Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 06.12.2018, Az.: 12 A 5761/16

Biogasanlage; Erdbecken; Gärreste; Lagerkapazitäten; Lagerung; Vorbescheid; Änderungsgenehmigung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
06.12.2018
Aktenzeichen
12 A 5761/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74309
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eine bestandskräftige Baugenehmigung für die Nutzung eines Erdbeckens zur Lagerung von Gärresten ist auch in einem immissionsschutzrechtlichen Verfahren, gerichtet auf die Genehmigung einer Biogasanlage, beachtlich.

Tenor:

Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.

Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin einen positiven immissions-schutzrechtlichen Vorbescheid zu der Frage zu erteilen, ob das mit Bescheid der Stadt Alfeld vom 24.03.2014 genehmigte Erdbecken des Landwirts C. zur Lagerung von rein pflanzlichen biologischen Gärresten genutzt werden darf.

Die Klägerin und der Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte mit Ausnahme der Kosten des Widerspruchsverfahrens, die die Klägerin allein trägt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vollstrecken und die Vollstreckung des Beklagten durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit der Lagerung von Gärresten in einem bereits vorhandenen Erdbecken.

Die Klägerin betreibt auf dem Grundstück A-Straße in A-Stadt, Flurstück 26/8 der Flur 6 der Gemarkung A-Stadt eine ursprünglich mit Bescheid des Beklagten vom 07.08.2006 immissionsschutzrechtlich genehmigte Biogasanlage. Zur Fermentation in der Biogasanlage sind fester Wirtschaftsdünger (z.B. Rindermist) und Energiepflanzen (z.B. Zuckerrübensilage, Maissilage, Mais - als CCM - und Schrot) genehmigt. Die erzeugte Stromenergie wird in das öffentliche Netz eingespeist; das erzeugte Gas wird teilweise auf dem Grundstück genutzt und teilweise über eine Gasleitung an ein externes Blockheizkraftwerk abgegeben. Die anfallenden Gärreste lagert die Klägerin bisher auf dem Betriebsgelände.

Unter dem 27.05.2015 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Genehmigung zur Erweiterung der bestehenden Biogasanlage. Die Klägerin strebte eine Erhöhung der Produktion an Biogas von 2,41 Mio. m³/a auf 3,78 Mio. bzw. 3,9 Mio. m³/a an. Dafür plante sie, die Substratmengen zu erhöhen und die Substratzusammensetzung zu ändern. Die nach der Erhöhung der Menge der Einsatzstoffe zu erwartende Gärrestmenge schätzte die Klägerin auf 12.690 m³/a. Für die Lagerung bis zur landbaulichen Verwertung führte die Klägerin in ihrem Antrag Lagerkapazitäten für 10.463 m³ an. Außer der Lagerkapazität auf dem Betriebsgelände der Anlage (3.963 m³) stellte die Klägerin auch einen externen Lagerbehälter in die Berechnung ein. Dieses externe Erdbecken in der Gemarkung M., Flur 2, Flurstück 21/1, steht im Eigentum des Landwirtes Hendrik C. und ist mit Bescheid der Stadt Alfeld vom 24.03.2014 baugenehmigt worden. Nach der Berechnung des maximalen Füllvolumens fasst das Erdbecken insgesamt 5.526 m³. In der Betriebsbeschreibung heißt es, bei dem Lagergut, dem Dünger, handele es sich „um einen rein pflanzlichen biologischen Gärrest, der bei dem Betrieb von Biogasanlagen“ anfalle. Nach der Nebenbestimmung Nr. 40 der Baugenehmigung sind die in der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik mit Datum vom 11.01.2013, ergänzt mit Schreiben vom 11.12.2013, gestellten Bedingungen bei der Herstellung, Errichtung und dem Betrieb des „CENO-Systems“ zu erfüllen. Die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik vom 11.01.2013 (Z-59.22-256) für das „CENO-System“ ist Anlage zur Baugenehmigung. Danach ist das „CENO-System“ als Auskleidung von Erdbecken mit Leckageerkennungseinrichtung zur Lagerung von Jauche, Gülle, Silagesickersäften und Abwässern aus der Tierhaltung (sog. JGS-Anlage) allgemein bauaufsichtlich zugelassen. Als Geltungsdauer ist auf der Zulassung der Zeitraum 11.01.2013 bis 11.01.2018 angegeben. Nach dem Schreiben des Deutschen Instituts für Bautechnik vom 11.12.2013 wurden die Nachweise zur Verwendung für Gärreste von Biogasanlagen, in denen ausschließlich Gärsubstrate landwirtschaftlicher Herkunft zur Gewinnung von Biogas vergoren werden, vollständig geführt. In dem an den Hersteller des CENO-Systems gerichteten Schreiben heißt es weiter: „Nach Inkrafttreten der AwSV (Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen) werden wir im Rahmen der nächsten Änderung bzw. Ergänzung Ihrer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung die Lagerung von Gärresten aus Biogasanlagen, in denen ausschließlich Gärsubstrate landwirtschaftlicher Herkunft zur Gewinnung von Biogas vergoren werden, ergänzen. Bis zu diesem Zeitpunkt gilt dieses Schreiben als Ergänzung zu Ihrer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung Nr. Z-59.22-256. Die Gültigkeit diese(s) Schreibens erlischt mit dem Inkrafttreten der AwSV, spätestens 6 Monate nach Veröffentlichung der AwSV im Bundesanzeiger.“

