Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 27.05.1998, Az.: 2 U 62/98
Auslegung allgemeiner Versicherungsbedingungen; Umfang einer Wohngebäudeversicherung - Leitungswasserversicherung; Abgrenzung von Frostschaden an Fliesen ohne Austritt von Wasser und einem Durchnässungsschaden
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 27.05.1998
- Aktenzeichen
- 2 U 62/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 28917
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1998:0527.2U62.98.0A
Rechtsgrundlagen
- § 4 Nr. 1 VGB 62
- § 4 Nr. 2a VGB 62
Fundstellen
- IBR 1999, 182 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
- OLGReport Gerichtsort 1998, 273-274
Amtlicher Leitsatz
VGB 62: Frostschaden an Fliesen nicht versichert, wenn kein Wasser ausgetreten ist.
Gründe
Die Parteien streiten im zweiten Rechtszug nur noch darüber, ob die Beklagte den Kläger aus der bei ihr auf der Grundlage der VGB 62 unterhaltenen Leitungswasserversicherung wegen des folgenden Sachverhalts zu entschädigen hat:
Über Weihnachten/Sylvester 1996 befand sich der Kläger im Winterurlaub. Währenddessen wurde sein Haus durch eine Nachbarin versorgt, die nicht bemerkte, dass die Heizungsanlage ausgefallen war. Als der Kläger zurückkehrte, stellte er fest, dass das Haus vollkommen ausgekühlt war. Die Fliesen im Bereich der Fußbodenheizung hatten sich hochgewölbt. Wasser war nicht ausgetreten, Rohre waren nicht gebrochen. Nach Inbetriebnahme des vorhandenen Kamins und Wiederinbetriebnahme der Heizungsanlage erwärmte sich das in den Kunststoffrohren der Fußbodenheizung gefrorene Wasser, das sich durch die Frosteinwirkung ausgedehnt hatte. Die Kunststoffrohre zogen sich wieder zusammen, ohne hierdurch beschädigt zu werden. Unter den hochgewölbten Fliesen entstanden jedoch Hohlräume von bis zu 4/5 cm, teilweise brachen die Fliesen. Der Schaden beläuft sich nach Darstellung des Klägers auf 19.000,-- DM.
Das Landgericht hat eine Entschädigungspflicht der Beklagten bejaht. Dagegen wendet sich die Beklagte mit Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Versicherungsleistungen aus der bei der Beklagten unterhaltenen Wohngebäudeversicherung hinsichtlich der geltend gemachten Schäden an den Fliesen.
Die an den Fliesen eingetretenen Beschädigungen fallen nicht unter das versicherte Risiko. Der Umfang der in der Wohngebäudeversicherung enthaltenen Leitungswasserversicherung ist in § 4 der zwischen den Parteien vereinbarten VGB 62 geregelt. Ein Anspruch nach § 4 Nr. 1 VGB 62 kommt nicht in Betracht, da nach dieser Vertragsbestimmung ein bestimmungswidriges Austreten von Wasser aus dem Rohrsystem erforderlich ist. Einen solcher Wasseraustritt, der zu einem so genannten Durchnässungsschaden geführt hat, liegt nicht vor. Vielmehr haben sich die Rohre unter den Fliesen unter Frosteinfluss nur ausgedehnt und später nach Wiederinbetriebnahme der Heizung wieder zusammengezogen.
Ein Anspruch des Klägers ist auch nicht nach § 4 Nr. 2 a) 1 VGB 62 begründet. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs des täglichen Lebens auszulegen. Maßgebend ist, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei aufmerksamer Durchsicht und verständiger Würdigung das Regelungswerk verstehen muss (BGH r+s 1993, 349, 350; BGH r+s 1996, 169, 170; Senat OLGROL 1996, 56 = r+s 1996, 187 = VersR 1997, 489 [OLG Koblenz 26.10.1995 - 5 U 1747/94]). § 4 Nr. 2 a) 1 VGB 62 bestimmt, dass die Leitungswasserversicherung innerhalb der versicherten Gebäude einschließt "Schäden durch Rohrbruch oder Frost (einschl. der Kosten der Nebenarbeiten und des Auftauens) an den Zu- und Ableitungsrohren der Wasserversorgung und den Rohren der Warmwasser- oder Dampfheizungsanlage". Nach § 4 Nr. 2 a) 2 VGB 62 sind ferner Schäden durch Frost an den einzelnen dort genannten Sachen versichert. Aus dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen kann der Versicherungsnehmer mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass durch die vorgenannten Bestimmungen die Gegenstände bezeichnet werden, die im Fall des Eintritts der weiteren beiden versicherten Gefahren ,Rohrbruch" oder ,Frost" versichert sein sollen (BGH r+s 1993, 349, 350). Folgeschäden des Rohrbruchs oder der Frosteinwirkung sind dagegen nicht mitversichert, auch nicht solche an gemäß § 2 VGB 62 versicherten Sachen, es sei denn, es handelt sich zugleich um Folgeschäden aus ausgetretenem Wasser (Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Aufl., E I Rdnr. 17).
Entgegen der Auffassung des Klägers können die Bedingungen bei verständiger Würdigung nicht so verstanden werden, dass auf Grund des Rohrbruchs oder der Frosteinwirkung an Rohren entstehende Folgeschäden ersetzt werden sollen. Anderenfalls müsste es nämlich heißen, dass Schäden infolge Rohrbruchs oder Frost versichert sein sollen. Dafür, dass gemäß § 4 Nr. 2 a) 1 VGB 62 grundsätzlich nur die Schäden an den Rohren selbst ersetzt werden sollen, spricht zudem der Klammerzusatz in der genannten Bedingung, wonach Versicherungsschutz auch für die Kosten der Nebenarbeiten und des Auftauens besteht. Ein solcher Zusatz wäre überflüssig, wenn Folgeschäden des Bruchs oder des Frosts ohnehin versichert sein sollten. Für eine Anwendung des § 5 AGBG ist hier kein Raum. Die Unklarheitenregelung ist nicht schon dann anzuwenden, wenn Streit über die Auslegung einer Bestimmung besteht. Voraussetzung ist vielmehr, dass nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel verbleibt (BGH r+s 1996, 169). Dies ist angesichts des obigen Auslegungsergebnisses nicht der Fall.