Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 09.01.2015, Az.: 11 W 37/14

Kostenentscheidung bei sofortigem Anerkenntnis des im Wege der Drittwiderklage auf negative Feststellung in Anspruch genommenen Zedenten der Klageforderung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
09.01.2015
Aktenzeichen
11 W 37/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 23230
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2015:0109.11W37.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 14.07.2014
LG Hannover - 22.05.2014

Fundstelle

  • BauR 2015, 1546

Amtlicher Leitsatz

Erhebt der Beklagte eine Drittwiderklage (negative Feststellungsklage) gegen den Zedenten der Klageforderung, so hat der Zedent bei einem sofortigen Anerkenntnis nur dann die Kosten der Drittwiderklage zu tragen, wenn er sich vorgerichtlich des Anspruches berühmt hat. Für ein Sich-Berühmen genügt die isolierte Abtretung auch dann nicht, wenn sie an den klagenden Ehepartner erfolgt.

Eine Motivforschung, ob die Abtretung aus prozesstaktischen Erwägungen erfolgt sein könnte, ist nicht geboten. Dass unter Veranlassung im Sinne des § 93 ZPO auch isoliert prozesstaktische Erwägungen fallen, ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Es ist dem Gesetzgeber vorbehalten, ob und inwieweit er ein derartiges Verhalten kostenrechtlich sanktionieren will.

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde der Drittwiderbeklagten vom 5. Juni 2014 wird das Schlussurteil des Landgerichts Hannover vom 22. Mai 2014 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 14. Juli 2014 im Kostenausspruch (Tenor Ziffer 1.) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Gerichtskosten tragen der Kläger und die Beklagte jeweils zur Hälfte.

Der Kläger trägt 50 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten.

Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf die Wertstufe bis 1.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 99 Abs. 2 S. 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

2. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Die Beschwerdegegnerin hat gemäß § 93 ZPO die Kosten des Rechtsstreits hinsichtlich der von ihr erhobenen negativen Feststellungsklage zu tragen, weil die Beschwerdeführerin durch ihr Verhalten zur Erhebung der Klage keine Veranlassung gegeben und den Anspruch sofort anerkannt hat. Soweit das Landgericht von einer Klageveranlassung seitens der Beschwerdeführerin aufgrund der Abtretung ihrer vom Kläger geltend gemachten Schadenersatzansprüche ausgegangen ist, vermag dem der Senat nicht zu folgen.

Veranlassung zur Klage hat ein Beklagter gegeben, wenn sein Verhalten vor Prozessbeginn ohne Rücksicht auf sein Verschulden und die materielle Rechtslage gegenüber dem Kläger so war, dass dieser annehmen musste, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen (Herget in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 93 Rn. 3 m.w.N.; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2004, § 93 Rn. 13; Lackmann in: Musielak, ZPO, 11. Aufl. 2014, § 93 Rn. 2), mithin ein Verhalten gegeben ist, welches vernünftigerweise den Schluss auf die Notwendigkeit eines Prozesses rechtfertigt (Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 71. Aufl. 2013, § 93 Rn. 29 m.w.N.). Daraus folgt, dass es für die Frage, ob der Beklagte Anlass zur Klage gegeben hat, auf sein Verhalten vor dem Prozess ankommt (BGH, Beschluss vom 28. September 2006 - IX ZB 232/04, zitiert nach juris, Rn. 7). Dabei kommt es auf die vernünftige, objektivierte Sicht des Klägers an (Bork in: Stein/Jonas, aaO., § 93 Rn. 13 m.w.N.). Bei einer negativen Feststellungsklage ist Veranlassung gegeben, wenn sich der Beklagte bestimmter Rechtspositionen berühmt und davon nicht Abstand genommen hat (Schneider in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 6. Aufl. 2014, § 93 ZPO Rn. 4).

Ein solches Verhalten ist vorliegend nicht feststellbar. Dass die Beschwerdeführerin vor Erhebung der negativen Feststellungsklage Anlass zur Klageerhebung gegeben hat, ist nicht ersichtlich.

a) Vorprozessual ist die Beschwerdeführerin nicht an die Beschwerdegegnerin mit Schadenersatzansprüchen herangetreten. Im Schreiben vom 19. Oktober 2011 an die Beschwerdegegnerin (Anlage K 4, Bl. 29 d.A.) und im Güteantrag vom 23. Dezember 2011 (Anlage K 2, Bl. 26 f.) hat lediglich der Kläger Schadenersatzansprüche gegenüber der Beschwerdegegnerin geltend gemacht.

b) Eine abweichende Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil der Kläger ausweislich der Klageschrift Schadensersatzansprüche "aus eigenem und aus abgeleitetem Recht" gegenüber der Beklagten geltend gemacht und sich insofern auf eine Abtretung der Ansprüche seitens der Beschwerdeführerin an ihn, betreffend die gemeinsame Fondsbeteiligung, bezogen hat. Gegen ein Sich-Berühmen eigener Schadenersatzansprüche gegenüber der Beschwerdegegnerin spricht bereits, dass der Beschwerdegegnerin die Abtretung zunächst unbekannt geblieben ist und sie offenbar erst durch das Schadenersatzverlangen des Klägers in seinem Schreiben vom 19. Oktober 2011 darauf aufmerksam gemacht worden ist. Zu diesem Zeitpunkt war die Beschwerdeführerin aber nicht mehr Inhaberin der Ansprüche. Zudem hat die Beschwerdeführerin mit der Abtretung gegenüber der Beschwerdegegnerin gerade zu verstehen gegeben, dass ihr eine eigene zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen berechtigende Rechtsposition nicht mehr zustand. Aus Sicht der Beklagten kann danach der bloßen Abtretung kein Sich-Berühmen eigener Schadenersatzansprüche ihr gegenüber beigemessen werden (vgl. KG, Beschluss vom 20. November 2011 - 4 W 51/12; OLG Hamm, Beschluss vom 29. Januar 2012 - 34 W 183/12).

