Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.05.2002, Az.: 14 K 837/01

Kraftfahrzeugsteuerliche Einstufung eines sog. Ultra-Leicht-Traktors; Begriff der Zugmaschine

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
23.05.2002
Aktenzeichen
14 K 837/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 14075
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2002:0523.14K837.01.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 18.11.2003 - AZ: VII R 42/02

Fundstelle

  • EFG 2003, 192-193

Tatbestand

1

Streitig ist, ob ein vierrädriges, offenes, mit Einzelsitz und Motorradlenker ausgestattetes Fahrzeug ein Pkw oder eine Zugmaschine (Lkw) ist.

2

Die Klägerin ist Halterin eines vierrädrigen, offenen und mit einem Einzelsitz und einem Motorradlenker ausgestatteten Fahrzeugs (15 kW, 401 qcm Hubraum, 399 kg zulässiges Gesamtgewicht, 59 km/h Höchstgeschwindigkeit, 2 Antriebsachsen) des Herstellers Yamaha, Typ YSM-400 FWA-Kodiak, auch "Quad" oder Ultraleichttraktor genannt. Das Fahrzeug wurde am 22.05.2001 als Zugmaschine auf den Namen der Klägerin zugelassen. Der Beklagte folgte zunächst der verkehrsrechtlichen Einstufung und setzte die Kraftfahrzeugsteuer auf jährlich 44,00 DM mit Bescheid vom 01.06.2001 fest. Mit Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 02.07.2001 wurde der Bescheid nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung - AO - geändert und eine Besteuerung nach Personenkraftwagen (Hubraumbesteuerung) vorgenommen. Die Kraftfahrzeugsteuer betrug nun 248,00 DM. Gegen den Kraftfahrzeugsteuerbescheid legte die Klägerin am 24.07.2001 Einspruch ein. Mit Einspruchsbescheid vom 15.10.2001 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen erhob die Klägerin am 12.11.2001 Klage.

3

Die Klägerin trägt vor, bei dem Fahrzeug handele es sich nicht um einen Pkw, sondern um ein Nutzfahrzeug, welches steuerrechtlich als Zugmaschine/Lkw einzustufen sei. Der Beklagte habe nicht die tatsächlichen Verwendungsmöglichkeiten beachtet. Er verkenne daher die Reichweite des Urteils des BFH (Urt. v. 03.04.2001 VII R 7/00, BStBl. II 2001, 451). Denn aus dem Urteil ergebe sich, dass der BFH sich an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebunden fühle, sodass Aussagen des Urteils nicht Allgemeingültigkeit beanspruchen könnten. Im vorliegenden Streitfall handele es sich auch nicht um ein Fahrzeug mit einer Höchstgeschwindigkeit von 73 km/h, sondern wie sich dem vorgelegten Kfz-Brief entnehmen lasse, um ein Fahrzeug mit einer Höchstgeschwindigkeit von 59 km/h. Das Fahrzeug sei von seinem Typus und seinen charakteristischen Eigenschaften her ein reines Nutzfahrzeug. Anders wäre es, wenn es sich z.B. um ein Fahrzeug des Typs Yamaha Warrior YSM 350 X handeln würde. Bei dem zuletzt genannten Fahrzeug handele es sich nicht um eine Zugmaschine, sondern um einen Pkw, weil es ein nur hinterradangetriebenes mit Kettenantrieb versehenes Sportgerät und nicht wie bei dem streitbefangenen Fahrzeug ein Allradfahrzeug sei, das mit einer festmontierten Zugvorrichtung verbunden sei. Die Anhängerkupplung sei auch nicht angebaut. Das Fahrzeug sei originär mit einer Zugvorrichtung ausgestattet und diene schon konstruktiv aufgrund des Allradantriebes und des Kardanantriebes für entsprechenden Lasteneinsatz. Die Zuordnung zur primären Personenbeförderung sei daher rechtsfehlerhaft.

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Die Klägerin beantragt,

die mit Bescheid vom 02.07.2001 festgesetzte Kraftfahrzeugsteuer unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 15.10.2001 auf 44,00 DM herabzusetzen.

