Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 18.12.2018, Az.: 5 A 5268/16
exilpolitische Betätigung; herausgehobene Stellung; subjektiver Nachfluchtgrund; Sudan
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 18.12.2018
- Aktenzeichen
- 5 A 5268/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2018, 74291
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 3 AsylVfG
- § 4 AsylVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Es ist davon auszugehen ist, dass die sudanesische Regierung exilpolitische Aktivitäten von Asylsuchenden in Deutschland beobachtet. Allerdings ist nicht anzunehmen, dass eine flächendeckende Überwachung erfolgt.
Eine Verfolgungsgefahr bei Rückkehr in den Sudan besteht für exilpolitisch tätige Sudanesen nur dann, wenn sie sich mit ihren exilpolitischen Aktivitäten öffentlichkeitswirksamen von der Masse der exilpolitisch tätigen Flüchtlinge abheben.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Gewährung subsidiären Schutzes sowie weiter hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten.
Der Kläger ist nach eigenen Angaben sudanesischer Staatsangehöriger vom Stamm der Berti. Er sei am D. 2013 aus seinem Heimatland nach Libyen ausgereist, wo er sich über ein Jahr aufgehalten habe, und dann mit dem Boot weiter nach Sizilien/Italien und von dort über Österreich auf dem Landweg am E..2014 in Deutschland eingereist.
Er stellte am F. 2014 einen förmlichen Asylantrag in Deutschland. Zur Begründung seines Asylbegehrens trug er im Wesentlichen vor, er sei für vier Monate von Sicherheitsleuten der Regierung inhaftiert worden, weil ihm unterstellt worden sei, mit dem Feind der Regierung zu sympathisieren und zusammenzuarbeiten. Er habe im Gefängnis Zwangsarbeit leisten müssen. Nach vier Monaten sei er entlassen worden. Er sei gezwungen worden, eine Vereinbarung zu unterschreiben, wonach er die Stadt nicht habe verlassen dürfen und sich jede Woche zur Unterschrift habe melden sollen. Nach seiner Entlassung habe er sich fünf Tage bei seiner Familie aufgehalten und sei anschließend nach Omdurman gegangen. Mit Hilfe eines Schleusers sei er nach acht Tagen Richtung Libyen geflohen.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) lehnte seinen Asylantrag mit - am G. 2016 an den Kläger übersandten - Bescheid vom H. 2016 ab, stellte fest, dass weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch subsidiären Schutzes oder Abschiebungsverbote vorlägen, forderte den Kläger unter Fristsetzung zur Ausreise auf und drohte ihm für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist die Abschiebung in den Sudan an.
Der Kläger hat hiergegen am I. 2016 Klage erhoben. Er wiederholt seinen Vortrag aus seinem Verfahren beim Bundesamt. Er befürchte bei seiner Rückkehr eine erneute Inhaftierung und Tötung durch die Regierung, da er gegen eine mit der Regierung geschlossene Vereinbarung verstoßen habe und als Landesverräter gelte. Er habe sich in Deutschland politisch betätigt. Hierzu hat er verschiedene Unterlagen vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheids vom H. 2016 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
hilfsweise
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheids vom H. 2016 zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz zu gewähren.
weiter hilfsweise
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheids vom H. 2016 zu verpflichten, für ihn das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Gründe des streitgegenständlichen Bescheids.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, aber unbegründet. Der den Asylantrag des Klägers ablehnende Bescheid des Bundesamts ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat nach der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblichen Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (1.), die Gewährung subsidiären Schutzes (2.) noch die Feststellung von Abschiebungsverboten (3.) - § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO -.
(1.) Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.
Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK) keine Abweichung zulässig ist. Gleiches gilt nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG für eine Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können gemäß § 3a Abs. 2 AsylG unter anderem gelten die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, eine unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, die Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung sowie die Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen gemäß § 3 Abs. 2 AsylG umfassen würde.
Die in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründe Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugung und Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe werden in § 3b Abs. 1 AsylG näher umschrieben. Zwischen den in den §§ 3 Abs. 1 und 3b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in § 3a Abs. 1 und 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss, wie § 3a Abs. 3 AsylG klarstellt, eine Verknüpfung bestehen.
Für die Frage, ob dem Asylsuchenden Verfolgung droht, gilt der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit als einheitlicher Maßstab sowohl im Hinblick auf eine etwaige Vorverfolgung als auch für Nachfluchtgründe. Ist der Kläger vorverfolgt ausgereist, kommt ihm allerdings die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU (Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie -) zugute. Nach dieser Vorschrift ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder unmittelbar von Verfolgung bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist; etwas Anderes soll nur dann gelten, wenn stichhaltige Gründe gegen eine erneute derartige Bedrohung sprechen. Für denjenigen, der bereits Verfolgung erlitten hat oder von Verfolgung unmittelbar bedroht war, streitet also die tatsächliche - allerdings widerlegbare - Vermutung, dass sich frühere Verfolgungshandlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden.
Dabei ist es Sache des Schutzsuchenden, die Umstände, aus denen sich die Verfolgung ergibt, in schlüssiger Form vorzutragen. Das Gericht muss dabei die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten individuellen Schicksals und von der Richtigkeit der Prognose drohender Verfolgung gewinnen. Auf Grund der Beweisschwierigkeiten, in denen sich der Schutzsuchende hinsichtlich der asylbegründeten Vorgänge in seinem Heimatland regelmäßig befindet, muss sich das Gericht jedoch mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig ausgeschlossen werden können (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.7.1989 - 9 B 239/89 -, juris). Das Asylverfahren ist eine Einheit, so dass ein gegenüber den Angaben vor der Verwaltungsbehörde im gerichtlichen Verfahren vorgetragener neuer/abweichender Sachverhalt regelmäßig Zweifel an der Richtigkeit dieses Vorbringens wecken wird. Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann dem Asylsuchenden nur bei einer überzeugenden Auflösung der Unstimmigkeiten geglaubt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.11.1985 - 9 C 27/85 -, juris). Der Asylbewerber muss die persönlichen Umstände seiner Verfolgung und Furcht vor einer Rückkehr hinreichend substantiiert, detailliert und widerspruchsfrei vortragen und plausible, wirklichkeitsnahe Angaben machen. Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstandes und Alters muss der Asylbewerber im Wesentlichen gleichbleibende, möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu seinem behaupteten Verfolgungsschicksal machen.
Dies zugrunde gelegt, hat das Gericht nach dem Eindruck der mündlichen Verhandlung nicht die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger den Sudan unter dem Druck einer politischen Verfolgung verlassen hat oder ihm bei Rückkehr Verfolgung droht.
