Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 26.05.1998, Az.: 12 WF 77/98

Wegfall der Zweitschuldnerhaftung durch Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die andere Partei; Erstattungspflicht der unterlegenen Partei; Befreiung von der Zweitschuldnerhaftung; Verrechnung gezahlter Vorschüsse mit Gebührenansprüchen

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
26.05.1998
Aktenzeichen
12 WF 77/98
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1998, 28948
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1998:0526.12WF77.98.0A

Fundstellen

  • FamRZ 1999, 176-178 (Volltext mit amtl. LS)
  • JurBüro 1998, 654-655
  • OLGReport Gerichtsort 1999, 182-184

Amtlicher Leitsatz

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die andere Partei führt nicht zu einem Wegfall der Zweitschuldnerhaftung nach § 58 GKG.

Gründe

1

Der Antragsteller zahlte für seinen Scheidungsantrag einen Kostenvorschuss in Höhe von 660,00 DM ein. Der Antragsgegnerin ist anschließend für dieses Verfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Im Verbundverfahren sind die Kosten gegeneinander aufgehoben worden. Den Streitwert hat das Familiengericht für das gerichtliche Verfahren auf insgesamt 11.500,00 DM und für einen im Termin vom 09. Oktober 1997 geschlossenen Scheidungsvergleich auf 15.000,00 DM festgesetzt. Auf Antrag des Antragstellers hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 10. Februar 1998 die ihm von der Antragsgegnerin zu erstattenden Gerichtskosten auf 305,65 DM festgesetzt.

2

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer fristgerecht eingelegten Erinnerung und macht geltend, dass ihr Prozesskostenhilfe bewilligt sei und dem Antragsteller die nicht auf ihn entfallenden Gebührenteile aus der Staatskasse zu erstatten seien.

3

Die nach Nichtabhilfe als sofortige Beschwerde geltende Erinnerung (§§ 104 Abs. 3, 567, 577 ZPO; § 11 RPflG) ist zulässig, hat in der Sache aber nur geringen Erfolg.

4

Der Antragsteller kann aus der Staatskasse die Erstattung von 93,70 DM verlangen, weil Gerichtskosten nur in Höhe von 566,30 DM entstanden sind. Diese Verfahrenskosten sind durch den von dem Antragsteller eingezahlten Gebührenvorschuss abgedeckt. Insofern ist die Staatskasse unabhängig vom Umfang der Vorschusspflicht zur Verrechnung mit den entstandenen Gebühren berechtigt. Soweit der Antragsteller eine Rückzahlung nicht erhält, ist die Antragsgegnerin auf Grund der gerichtlichen Kostenentscheidung verpflichtet, den auf sie entfallenden Anteil an den Antragsteller zu zahlen. Daran ändert die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nichts.

