Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.05.2002, Az.: 7 K 192/98
Schluss einer Ablösungsvereinbarung der Veräußerers mit der erschließungspflichtigen Gemeinde; Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bei Übernahme einer Ablösungsvereinbarung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 29.05.2002
- Aktenzeichen
- 7 K 192/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 14098
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2002:0529.7K192.98.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 11.02.2004 - AZ: II R 31/02
Fundstellen
- EFG 2003, 336-337
- SteuerBriefe 2003, 767
Tatbestand
Im Streit ist die Höhe der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuerfestsetzung.
Mit Kaufvertrag vom 1. Dezember 1997 erwarb der Kläger zwei Grundstücke. Als Kaufpreis wurde in § 2 des notariellen Vertrages ein Betrag 189.115,50 DM vereinbart. In § 4 des notariellen Vertrages war folgende Regelung enthalten:
§ 4 Erschließung
Der Kaufgegenstand ist unerschlossen; sämtliche Erschließungs- und Ausbaukosten gehen zu Lasten des Erwerbers. Der Veräußerer hat mit der Gemeinde Schwülper und der Samtgemeinde Papenteich einen Vertrag über die Ablösung der künftig entstehenden Erschließungsbeiträge (Straßenbau mit allen erforderlichen Teileinrichtungen), des Baukostenzuschusses für die Abwasseranlagen und der Anschlusskosten für die Grundstücksanschlüsse abgeschlossen.
Die Veräußerer versichert, dass die Möglichkeit zum Anschluss für Erdgas und Telefon sofort besteht.
Der Ablösungsbetrag beläuft sich auf 55,50 DM pro qm, mithin insgesamt 84.304,50 DM. Fälligkeit tritt spätestens am 01.04.1998 ein.
Die Samtgemeinde Papenteich hat sich mit Wirkung gegenüber dem Erwerber verpflichtet, den vom Erwerber gezahlten Ablösungsbetrag zu erstatten, falls dieser Kaufvertrag nicht durchgeführt werden sollte.
Die Vertragsparteien verzichten ausdrücklich auf die Beifügung des Ablösungsvertrages als Anlage zu diesem Protokoll; dem Erwerber liegt eine Kopie vor.
In dem Ablösungsvertrag ist keine Regelung für die Frischwasserversorgungsbeiträge getroffen worden.
Durch die Ablösungsvereinbarung sind evtl. Nachforderungen der Gemeinde oder der Samtgemeinde ausgeschlossen. Andererseits besteht auch kein Anspruch des Veräußerers oder dessen Rechtsnachfolgern, Beiträge zurückzufordern.
Die Zahlung hat zu erfolgen an die Samtgemeinde Papenteich auf deren Konto-Nr. 01935708 bei der Sparkasse Gifhorn-Wolfsburg in Gifhorn (BLZ 26951311).
Bis zum jeweiligen Fälligkeitstage sind die Beträge unverzinslich. Bei unpünktlicher Zahlung sind sie ab Fälligkeit unbeschadet sonstiger Ansprüche der Samtgemeinde Papenteich mit 5 % über dem jeweiligen Diskontsatz jährlich zu verzinsen. Hierin liegt keine Stundungsvereinbarung.
Mit Bescheid vom 23. Dezember 1997 setzte der Beklagte die Grunderwerbsteuer fest. Die Bemessungsgrundlage in Höhe 275.768,00 DM ermittelte er aus dem Kaufpreis in Höhe 189.115,00 DM, den Erschließungskosten gemäß § 4 des notariellen Vertrages in Höhe von 84.304,00 DM sowie Vermessungskosten gemäß § 10 des notariellen Vertrages in Höhe von 2.259,00 DM.
Mit der Klage wandte sich der Kläger gegen die Erhöhung der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer um die Erschließungskosten und die Vermessungskosten. Nunmehr wendet sich der Kläger nur noch gegen die Erhöhung der Bemessungsgrundlage zur Grunderwerbsteuer um die Erschließungskosten. Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, dass das Grundstück als unerschlossenes Grundstück verkauft worden sei und erst im Jahre 2000 mit der Erschließung des Grundstücks begonnen worden sei. Da für die Bestimmung der Gegenleistung der tatsächliche Zustand des Kaufgegenstandes im Zeitpunkt des Erwerbsvorganges maßgebend sei, sei für ihn nicht nachvollziehbar, warum die Erschließungskosten die Bemessungsgrundlage erhöht hätten.
Der Kläger beantragt,
wie erkannt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagt meint, dass dann, wenn der Grundstückserwerber die Verpflichtung zur Zahlung eines aufgrund einer Ablösungsvereinbarung mit dem Veräußerer bereits entstandenen Ablösungsbetrages übernehme, diese Verpflichtung Teil der Gegenleistung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) sei.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Die Grunderwerbsteuer für den Kauf des Grundstücks beträgt 6.698,00 DM. Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuerfestsetzung ist ein Betrag von 191.374,00 DM.
Die Bemessungsgrundlage besteht aus dem Kaufpreis in Höhe von 189.115,00 DM und der Erstattung für verauslagte Vermessungskosten in Höhe von 2.259,00 DM. Dies ist unstreitig und bedarf keiner weiteren Begründung.
Nicht zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer gehört der in § 4 des notariellen Vertrages geregelte Ablösungsbetrag in Höhe von 84.304,50 DM.