Zur allgemeinen politischen Lage im Sudan ergibt sich nach den vorliegenden aktuellen Auskünften folgendes Bild:
Staatspräsident al Bashir hat im Oktober 2016 den ein Jahr zuvor ausgerufenen „Nationalen Dialog“ beendet, an dem sich alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte des Landes beteiligen sollten, um die Konflikte im Land zu lösen und einen Weg zu Reformen aufzuweisen. Der Dialog schloss mit umfangreichen Empfehlungen ab, deren wichtigste die Erarbeitung einer neuen Verfassung bis 2020 ist. Zahlreiche gewichtige Oppositionsparteien haben sich am „Nationalen Dialog“ nicht beteiligt und wollen auch an dieser zweiten Phase des „Nationalen Dialogs“ nicht teilnehmen. Im Oktober 2017 haben die USA einen Teil ihrer Sanktionen gegen Sudan aufgehoben. Der Großteil der Sanktionen, insbesondere die Listung als „State Sponsor of Terroism“ bleibt allerdings bestehen. Zwei Konditionen für die Sanktionsaufhebung betrafen die langjährigen Konflikte in Darfur und in den Gebieten Südkordufan und Blauer Nil („Two Areas“). Hier hat sich die sudanesische Regierung verpflichtet, einseitige Waffenruhen auszurufen (und dies auch getan). Zudem hat sie sich zu einem Friedensschluss mit der bewaffneten Opposition in diesen Gebieten verpflichtet. Hierüber wird im Augenblick unter der Leitung des ehemaligen südafrikanischen Präsidenten Mbeki verhandelt (unterstützt durch die vom deutschen Auswärtigen Amt finanzierte Berghof-Stiftung). Die an diesen Verhandlungen beteiligte bewaffnete Opposition besteht zurzeit aus „Sudanese People`s Liberation Movement-North“ (SPLM-N, akiv in den „Two Areas“), „Justice and Equality Movement“ (JEM in Darfur) und „Sudanese Liberation Army-Minni Minnawi“ (SLA-MM in Darfur).
Zu größeren Kampfhandlungen ist es zuletzt Mitte 2016 in den Marra-Bergen in Darfur gekommen, bei denen noch einmal ca. 100.000 Menschen vertrieben wurden. Seit dieser Zeit kam es nur noch zu kleineren bewaffneten Auseinandersetzungen, da infolge der Kampfhandlungen in 2016 sowohl JEM und SLA-MM als auch die sich jeder Verhandlung bis jetzt verweigernde Rebellengruppe von Abdul Wahid Nuer (SLM-AW) über nur noch unbedeutende militärische Präsenz in Darfur verfügen. Trotz der zurzeit ruhigen militärischen Lage ist Darfur jedoch noch weit von Frieden und Sicherheit für die dortige Bevölkerung entfernt. Der seit 2003 andauernde Darfur-Konflikt hat nach VN- Angaben bisher mehr als 200.000 Todesopfer gefordert und zur Vertreibung hunderttausender Menschen geführt. Wegen in Darfur begangener Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit hat der Internationale Strafgerichtshof am 04.03.2009 Haftbefehl gegen Präsident al-Bashir ausgestellt, der später um den Tatvorwurf Völkermord erweitert wurde. Der Haftbefehl blieb ohne Konsequenzen, wie auch der am 02.03.2012 ausgestellte Haftbefehl gegen den damaligen Verteidigungsminister Adelrahim Mohamed Hussein. Die Beziehungen zum Nachbarn Süd Sudan (Unabhängigkeit 2011) bleiben angespannt. Das „umfassende Friedensabkommen“ (Comprehensive Peace Agreement, CPA), das am 09.01.2015 den über 20 Jahre dauernden Bürgerkrieg zwischen dem Norden und dem Süden des Landes beendet hatte, wird noch immer nicht vollständig umgesetzt. Umstritten ist vor allem die genaue Festlegung der Grenze zwischen Nord- und Südsudan sowie die Durchführung des Referendums in der Region Abyei zu der Frage, ob Abyei Teil des Nordsudans bleiben oder dem Südsudan zugehören soll.
Präsident al-Bashir hat sein Ziel, mit dem von ihm initiierten „Nationalen Dialog“ seine Machtbasis durch Kooperation mit möglichst vielen der größeren und der Dutzenden von kleineren Parteien zu erweitern, durchaus verwirklichen können. Dies zeigt eine Kabinettsumbildung im Mai 2017, mit der Bashir den Kreis der Regierungsparteien noch einmal ausweitete. Weiterhin stehen aber wichtige Oppositionsparteien wie die Umma Party und die Sudanese Congress Party (SCP) außerhalb des Nationalen Dialogs. Die Kontrolle der Parteien erfolgt vor allem mittels enger Überwachung durch den Nationalen Nachrichten- und Sicherheitsdienst (NISS). Oppositionsparteien können sich jedoch in begrenztem Ausmaß kritisch äußern. Ein großer Teil steht auch in Gesprächskontakt mit der führenden National Congress Party“ (NCP).
Der Sudan ist kein Rechtsstaat. Es gibt keine funktionierende Gewaltenteilung. Die Rechtsprechung ist zwar formal nicht an politische Vorgaben gebunden, aber die Besetzung der Richterstellen unterliegt politischem Einfluss. Misshandlung und Verfolgung durch Sicherheitsbehörden findet aufgrund politischen Engagements und nicht aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Ethnie aus Darfur oder den „Two Areas“ statt. Letztere kann jedoch dazu führen, dass Behörden die politischen Aktivitäten einer Person genauer beobachten. Im Sudan leben Angehörige von über 400 verschiedenen Stämmen und Ethnien. Viele davon sind über Heiraten inzwischen familiär miteinander verbunden. Eine klare Einteilung in arabische und nicht-arabische Stämme ist nicht möglich. Die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe ist für sich genommen kein hinreichender Grund für Verfolgung durch Sicherheitsbehörden.
Die Übergangsverfassung gewährt weitgehende Freiheitsrechte. In der Praxis sind Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie Meinungs- und Pressefreiheit jedoch in erheblichem Maße willkürlichen Beschränkungen unterworfen. So kam es im Rahmen von Studentenprotesten im Mai 2018 zu einem Sturm von Sicherheitskräften auf ein Studentenwohnheim. Einige Studierende wurden durch Schüsse verwundet, viele verhaftet. Proteste gegen Preiserhöhungen nach Subventionskürzungen führten im Januar 2018 zu etwa 450 Verhaftungen. De facto besteht weiter keine Pressefreiheit. Journalisten werden per Anruf oder SMS durch Mitarbeiter des NISS weiterhin eingeschüchtert. Immer wieder werden ganze Zeitungsauflagen vor deren Auslieferung beschlagnahmt und Herausgeber informell aufgefordert, Artikel bestimmter Journalisten nicht zu publizieren.
