Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 26.01.2015, Az.: 10 WF 205/14

Erfallen der Einigungsgebühr im Umgangsverfahren bei Absprache der Nichtdurchführung von Umgangskontakten

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
26.01.2015
Aktenzeichen
10 WF 205/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 23236
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2015:0126.10WF205.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 17.06.2014

Fundstellen

  • AGS 2015, 446-448
  • MDR 2015, 984
  • RVGreport 2015, 260-261

Amtlicher Leitsatz

1. Eine die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG auslösende Teil- oder Zwischeneinigung der Eltern kann auch in der Absprache liegen, dass derzeit keine Umgangskontakte zwischen dem Kind und dem Antragsteller durchgeführt werden sollen.

2. Angesichts der Vergleichbarkeit einer Teil- oder Zwischenlösung mit einer einstweiligen Anordnung kann für die Festsetzung des Werts dieser Einigung die Regelung des § 41 FamGKG entsprechend herangezogen werden.

Tenor:

1. Der Wert für die im Anhörungstermin am 26. August 2014 zwischen den Kindeseltern geschlossene Vereinbarung wird in amtswegiger Änderung der amtsgerichtlichen Entscheidung auf 1.500 € festgesetzt.

2. Auf die Beschwerde der Landeskasse und unter deren Zurückweisung im Übrigen wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 17. Juni 2014 teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:

Auf die Erinnerung des Verfahrensbevollmächtigten wird unter deren Zurückweisung im Übrigen die Festsetzung der von der Landeskasse an den Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter zu zahlenden Vergütung dahin geändert, daß diese auf 711,03 € festgesetzt wird.

3. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG); Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).

Gründe

I.

Die Beteiligten zu 1 und zu 2 sind die getrennt lebenden Eltern der beiden 2000 bzw. 2005 geborenen betroffenen Kinder. In diesem Verfahren erstrebte der Kindesvater die gerichtliche Regelung seines Umgangs mit den Kindern, während die Kindesmutter den Ausschluss dieses Umgangs begehrte. Beiden Kindeseltern ist Verfahrenskostenhilfe (VKH) unter Beiordnung ihrer jeweiligen Verfahrensbevollmächtigten bewilligt worden.

Nach gesonderter Anhörung der Kinder erzielten die Kindeseltern im Termin vom 26. August 2013 nach ausführlicher Erörterung der Sache laut Sitzungsniederschrift im Rahmen der abschließenden "Erörterung des weiteren Vorgehens" hinsichtlich der Tochter P. B. "allgemein Einigkeit, dass es derzeit bis auf weiteres keine Umgangskontakte zwischen ihr und dem Vater gibt, solange P. B. dies nicht selbst möchte. Dem Kindesvater bleibt jedoch natürlich die Möglichkeit, schriftlich P. B. Informationen zukommen zu lassen." Hinsichtlich des Sohnes P. K. schlug das Amtsgericht die Einrichtung einer Umgangspflegschaft vor, wozu alle Beteiligte ihr Einverständnis erklärten. Eine solche Umgangspflegschaft ist im weiteren Verlauf des Verfahrens dann auch eingerichtet worden.

Am 28. Oktober 2013 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter die Festsetzung seiner Gebühren gegenüber der Landeskasse beantragt, wobei er auch eine 1,0 Einigungsgebühr nach einem Wert von 3.000 €, mithin in Höhe von 189 € zuzüglich Mehrwertsteuer (224,91 €) begehrte. Die Urkundsbeamtin des Amtsgerichts hat die Einigungsgebühr mit der Begründung abgesetzt, dass eine Vereinbarung, welche die Einigungsgebühr auslösen würde, nicht geschlossen worden sei, und hat die dem Verfahrensbevollmächtigten aus der Landeskasse zu erstattende Vergütung auf 586,08 € festgesetzt.

Gegen diese, ihm am 4. Februar 2014 bekannt gemachte Entscheidung hat der Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter am 18. Februar 2014 Erinnerung eingelegt und diese mit dem Ziel einer Festsetzung in Höhe weiterer 224,91 € begründet.

Nach Anhörung der Bezirksrevisorin hat das Amtsgericht - Familiengericht - Hannover mit dem angefochtenen Beschluss vom 17. Juni 2014 der Erinnerung des Verfahrensbevollmächtigten des Kindesvaters stattgegeben und dessen Vergütung unter Berücksichtigung der Einigungsgebühr nach einem Verfahrenswert von 3.000 € auf insgesamt 810,99 € festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beteiligten hätten sich im Termin am 26. August 2013 in der Sache dahingehend geeinigt, dass Umgangskontakte zwischen dem Antragsteller und seiner Tochter bis auf weiteres nicht stattfänden, er seine Anträge also nicht weiterverfolge, und zwischen dem Sohn P. K. und dem Antragsteller Umgangskontakte mit Hilfe einer Umgangspflegschaft durchgeführt werden sollten. Beide Eltern hätten sich nach ausführlichen Erörterungen auf diese Vorgehensweise verständigt; es handele sich dabei um eine Einigung, welche die Einigungsgebühr auslöse. Dass das Verfahren durch die Zwischenlösung noch nicht abgeschlossen sei, stehe der Annahme einer Einigung nicht im Wege.

Gegen diesen ihr am 19. Juni 2014 zugestellten Beschluss hat die Landeskasse noch am selben Tag Beschwerde eingelegt. Aus Sicht der Landeskasse ist die beantragte Einigungsgebühr vorliegend nicht verwirklicht, weil Verfahrensgegenstand eine Umgangsregelung bzw. ein Umgangsausschluss gewesen sei und allein durch die Einigkeit, dass Umgangskontakte zur Tochter derzeit unterblieben, der Streit oder die Ungewissheit über den Verfahrensgegenstand nicht beseitigt werde. Eine gemeinsame Erklärung der Parteien zur Sache sei jedoch Voraussetzung für das Entstehen einer Einigungsgebühr. Eine dauerhafte Einigung in der Sache, die auch die Kosten umfasse, sei nicht getroffen worden, das Verfahren sei nicht beendet. Das bloße Einvernehmen über Verfahrensfragen löse keine Einigungsgebühr aus.