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Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Der Beklagte trägt vor, dass eine Einstufung als Zugmaschine schon deshalb ausscheide, weil das Fahrzeug zur Personenbeförderung und zur Lastenbeförderung zumindest gleich gut geeignet sei. Die Besteuerung habe daher nach § 8 Nr. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz - KraftStG - in diesen Fällen daher als Pkw nach dem Hubraum zu erfolgen. Nach dem Angebot der Firma Yamaha sei das Modell YSM-400 auch als Auto bezeichnet. Das Fahrzeug der Klägerin sei neben seiner Nutzungsmöglichkeit zur Lastenbeförderung gleich gut zur Personenbeförderung geeignet. Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten würden sich nicht nur aus der Anhängerkupplung und diversen Zubehörteilen, sondern auch daraus ergeben, dass das Fahrzeug im Sport- und Freizeitbereich eingesetzt werden könne. Dass solche Fahrzeuge tatsächlich als Sport- und Freizeitgeräte benutzt werden könnten, ergäbe sich aus den beigefügten Aufnahmen im Umkreis des Ortes X (S. Bl. 35f der FG-Akte).

Gründe

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Die Klage ist begründet.

8

Der Beklagte hat zu Unrecht das Fahrzeug als Pkw und nicht als Zugmaschine gem. § 8 Nr. 2 Kraftfahrzeugsteuergesetz - KraftStG - eingestuft.

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I. 

Die Kraftfahrzeugsteuer bemisst sich gem. § 8 Nr. 1 KraftStG bei Krafträdern und Personenkraftwagen nach dem Hubraum, während nach § 8 Nr. 2 KraftStG bei anderen Fahrzeugen die Besteuerung sich nach dem verkehrsrechtlich zulässigen Gesamtgewicht bemißt. Bei einer Zugmaschine handelt es sich um ein "anderes Fahrzeug" gem. § 8 Nr. 2 KraftStG (BFH Urt. v. 03.04.2001 VII R 7/00, BStBl. II 2001, 451, 452).

10

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine Zugmaschine i.S. des Kraftfahrzeugsteuerrechts ein Fahrzeug, dessen wirtschaftlicher Wert im Wesentlichen in der Zugleistung liegt und das nach seiner Bauart und Ausstattung ausschließlich oder überwiegend zur Fortbewegung von Lasten durch Ziehen von Anhängern zu dienen geeignet und bestimmt ist (BFH Urt. v. 26. November 1991 VII R 88/90, BFH/NV 1992, 414, und Urt. v. 30. November 1993 VII R 49/93, BFH/NV 1994, 741, m.w.N.). Die Einstufung als Zugmaschine kommt deshalb nicht in Betracht, wenn das Fahrzeug auch zur Personenbeförderung und/oder Güterbeförderung geeignet ist. Dabei ist die objektive Beschaffenheit des Fahrzeuges unter Berücksichtigung aller Merkmale in ihrer Gesamtheit vom Tatsachengericht zu bewerten. Bei Serienfahrzeugen ist in der Regel die Konzeption des Herstellers für die Bauart bestimmend und prägt die objektive Beschaffenheit eines Fahrzeuges entscheidend (BFH Urt. v. 26. November 1991 a.a.O.; Urt. v. 3. April 2001 VII R 7/00, BStBl. II 2001, 451). Für die Einstufung des Fahrzeuges als PKW oder Zugmaschine kommt es auch nicht auf dessen tatsächliche Verwendung an. Wie aus § 1 Abs. 1 KraftStG und § 9 Abs. 1 KraftStG folgt, ist Besteuerungsgegenstand allein das Halten von Fahrzeugen mit bestimmten objektiven Eigenschaften wie z.B. Bauart (PKW, andere Kfz etc.), Schadstoffklasse, zulässiges Gesamtgewicht etc. (vgl. für die Abgrenzung PKW und LKW: BFH Urt. v. 5. Mai 1998 VII R 104/97, BStBl II 1998, 489; Beschl. v. 17. Juli 2000 VII B 88/00 BFH/NV 2000, 1503; Urt. v. 3. April 2001 a.a.O.). Auf die tatsächliche Verwendung stellen nur die Steuerbefreiungsvorschriften nach § 3 Nr. 2 bis 9 KraftStG ab, die hier nicht eingreifen.

11

Die verkehrsrechtliche Einstufung als "Zugmaschine" ist kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht bindend (BFH Urt. v. 28. Juli 1992 VII R 118/91, BStBl II 1993, 250). Das Kraftfahrzeugsteuerrecht folgt zwar grundsätzlich den Begriffsbestimmungen in verkehrsrechtlichen (Rechts-)Vorschriften (§ 2 Abs. 2 Satz 1 KraftStG 1979), nicht aber, abgesehen von den in § 2 Abs. 2 Satz 2 KraftStG bestimmten Ausnahmen, Festlegungen verkehrsrechtlicher Art, die im Verwaltungswege erfolgen (ständige Rechtsprechung seit dem Urteil des BFH v. 30. September 1981 II R 56/78, BStBl II 1982, 82). Soweit es kraftfahrzeugsteuerrechtlich auf die Bauart ("Gesamtbild") des Fahrzeugs als Zugmaschine ankommt, darf dieses Merkmal nicht schon deshalb für gegeben erachtet werden, weil die Verkehrsbehörde unter Beachtung einschlägiger Verwaltungsanweisungen eine entsprechende Einstufung vorgenommen hat (BFH Urt. in BFH/NV 1992, 414).