Mit Schreiben vom 14.09.2015 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die geplante Erweiterung der von ihr betriebenen Biogasanlage nicht genehmigungsfähig sei. Zur Begründung führte er aus, dass es für die Lagerung von Gärresten in Erdlagunen derzeit keine zugelassenen Systeme gebe und die von der Stadt Alfeld unter dem 24.03.2014 erteilte Baugenehmigung rechtswidrig sei, soweit sie eine Lagerung von Gärresten in dem zur Genehmigung gestellten Erdbecken zulasse. Der erteilten Baugenehmigung komme keine Legalisierungswirkung dahingehend zu, dass die Betreiber von Biogasanlagen entgegen der Niedersächsischen Bauordnung ihre Gärreste in das Erdbecken verbringen dürften.

Mit Schreiben vom 09.10.2015 nahm die Klägerin dahingehend Stellung, dass die Lagerung von Gärresten in dem Erdbecken Gegenstand der von der Stadt Alfeld erteilten Baugenehmigung sei und diese Baugenehmigung Bestandskraft habe.

Die Stadt Alfeld sah im weiteren Verfahren keine Veranlassung, die von ihr erteilte Baugenehmigung vom 24.03.2014 zurückzunehmen.

Nach entsprechender Anhörung lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 02.05.2016 ab. Zur Begründung führte er aus, zu einem ordnungsgemäßen Betrieb einer Biogasanlage gehöre auch eine fach- und sachgerechte Lagerung der anfallenden Gärreste. Diese könne die Klägerin nicht gewährleisten. Als Lagerbehälter kämen nur oberirdische Behälter in Beton- und Stahlbauweise in Betracht. Soweit sich die Klägerin darauf berufe, dass eine Bauartzulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik für die Lagerung von Gärresten in der Lagune bestehe, sei dies unzutreffend. Die Bauartzulassung bestehe ausschließlich für JGS-Anlagen. Es sei lediglich geplant, die Zulassung im Rahmen der Neugestaltung der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen zukünftig auch auf Gärreste auszuweiten.

Mit Bescheid vom 03.05.2016 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin für die Ablehnung der beantragten Genehmigung Kosten in Höhe von 723,45 € fest.

Die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide vom 02.05. und 03.05.2016 wies der Beklagte mit Bescheid vom 31.08.2016 zurück.

Mit Bescheid vom 02.09.2016 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin die Kosten des Widerspruchsverfahrens in Höhe von 1.080,00 € fest.

Die Bescheide vom 31.08.2016 und vom 02.09.2016 wurden der Klägerin am 08.09.2016 zugestellt.

Die Klägerin hat am 06.10.2016 Klage erhoben.

