Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 04.05.1998, Az.: 5 W 58/98

Berechtigung des Eigentümers eines Grundstücks, ein anderes Grundstück als Ausgleichs- und Ersatzfläche auf Grundlage des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) zu nutzen als Gegenstand einer Grunddienstbarkeit; Antrag der Eigentümerin auf Eintragung einer Grunddienstbarkeit ; Öffentlich- rechtliche Regelungen als Anlass zur Begründung paralleler Dienstbarkeiten privatrechtlichen Inhalts durch die Parteien

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
04.05.1998
Aktenzeichen
5 W 58/98
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1998, 28910
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1998:0504.5W58.98.0A

Amtlicher Leitsatz

Die Berechtigung des jeweiligen Eigentümers eines Grundstücks, ein anderes Grundstück als Ausgleichs- und Ersatzfläche nach § 8 BNatSchG zu nutzen, kann Gegenstand einer Grunddienstbarkeit sein.

Gründe

1

Die Beteiligte und Antragstellerin hat zugunsten des Eigentümers des im Grundbuch eingetragenen Grundstücks Gemarkung eine Grunddienstbarkeit mit dem Inhalt bewilligt, dass der jeweilige Eigentümer dieses Grundstücks berechtigt ist, eine Teilfläche von ca. 1.500 qm des Flurstücks der Gemarkung als Ausgleichs- und Ersatzfläche gemäß § 8 BNatSchG nach Maßgabe der Vorgaben der Stadt und des Landkreises Osnabrück zu nutzen; zur Bezeichnung der Teilfläche ist auf eine Darstellung in dem der Bewilligung beigefügten Lageplan Bezug genommen worden. Dieser Bewilligung liegt ein notarieller Vertrag vom 30.9.1996 zugrunde, in dem die Antragstellerin dem Eigentümer des Grundstücks Gemarkung eine Teilfläche ihres Grundstücks als Ersatzaufforstungsfläche nach Maßgabe der Vorgaben der Stadt und des Landkreises kostenlos zur Verfügung stellte. Die Kosten der Ersatzaufforstungsmaßnahme sind nach dem Vertrag von dem Berechtigten zu tragen. Hintergrund dieser Bewilligung ist der Umstand, dass für das Grundstück Gemarkung eine Baugenehmigung erteilt wurde, die wegen einer nach dem Landeswaldgesetz erforderliche Umwandlung von Waldflächen mit der Auflage verbunden wurde, dass eine Teilfläche des Grundstücks Gemarkung von 1.500 qm ersatzweise mit standortgerechten Laubgehölzen nach Vorgabe der Stadt und des Landkreises für 1.000 qm aufzugebende Waldfläche neu aufgeforstet und diese Teilfläche grundbuchlich als Ersatzfläche für die Waldumwandlung gesichert wird.

2

Das Grundbuchamt beim Amtsgericht hat den Antrag der Eigentümerin auf Eintragung der Grunddienstbarkeit durch Beschluss vom 17. Dezember 1997 abgelehnt, das Amtsgericht der daraufhin eingelegten Erinnerung der Antragstellerin nicht abgeholfen; die als Beschwerde geltende Erinnerung hat das Landgericht als unbegründet zurückgewiesen.

3

Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Antragstellerin. Das Rechtsmittel ist gemäß §§ 78, 79, 80 GBO zulässig und hat in der Sache Erfolg. Die Entscheidungen der Vorinstanzen beruhen auf einer Verletzung des Gesetzes im Sinne des § 78 GBO, denn das Amtsgericht hätte die Eintragung nicht deshalb ablehnen dürfen, weil es sich bei dem einzutragenden Recht nicht um eine Grunddienstbarkeit handelt.

