt, die Anschlussberufung zulässig und weitgehend begründet.

(A)

Die Berufung war zulässig und begründet und ist durch Abstehen der Klägerin vom Urkundenprozess unzulässig geworden.

I.

Die Klage war unzulässig.

Dieses gilt sowohl für den Klaggrund "Lieferungen aufgrund von Kaufverträgen der Klägerin mit der M- s.r.l. an diese im Jahre 2010" als auch für denjenigen "Bürgschaft seitens der Beklagten für die Verbindlichkeiten aus Lieferungen an M- s.r.l. in dem Vertrag zwischen den Parteien vom 16. März 2011". Die Klage war in der gewählten Prozessart des Urkundenprozesses unstatthaft. Die Klägerin hat den ihr obliegenden Beweis nicht mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln angetreten (§ 597 Abs. 2 Fall 1 ZPO).

1. Die von ihr vorgelegten Auftragsschreiben der M-s.r.l., ihre Auftragsbestätigungen und Lieferscheine sind keine zur Beweisführung für die Kaufverträge geeigneten Urkunden, auf Parteivernehmung von damaligen Vertretern der M-s.r.l. hat sie sich nicht bezogen (§ 595 Abs. 2 ZPO), und das Nichtbestreiten der Verträge durch die Beklagte, auf welche die Verbindlichkeiten der mit ihr verschmolzenen M- s.r.l. übergegangen sind [Art. 2504 bis Abs. 1 il codice civile italiano (Cc.)], macht die Vorlage solcher Urkunden nicht entbehrlich. Die vorgelegten Unterlagen enthalten keine Unterschriften von Ausstellern, ohne welche sie als Urkunden nicht beweiskräftig sind (§ 416 ZPO).

Nichtbestreiten von Tatsachen kann zwar die Vorlage von Urkunden entbehrlich machen, wenn auf diese Weise Lücken in der Beweisführung mit Urkunden sich schließen lassen, führt jedoch nicht zur Zulässigkeit der Prozessart des Urkundenprozesses, wenn der Kläger überhaupt keine Urkunden zum Beweise vorlegen kann (vgl. BGHZ 62, 286 / 292).

2. Mit dem zweiten Klaggrund ist die Klage aus zwei Gründen unzulässig.

a) Die Ausführungen zu vorstehend Nr. 1 gelten entsprechend, auch wenn urkundenbeweisbar ist, dass die Beklagte sich für Schulden der M- s.r.l. aus Kauf- und Darlehensverträgen mit der Klägerin dieser gegenüber in Höhe von 1.046.935 € verbürgt hat, und diese Bürgschaftsverpflichtung trotz Vereinigung von Haupt- und Bürgschaftsschuld bei der Beklagten infolge Verschmelzung mit der M- s.r.l. fortbesteht (Art. 1255 Cc.). Zum Beweis des Bestehens der Bürgschaftsschuld durch die Klägerin gehört auch der Beweis, dass die Hauptverbindlichkeit, für welche die Bürgschaft eingegangen ist, entstanden ist (s. Soergel/Häuser, BGB, 12. Aufl., § 765 Rn. 205).

b) Für die Entscheidung über diesen Klaggrund sind die deutschen Gerichte international nicht zuständig. Die Parteien haben in der Vollmacht M. O.s, des Geschäftsführers der Klägerin, vom 2. März 2011, welche sie zum Gegenstand des Vertrages betreffend die Übertragung der Geschäftsanteile der Klägerin an der M- s.r.l. auf die Beklagte vom 16. März 2011 gemacht haben, die italienischen Gerichte zur Entscheidung berufen. In Art. 9 dieser Vollmacht heißt es, "für alle Rechtsstreitigkeiten aus Erfüllung ... dieses Vertrages (sei) ausschließlich das Gericht in Verona zuständig."

II.

