Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 19.01.2015, Az.: 6 W 225/14

Umfang der Nichterhebung von Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
19.01.2015
Aktenzeichen
6 W 225/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 23233
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2015:0119.6W225.14.0A

Amtlicher Leitsatz

Die Vorschrift des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG hindert das Gericht nicht, die Nichterhebung von Kosten insoweit nicht zu beschließen, als solche bei richtiger Behandlung der Sache entstanden wären.

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird teilweise geändert. Die durch die Tätigkeit Dipl.-Ing. D.s, Dipl. Ing. (FH) S.s, Dipl.-Ing. B. und Dipl.-Ing. G.s entstandenen Kosten werden, soweit nicht schon das Landgericht beschlossen hat, sie nicht zu erheben, nicht erhoben bis auf 6.500 €. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Seine Zulässigkeit ergibt sich aus entsprechender Anwendung des § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG. Da der Kostenschuldner kraft Gesetzes berechtigt ist, mit der Erinnerung gegen den Kostenansatz und anschließend der Beschwerde gegen die gerichtliche Entscheidung über jene geltend zu machen, die angesetzten Kosten seien nicht zu erheben, muss er diese Möglichkeit auch haben, wenn das Gericht es abgelehnt hat, Kosten nicht zu erheben, bevor der Kostenansatz ergangen ist (vgl. auch: Beschl. d. Sen. v. 6. Okt. 2011 zu 6 W 215/11 m. w. N.).

II.

Von den 12.384,83 € Kosten, die durch die Tätigkeiten der Ingenieure über die 3.481,11 € hinaus, welche das Landgericht schon nicht erhoben hat, entstanden sind [15.865,94 € (Gesamtkosten) - 3.481,11 €], sind 5.884,83 € nicht zu erheben.

1. Sämtliche dieser Kosten wären bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GKG).

a) Das Gericht hätte richtig gehandelt, wenn es den Ingenieuren S., B. und G. die von ihnen nach dem JVEG berechnete Vergütung nicht gezahlt hätte. Es hatte diese Ingenieure nicht in einer Weise mit gutachterlicher Tätigkeit beauftragt, die allein ihnen Anspruch auf Vergütung als Sachverständige nach dem JVEG hätte verschaffen können (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 Halbs. 1 JVEG).

aa) Dieses ergibt sich für die Ingenieure S. und B. aus folgendem.

(1) Die Ernennung der Ingenieure S. und B. zu Sachverständigen wegen der Mängel Heizung und Sanitär im ersten sowie Statik im zweiten Falle durch Beschluss des Gerichts vom 17. Januar 2013 (Bl. 919 d. A.; § 404 Abs. 1 ZPO) hat keine Ansprüche dieser Ingenieure auf Vergütung nach dem JVEG ausgelöst. Sie haben nach diesem Beschluss keine Tätigkeiten als Sachverständige entfaltet, und dieser Beschluss macht ihre zuvor geleistete Arbeit nicht zu einer solchen von gerichtlich ernannten Sachverständigen (s. OLG München MDR 1981, 1038 [OLG München 30.07.1981 - 2 Ws 777/81]).

(2) Die Ingenieure S. und B. sind nicht dadurch zu gerichtlich ernannten Sachverständigen geworden, dass der zum gerichtlichen Sachverständigen ernannte Dipl.-Ing. D. sie mit zur Begutachtung herangezogen hat.

(a) Dieses Vorgehen war nicht von § 407 a Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 ZPO gedeckt. Der Sachverständige D. hat sich nicht der Mitarbeit der Ingenieure S. und B. im Rahmen des ihm erteilten Gutachterauftrags bedient, sondern sie selbstständig Punkte begutachten lassen, zu denen ihm selbst die erforderliche Sachkunde fehlte.