Artikel 29 und 34 der Interimsverfassung schützen zwar vor willkürlicher Verhaftung, nach wie vor finden jedoch Verhaftungen durch Sicherheitskräfte ohne Angabe von Gründen statt. Es kommt vor, dass Verhaftete monatelang ohne richterlichen Beschluss festgehalten werden. In vielen Fällen wird den Betroffenen verweigert, Kontakt mit Verwandten oder Rechtsbeiständen aufzunehmen. Verhaftete werden an unbekannten Orten in Gefängnissen oder Gebäuden des NISS festgehalten. Soweit Vertreter der EU diese Praxis z.B. im Rahmen des institutionalisierten Dialogs mit dem Beirat für Menschenrechte thematisieren, sind die Reaktionen von sudanesischer Seite ausweichend und hinhaltend. Auch nach der Reform des Sicherheitsgesetzes kann der NISS Verdächtige ohne richterlichen Beschluss bis zu 45 Tage festhalten. Übergriffe der Polizei, der Armee oder der Sicherheitsdienste können Folter (auch mit Todesfolge) einschließen. Daneben gibt es eine verbreitete Praxis von brutalen Übergriffen der Polizei als Ermittlungsinstrument und Einschüchterungsmethode auch unterhalb der Folterschwelle. Gesicherte Erkenntnisse über Folter und Misshandlung in sudanesischen Gefängnissen liegen nicht vor. Internationale Beobachter sehen entsprechende Aussagen Betroffener als glaubwürdig an. Der britische Journalist Phil Cox habe berichtet, dass er nach seiner Verhaftung aufgrund illegaler Einreise in den Sudan und Aufenthalts in Darfur während seiner 40-tägigen Haft Anfang 2017 regelmäßig schweren Misshandlungen ausgesetzt gewesen sei. Angehörige der Sicherheitsdienste, die foltern, würden soweit bekannt trotz entsprechender rechtlicher Möglichkeiten bislang kaum zur Verantwortung gezogen.
Die Zivilgesellschaft (einschließlich studentischer Aktivisten), Menschenrechtsverteidiger und Journalisten werden im Sudan vom NISS beobachtet. Dabei kommt es vereinzelt zu Durchsuchungen, Einschüchterungen und willkürlichen Verhaftungen. Verhaftungen sind meist temporär und verfolgen das Ziel, Aktivisten einzuschüchtern und für eine Weile von der Bildfläche zu nehmen. Sie werden in den meisten Fällen nach kurzer Zeit wieder freigelassen, müssen sich dann jedoch teilweise mehrere Stunden am Tag beim örtlichen Sicherheitsdienstbüro melden und werden so davon abgehalten, ihrer beruflichen Tätigkeit nachzugehen.
Diese aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 03.08.2018 (Stand: Juni 2018) stammenden Angaben stehen im Einklang mit entsprechenden Ausführungen u.a. im Länderbericht über Menschenrechtspraktiken 2017-Sudan des US- Außenministeriums (USDOS) vom 20.04.2018 (veröffentlicht in englischer Sprache bei ecoi.net); „Sudan: Lagebericht 4-2018“ von Amnesty International Koordinationsgruppe Sudan/Südsudan, veröffentlicht unter http:// amnesty-sudan.de/amnesty-wordpress/2018/12/14/sudan-lagebericht-4-2018); Kurzer Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2016 (Sudan) des Außenministeriums Großbritannien(FCO), veröffentlicht bei ecoi-net; Jahresbericht über politische Rechte und bürgerliche Freiheiten im Jahr 2017 – Sudan- der US-NGO Freedom House, veröffentlicht bei ecoi-net; amnesty report/Sudan 2017/18, vom 23.05.2018, veröffentlicht unter:https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/sudan) .
Diese Lagebeschreibung zeigt, dass im Sudan politische Verfolgung stattfindet. Die Einzelrichterin hat nach dem Eindruck der mündlichen Verhandlung nicht die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger selbst hiervon betroffen und den Sudan unter dem Druck einer politischen Verfolgung verlassen hat oder ihm bei Rückkehr Verfolgung droht.
Die Einzelrichterin konnte zunächst nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Kläger vorverfolgt ausgereist ist. Soweit er im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, er sei in Verdacht geraten, der politischen Opposition gegen die Regierung anzugehören und deshalb inhaftiert worden, hält die Einzelrichterin diesen Vortrag nicht für glaubhaft. Der Kläger hat die Geschehnisse rund um die behauptete Verhaftung weder vor dem Bundesamt noch in der mündlichen Verhandlung anschaulich und nachvollziehbar geschildert. Darüber hinaus sind Widersprüche zwischen seinen Angaben gegenüber dem Bundesamt und seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung aufgetreten, weshalb die Einzelrichterin insgesamt nicht den Eindruck gewinnen konnte, dass der Kläger selbst Erlebtes geschildert hat.
Es ist bereits nicht nachvollziehbar, wodurch die Polizei auf den Kläger, der nach eigenen Angaben im Sudan nicht politisch aktiv war, aufmerksam geworden sein soll. Die Mutmaßung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, „Dritte“ hätten vielleicht seine einwöchige Abwesenheit von seinem Heimatort aufgrund eines Besuchs bei seinen Eltern zum Anlass genommen, ihn bei der Polizei wegen oppositioneller Tätigkeit anzuzeigen, vermag nicht recht zu überzeugen, zumal der Kläger offengelassen hat, um wen es sich bei diesen „Dritten“ handeln soll.