Die Beschwer durch das angefochtene Vorbehaltsurteil, gegen welche die Beklagte sich mit ihrer Berufung gewandt hat, ist entfallen. Dieses Urteil ist durch Abstehen der Klägerin vom Urkundenprozess entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2, § 525 Satz 1 Halbs. 1 ZPO wirkungslos geworden.

(B)

Die Anschlussberufung hat weitgehend Erfolg.

I.

Sie ist zulässig, obwohl die Frist für ihre Einlegung verstrichen war (§ 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO), als die Klägerin in der Verhandlung am 11. November 2014 vom Urkundenprozess abstand. Die genannte Vorschrift ist wegen ihres Zwecks, Prozesse zu beschleunigen, indem die in der Berufung beklagte Partei das Gericht nicht zeitlich unbegrenzt mit Prozessstoff befrachtet, der neu ist, einschränkend dahin auszulegen, dass sie nicht gilt, wenn der in der Berufung beklagte Kläger lediglich seinen Antrag aufgrund von abweichender Rechtsansicht des Berufungsgerichts dem unveränderten Klaggrund anpasst [s. ähnlich BGH Urt. v. 12. Jan. 2006 zu VII ZR 73/04, zit. n. juris: Rn. 9 & 10, der hier schon keine Anschlussberufung annimmt; Urt. d. Sen. v. 27. Feb. 2014 zu 6 U 123/11 unter (A), rechtskräftig seit Beschluss des BGH v. 19. Nov. 2014 zu IV ZR 109/14].

II.

Die Anschlussberufung ist auch weitgehend in der Sache gerechtfertigt.

1. Die Klage ist im ordentlichen Verfahren mit dem Klaggrund "Lieferungen aufgrund von Kaufverträgen der Klägerin mit der M- s.r.l. an diese im Jahre 2010" zulässig.

a) Die Klagänderung, welche die Rechtsprechung im Abstehen vom Urkundenprozess in der Berufungsinstanz sieht (BGH NJW 2012, 2662 [BGH 04.07.2012 - VIII ZR 109/11]), ist zulässig (§ 533 Nr. 1 Fall 2 Nr. 2 ZPO). Sie ist sachdienlich, weil der Senat ohne weitere Sachaufklärung abschließend entscheiden kann, und die Klägerin kann sie auf Tatsachen stützen, die der Senat seiner Entscheidung ohnehin zugrunde zu legen hat.

b) Die deutschen Gerichte sind für die Entscheidung international zuständig. Dieses ergibt sich aus Art. 7 Satz 1 Buchst. a, b Gedankenstrich 1 EuGVVO. Der Ort, an dem die Klägerin der M-s.r.l. die Waren geliefert hat, ist an ihrem Sitz in Burgdorf. Aus für die Klägerin und die M-s.r.l. üblichem Handelsbrauch in Gestalt von "A4 Delivery" in den "International commercial terms" geht hervor, dass die Ware der M-s.r.l. an dem von der Klägerin benannten Ort "Burgdorf" zur Verfügung zu stellen war. Den Auftragsbestätigungen seitens der Klägerin, denen die M-s.r.l. nicht widersprochen hat, ist die Vereinbarung "Terms of delivery: EXW - Ex works" zu entnehmen, die "A4 Delivery" in den "Incoterms" benennt (dazu: EuGH EuZW 2011, 603 [EuGH 09.06.2011 - Rs. C-87/10]).

2. Die Klage ist weitgehend begründet.

a) Die Klägerin hat gegen die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der M-s.r.l. Anspruch auf Zahlung des Entgelts aus zwischen der M-s.r.l. und ihr im Jahre 2010 geschlossenen Kaufverträgen (Art. 53 CISG) über in Laboren in der Histologie, Zytologie und Pathologie verwendbaren Gegenständen in Höhe von 165.810,64 € (= 195.196,16 € - 29.385,52 €).

aa) Auf die Vertragsverhältnisse ist das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) anzuwenden (Art. 3 Nr. 2 EGBGB, Art.1 Abs. 1 Buchst. a, Art. 53 CISG).