Die Klägerin trägt vor, die Nutzung des Erdbeckens des Landwirts C. für die Lagerung der Gärreste biete sich an, weil in der Nähe die landwirtschaftlichen Flächen lägen, auf die aufgebracht werden solle. Durch die kontinuierliche Befüllung des Erdbeckens im Winterhalbjahr sei sichergestellt, dass der Dünger zum Zeitpunkt des Nährstoffbedarfs der Pflanzen im Frühjahr ohne zeitraubende Transporte aufgebracht werden könne. Eine Lagerung von Gärresten in Erdbecken sei auch rechtlich grundsätzlich zulässig, soweit das verwendete Abdichtungssystem wie das Erdbecken des Landwirts C. eine bauaufsichtliche Zulassung habe. Gärreste, die aus Biogasanlagen stammten, in denen wie in der von ihr betriebenen lediglich nachwachsende Rohstoffe eingesetzt würden, seien mit den Stoffen, für die die bauaufsichtliche Zulassung des Erdbeckens erteilt worden sei, vergleichbar. Sie fermentiere in ihrer Biogasanlage ausschließlich pflanzliche Einsatzstoffe und plane nun, die Erteilung einer Änderungsgenehmigung für eine Erhöhung der Einsatzstoffmengen unter gleichzeitiger Beschränkung auf rein pflanzliche Substrate zu beantragen.

Nachdem die Klägerin ihre Klage zunächst auf die Erteilung der Änderungsgenehmigung und die Aufhebung der Kostenbescheide vom 03.05.2016 und 02.09.2016 gerichtet hatte, hat sie ihre Klage gegen die Kostenbescheide zurückgenommen und in der mündlichen Verhandlung im Übrigen beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, ihr einen positiven immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid zu der Frage zu erteilen, ob das mit Bescheid der Stadt Alfeld vom 24.03.2014 genehmigte Erdbecken des Landwirts C. zur Lagerung von rein pflanzlichen
biologischen Gärresten genutzt werden darf.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, die Baugenehmigung der Stadt Alfeld dürfe schon aus Gründen der Gleichbehandlung anderer Betreiber nicht Grundlage einer weiteren rechtswidrigen Genehmigung werden. Auch handele es sich bei der externen Lagune nicht um eine zugelassene Lagerstätte für Gärreste, denn die erforderliche Zulassung zur Lagerung von Gärresten sei seitens des Deutschen Instituts für Bautechnik bislang nicht erfolgt. Auch sei eine zeitnahe Zulassung weder ersichtlich noch habe die Ankündigung des Deutschen Instituts für Bautechnik aus dem Jahre 2013 noch Bedeutung. Im Übrigen hätten sich die allgemein bauaufsichtlich zugelassenen Systeme für die Lagerung von Jauche, Gülle, Silagesickersäften in der Praxis nicht bewährt und seien in nicht seltenen Fällen bei der Überprüfung erhebliche Mängel festgestellt worden. Gärreste aus dem Betrieb von Biogasanlagen seien auch deshalb in Beton- oder Stahlbehältern zu lagern. Schließlich dürften nach § 63 WHG Anlagen zum Lagern wassergefährdender Stoffe nur errichtet und betrieben werden, wenn ihre Eignung von der zuständigen Behörde festgestellt worden sei. Für das Erdbecken fehle es aber an einer solchen Feststellung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der vom Beklagten und der Stadt Alfeld vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Sämtlicher Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

Das Verfahren ist gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen, soweit die Klägerin mit der von ihr ursprünglich erhobenen Klage auch die Aufhebung der Kostenbescheide des Beklagten vom 03.05.2016 und 02.09.2016 begehrt hatte, denn insoweit hat die Klägerin ihre Klage zurückgenommen.

Im Übrigen hat die Klage mit dem geänderten Klageantrag Erfolg.

Die Klageänderung ist gemäß § 91 Abs. 1 und 2 VwGO zulässig. Sie ist sachdienlich (vgl. zum Umstellen des Klageantrags von Verpflichtung zur Genehmigung auf Verpflichtung zum Vorbescheid OVG NW, Urteil vom 29.10.2018 - 10 A 1403/16 -, juris Rdnr. 29ff.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 15.08.2012 - 10 K 3337/07 -, juris Rdnr. 46) und der Beklagte hat sich, ohne ihr zu widersprechen, in der mündlichen Verhandlung auf sie eingelassen. Die Terminsvertreterin des Beklagten hat beantragt, die Klage der Klägerin mit dem zuvor geänderten Antrag abzuweisen.

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung eines positiven immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides.

Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin auf Erteilung des Vorbescheides ist § 9 Abs. 1 BImSchG. Danach soll auf Antrag durch Vorbescheid über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen entschieden werden, sofern die Auswirkungen der geplanten Anlage ausreichend beurteilt werden können und ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines Vorbescheides besteht.

Die Klägerin hat zunächst ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines Vorbescheides zu der Frage, ob das mit Bescheid der Stadt Alfeld vom 24.03.2014 genehmigte Erdbecken des Landwirts C. zur Lagerung von rein pflanzlichen biologischen Gärresten genutzt werden darf.

Ein berechtigtes Interesse ist anzunehmen, wenn vernünftige Gründe für ein gestuftes Vorgehen vorhanden sind. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Bindungswirkung eines Vorbescheides geeignet ist, das Investitionsrisiko eines Antragstellers zu verringern, indem zu einer wesentlichen Teilfrage eine verbindliche Klärung vorab erreicht wird (Nds. OVG, Urteil vom 22.11.2012 - 12 LB 64/11 -, juris Rdnr. 33; VG Hannover, Urteil vom 07.10.2010 - 12 A 2639/07 -). Da die Klägerin in Aussicht genommen hat, einen neuen Antrag auf Erteilung einer Änderungsgenehmigung für ihre Biogasanlage zu stellen, ist es vernünftig, für die Frage, ob das Erdbecken überhaupt zur Lagerung von Gärresten genutzt werden kann, eine verbindliche Klärung zu erreichen, bevor die Klägerin in einem neuen Genehmigungsverfahren aufgefordert ist, eine Vorprüfung zur Umweltverträglichkeit des Vorhabens und ein schalltechnisches Gutachten zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen vorzulegen.

Die Auswirkungen der von der Klägerin geplanten Erhöhung der Einsatzstoffmengen unter gleichzeitiger Beschränkung auf rein pflanzliche Substrate können auch insgesamt ausreichend beurteilt werden.

Im Rahmen des § 9 BImSchG ist - anders als bei einer Teilgenehmigung nach § 8 BImSchG, die für einen Teil einer Anlage eine endgültige Genehmigung darstellt und deshalb gemäß § 8 Satz 1 Nr. 3 BImSchG einer vorläufigen positiven Gesamtbeurteilung des gesamten Vorhabens bedarf - lediglich überschlägig zu prüfen, ob der Anlage von vornherein unüberwindliche rechtliche Hindernisse entgegenstehen (Dietlein in Landmann/Rohmer, UmweltR, § 9 BImSchG Rdnr. 44). Solche Hindernisse sind bei einer überschlägigen Prüfung des in Aussicht genommenen Antrags der Klägerin nicht zu erkennen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass sich aus einer Vorprüfung zur Umweltverträglichkeit des Vorhabens oder aus einem schalltechnischen Gutachten zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen - die Anlage liegt im Außenbereich - solche Hindernisse ergeben werden.

Mit dem beantragten Bauvorbescheid zu der Frage, ob das Erdbecken des Landwirts C. zur Lagerung von rein pflanzlichen biologischen Gärresten genutzt werden darf, wird auch über eine einzelne Voraussetzung einer Änderungsgenehmigung entschieden.

Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG ist eine Genehmigung unter anderem zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass andere öffentlich-rechtliche Vorschriften dem Vorhaben nicht entgegenstehen. Nach § 41 Abs. 2 Satz 1 NBauO muss bei baulichen Anlagen unter anderem die ordnungsgemäße Entsorgung der Abfälle dauernd gesichert sein. Das gilt nach § 41 Abs. 2 Satz 2 NBauO explizit auch für den Verbleib von Gärresten. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten kann die Klägerin für die geforderte ordnungsgemäße Entsorgung der in ihrer Biogasanlage zukünftig anfallenden Gärreste das Erdbecken des Landwirts C. nutzen.

Die Klägerin plant nunmehr für ihre Biogasanlage eine Erhöhung der Einsatzstoffmengen unter gleichzeitiger Beschränkung auf rein pflanzliche Substrate. Die damit entstehenden rein pflanzlichen biologischen Gärreste können in dem Erdbecken gelagert werden.