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II. 

Von diesen Maßstäben ausgehend, erweist sich die Auffassung des Beklagten als unzutreffend.

13

1. 

Nach der Konzeption des Herstellers handelt es sich bei dem Serienfahrzeug nach seiner Bauart um eine Zugmaschine, so daß in der Regel diese Konzeption die Bauart bestimmt und die objektive Beschaffenheit des Fahrzeuges entscheidend prägt (BFH Urt. v. 3. April 2001 a.a.O. m.w.N.). Denn das Fahrzeug ist von der Herstellerkonzeption nach Bauart und Einrichtung nahezu ausschließlich zur Fortbewegung von Lasten durch Zug bestimmt und geeignet. Dies ergibt sich insbesondere aus der Auskunft des Herstellers (Bl. 63 FG-Akte), wie auch aus dem Verkaufsprospekt (s. Rechtsbehelfsakte des Beklagten). Danach stellt der Hersteller Yamaha zwei Baureihen her. Eine Baureihe, die für den Freizeitbereich konzipiert wurde und eine weitere Modellreihe, die als "Utility-Fahrzeuge" bezeichnet werden, die für den Arbeitseinsatz im landwirtschaftlichen Sektor dienen. Aus dem Prospekt zu den Utility-Fahrzeugen ergibt sich, dass das Fahrzeug nahezu ausschließlich für den Einsatz in der Land- und Forstwirtschaft - als Zugmaschine - vorgesehen ist. Eine Nutzung als Fahrzeug zur Personenbeförderung sieht der Prospekt nicht vor. Er verweist im Gegenteil allein auf die Nutzung als Zugmaschine in unterschiedlichen Nutzungszusammenhängen (Forstwirtschaft, Landwirtschaft, Weinbau etc). Dass für Fahrzeuge dieser Art ein entsprechender Markt besteht, wird durch das von der Klägerin vorgelegte Arbeitspapier des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. bestätigt. Auch im Preisverzeichnis der Firma Yamaha (s. Rechtsbehelfsakte des Beklagten) wird das Fahrzeug der Klägerin als Zugmaschine bezeichnet.

14

2. 

Der Senat geht davon aus, dass das Fahrzeug nicht in Abweichung von der Herstellerkonzeption ausnahmsweise als Pkw zu beurteilen ist. Denn die Konzeption des Herstellers hat auch die Beschaffenheitsmerkmale des Fahrzeugs wesentlich geprägt. Das Fahrzeug ist mit für Zugmaschinen typischem Allradantrieb ausgestattet. Es verfügt über eine originäre Anhängerkupplung sowie zur Kraftübertragung der Motorleistung auf die Räder - statt einer Kette - über einen Wellenantrieb. Die äußere Gestaltung zeichnet sich gegenüber den für Freizeitzwecke konzipierten Fahrzeugen durch eine schlichtere Gestaltung und einheitliche Formgebung aus. Dem steht nach Auffassung des Senats die erreichbare Höchstgeschwindigkeit von 59 km/h nicht entgegen. Diese Größenordnung bewegt sich in einem Bereich, der auch bei typischen - größeren - Zugmaschinen anzutreffen ist.

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Das Urteil des BFH v. 03.04.2001 VII R 7/00 steht der Einstufung des Fahrzeugs als Zugmaschine nicht entgegen. Im Gegensatz zu dem dort zu beurteilenden Sachverhalt liegt hier eine den Einsatz des Fahrzeugs als Zugmaschine bestimmende Herstellerkonzeption vor.

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3. 

War somit die Einstufung als Zugmaschine im Sinne des § 8 Nr. 2 KraftStG vorzunehmen, so bemisst sich die Kraftfahrzeugsteuer jährlich auf 22,50 Euro, da das Kraftfahrzeug ein zulässiges Gesamtgewicht von 399 kg hatte. Denn gem. §§ 8 Nr. 2 i.V.m. 9 Abs. 1 Nr. 3 KraftStG beträgt die Kraftfahrzeugsteuer jährlich bei Kraftfahrzeugen mit einem verkehrsrechtlich zulässigen Gesamtgewicht bis 3500 kg für je 200 kg Gesamtgewicht oder einem Teil davon von dem Gesamtgewicht bis zu 2000 kg 11,25 Euro.

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III. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.