(b) Dadurch hat der Sachverständige D. die Ingenieure S. und B. nicht seinerseits wirksam zu gerichtlichen Sachverständigen gemacht. Die Ermächtigung hierzu durch das Gericht zu Ziff. VI dessen Beweisbeschlusses vom 7. Oktober 2010 (Bl. 379 d. A.) ist nichtig (§ 134 BGB). Sie verstößt gegen ein gesetzliches Verbot. Auswahl und Ernennung zuzuziehender Sachverständiger obliegen dem Prozessgericht (§ 404 Abs. 1 ZPO).

bb) Das Gericht hat den Ingenieur G. bei verständiger objektiver Würdigung (entsprechend § 133 BGB) als Zeugen und nicht als Sachverständigen herangezogen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 JVEG). Aus der Belehrung in der Verhandlung vom 19. Januar 2012 (Bl. 626 d. A.) der "Sachverständigen D., S. und B. einschließlich des Herrn G.", wie sie "ihr Gutachten zu erstatten" hätten, folgt nicht die Heranziehung G.s als Sachverständiger. Entsprechend der Ladung G.s als Zeuge, wie der Beweisbeschluss vom 26. April 2011 (Bl. 511 d. A.) sie vorsieht, schließt sich an die Belehrung die Vernehmung an als "1. Zeuge: Zur Person: Ich heiße Ralf G. ...", während dieser ausweislich der Sitzungsniederschrift kein Gutachten im Auftrag des Gerichts erstattet hat.

b) Die Anordnung schriftlicher Begutachtung durch Dipl.-Ing. D. in dem Beschluss vom 7. Oktober 2010 (Bl. 377 - 379 d. A.), ob an dem Bauvorhaben C-straße 20 in Bremen im Dezember 2009 / Januar 2010 die Mängel vorhanden gewesen seien, die Dipl.-Ing. G. in seinem Gutachten vom 25. Januar 2010 festgestellt habe, war unrichtige Sachbehandlung seitens des Gerichts. Der gerichtlich ernannte Sachverständige konnte dazu keine eigenen Feststellungen treffen. Das Bauvorhaben war fertiggestellt.

2. Von der Nichterhebung der Kosten sind diejenigen auszunehmen, die auch bei richtiger Behandlung der Sache durch das Gericht entstanden wären und die der Senat auf 6.500 € schätzt.

a) Die Bestimmung des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG ordnet nur die Nichterhebung der durch unrichtige Sachbehandlung verursachten Kosten an, schließt jedoch die Erhebung von Kosten, die bei richtigem Verhalten des Gerichts unweigerlich entstanden wären, nicht aus. Es kann nicht Zweck der Bestimmung sein, die Gemeinschaft der Bürger nicht nur für die entstandenen, sondern auch die unvermeidbaren Kosten anstelle der Prozessparteien einstehen zu lassen, nur weil das Gericht die Sache falsch behandelt hat. Dann zögen die Parteien aus dem Fehler des Gerichts einen durch nichts gerechtfertigten Vorteil zu Lasten der Allgemeinheit (vgl. auch: Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl., § 21 GKG Rn. 42).

b) Aus der Vernehmung von Zeugen wären Kosten von schätzungsweise 500 €, aus sachverständiger Begutachtung des behaupteten Mangels der Statik solche von 2.000 €, aus weiterer Begutachtung solche von 3.000 € und weitere 1.000 € für die erwartungsgemäße Erläuterung des schriftlichen Gutachtens erwachsen. Das Landgericht hätte, wäre es richtig vorgegangen, zunächst das Vorhandensein des Mangels der Statik durch eigene Berechnung seitens eines von ihm ernannten Sachverständigen und das Vorhandensein der weiteren Mängel in der Vergangenheit durch Vernehmung der Zeugen G., W., L., Ki. und Ka. aufklären und dann den erforderlichen Aufwand für die Beseitigung derjenigen Mängel sachverständig begutachten lassen müssen, die es nach dem Ergebnis der Zeugenvernehmung als bewiesen ansah.