Darüber hinaus hat der Kläger die Geschehnisse um seine angebliche Verhaftung, den Gefängnisaufenthalt und seine Freilassung beim Bundesamt sehr allgemein, zögerlich und detailarm geschildert. Zu seiner Verhaftung hat er lediglich angegeben, zwei Tage nach seinem Besuch bei seinen Eltern seien die Sicherheitsleute der Regierung gekommen und hätten ihn mit ins Gefängnis genommen. Sie hätten behauptet, dass er mit dem Feind der Regierung zusammenarbeiten und sympathisieren würde. Nach der Aufforderung, den Ablauf der Festnahme konkret zu schildern, beschränkte sich der Kläger auf die Angaben, es sei am H. 2013 in der Nacht gewesen, sie hätten ihn mit einem Auto ins Gefängnis mitgenommen. Auf weitere Nachfrage, wie viele Leute zu ihm gekommen seien, erklärte er „zwei“. Darauf hingewiesen, dass er zuvor angegeben habe, sein Besuch bei seinen Eltern habe am 20.01.2013 stattgefunden und dass das von ihm angegebene Datum seiner Verhaftung „H.“ hierzu nicht passe, entgegnete er lapidar, er habe den 30.01. gemeint. Auch die Beschreibung des Gefängnisses und seine rudimentären Angaben zu seinem Aufenthalt dort erwecken nicht den Eindruck, dass er tatsächlich inhaftiert war. Auf die Aufforderung, das Gefängnis zu beschreiben, gab er lediglich an, das sei ein Gebäude, da gebe es mehrere Räume. Auf weitere Nachfrage, ergänzte er, es gebe dort auch Räumlichkeiten, in die man gehe, wenn man befragt werde. Die Toiletten befänden sich in den Zimmern. Auf weitere Nachfragen erklärte er sukzessiv, dass sich jeweils zwei Gefangene in einem Raum aufgehalten hätten. Der Raum sei viereckig gewesen. Oben unterhalb der Decke habe sich ein kleiner Schlitz befunden, durch den Luft reingekommen sei. Er habe auf einem Tuch auf dem Boden geschlafen. Darauf angesprochen, dass er zuvor erwähnt habe, dass er im Gefängnis habe arbeiten müssen, und dass er schildern solle, um welche Art von Arbeiten es sich gehandelt habe, erklärte er lediglich, manchmal auf dem Feld des Militärs, manchmal auf dem Bau, sie hätten Steine tragen müssen. Dieser Ablauf der Befragung und die äußerst knappen Antworten des Klägers sprechen dagegen, dass dieser tatsächlich Erlebtes schildert. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des sicher eher niedrigen Bildungsstandes des Klägers, der nach seinen Angaben gegenüber dem Bundesamt 6 Jahre die Schule besucht und keinen Beruf erlernt hat. Die behauptete Verhaftung dürfte für den Kläger ein einschneidendes Erlebnis gewesen sein, was eine detailreichere und lebhaftere Schilderung erwarten lassen darf. Hinzu kommt, dass die Angaben des Klägers, er sei im Gefängnis lediglich mit einem weiteren Häftling in einem Raum untergebracht gewesen, dort habe sich auch eine Toilette befunden, nicht im Einklang mit dem tatsächlichen Zustand der Haftanstalten im Sudan steht. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes (a.a.O.) sollen viele Haftanstalten überfüllt sein und menschenunwürdige Zustände aufweisen (Überbelegung von Zellen, mangelhafte sanitäre Einrichtungen usw.).
Auch in der mündlichen Verhandlung ergab sich für die Einzelrichterin kein plastisches Bild von der behaupteten Inhaftierung. So blieben die Angaben des Klägers zu der Zwangsarbeit, die er im Gefängnis habe leisten müssen, auch auf wiederholte Nachfragen der Einzelrichterin sehr oberflächlich, detailarm und blass. Der Kläger war kaum in der Lage, die bereits gegenüber dem Bundesamt erwähnten Feld- und Bauarbeiten näher zu beschreiben. Zu seiner Tätigkeit auf dem Bau, gab er lediglich an, er habe zum Beispiel Zement angereicht, er habe gemacht, was so beim Bau nötig sei. Zu seiner Feldarbeit erklärte er, er habe Gartenarbeiten außerhalb des Gefängnisses geleistet, er habe zum Beispiel Rasen gemäht. Angesichts seiner Behauptung, 4 Monate inhaftiert gewesen zu sein und täglich Zwangsarbeit verrichtet zu haben, wäre aber eine detailliertere Beschreibung seines Arbeitsalltags zu erwarten gewesen. Nicht zu überzeugen vermögen auch seine Angaben zu seinen angeblich alle 2-3 Tage stattgefundenen Verhören durch die Polizei, bei denen ihm immer wieder neu vorgehalten worden sei, die Opposition zu unterstützen. Auch auf Nachfrage des Gerichts, ob er nicht nach weiteren Mitgliedern der Opposition befragt worden sei, wiederholte der Kläger stereotyp, ihm sei (lediglich) seine Unterstützung der Opposition vorgeworfen worden. Dieses ist aber kaum vorstellbar, vielmehr besteht auf Seiten der Regierung ein großes Interesse daran, die Namen weiterer Mitglieder der Opposition zu erfahren (vgl. Accord (Austria Center for Country of Origin and Asylum Research and Documentation): Anfragebeantwortung zum Sudan: Geheimdienstliche Beobachtung exilpolitischer Aktivitäten von Sudanesen, Lage exilpolitischer RückkehrerInnen, vom 20.05.2016 unter Bezugnahme auf u. a. Quellen von Amnesty International, Asylum Research Consultancy, UK Home Office, Freedom House; Accord, „Darfur COI September 2017“, jeweils veröffentlicht bei ecoi.net ). Es ist deshalb unrealistisch, dass der Kläger hierzu nicht befragt worden sein soll.
Besonders unglaubhaft wird der Vortrag des Klägers aber dadurch, dass er sein Vorbringen hinsichtlich der Haftbedingungen in der mündlichen Verhandlung gesteigert hat. So hat er erstmals behauptet, während seiner Haft geschlagen worden zu sein, ohne nachvollziehbar zu erklären, warum er dies nicht bereits gegenüber dem Bundesamt angegeben habe. Seine Aussage, er hätte Angst gehabt, überzeugt nicht. Es gibt keinen Grund dafür, warum der Kläger vor dem Bundesamt hätte Angst haben sollen. Der Kläger hat einen solchen Grund auch nicht genannt. Mit der Dramatisierung seiner Haftbedingungen durch die Angabe, er sei auch geschlagen worden, will der Kläger ganz offensichtlich (lediglich) die Chance für den Erfolg seines Asylantrags verbessern. Unglaubhaft ist sein Vortrag nicht zuletzt auch deshalb, weil sein Vorbringen zu seiner angeblichen Misshandlung vage, oberflächlich und arm an Details blieb. Auf die Nachfrage der Einzelrichterin, in welcher Weise er geschlagen worden sei und ob er Verletzungen erlitten habe, antwortete der Kläger nicht konkret. Seine Antwort beschränkte sich auf die Angabe, er sei zum Beispiel von Polizisten, die ihn zum Verhör gebracht hätten, auf dem Weg zum Verhör geschlagen worden. Erst auf weitere Nachfrage der Einzelrichterin gab er an, er sei mit dem Gürtel geschlagen worden und auf nochmalige Nachfrage, er sei auf den Rücken geschlagen worden. Dabei beantwortete der Kläger die Frage, welche Art von Verletzungen er erlitten habe, weiterhin nicht.