4

Eine Grunddienstbarkeit zeichnet sich dadurch aus, dass der Eigentümer des herrschenden Grundstücks das belastete Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen darf, § 1018 BGB. Wesentlich ist hierbei, dass das Benutzungsrecht auf einzelne Beziehungen beschränkt ist und nicht umfassend sein darf; Benutzung ist dabei jeder fortgesetzte oder wiederholte Gebrauch (BGHZ 41, 209 [BGH 11.03.1964 - V ZR 78/62]), so etwa beim Halten von Anlagen (Palandt/Bassenge, BGB, 57. Aufl., § 1018 Rdn. 14) oder -wie im vorliegenden Fall- bei einer eingeschränkten forstwirtschaftlichen Nutzung. Diese Belastung muss sich gemäß § 1019 BGB in einem entsprechenden Vorteil des herrschenden Grundstücks widerspiegeln; hierfür genügt, dass die Dienstbarkeit dem jeweiligen Eigentümer im Hinblick auf die Benutzung des herrschenden Grundstücks objektiv nützlich ist, was bei einer Nutzung von wirtschaftlichem Wert in der Regel gegeben ist. Zu Recht rügt die Antragstellerin, dass das Landgericht einen Vorteil für das herrschende Grundstück verneint hat. Der Vorteil muss nicht stets privatrechtlicher Natur sein, auch ein außerhalb des Privatrechts liegender Zweck reicht dann aus, wenn sich hieraus wirtschaftliche Vorteile ergeben. Daher ist es ein anerkannter Vorteil im Sinne des § 1019 BGB, wenn die Parteien in zulässiger Weise öffentlich- rechtliche Regelungen zum Anlass nehmen, parallele Dienstbarkeiten privatrechtlichen Inhalts zu begründen (vgl. BGH DNotZ 1976, 18; MK- Falckenberg, BGB, 3. Aufl., § 1018 Rdn. 49 ff, § 1019 Rdn. 3; Staudinger-Ring, BGB, 12. Aufl., § 1019 Rdn. 2). Soweit hier die Bebaubarkeit eines Grundstücks von einer entsprechenden Ersatzaufforstung gemäß §§ 8, 8a BNatSchG auf einem anderen Grundstück abhängt, ist die entsprechende Übernahme dieser öffentlich- rechtlichen Verpflichtung nicht nur ein Vorteil, der dem Bauherrn in Person erwächst, sondern ein dauerhafter Vorteil für den Eigentümer des durch die Erfüllung der öffentlich- rechtlichen Verpflichtung bebaubaren Grundstücks. Die Entfernung zwischen den beiden Grundstücken steht der Annahme eines Vorteils ebenfalls nicht entgegen, denn es ist nur erforderlich, dass die Grundstücke so nahe beieinander liegen, dass nach ihrer Lage das eine Grundstück dem anderen den erstrebten Nutzen gewähren kann (vgl. MK-Falckenberg a.a.O. § 1019 Rdn. 4). Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass der Grunddienstbarkeit die Eintragung auch nicht unter dem Gesichtspunkt versagt werden kann, dass das beschränkt dingliche Recht in dem Vertrag vom 30.9.1996 nicht mit der notwendigen Eindeutigkeit bezeichnet worden ist. Art und Umfang des Nutzungsrechts lassen sich mit hinreichender Bestimmtheit der vertraglichen Vereinbarung entnehmen, denn in dem Vertrag ist dem herrschenden Grundstück die Nutzung einer im anliegenden Lageplan eingezeichneten Teilfläche des belasteten Grundstücks als Ersatzaufforstungsfläche gemäß § 8 BNatSchG eingeräumt. Damit wird der durch den Parteiwillen bestimmte Inhalt der Dienstbarkeit so genau bezeichnet, dass er gegebenenfalls im Streitfall durch Auslegung zu ermitteln ist (vgl. BGH DNotZ 1969, 486; Palandt- Bassenge a.a.O. § 1018 Rdn. 31). Einer eingehenderen Bezeichnung von Art und Anzahl der anzupflanzenden Bäume bedarf es nicht; es genügt, dass die Ausübung der Grunddienstbarkeit auf einen realen Grundstücksteil beschränkt und die Ausübungsstelle als Grundstücksfläche durch Bezugnahme auf eine allgemein zugängliche Flurkarte in der Eintragungsbewilligung eindeutig bezeichnet (dargestellt) ist (BGH DNotZ 1982, 228; OLG Celle, OLGR 1995, 277).

5

Das Grundbuchamt wird daher unter Beachtung dieser Rechtsauffassung über den Antrag auf Eintragung einer Grunddienstbarkeit erneut zu entscheiden haben.