Die Stadt Alfeld hat für das Erdbecken mit Bescheid vom 24.03.2014 eine Baugenehmigung zur Lagerung von rein pflanzlichen biologischen Gärresten erteilt. Diese Baugenehmigung vermittelt hinsichtlich der Nutzung in Form einer Lagerung von Gärresten rein pflanzlichen Ursprungs weiterhin Bestandsschutz, denn die Baugenehmigung ist weder befristet erteilt noch bisher von der Stadt Alfeld aufgehoben worden. Im Einzelnen:

Inhalt und Umfang einer Baugenehmigung werden durch den Bauantrag des Bauherrn, durch die Bezeichnung der Baumaßnahme in der Baugenehmigung und durch die auf den Bauvorlagen angebrachten Grünstempel bestimmt (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 20.02.2014 - 1 LB 189/11 -, BauR 2014, 1131).

Zwar ist die Baumaßnahme im Bauantrag zunächst als „Neubau eines Erdbeckens zur Lagerung von Flüssigdünger“ bezeichnet und gehören zu den flüssigen Düngemitteln auch Jauche, Gülle und Sickersäfte, so dass es sich der Bezeichnung nach auch um die Genehmigung einer sogenannten JGS-Anlage gehandelt haben könnte. In der Betriebsbeschreibung, die als grüngestempelte Bauvorlage Teil der Genehmigung geworden ist, heißt es jedoch unter der Überschrift „Zum Dünger“, dass es sich bei dem Dünger um einen rein pflanzlichen biologischen Gärrest handele, der bei dem Betrieb von Biogasanlagen anfalle. Damit umfasst die Genehmigung die Nutzung des Erdbeckens zur Lagerung von Gärresten, beschränkt sie allerdings zugleich auf eine Lagerung von rein pflanzlichen biologischen Gärresten. Dieser Regelungsgehalt der Baugenehmigung dürfte zwischen den Beteiligten inzwischen unstreitig sein. Durch die Beschränkung auf eine Lagerung von Gärresten rein pflanzlichen Ursprungs ist der Klägerin eine Nutzung des Erdbeckens für Gärreste derzeit verwehrt. Die Genehmigung für die Biogasanlage lässt bisher auch die Fermentation von Substraten tierischen Ursprungs zu.

Die Baugenehmigung für die Nutzung des Erdbeckens zur Lagerung von Gärresten rein pflanzlichen Ursprungs ist nicht befristet erteilt worden. Aus der Genehmigung selbst ergibt sich keine Befristung. Auch aus der Nebenbestimmung Nr. 40 zur Genehmigung lässt sich eine solche nicht herleiten. Die Nebenbestimmung gibt dem Bauherrn nur auf, „die in der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung (Zulassungsnummer Z-59.22-256) des Deutschen Instituts für Bautechnik mit Datum vom 11.01.2013, ergänzt mit Schreiben vom 11.12.2013, gestellten Bedingungen bei der Herstellung, Errichtung und Betrieb des „CENO Systems“ … zu erfüllen.“ Der Zulassungsgegenstand zu der genannten Zulassungsnummer ist das „CENO-System“ als Auskleidung von Erdbecken mit Leckageerkennungseinrichtung zur Lagerung von Jauche, Gülle, Silagesickersäften und Abwässern aus der Tierhaltung. Die in der Zulassung gestellten Bedingungen ergeben sich aus den Seiten 2 bis 11 der Zulassung, auf denen allgemeine und besondere Bestimmungen für die Bauart, den Entwurf und die Bemessung, für die Ausführung und für die Nutzung, Unterhaltung und Wartung angeführt sind. Soweit auf Seite 1 der Zulassung als deren Geltungsdauer der Zeitraum vom 11.01.2013 bis zum 11.01.2018 angegeben ist, handelt es sich lediglich um die Befristung der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung für das CENO-System. Weder ergibt sich daraus eine Befristung der Baugenehmigung noch eine „gestellte Bedingung“ im Sinne der Nebenbestimmung Nr. 40. Eine Geltungsdauer lässt sich auch nicht „erfüllen“. Auch aus dem Schreiben des Deutschen Instituts für Bautechnik vom 11.12.2013 an den Hersteller des CENO-Systems ergibt sich keine Befristung der Baugenehmigung für das Erdbecken, wenn es dort heißt:

„Nach Inkrafttreten der AwSV (Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen) werden wir im Rahmen der nächsten Änderung bzw. Ergänzung Ihrer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung die Lagerung von Gärresten aus Biogasanlagen, in denen ausschließlich Gärsubstrate landwirtschaftlicher Herkunft zur Gewinnung von Biogas vergoren werden, ergänzen. Bis zu diesem Zeitpunkt gilt dieses Schreiben als Ergänzung zu Ihrer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung Nr. Z-59.22-256. Die Gültigkeit diese(s) Schreibens erlischt mit dem Inkrafttreten der AwSV, spätestens 6 Monate nach Veröffentlichung der AwSV im Bundesanzeiger.“

Diese Ausführungen enthalten wiederum keine Bedingung, sondern - neben einer Absichtserklärung im ersten Satz - eine Geltungsdauer der Zulassungsergänzung.

Die Baugenehmigung ist auch nicht zwischenzeitlich aufgehoben worden. Vielmehr hat die Stadt Alfeld eine Aufhebung der Baugenehmigung mit Schreiben vom 21.12.2015 an den Beklagten ausdrücklich abgelehnt.

Der von der Baugenehmigung vermittelte Bestandsschutz für die Nutzung des Erdbeckens wird auch in dem von der Klägerin in Aussicht genommenen Verfahren zur Erteilung einer Änderungsgenehmigung für ihre Biogasanlage vom Beklagten zu beachten sein. Entgegen seiner Auffassung steht dem Beklagten in dem zukünftigen Verfahren hinsichtlich der materiellen Rechtmäßigkeit des Betriebs der Lagune keine eigene Prüfungskompetenz zu.

Nach gefestigter Rechtsprechung gilt, dass in einem auf Erteilung einer Änderungsgenehmigung für eine immissionsschutzrechtliche Anlage betriebenen Verfahren Gegenstand des Verfahrens nur die Teile der Anlage sind, für die aus Anlass der Änderung die Genehmigungsfrage erneut aufgeworfen wird (seit BVerwG, Urteil vom 21.08.1996 - 1 C 9.95 -, BVerwGE 101, 347, 355; vgl. Reidt/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand April 2018, § 16 BImSchG Rdnr. 165; Jarass, BImSchG, 9. Aufl. 2012, § 16 Rdnr. 31). Dies gilt erst recht für eine Anlage, die nicht Teil der immissionsschutzrechtlichen Anlage ist. Dementsprechend stellt sich auch für das Erdbecken des Landwirts C. die Genehmigungsfrage nicht neu, denn das Erdbecken ist im Verhältnis zu der Biogasanlage der Klägerin eine selbständige Anlage.

Das Erdbecken gehört nicht zur Biogasanlage der Klägerin. Zwar sind gemäß § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG Anlagen im Sinne des Gesetzes unter anderem Betriebsstätten, welche sich im Einzelfall auch aus mehreren Einzelanlagen im Sinne des Gesetzes  oder der 4. BImSchV zusammensetzen können (vgl. Thiel in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand April 2018, § 3 BImSchG Rdnr. 85). Ausgehend von § 1 Abs. 2 der 4. BImSchV sind zu einer Anlage alle Anlagenteile und Verfahrensschritte zu rechnen, die zum Betrieb notwendig sind, und gehören zu einer Anlage weiterhin auch - näher bestimmte - Nebeneinrichtungen. Zu Letzteren können auch eigenständige Lager zählen (Jarass, BImSchG, 9. Aufl. 2012, § 4 Rdnr. 64). Eine solche Nebeneinrichtung unterfällt dem Anlagenbegriff allerdings nur dann, wenn sie vom Betreiber der Haupteinrichtung betrieben wird (Jarass, BImSchG, 9. Aufl. 2012, § 4 Rdnr. 72). An dieser Voraussetzung fehlt es im Falle des Erdbeckens des Landwirts C.. Der Landwirt betreibt das Erdbecken ersichtlich in eigener Verantwortung, er ist Bauherr der baulichen Anlage, hat das Becken in der Nähe seiner landwirtschaftlichen Flächen angelegt und übernimmt die Gärreste von der Klägerin gegen Entgelt. Darüber hinaus dient das Erdbecken nicht dem Betrieb der Biogasanlage, sondern im landwirtschaftlichen Betrieb des Landwirts zum Lagern eines Düngemittels (vgl. zu der Abgrenzung von Biogasanlage und Gärrestebehälter auch VG Würzburg, Urteil vom 27.02.2015 - W 5 K 14.711 -, juris Rdnr. 27).