Die Einzelrichterin kommt weiter zu der Einschätzung, dass der nicht vorverfolgte Kläger auch keine Nachfluchtgründe geltend machen kann.
Allein aufgrund der Asylantragstellung in Deutschland hat der Kläger bei einer Rückkehr in den Sudan keine Verfolgung zu befürchten (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 03. August 2018, Stand: Juni 2018, S. 26).
Ein Anspruch des Klägers auf Gewährung von Flüchtlingsschutz wegen seiner exilpolitischen Aktivitäten in Deutschland scheidet ebenfalls aus. Ein Asylbewerber, der wie der Kläger, subjektive Nachfluchtgründe geltend macht, hat begründeten Anlass zur Furcht vor künftiger Verfolgung, wenn der Heimat- oder Herkunftsstaat mit erheblicher Wahrscheinlichkeit von den Aktivitäten im Ausland erfahren hat und der Betroffene deshalb bei einer Rückkehr in flüchtlingsrechtlich relevanter Weise im Sinne von § 3 AsylG verfolgt würde. Wesentlich ist, ob die heimatlichen Behörden das Verhalten des Asylsuchenden als staatsfeindlich einstufen und dieser deswegen bei seiner Rückkehr eine Verfolgung im Sinne von § 3 AsylG befürchten muss.
Der Kläger ist nach Ansicht der Einzelrichterin nicht in einer Weise und einem Umfang exilpolitisch tätig geworden, dass für ihn eine Verfolgung durch den sudanesischen Staat ernstlich zu befürchten wäre. Dabei legt die Einzelrichterin Folgendes zu Grunde:
Im Sudan dient der Geheimdienst NISS als Instrument der National Congress Party (NCP) und der Regierung dazu, landesweit Kritiker einzuschüchtern oder zum Schweigen zu bringen, darunter Mitglieder der Opposition, Studenten, Journalisten, Menschenrechtsaktivisten, Aktivisten der Zivilgesellschaft sowie Angehörige von nationalen und internationalen Nichtregierungs- und UN- Organisationen. Ins Visier der sudanesischen Behörden und insbesondere des sudanesischen Geheimdienstes geraten Personen dann, wenn sie sich politisch engagieren, sich kritisch gegen die Regierung und die NCP sowie gegen die Behörden oder über die Lage in den aktuellen Konfliktregionen (Südkordofan, Blauer Nil, Darfur) äußern oder verdächtigt werden, eine Rebellengruppe zu unterstützen. Medien werden zensiert, Publikationen konfisziert, soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und You Tube werden infiltriert, Journalisten eingeschüchtert, verhaftet und gefoltert (vgl. obige Ausführungen zur allgemeinen politischen Lage im Sudan).
Es ist davon auszugehen, dass der sudanesischen Regierung auch exilpolitische Betätigungen von Asylsuchenden bekannt werden. Der sudanesische Geheimdienst beschäftigt sich im Ausland mit der Überwachung und Kontrolle von sudanesischen Oppositionsbewegungen. Die nachrichtendienstlichen Erkenntnisse werden im Sudan ausgewertet und unter anderem militärischen Stellen zur Verfügung gestellt. Nicht jede politische Aktivität von sudanesischen Personen im Ausland wird beobachtet. Eine solche umfassende Beobachtung dürfte die finanziellen, technischen und personellen Möglichkeiten der sudanesischen Regierung schlicht überschreiten. Im Blickpunkt der Regierung dürften jedoch solche Personen stehen, die sich aufgrund besonderer Umstände aus dem eher anonymen Kreis der bloßen Teilnehmer an politischen Veranstaltungen von Exilorganisationen herausheben (vgl. Accord (Austria Center for Country of Origin and Asylum Research and Documentation): Anfragebeantwortung zum Sudan: Geheimdienstliche Beobachtung exilpolitischer Aktivitäten von Sudanesen, Lage exilpolitische RückkehrerInnen, vom 20.05.2016 unter Bezugnahme auf u. a. Quellen von Amnesty International, Asylum Research Consultancy, UK Home Office, Freedom House; Accord, „Darfur COI September 2017“, jeweils veröffentlicht bei ecoi.net; Amnesty international: Foltergefahr für Aktivisten (14.12.2018), veröffentlicht: http://amnesty-sudan.de/amnesty-wordpress; Auskünfte des Auswärtigen Amtes an Verwaltungsgericht Hannover vom 19.01. und 13.08.2015 und an Verwaltungsgericht Braunschweig vom17.10.2018).
Konkret heißt es in der Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Hannover vom 19.01.2015, es müsse davon ausgegangen werden, dass Protestaktionen in Deutschland aufgrund der Medienauswertung der sudanesischen Botschaft Berlin auch im Sudan bekannt würden. Für den jener Anfrage zugrunde liegenden Fall eines exilpolitisch aktiven Sudanesen, der sich öffentlichkeitswirksam als Sprecher hervorgetan hat, ist das Auswärtige Amt zu der Einschätzung gelangt, dass bei den geschilderten Aktivitäten, soweit es sich um Proteste gegen sudanesische Regierungspolitik handelt, ein Rückkehrer bei seiner Einreise mit seiner Festnahme und damit rechnen müsse, über längere Zeit intensiv - möglicherweise auch unter Folter - durch den sudanesischen Geheimdienst verhört zu werden. Weiter müsse er mit einem Strafverfahren wegen politischer Vergehen rechnen.
Ausweislich einer weiteren Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Hannover vom 13.08.2015 kann die Teilnahme an regierungskritischen Demonstrationen im Sudan wie im Ausland grundsätzlich zu staatlichen Maßnahmen führen. Diese können Festnahme, intensive Befragung und unter Umständen auch ein Strafverfahren beinhalten, das zu einer Haftstrafe führen kann. Die Frage, ob dem Auswärtigen Amt bekannt sei, dass sudanesische Behörden in Deutschland technische Möglichkeiten nutzten, um Demonstrationsteilnehmer zu identifizieren, wurde verneint. Die Frage, ob es hinsichtlich zu erwartender staatlicher Maßnahmen darauf ankomme, ob ein Demonstrant sich in irgendeiner Weise von den übrigen Demonstrationsteilnehmern abgehoben habe oder ob die reine Demonstrationsteilnahme ausreichend sei, beantwortete das Auswärtige Amt dahingehend, dass es darauf ankomme, ob sich ein Demonstrant von den übrigen Demonstrationsteilnehmern abgehoben habe. Ein Demonstrant, der sich abhebe oder gar als Anführer sichtbar werde, werde, soweit er identifiziert werde, größere staatliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen als ein bloßer Demonstrationsteilnehmer.