5

Nach § 123 ZPO hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe keinen Einfluss auf die Verpflichtung der armen Partei, dem Gegner entstandene Kosten zu erstatten. Diese Kosten sind hier durch den eingezahlten Vorschuss in voller Höhe abgedeckt. Die Staatskasse ist auch nicht daran gehindert, die Gebühren mit dem vom Antragsteller gezahlten Vorschuss zu verrechnen. Denn der Antragsteller haftet neben der anderen Partei als Gesamtschuldner auf die Kosten des ganzen Verfahrens (§§ 49, 58 Abs. 1 GKG). Diese Zweitschuldnerhaftung wird durch § 58 Abs. 2 S. 2 GKG nicht beseitigt. Diese Vorschrift will verhindern, dass eine arme Partei auf dem Umweg durch die Inanspruchnahme des Gegners und die in § 123 ZPO normierte Erstattungspflicht zu Gerichtskosten herangezogen wird, von denen sie auf Grund der bewilligten Prozesskostenhilfe befreit sein sollte. Dies besagt aber nicht, dass damit zugleich eine Erstattungspflicht für die Staatskasse hinsichtlich der auf die arme Partei entfallenden Gebührenanteile begründet wird. Nach allgemeiner Meinung erfasst die Befreiung von der Zweitschuldnerhaftung nur die noch nicht gezahlten Gebühren und Auslagen (BGH RPfl. 1989, 376; OLG Düsseldorf RPfl. 1996, 354 m.w.N.). Zwar wird teilweise vertreten, dass bei einem überzahlten Gebührenvorschuss sich aus dem Schutzzweck des § 58 Abs. 2 S. 2 GKG ein Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der bei Zahlung noch nicht entrichteten Gebührenanteile ergebe (OLG Düsseldorf a.a.O., OLG München OLGR 1997, 142; Hans. OLG Bremen, Beschluss vom 12. November 1997, 4 WF 87/98 [noch nicht veröffentlicht]). Der Senat schließt sich jedoch der überwiegenden Meinung an, dass die Staatskasse auch nach der Regelung des § 58 Abs. 2 S. 2 GKG berechtigt bleibt, bereits gezahlte Vorschüsse mit Gebührenansprüchen zu verrechnen, für die eine Zweitschuldnerhaftung nach § 58 GKG besteht (so OLG Zweibrücken JurBüro 1980, 898; OLG Nürnberg FamRZ 1997, 755 [OLG Nürnberg 16.11.1995 - 7 WF 3462/95]; OLG Braunschweig OLGR 1997, 182; OLG Hamm OLGR 1997, 284; Oestreich/Winter/Hellstab GKG § 58 Rdn. 16). Für diese Auslegung des § 58 Abs. 2 S. 2 GKG spricht entscheidend der im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers. Nach der in § 123 ZPO zum Ausdruck gekommenen Vorstellung des Gesetzgebers soll die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht zu einer vollständigen Befreiung der armen Partei von dem mit jeder Prozessführung verbundenen Kostenrisiko führen. Der unterlegenen Partei verbleibt in jedem Fall die Pflicht, die dem Gegner entstandenen Kosten zu erstatten. Dazu gehören auch die von dem Prozessgegner eingezahlten Gebühren- und Auslagenvorschüsse. Eine Erstattungspflicht bereits gezahlter Gerichtskosten zu Lasten der Staatskasse ist im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens diskutiert worden, fand aber nicht die notwendige Unterstützung (zitiert bei Mümmler, JurBüro 1978, 1365). Dementsprechend fehlen sowohl in der Zivilprozessordnung als auch im Gerichtskostengesetz Vorschriften, welche wie in §§ 2 Abs. 4, 57 Abs. 2 GKG für den Fall einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Rückzahlung bereits gezahlter Kosten vorsehen. Die Verwendung der Worte "geltend machen" sowohl in § 58 Abs. 2 S. 1 als auch in Abs. 2 S. 2 zwingt daher zu dem Schluss, dass die Regelung sich bei der bestehenden gesamtschuldnerischen Haftung nur auf noch offene, nicht aber auf bereits gezahlte Kosten bezieht (BGH RPfl. 1989, 376; OLG Düsseldorf OLGR 1995, 78). Auch wenn mit § 58 Abs. 2 S. 2 GKG eine teilweise Entlastung der armen Partei durch den Verzicht auf die Zweitschuldnerhaftung erreicht werden sollte, lässt sich ein von dem Wortsinn abweichender Wille des Gesetzgebers nicht feststellen. Die Rechtsprechung hat seit langem überwiegend die Ansicht vertreten, dass sich die Vorschrift nur auf nicht gezahlte Kosten erstreckt. Bereits genauso lange wird dieses Normverständnis in der Literatur als unbillig kritisiert (vgl. Zöller-Schneider 16. Aufl. § 122 ZPO Rdn. 36 m.w.N.; Lappe GKG § 58 Rdn. 9). Mümmler hat wiederholt darauf hingewiesen, dass eine befriedigende Regelung nur durch eine Gesetzesänderung zu erreichen sei (Mümmler bereits JurBüro 1978, 1365 unter Aufgabe der zuvor vertretenen Ansicht; ders. JurBüro 1985, 1530). In Kenntnis dieser Rechtsprechung und Literatur hat der Gesetzgeber bis heute bewusst von einer Anpassung des Gesetzes abgesehen. Nachdem § 58 Abs. 2 S. 2 GKG durch das Kostenrechtsänderungsgesetz vom 24. Juni 1994 (BGBl I 1325) in einem anderen Punkt ergänzt worden war, kann das Schweigen des Gesetzgebers nur dahin verstanden werden, dass mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe eine Partei nicht davor geschützt werden sollte, bereits gezahlte Gerichtskosten dem obsiegenden Gegner erstatten zu müssen (Oestreich/Winter/Hellstab GKG § 58 Rdn. 16 aE; OLG Braunschweig OLGR 1997, 182; OLG Nürnberg FamRZ 1997, 755 [OLG Nürnberg 16.11.1995 - 7 WF 3462/95]). Dieser Erwägung kommt nach dem Kostenrechtsänderungsgesetz auch deshalb besonderes Gewicht zu, weil im allgemeinen Zivilprozess die Gerichtsgebühren als Vorschuss in einem Betrag zu zahlen sind. Dieser vor Klageerhebung zu zahlende Vorschuss gehört nach einhelliger Ansicht zu den erstattungsfähigen Kosten (so auch OLG München OLGR 1997, 142; Hans. OLG Bremen, Beschluss vom 12. November 1997). In der überwiegenden Zahl der Rechtsstreitigkeiten war damit zweifelsfrei erkennbar, dass im Falle des Unterliegens eine arme Partei trotz bewilligter Prozesskostenhilfe zur Erstattung der ganzen Gerichtskosten herangezogen werden konnte. Dies gilt selbst für die im Lauf des Verfahrens vom Kläger noch für eine etwaige Beweisaufnahme einzuzahlenden Auslagenvorschüsse. Wenn es tatsächlich dem Willen des Gesetzgebers entsprochen hätte, mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe eine Entlastung von Gerichtskosten zu verbinden, wäre angesichts dieser Gebührengestaltung eine klarstellende Anpassung der Vorschrift unumgänglich gewesen.

6

Die vorgenommene Verrechnung steht demnach im Einklang mit der gesetzlichen Regelung. Eine Korrektur ist jedoch insoweit geboten, als der Antragsteller einen die in diesem Verfahren entstandenen Kosten um 93,70 DM übersteigenden Gebührenvorschuss eingezahlt hat. Für das Verfahren selbst sind bei einem Streitwert von 11.500,00 DM 2 Gebühren á 265,00 DM (insgesamt 530,00 DM) entstanden. Hinzu kommt für den protokollierten Vergleich die Gebühr nach 1660 Kostenverzeichnis. Diese berechnet sich jedoch nicht nach dem vollen Streitwert des Vergleichs, sondern nur nach dem den Ausgangswert übersteigenden Betrag.

7

Bei einem Wert von 3.500,00 DM beträgt diese Gebühr nur 36,30 DM (1/4 von 145,00 DM, aufgerundet § 11 Abs. 3 S. 2 GKG), sodass sich ein Gesamtbetrag von 566,30 DM ergibt. Die Hälfte dieser Gebühren hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller zu erstatten.

8

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.