Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 28.05.1998, Az.: 1 U 21/98

Vorliegen einer Bürgschaft "ohne Vorbehalt", bzw. "auf erstes Anfordern" bei Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB); Pflicht zur Aufklärung des Bürgen über die Übernahme einer unbedingten vorläufigen Zahlungspflicht

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
28.05.1998
Aktenzeichen
1 U 21/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 28920
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1998:0528.1U21.98.0A

Amtlicher Leitsatz

Eine Bürgschaft auf "erstes Anfordern" ist als einfache Bürgschaft auszulegen, wenn der Verwender von AGB nicht erwarten kann, dass dem Bürgen die Bedeutung der "ersten Anfordernis" bekannt ist

Entscheidungsgründe

1

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagten aus Bürgschaft gemäß §§ 765, 767 BGB i.V.m. §§ 87 a Abs. 2, 92 Abs. 2 HGB. Denn die Klägerin hat das Bestehen eines Provisionsrückforderungsanspruchs nicht schlüssig dargelegt.

2

Die Bürgschaften der Beklagten sind normale selbstschuldnerische Bürgschaften, nicht jedoch so genannte Bürgschaften auf erstes Anfordern. Zwar haben die Beklagten dem Wortlaut der Urkunden nach so genannte Bürgschaften ohne Vorbehalt bzw. Auf erstes Anfordern abgegeben, da es in den Urkunden heißt "zur sofortigen Zahlung auf erstes schriftliches Anfordern". Diese Bürgschaften auf erstes Anfordern sind jedoch unwirksam. Mit seiner Verpflichtung "zur sofortigen Zahlung auf erstes schriftliches Anfordern" sagt ein Bürge zu, Einwendungen aus dem Hauptschuldverhältnis allein durch die Rückforderung der zunächst geleisteten Zahlung gemäß § 812 BGB geltend zu machen. Dementsprechend ist die Übernahme einer solchen unbedingten vorläufigen Zahlungspflicht selbst für Kaufleute, die keine Bankgeschäfte betreiben, ein äußerst risikoreiches Rechtsgeschäft, das einer Garantieübernahme für fremde Schuld fast gleich steht und zum Missbrauch verleitet. Deshalb soll eine Verpflichtung, auf erstes Anfordern sofort und ohne Rücksicht auf Einwendungen zu zahlen, jedenfalls soweit sie in allgemeinen Geschäftsbedingungen übernommen wird, den Kreditinstituten vorbehalten bleiben (vgl. BGH in NJW - RR 90, 1265 sowie NJW 1997, 1435).

3

Im vorliegenden Fall haben die Beklagten ihre Verpflichtung aber auf Grund eines Formularvertrages und somit nach Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen aufgestellt worden sind, abgegeben. Dementsprechend findet gemäß § 1 AGBG das AGBG auf die vorliegenden Bürgschaftserklärungen Anwendung. Im Rahmen des AGBG ist die Verpflichtung zu einer Bürgschaft auf erstes Anfordern in Bezug auf die von den Beklagten zu 2) und 3) abgegebenen Erklärungen bereits als überraschende Klausel gemäß § 3 AGBG unwirksam. Denn überschrieben ist die Bürgschaftserklärung allein als "Bürgschaftserklärung" und die Tatsache der Bürgschaft auf erstes Anfordern ergibt sich vorliegend nur aus einem relativ klein gedruckten, nicht besonders hervorgehobenen, späteren Teil in der Urkunde. Außerdem ist diese Klausel auch nach § 9 AGBG unangemessen benachteiligend für die Beklagten. Zwar kann (so BGH NJW 1997, 1435 ff.) durch Individualvertrag jedermann im Rahmen seiner Vertragsfreiheit eine Bürgschaft auf erstes Anfordern vornehmen, ohne dass eine solche Bürgschaft nach § 134 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 KWG unwirksam ist, und kann unter Vollkaufleuten durch AGB eine Bürgschaft auf erstes Anfordern wirksam vereinbart werden (Wolf-Horn-Lindacher, AGBG, 3. Aufl., § 9, Rn. B 219). Aber eine Bürgschaft auf erstes Anfordern -wie hier- allein mit dem banküblichen Wortlaut ist außerhalb des vollkaufmännischen Geschäftsbereichs als einfache Bürgschaft auszulegen, wenn der Verwender nicht erwarten konnte, dass dem Bürgen bekannt war, was die Worte auf ,erstes Anfordern" bedeuteten (OLG Frankfurt Versicherungsrecht 1997, 1015 ff). Denn in diesem Fall muss der Bürge vor dem besonderen Risiko der ungerechtfertigten Inanspruchnahme und somit letztlich dem Risiko der Insolvenz des Gläubigers geschützt werden. Eines solchen Schutzes bedarf es dabei jedenfalls im nichtkaufmännischen Verkehr, wenn der Bürge, ohne besondere Kenntnis und Erfahrung außerhalb des Bank- und Außenhandelsverkehrs eine einzelvertragliche, vom Gläubiger formulierte Bürgschaft auf erstes Anfordern übernommen hat. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Beklagten zu 2) und 3) waren im Zeitpunkt der Abgabe ihrer Bürgschaft nicht Kaufleute. Es ist in keiner Weise ersichtlich oder von der Klägerin dargelegt, dass den Beklagten bei Abgabe der Bürgschaft die Gefährlichkeit einer Bürgschaft auf erstes Anfordern bekannt war und ebenfalls nicht positiv festgestellt, dass den Beklagten die Besonderheit der im Wortlaut des Vertrages angesprochenen rechtlichen Konstruktion bewusst gewesen ist. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Beklagten bei Kenntnis der Gefährlichkeit nur eine normale Bürgschaft abgegeben hätten. Infolgedessen ist die von den Beklagten abgegebene Bürgschaft als eine ,normale", selbstschuldnerische Bürgschaft auszulegen, §§ 133, 157 BGB.

4

Im Rahmen der abgegebenen regelmäßigen selbstschuldnerische Bürgschaft der Beklagten für den im Verhältnis der Klägerin zur Beklagten zu 1) begründeten Rückprovisionsanspruch nach den §§ 765, 767 BGB i.V.m. §§ 87 a Abs. 2, 92 Abs. 2 HGB bedurfte es aber einer schlüssigen Darlegung dieses Hauptanspruchs durch die Klägerin. Diese Voraussetzung erfüllt das Vorbringen der Klägerin nicht.