Weniger aussagekräftig ist eine aktuelle Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17.10.2018 an das Verwaltungsgericht Braunschweig. Danach besteht für Personen, deren politisches Engagement gegen die Regierung sichtbar und bekannt ist, zum Beispiel hochrangiger Mitglieder von Oppositionsparteien oder Rebellengruppen sowie bekannter Menschenrechtsverteidiger sowie für Personen, die mit den vorgenannten in engerer Beziehung (Freundschaft, Verwandtschaftsverhältnisse) stehen, das Risiko bei ihrer Ankunft im Sudan durch die Behörden ggfs. auch über längere Zeiträume (mehrere Tage) befragt zu werden. Während akuter Krisen, wie zuletzt während der Proteste im September 2013, sei die Wahrscheinlichkeit, von Sicherheitskräften aufgehalten und befragt zu werden, höher. In dieser Auskunft fehlen Angaben dazu, ob den Betroffenen gleichzeitig droht, inhaftiert und gefoltert zu werden.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stellte in seinem Urteil vom 07.01.2014 (EGMR A.A. gegen die Schweiz, Application no. 58802/12) fest, dass die Situation von politischen Opponenten der sudanesischen Regierung sehr unsicher sei. Es sei offensichtlich, dass Personen, die der Zugehörigkeit zu einer Oppositionspartei verdächtigt würden, Anführer der Zivilgesellschaft und Journalisten regelmäßig von den sudanesischen Behörden schikaniert, festgenommen, misshandelt und verfolgt würden. Nicht nur Anführer politischer Organisationen und andere Personen mit herausragenden politischen Profil, sondern alle Personen, die das aktuelle Regime ablehnten oder dessen auch nur verdächtigt würden, seien im Sudan gefährdet, festgenommen, misshandelt und gefoltert zu werden. Gestützt auf diese allgemeinen Erkenntnisse hat der Gerichtshof im Fall eines sudanesischen Asylbewerbers, der bereits vor seinem zweiten Asylgesuch mehrere Jahre Mitglied der bekannten Sudanesischen Befreiungsarmee (SLM-Unity) und der SLM/U war, festgehalten, dass selbst wenn dieser kein besonders exponiertes Profil aufweise, für ihn dennoch eine Gefährdung bestehe. So habe er an exilpolitischen Aktivitäten teilgenommen, weshalb nicht ausgeschlossen werden könne, dass die sudanesischen Behörden auf ihn aufmerksam geworden seien. Exilpolitisch aktive Sudanesen, insbesondere wenn sie mit der SLM in Verbindung gebracht würden, würden von den sudanesischen Behörden nämlich registriert. Deshalb würden substantielle Gründe dafür bestehen, dass der Antragsteller Gefahr liefe, bei seiner Rückkehr festgenommen, befragt und gefoltert zu werden. Im konkreten Fall berücksichtigte der EGMR bei seiner Entscheidung maßgeblich das mehrjährige exilpolitische Engagement von einigem und zunehmendem Gewicht und die Tatsache, dass der Antragsteller als Teilnehmer an Veranstaltungen internationaler Organisationen, bei denen auch Vertreter des sudanesischen Staates zugegen waren, für den sudanesischen Staat individuell identifizierbar in Erscheinung getreten ist.
In den später ergangenen Urteilen des EGMR wird eine reale Verfolgungsgefahr von JEM- Mitgliedern bei einer Rückkehr in den Sudan nicht nur bestätigt, sondern es wird zusätzlich betont, dass sich die Situation seit dem zuvor erwähnten Urteil des EGMR vom 07.01.2014 für die oppositionellen Kräfte in Darfur noch verschlechtert habe (vgl. Urteile vom 15.01.2015, A.A. gegen Frankreich, Application no. 18039/11 und vom 15.01.2015, A.F. gegen Frankreich Application no. 80086/13).
Unter Berücksichtigung der genannten Erkenntnisse und der Rechtsprechung des EGMR ist nicht davon auszugehen, dass die exilpolitischen Aktivitäten des Klägers in den Sudan hineinwirken und ihn etwa als ernsthaften Regimegegner erscheinen lassen. Seine Aktivitäten sind insgesamt so niederschwellig, dass sie der sudanesische Staat nach der Auskunftslage weder wahrnehmen noch als Bedrohung empfinden dürfte.
Der Kläger hat vorgetragen, in Deutschland an Demonstrationen der „Neuen sudanesischen Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit („New JEM“) und der Sudan Liberation Movement (SLM) gegen die Regierung im Sudan teilzunehmen. Er hätte während der Demonstrationen Plakate getragen und Informationsblätter verteilt. Er sei auch aktives Mitglied der beiden Bewegungen. Konkret hat er unter Vorlage von Fotos, die ihn als Demonstrations- bzw. Versammlungsteilnehmer zeigen, angegeben, an Demonstrationen/Veranstaltungen der „New JEM“ am 15.12.2016 vor der sudanesischen Botschaft in Berlin (Protestkundgebung), im Februar 2018 in A-Stadt (Demonstration) und am 05.05.2018 in Peine (Veranstaltung) teilgenommen zu haben. Demnach beschränkt sich seine konkret dargelegteTeilnahme an Demonstrationen, bei denen er überhaupt öffentlich in Erscheinung getreten ist, auf zwei Veranstaltungen in einem Zeitraum von anderthalb Jahren. Angesichts dieses geringen Umfangs an öffentlich gewordener politischer Betätigung ist kaum davon auszugehen, dass der sudanesische Geheimdienst auf ihn aufmerksam geworden ist. Es ist weder erkennbar, dass der Antragsteller bei den beiden Demonstrationen in besonderer Weise exilpolitisch aufgefallen ist, noch dass er dabei etwa identifiziert worden wäre und der sudanesische Staat ein Interesse daran haben könnte, gerade gegen ihn vorzugehen. Die Fotos zeigen ihn als einen von vielen Demonstranten, die offenbar abwechselnd verschiedene Plakate und Spruchbänder hochhalten. Es gibt auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass er durch seine Teilnahme an der Demonstration vor der sudanesischen Botschaft in Berlin vom 15.12.2016 dem sudanesischen Geheimdienst aufgefallen wäre. Im Gegensatz zu einer Demonstration von sudanesischen Flüchtlingen ebenfalls vor der sudanesischen Botschaft in Berlin vom 11.02.2015, bei der das Botschaftsgebäude von den Flüchtlingen vorübergehend besetzt wurde, sind zu der Demonstration vom 