bb) Der Kaufpreisanspruch ist in Höhe von 195.196,16 € entstanden. Das Bestreiten seitens der Beklagten, dass die Klägerin ihr die berechneten Waren geliefert hat, mit Nichtwissen (Seite 9 des Schriftsatzes vom 6. Dezember 2013 - Bl. 199 d. A.) ist unzulässig (§ 138 Abs. 4 ZPO). Der Erhalt der Waren ist Gegenstand eigener Wahrnehmungsfähigkeit der Beklagten, die der eigenen Wahrnehmung gleichsteht (s. Baumbach/Hartmann, ZPO, 73. Aufl., § 138 Rn. 53). Die Beklagte kann sich, nachdem sie in die Stellung der Alleingesellschafterin der M-s.r.l. durch Erwerb aller Geschäftsanteile an dieser von der Klägerin eingerückt ist, die Kenntnis verschaffen, welche Waren die M- s.r.l. im Jahre 2010 von der Klägerin erhalten hat.

cc) In Höhe von 29.385,52 € ist der Kaufpreisanspruch erloschen.

(1) Die Beklagte hat ihn in dieser Höhe erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Indem sie in ihrer Überweisung von 49.800 € an die Klägerin vom 28. Februar 2012 (Seite 1 der Anlage B 2 im LO 2 Hefter I) als Verwendungszweck die Rechnungsnummern 4096372 bis 4001165 genannt hat, hat sie die Schulden aus den Rechnungen 4000418 bis 4001127 gemäß Auflistung zu Nr. 1 - 14 in Bl. 4 der Anlage B 3 im LO 2 (siehe auch S. 4 des Schriftsatzes vom 4. November 2013, Bl. 159 d. A.) zur Tilgung bestimmt (§ 366 Abs. 1 BGB). Das Vorbringen der Klägerin (Seite 8 des Schriftsatzes vom 25. November 2013 - Bl. 178 d. A.), angesichts der seitens der Beklagten in dem Vertrag über die Abtretung der Geschäftsanteile vom 16. März 2011 anerkannten Gesamtforderung aus Kauf- und Gesellschafterdarlehensverträgen in Höhe von 1.046.935 € ergebe sich, auch wenn man alle Zahlungen seitens der Beklagten und alle von ihr erhobenen Gegenforderungen berücksichtige, noch eine Restforderung in Höhe von 227.877,92 €, ist unerheblich. Gegenstand der vorliegenden Klage sind nur die Kaufpreisforderungen in Höhe von 195.196,16 €.

Der "Hinweis" der Klägerin auf S. 4 f. des Schriftsatzes vom 15. Januar 2015 (Bl. 513 f. d. A.) rechtfertigt keine Wiedereröffnung der Verhandlung (§ 156 ZPO). Der Klägerin war eine Erklärungsfrist nur zu dem neuen tatsächlichen Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 15. Dezember 2014 gewährt worden (Beschluss des Senats vom 16. Dezember 2014, Bl. 484 d. A.).

(2) Ein Erlöschen der Kaufpreisforderung darüber hinaus infolge Aufrechnung seitens der Beklagten (§ 389 BGB) lässt sich nicht feststellen.

(a) Die Beklagte hat gegen die Klägerin keinen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB). Aus der Tatsache, dass die Beklagte auf die Forderung aus der Rechnung Nr. 4000418 29.000 € gezahlt hat, während die Klägerin jene nur in Höhe von 20.838.92 € geltend macht (Bl. 60 d. A. i. V. m. Anlagenkonvolut 1 zur Anspruchsbegründung im LO 1), lässt sich nicht herleiten, dass die Beklagte der Klägerin 8.161,08 € ohne rechtlichen Grund geleistet hat. Die Rechnung (a. E. des Anlagenkonvoluts 1 zur Anspruchsbegründung - im LO 1) lautet nämlich über 29.000 €.