c) Soweit sich das Landgericht zur Begründung seiner Auffassungen auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 21. September 2009 in der Beschwerdesache 11 W 40/09 beruft, ist dem schon deshalb nicht zu folgen, weil sich im dortigen Fall, anders als hier, die Zedentin vorprozessual eigener Ansprüche berühmt hatte (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 21. September 2009 - 11 W 40/09, zitiert nach juris, Rn. 8). Gleiches gilt für die Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden vom 4. November 2013 (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 4. November 2013 - 14 W 859/13, zitiert nach juris, Tz. 8).

d) Auch die vom Landgericht angestellte Vermutung, die Abtretung sei allein aus prozesstaktischen Erwägungen erfolgt, rechtfertigt nicht die Annahme, die Beklagte habe sich vorprozessual der Schadenersatzansprüche berühmt. Dass unter "Veranlassung" im Sinne des § 93 ZPO auch isoliert prozesstaktische Erwägungen und Ziele fallen, ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Es ist dem Gesetzgeber vorbehalten, ob und inwieweit er ein derartiges Verhalten kostenrechtlich sanktionieren will. Gegen eine Anerkennung prozesstaktischer Erwägungen als "Veranlassung" im Sinne des § 93 ZPO sprechen auch die erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen "prozesstaktischen" und anderweitig motivierten "neutralen" Abtretungen. Der Senat kann sich durchaus Konstellationen vorstellen, in denen ein Anspruchsinhaber aus anderen als prozesstaktischen Gründen Forderungen abtritt. Abzustellen ist bei der Kostenentscheidung gemäß § 93 ZPO daher allein auf die Veranlassung im Hinblick auf das sachliche Klageziel. Dies erfordert bei einer negativen Feststellungsklage zumindest, dass sich der Gegner zuvor in der Sache entgegenstehend berühmt hat (ebenso OLG Braunschweig, Beschluss vom 17. Juli 2013 - 1 W 24/13).

e) Gegenteiliges ergibt sich schließlich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum rechtlichen Interesse an einer isolierten Drittwiderklage, die die Beschwerdegegnerin in ihrem Schriftsatz vom 7. Juli 2014 (Bl. 299 d.A.) anführt. Danach fußt das rechtliche Interesse an einer derartigen isolierten Drittwiderklage ausschließlich auf dem Umstand, dass im Falle einer Rückabtretung die Rechtskrafterstreckung nach § 325 Abs. 1 S. 1 ZPO gegenüber der Zedentin die Wirksamkeit der Abtretung voraussetzt, die nicht eintritt, wenn die Abtretung von vorneherein nichtig war oder auf Grund einer späteren Anfechtung durch die Drittwiderbeklagte rückwirkend unwirksam wird und dies vom Standpunkt der Beklagten aus nicht ausgeschlossen werden kann (BGH, Beschluss vom 13. Juni 2008 - V ZR 114/07, zitiert nach juris, Tz. 34). Der Bundesgerichtshof hat es lediglich als unerheblich für das zur Erhebung der negativen Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse angesehen, dass sich der Zedent nach der Abtretung keiner eigenen Ansprüche mehr berühmt hat. Der Entscheidung kann aber andererseits nicht entnommen werden, das bereits in der bloßen Abtretung einer Forderung eine Veranlassung zur Klageerhebung im Sinne des § 93 ZPO liegt (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 20. November 2012 - 4 W 51/12; OLG Hamm, Beschluss vom 29. Januar 2012 - 34 W 183/12).

3. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Wert der Drittwiderklage nicht den Kostenstreitwert für die Gerichtskosten erhöht. Eine Addition der Gegenstandswerte von Klage und Drittwiderklage findet nicht statt, da sie denselben Streitgegenstand betreffen und daher nach § 45 Abs. 1 S. 3 GKG nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend ist. Im vorliegenden Fall haben beide Ansprüche denselben Wert. Der Wert der negativen Feststellungsklage war wegen der vernichtenden Wirkung eines obsiegenden Urteils so hoch zu bewerten, wie der Anspruch, dessen sich die Drittwiderbeklagte berühmt haben soll (vgl. Herget in: Zöller, aaO., § 3 Rn. 16 "Feststellungsklage"; BGH, Beschluss vom 29. April 2004 - III ZB 72/03, zitiert nach juris, Rn. 16; OLG Celle, Urteil vom 18. Juni 2009 - 11 U 193/08; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Juni 2011 - 9 W 19/11, zitiert nach juris, Rn. 12; OLG Koblenz, Beschluss vom 6. März 2002 - 5 W 100/02, zitiert nach juris, Rn. 11).

II.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf bis zu 1.500,- Euro festgesetzt. Er bemisst sich nach den Kosten, die der Drittwiderbeklagten durch das Schlussurteil vom 22. Mai 2014 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 14. Juli 2014 auferlegt wurden, nämlich: eigene außergerichtliche Kosten, 9,1 % der Gerichtskosten (einfache Gebühr), und 9,1 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten (2,5fache Gebühr; auch beim Anerkenntnisurteil im schriftlichen Verfahren entsteht eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV-RVG; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 21. Juli 2005 - 9 W 245/05, zitiert nach juris, Rn. 6 ff.; LG Stuttgart, Beschluss vom 1. Februar 2005 - 10 T 546/04, zitiert nach juris, Rn. 9 ff.).