15.12.2016 im Internet keine Informationen (mehr) zu finden. Finden demnach offensichtlich „normale“ Demonstrationen von Exilsudanesen vor ihrer Botschaft in Berlin kein nachhaltiges Interesse in den Medien, spricht dies auch eher dagegen, dass die Teilnehmer/innen an solchen Demonstrationen in den Fokus des sudanesischen Geheimdienstes geraten. Selbst wenn, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung erstmals behauptet hat, Mitarbeiter der Botschaft während der Demonstration aus dem Gebäude heraus fotografiert, und selbst wenn sie dabei auch den Kläger fotografiert hätten, ist nicht ersichtlich, dass sie den Kläger anhand eines Fotos identifizieren könnten. Der Kläger hat bei seiner persönlichen Anhörung durch das Bundesamt angegeben, in seinem Heimatland nie Personalpapiere, wie zum Beispiel einen Pass, Passersatz oder Personalausweis besessen zu haben. Dem sudanesischen Geheimdienst dürfte es deshalb nicht möglich sein, die Identität des Klägers allein aufgrund eines ggfs. vom Kläger vor der sudanesischen Botschaft in Berlin aufgenommenen Fotos festzustellen. Nach der oben zitierten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 13.08.2015 gibt es auch keine Erkenntnisse dazu, dass sudanesische Behörden in Deutschland technische Möglichkeiten nutzen, um Demonstrationseilnehmer zu identifizieren. Ebenso wenig ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der Kläger bei seiner Wiedereinreise in den Sudan bei Einreisekontrollen an Flughäfen allein aufgrund eines ggfs. von ihm in Deutschland aufgenommenen Fotos identifiziert werden könnte. Denn es gibt auch keine Erkenntnisse dazu, dass sudanesische Behörden im Sudan bei Einreisekontrollen an Flughäfen technische Möglichkeiten (wie Gesichtserkennungsverfahren) zur Identifizierung von zurückkehrenden Flüchtlingen nutzen. Mangels gegenteiliger Erkenntnisse und unter Berücksichtigung des hohen Aufwandes, der damit verbunden wäre, kann bereits nicht davon ausgegangen werden, dass bei den sudanesischen Flughäfen sämtliche in Deutschland aufgenommenen Fotos von zurückkehrenden Flüchtlingen überhaupt vorhanden sind.
Was die Teilnahme des Klägers an einer exilpolitischen Veranstaltung in Peine anbetrifft, so fand diese nach den vorgelegten Fotos in geschlossenen Räumen statt und dürfte deshalb noch weniger vom sudanesischen Geheimdienst registriert worden sein. Der Kläger dürfte auch kaum als Mitglied der „New JEM“ und der SLM die Aufmerksamkeit des sudanesischen Geheimdienstes auf sich gezogen haben. Der Kläger ist kein langjähriges Mitglied der beiden exilpolitischen Bewegungen (seit Januar 2018 bei der „New JEM“ und seit Oktober 2018 bei der SLM) und hat innerhalb dieser Organisationen keine besonderen Funktionen inne. Sein politisches Engagement geht über die Teilnahme an Mitgliederversammlungen und damit über eine einfache Mitgliedschaft nicht hinaus. Zudem hat die Einzelrichterin Zweifel, ob die Mitgliedschaft des Klägers insbesondere bei der „New JEM“ wirklich Ausdruck seiner politischen Überzeugung ist. So konnte der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Frage der Einzelrichterin, warum es überhaupt zur Abspaltung der „New JEM“ von der alten „JEM“ gekommen sei, nicht beantworten. Auch die von ihm angegebenen Gründe für seinen Beitritt zur „New JEM“ spiegeln keine politische Überzeugung wieder. Hierzu hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, er sei der Bewegung deshalb beigetreten, weil diese in A-Stadt ansässig und er von Mitgliedern dieser Gruppe angeworben worden sei. Hinzu kommt, dass die vom Kläger in Kopie vorgelegte Mitgliedsbescheinigung der „New JEM“ vom 29.01.2018 einen eher unseriösen Eindruck macht. Unverständlich ist bereits die Überschrift der Bescheinigung „Anzeige einer willkürlichen Inhaftierung und des Verstoßes gegen die Menschenrechte“. Es erschließt sich nicht, in welchem Zusammenhang diese „Anzeige“ zur Mitgliedschaft des Klägers in der Organisation steht. Soweit bescheinigt werden soll, dass der Kläger im Sudan inhaftiert gewesen sei, wird nicht erklärt, warum der Aussteller dieser Bescheinigung, der Beauftragte für Außenbeziehungen & Kommunikation Diefala Alrieh, hierzu überhaupt eine Aussage machen kann. Soweit sich die weitere Angabe in der Bescheinigung, der Kläger habe sich aktiv für Freiheit und Gerechtigkeit für das sudanesische Volk auch gegen den Machthaber Al Bashir und seine Regierung eingesetzt, auf die Zeit vor der Flucht des Klägers beziehen soll, ist die Angabe offensichtlich falsch. Denn der Kläger hat sich nach seinen Angaben gegenüber dem Bundesamt in seinem Heimatland nie politisch betätigt. Diese durch die Mitgliedsbescheinigung hervorgerufenen Fragen konnten auch nicht in der mündlichen Verhandlung im Gespräch mit dem Kläger nicht geklärt werden.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung einer subsidiären Schutzberechtigung gemäß § 4 AsylG. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG gelten dabei die §§ 3c bis 3e AsylVfG entsprechend.
Er hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm in seinem Herkunftsstaat ein ernsthafter Schaden, d.h. die Verhängung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine ernst-hafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes droht.
Soweit in einem Bericht von Amnesty International vom 30.01.2018 (abrufbar unter: ecoi.net) unter Berufung auf Angaben des Tharir Institute for Middle East Policy (geschildert worden war, dass im Jahre 2017 aus Belgien abgeschobene Sudanesen, die teilweise aus Darfur bzw. konfliktbetroffenen Regionen im Sudan kamen, angegeben haben sollen, nach ihrer Rückkehr in den Sudan gefoltert worden zu sein, ließen sich diese Angaben nach einer Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17.10.2018 und den Angaben im aktuellen Lagebericht nicht bestätigen.