Auch aus der in § 13 BImSchG geregelten Konzentrationswirkung des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens ergibt sich keine Befugnis des Beklagten, die Zulässigkeit des Erdbeckens erneut zu prüfen. Zum einen gilt wiederum, dass sich die Konzentrationswirkung des die Biogasanlage der Klägerin betreffenden Verfahrens nicht auf das Erdbecken erstrecken kann, weil die Lagune eine selbständige Anlage ist. Schon nach dem Wortlaut des § 13 BImSchG schließt die Konzentrationswirkung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung lediglich solche behördlichen Entscheidungen ein, die die Anlage selbst betreffen. Zum anderen ist die Konzentrationswirkung einer Genehmigung auch in dem Fall begrenzt, dass für die zu genehmigende Anlage bereits zuvor eine bestandskräftige Genehmigung anderer Art erteilt worden ist. Ist eine eigentlich „verdrängte“ Genehmigung bereits erteilt worden, so ist die Immissionsschutzbehörde an diesen rechtswidrigen, aber wirksamen Verwaltungsakt gebunden (vgl. Seibert in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand April 2018, § 13 BImSchG Rdnr. 52; Jarass, BImSchG, 9. Aufl. 2012, § 13 Rdnr. 16). Wenn aber die Immissionsschutzbehörde sogar an eine Genehmigung gebunden ist, die zuvor für dieselbe Anlage erteilt worden ist, dann muss die Behörde erst recht an eine Genehmigung für eine andere - selbständige - Anlage gebunden sein.

Einer zukünftigen Lagerung von rein pflanzlichen biologischen Gärresten in dem Erdbecken des Landwirts C. steht schließlich nicht entgegen, dass der Beklagte eine wasserrechtliche Eignungsfeststellung nach § 63 Abs. 1 WHG für das Erdbecken vermisst.

Zwar dürfen gemäß § 63 Abs. 1 WHG Anlagen zum Lagern wassergefährdender Stoffe nur errichtet und betrieben werden, wenn ihre Eignung von der zuständigen Behörde festgestellt worden ist. Der Beklagte kann eine Eignungsfeststellung für das Erdbecken danach jedoch nicht fordern. Unabhängig von der Frage, ob die Vorschrift auf das für die Lagerung von Gärresten genehmigte Erdbecken des Landwirts C. überhaupt anwendbar ist, entfällt eine solche Eignungsfeststellung gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 WHG nämlich für solche Anlagen, für die eine Genehmigung nach baurechtlichen Vorschriften erteilt worden ist, sofern „bei Erteilung der Genehmigung die wasserrechtlichen Anforderungen zu berücksichtigen sind“. Letzteres ist bei dem Erdbecken der Fall. Gemäß § 70 NBauO ist Voraussetzung für eine Baugenehmigung, dass die Baumaßnahme dem öffentlichen Baurecht entspricht und gemäß § 2 Abs. 16 NBauO gehören zum öffentlichen Baurecht unter anderem die sonstigen Vorschriften des öffentlichen Rechts, die Anforderungen an bauliche Anlagen, Bauprodukte oder Baumaßnahmen stellen. Unter diese sonstigen Vorschriften fallen auch wasserrechtliche Vorschriften, die Anforderungen an eine (bauliche) Anlage formulieren (vgl. Mann in Große-Suchsdorf, NBauO, 9. Aufl. 2013, § 2 Rdnr. 160 und Vorbem. Rdnr. 26). Dieser landesrechtlichen Vorgabe, die wasserrechtlichen Anforderungen zu berücksichtigen, ist im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zum Erdbecken auch Rechnung getragen worden. Der Landkreis Hildesheim als Untere Wasserbehörde hatte zum Neubau des Erdbeckens unter dem 13.03.2014 Stellung genommen; die Nebenbestimmungen Nrn. 46, 48, 49 und 51 enthalten ausdrückliche Bezüge zum Wasserrecht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 und 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 und 2 ZPO.