(b) Die Beklagte kann von der Klägerin nicht Schadensersatz in Höhe von 150.869 € verlangen. Das italienische Recht lässt die Aufrechnung mit dieser Forderung nicht zu.

(aa) Auf die Aufrechnung ist italienisches Recht anzuwenden.

Das nach Art. 17 der Rom I-VO für die Aufrechnung maßgebliche Recht ist das UN-Kaufrecht. Da dieses die Frage der Aufrechnung zwischen den Vertragspartnern (vgl. Art. 4 CISG) nicht regelt, ist auf Art. 4 Rom I-VO zurückzugreifen. Da dieses die Anwendung von Recht auf Verträge allgemein regelt, aber nur "mangels Rechtswahl", ist hier für die Aufrechnungsforderung das italienische Recht maßgeblich, weil die Vertragspartner dieses in dem Vertrag über die Abtretung der Geschäftsanteile so vereinbart haben.

Der Anspruch, den die Beklagte wegen von ihr behaupteter nicht der Garantie der Klägerin entsprechender Werthaltigkeit der ihr - der Beklagten - abgetretenen Geschäftsanteile an der M- s.r.l. geltend macht, folgt aus Verletzung des Vertrages betreffend die Abtretung dieser Anteile, in dessen Vollmacht des Geschäftsführers der Klägerin zu diesem Vertrage, die dessen Bestandteil ist, die Parteien in Art. 9 Satz 1 vereinbart haben, "für diesen Vertrag g(e)lt(e) italienisches Recht."

(bb) Die Voraussetzungen, die das italienische Recht an die Aufrechnung vor Gericht knüpft (Art. 1243 Abs. 2 Codice civile italiano), liegen nicht vor. Die zur Aufrechnung eingewendete Schuld der Klägerin ist nicht leicht und schnell festzustellen (ebenso in einem ähnlich gelagerten Fall: BGH Urt. v. 14. Mai 2014 zu VIII ZR 266/13, zit. n. juris: Rn. 16 - 27). Unterstellt, das Vorbringen der Beklagten zu ihrer Gegenforderung wäre hinreichend vollständig (§ 138 Abs. 1 Fall 1 ZPO), um berücksichtigt zu werden, wäre angesichts des Bestreitens seitens der Klägerin (Seite 12 des Schriftsatzes vom 25. November 2013 - Bl. 182 d. A.) sachverständige Begutachtung zum Wert der Geschäftsanteile bei Vertragsschluss am 16. März 2011 erforderlich.

b) Die Klägerin kann Verzinsung der ihr zustehenden Hauptforderung in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz erst seit dem 1. Januar 2013 verlangen (§ 288 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 286 Abs. 1 Satz 1, entsprechend § 187 Abs. 1 BGB). Die Klägerin hat der Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 18. Dezember 2012 (Anlage K 80 in LO 1) eine Frist zur Zahlung bis zum 31. Dezember 2012 bestimmt. Der Vermerk auf den Rechnungen "Payment 60 days net" hat keinen Zahlungsverzug der Beklagten nach Ablauf des genannten Zeitraums ausgelöst. Das Übersenden einer Rechnung ist, auch wenn diese eine Zahlungsfrist enthält, keine Mahnung (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 286 Rn. 18). Vielmehr darf der Schuldner das Bezeichnen der Frist als sog. Zahlungsziel, d. h. Angebot zur Stundung bis zu dem genannten Zeitpunkt verstehen.

c) Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten besteht nicht. Weder hat sie vorgetragen, dass die Beklagte bereits in Verzug war, als sie Anwälte mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragte, noch, dass dieses anfangs nur zu außergerichtlicher Erledigung der Angelegenheit geschehen ist.

(C)

Die mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2014 angekündigte Widerklage ist nicht erhoben worden (Bl. 483 d. A.).

Die Nebenentscheidungen folgen aus entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1, § 525 Satz 1 Halbs. 1, aus § 92 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, § 708 Nr. 10 Satz 1 und § 711 Satz 1, 2 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).