Nach § 1 Abs. 1 Grunderwerbsteuergesetz unterliegt der Erwerb eines Anspruchs auf Übereignung eines inländischen Grundstücks der Grunderwerbsteuer. Bemessungsgrundlage ist gemäß § 8 Abs. 1 GrStG die Gegenleistung. Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrStG als Gegenleistung unter anderem der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben. Entscheidend für den Umfang der Bemessungsgrundlage ist dabei, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück zum Gegenstand des Erwerbsvorganges gemacht wurde (Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. März 2001, II R 39/99, BFHE 194, 452).
Ist das Grundstück bereits erschlossen oder verpflichtet sich der Veräußerer dem Erwerber gegenüber das Grundstück in erschlossenem Zustand zu verschaffen, so ist das erschlossene Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorganges und die Erschließungskosten sind Teil der Bemessungsgrundlage (BFH a.a.O.).
Wird ein im Zeitpunkt des Abschlusses eines Grundstückskaufvertrages noch unerschlossenes Grundstück als solches zum Gegenstand der zivilrechtlichen Übereignungsverpflichtung gemacht und übernimmt der Erwerber gleichzeitig mit dem Abschluss des Kaufvertrages gegenüber der Gemeinde oder einem von ihr beauftragten Erschließungsträger die Verpflichtung, für die zukünftige Erschließung des Grundstücks einen bestimmten Betrag zu zahlen, liegt hierin kein Entgelt für den Erwerb des Grundstücks. Denn Gegenstand eines solchen Erwerbsvorgangs ist nach dem Inhalt der hier allein maßgeblichen zivilrechtlichen Übereignungspflicht nur das unerschlossene Grundstück. Nach der Rechtsprechung des BFH zum einheitlichen, für die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung maßgeblichen Gegenstand des Erwerbsvorganges ist zwar für die Frage, ob Gegenstand eines Erwerbsvorganges das zukünftig bebaute Grundstück anzusehen ist, nicht nur auf das tatbestandserfüllende Rechtsgeschäft, das heißt auf den Inhalt der zivilrechtlichen Übereignungsverpflichtung des Veräußerers, sondern auch auf mit diesem Rechtsgeschäft in rechtlichem oder objektiv sachlichem Zusammenhang stehenden Vereinbarungen abzustellen, die insgesamt zu dem Erfolg führen, dass der Erwerber das Grundstück in bebautem Zustand erhält. Ein derartiger rechtlicher oder objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem Vertrag über die Entrichtung der Erschließungskosten scheidet aber wegen des sich aus der öffentlich-rechtlichen Erschließungslast der Gemeinde ergebenden besonderen Charakter der Grundstückserschließung regelmäßig aus. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Erwerb eines Grundstücks im zukünftig bebauten Zustand sind hier nicht anwendbar, denn errichtet die Gemeinde als Trägerin der Erschließungslast die Erschließungsanlagen, erbringt sie keine Leistung an diejenigen Grundstückseigentümer, deren Grundstücke durch diese Maßnahme erschlossen werden, sondern erfüllt nur eine allgemeine öffentliche Aufgabe. Dies hindert die Annahme eines objektiv sachlichen Zusammenhangs der Erschließung des Grundstücks mit der Verpflichtung des Grundstücksveräußerers zur Verschaffung des Eigentums an dem Grundstück und schließt es aus, die im pflichtgemäßen Ermessen der Gemeinde liegende Erschließung dem Verkäufer eines Grundstücks zuzurechnen (BFH a.a.O.).
Vorliegend hat sich der Kläger zwar nicht gegenüber der Gemeinde, sondern gegenüber dem Veräußerer verpflichtet, die in dem Ablösungsvertrag zwischen Gemeinde und Veräußerer festgesetzten Erschließungskosten der Gemeinde gegenüber zu übernehmen. Dadurch wird aber die Erschließung nicht zu einer Leistung des Grundstücksveräußerers, denn der Kläger hat keinen Anspruch gegenüber dem Veräußerer auf Erschließung. Das Grundstück wurde als unerschlossenes verkauft. Die Pflicht zur Erschließung verbleibt trotz der Ablösungsvereinbarung vielmehr bei der Gemeinde, nur mit der Besonderheit, dass die Höhe der Erschließungskosten nicht mehr durch Bescheid festgesetzt werden kann, sondern über die Ablösevereinbarung bereits eine verbindliche Regelung über die Höhe der Kostenbeteiligung getroffen wurde. Die vom BFH im o.g. Urteil formulierte Einschränkung der Grundsätze zum einheitlichen Gegenstand des Erwerbsvorgangs beim Erwerb eines Grundstücks im zukünftig bebauten Zustand sind deshalb auch auf Fälle anwendbar, in denen die Gemeinde nach § 133 Abs. 3 Satz 5 Bundesbaugesetz (BauGB) eine Ablösungsvereinbarung mit dem Veräußerer getroffen hat. Die bisher in der Rechtsprechung und Literatur (Boruttau/Sack, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 15. Auflage, § 9 Rz 289) vertretene Auffassung ist damit überholt. Der Ablösungsbetrag gehört somit nicht zur Bemessungsgrundlage. Die Bemessungsgrundlage im vorliegenden Fall beträgt somit 191.374,00 DM und die Grunderwerbsteuer (3,5 % von der Bemessungsgrundlage) beträgt 6.698,00 DM.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 in Verbindung mit § 136 Abs. 1 Satz 3 Finanzgerichtsordnung.
Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 151, 155 Finanzgerichtsordnung in Verbindung mit § 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.