II.

1. Die Beschwerde ist gemäß § 56 RVG statthaft und auch im übrigen zulässig. Sie ist innerhalb der zweiwöchigen Frist der §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG eingelegt und der Wert des Beschwerdegegenstandes - hier die streitbefangene Einigungsgebühr in Höhe von brutto 224,91 € - übersteigt den gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG erforderlichen Betrag von 200 €.

2. Die Beschwerde hat in dem tenorierten Umfang Erfolg. Dies beruht allerdings allein auf der hier amtswegig vorzunehmenden Herabsetzung des amtsgerichtlich mit 3.000 € festgesetzten Wertes für die Elternvereinbarung im Anhörungstermin auf 1.500 € (dazu nachfolgend b.), nicht jedoch auf der von der Landeskasse vertretenen Verneinung des Entstehens einer Einigungsgebühr (dazu nachfolgend a.).

a. Die gemäß § 56 RVG zulässige Erinnerung des Verfahrensbevollmächtigten gegen die seinen Festsetzungsantrag teilweise zurückweisende Entscheidung des Urkundsbeamten eröffnete dem Amtsgericht die Möglichkeit, die Gebührenfestsetzung gegenüber der Landeskasse zu ändern.

Zumindest im Ergebnis zutreffend ist das Amtsgericht dabei davon ausgegangen, dass die Verfahrensbevollmächtigten der Kindeseltern im vorliegenden Verfahren eine Einigungsgebühr verdient haben.

aa. Allein durch die von den Eltern im Termin erklärte Zustimmung zum Vorschlag des Gerichts, einen Umgangspfleger für die Besuchskontakte zwischen Vater und Sohn zu bestellen, wäre diese Einigungsgebühr indes noch nicht angefallen.

Für eine Einigung im Sinne von Nr. 1000 VV RVG ist ein Einvernehmen über einen sachlich-rechtlichen Streitpunkt erforderlich. Dies kann sich auch auf einen bestimmten Zeitraum beziehen, für welchen ein Zwischenvergleich geschlossen wird. Soweit die Vereinbarung aber nur eine Zwischenlösung bringt, die für sich noch keine Beilegung des Rechtsstreits oder eines Teils darstellt, sondern die nur eine vorläufige Einigung erzielt, entsteht keine Einigungsgebühr (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 31. Juli 2012 - 10 WF 218/12). Etwas anderes gilt, wenn die Zwischeneinigung bereits eine praktisch dauerhafte oder gar eine endgültige Regelung eines Teils des gesamten Streits herbeiführt. Dies ist bei der bloßen Einigung über die Einsetzung eines Umgangspflegers nicht der Fall, weil hiermit allein eine Verständigung über die weitere Verfahrensweise herbeigeführt wurde, ohne in der Sache eine Umgangsregelung herbeizuführen. Der Umgangspfleger hat die Aufgabe, einen zwischen den Kindeseltern vereinbarten bzw. einen gerichtlich angeordneten Umgang umzusetzen. Im Grundsatz kommt die Tätigkeit eines Umgangspflegers erst dann zum Tragen, wenn Umgangskontakte vom Umgangspfleger umgesetzt oder angebahnt werden sollen. Dies ändert nichts daran, dass die Kindeseltern eine Einigung über den Umgang als solchen nicht getroffen haben und somit keine Einigungsgebühr anfallen kann (vgl. OLG Celle, aaO.).

bb. Eine Einigung über einen sachlich-rechtlichen Streitpunkt im Sinne von Nr. 1000 VV RVG ist jedoch in der Absprache der Eltern zu sehen, dass zwischen der Tochter und dem Vater bis auf weiteres keine Umgangskontakte stattfinden sollen.

Aufgrund dieser Erklärung hat der Kindesvater deutlich gemacht, an seinem Antrag auf Regelung des Umgangs nicht festzuhalten. Die Kindesmutter stellt hierdurch ihrerseits klar, nicht weiter den Ausschluss des Umgangs zwischen Vater und Tochter zu begehren. Dies entspricht einem Zwischenvergleich der Kindeseltern, durch den der Umgang zwischen Vater und Tochter bis zu einer anderweitigen Vereinbarung zwischen den Kindeseltern oder einer gerichtlich abweichenden Entscheidung geregelt wird. Die Beteiligten haben somit eine vorläufige, auf einen bestimmten Zeitraum bezogene Regelung in der Sache vereinbart.

b. Allerdings ist der Tatsache, dass es sich bei der Vereinbarung lediglich um einen Zwischenvergleich handelt, bei der Festsetzung des Geschäftswertes für diesen Vergleich Rechnung zu tragen. Auch unter Berücksichtigung der vom Amtsgericht in der Nichtabhilfeentscheidung vom 17. Juni 2014 zur Wertbeschwerde angegebenen Gründe eines komplexen und jahrelang konfliktbeladenen Verfahrens hält der Senat einen Wert von 1.500 € für ausreichend und angemessen. Die geänderte Wertfestsetzung orientiert sich an dem Wert für ein einstweiliges Anordnungsverfahren, vgl. §§ 41, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG. Die entsprechende Heranziehung dieser Wertvorschrift auf die vorliegende Konstellation erscheint sachgerecht, weil es sich sowohl bei einer einstweiligen Anordnung als auch bei einem Zwischenvergleich um vorläufige Regelungen handelt.