Im aktuellen Lagebericht heißt es hierzu auf S. 29: „Im Dezember 2017 berichteten internationale Zeitungen, dass aus Belgien zurückgeführte Personen in Sudan misshandelt worden seien. Die Zeitungsartikel beziehen sich auf den Bericht der USbasierten Nichtregierungsorganisation Tahrir Institut, die angab mit den Betroffen in Kontakt gestanden zu haben. Drei der aus Belgien rückgeführten Personen hatten IOM in Khartum kontaktiert, dort aber nicht von Befragungen, Misshandlungen, Festnahmen oder Folter berichtet und keine physisch sichtbaren Spuren von Misshandlung präsentiert. Die belgische Regierung hat am 22. Dezember 2017 eine unabhängige Untersuchung der Aussagen und Misshandlungsvorwürfe beim belgischen Büro des Generalkommissars für Flüchtlinge und Staatenlose Personen (Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons - CGRS) beantragt. Das CGRS konnte nicht abschließend klären, ob die vom Tahrir Insitut berichteten Ereignisse stattgefunden haben, kommt aber zu dem Schluss, dass es ernsthafte Zweifel an der Glaubhaftigkeit der gesamten Aussagen im Bericht des Tahrir Instituts gibt. Der Bericht des Tahrir Instituts ist weiterhin nicht frei zugänglich, auch auf Nachfrage der Bundesregierung hat das Institut seinen Bericht nicht zur Verfügung gestellt. Ebenso reagierte es nicht auf Nachfragen von Seiten der EU-Delegation in Sudan. Daher ist eine unabhängige Bewertung des Berichts nicht möglich. Auch Personen, die vor Aktivierung der ERIN-Partnerschaft aus Belgien zurückgekehrt sind, können bei IOM Unterstützung erhalten. Hiervon haben zwei der insgesamt 10 rückgeführten Personen sowie ein freiwilliger Rückkehrer Gebrauch gemacht. Keine der drei Personen gab an, dass er/sie bei Rückkehr misshandelt worden sei.“
In der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17.10.2018 wird weiter ausführlich dargestellt, dass die Angaben über Haft, Folter bzw. Misshandlungen von den Betroffenen größtenteils nicht aufrechterhalten wurden und teilweise auch widerlegt werden konnten (etwa weil die Person während einer angeblichen Inhaftierung bei IOM vorgesprochen hatte), vgl. S. 5 - 7.
Abgesehen davon, dass sich die Behauptung von Haft, Misshandlung und Folter bei Rückkehr nicht bestätigen ließ, bezogen sich die Angaben in dem Bericht des Tahrir Instituts auch lediglich auf eine spezifische Personengruppe, die in Belgien illegal aufhältig und deren Ausreise speziell unter Beteiligung der sudanesischen Behörden organisiert worden war, so dass aus diesen Schilderungen auch gar nicht auf die Situation aller Rückkehrer geschlossen werden könnte.
Auch soweit nach einem bei ecoi.net veröffentlichten Bericht des UK Home Office von August 2016 Personen ohne Ausreisestempel im Pass bei einer Wiedereinreise in den Sudan besonderen Kontrollen unterzogen werden, führt dies nicht zur Annahme einer unmenschlichen Behandlung bei Rückkehr. Eine Ausreise ohne Ausreisestempel/-visum stellt lediglich einen Verstoß gegen die entsprechenden passrechtlichen Bestimmungen dar, der entsprechend geahndet werden kann. Nach dem aktuellen Lagebericht (S. 28) ist die Wiedereinreise, ohne zuvor ein Visum erhalten zu haben, unproblematisch. Ein Ausreisevisum sei in Sudan für jeden Sudanesen und jeden Ausländer gesetzlich vorgeschrieben, die Ausreise ohne ein solches Visum sei ein Verstoß gegen Pass- und Einwanderungsgesetz und könne mit einer Geldstrafe oder Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten geahndet werden. Im Allgemeinen werde aber bei Einreise nicht geprüft, ob ein solches Ausreisevisum erteilt worden sei.
Dem Kläger droht auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, bei seiner Rückkehr in den Sudan Opfer eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes zu werden.
Der Begriff des internationalen wie auch des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist unter Berücksichtigung der Bedeutung dieser Begriffe im humanitären Völkerrecht, insbesondere unter Heranziehung von Art. 3 der Genfer Konvention zum humanitären Völkerrecht 1949 und des am 8. Juni 1977 abgeschlossenen Zusatzprotokolls II auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u.a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss hierfür aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen. Typische Beispiele sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe (vgl. BVerwG, Urteile vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - und vom 24.06.2008 - 10 C 43/07- zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und Art. 15 Buchstabe b der Richtlinie 2004/83/EG, juris).
Besteht ein bewaffneter Konflikt nicht landesweit, kommt eine individuelle Bedrohung in Betracht, wenn sich der Konflikt auf die Herkunftsregion des Ausländers erstreckt, in der er zuletzt gelebt hat bzw. in die er typischerweise zurückkehren kann und voraus-sichtlich auch wird, d. h. auf seinen "tatsächlichen Zielort" bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat (EuGH, Urteil vom 17. Januar 2009 - C-465/07 - Elgafaji - mit der Bezugnahme auf Art. 8 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie; BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2009 - 10 C 9/08 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. April 2012 - A 11 S 3079/11 -; BayVGH, Urteil vom 20. Januar 2012 - 13a B 11. 30394 -, jeweils zitiert nach juris).
Der Ausländer muss von dem bewaffneten Konflikt individuell bedroht sein. Eine solche individuelle Bedrohung ist anzunehmen, wenn der Ausländer spezifisch aufgrund von Umständen bedroht ist, die seiner persönlichen Situation innewohnen. Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt sind, stellen demgegenüber normalerweise keine individuelle Bedrohung dar (vgl. insoweit auch den Erwägungsgrund 35 der Richtlinie 2011/95/EG).
Gemessen an diesen Grundsätzen steht dem Kläger kein Anspruch auf subsidiären Schutz zu. Der Kläger hat vor seiner Ausreise im Dorf Hyrat Allhamde (phonetisch) in der Region Nil Al Abyad (phonetisch) und unmittelbar vor seiner Ausreise in Omdurman gelebt. Diese Regionen sind nicht durch einen so hohen Grad willkürlicher Gewalt gekennzeichnet, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit dort einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger als Zivilperson aufgrund gefahrerhöhender persönlicher Umstände in dieser Weise individuell bedroht wäre.
3. Anhaltspunkte für nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen ebenfalls nicht vor. Weitere Gesichtspunkte, die ein Abschiebungsverbot begründen könnten, hat der Kläger nicht geltend gemacht.
Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung in dem Bescheid des Bundesamtes vom H. 2016 finden ihre Rechtsgrundlage in § 34 Abs. 1 AsylG, § 59 AufenthG.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.