Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 17.12.2018, Az.: 11 A 2009/17
Anhörung; Befristung; Ermessen; Glücksspielstaatsvertrag; Spielhalle
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 17.12.2018
- Aktenzeichen
- 11 A 2009/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2018, 74306
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 12 GG
- § 24 GlüStV
- § 28 Abs 1 VwVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Länge einer Befrsitung für eine Erlaubnis nach § 24 GlüStV wird durch die Geltungsdauer des Glücksspielstaatsvertrages (30. Juni 2021) begrenzt. Es bedarf weder einer Anhörung noch weiterer Ermessenserwägungen, wenn die Behörde die zeitliche Höchstgrenze ausschöpft.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die auf § 24 Abs. 2 Satz 2 GlüStV gestützte zeitliche Befristung der ihr erteilten glücksspielrechtlichen Erlaubnis vom 17. Februar 2017 für den Betrieb der Spielhalle Casino Fortuna in der D. in E. auf den 30. Juni 2021 und begehrt ein Ende der Befristung nicht vor dem 28. Februar 2027.
Am 7. März 2017 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie meint, das Gesetz räume hinsichtlich der Länge der Frist kein Ermessen ein. Die Dauer der Frist sei anhand der verfolgten Ziele des Gesetzgebers im Einzelfall sachgerecht zu bestimmen. Die Beklagte habe das bei der Fristbestimmung auszuübende Ermessen nicht nach dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt. Den Empfehlungen des Nds Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, die glücksspielrechtlichen Erlaubnisse jeweils auf zehn Jahre zu befristen, sei die Beklagte nicht gefolgt, ohne dass hierfür Gründe vorlägen. Das Abstellen auf Altspielhallen lasse unberücksichtigt, dass innerhalb der Übergangsfrist bis zum 30. Juni 2017 ein Investitionsstau eingetreten sei, weil im Hinblick auf die Unsicherheit, ob die Spielhalle über diesen Zeitpunkt hinaus betrieben werden dürfe, auf Investitionen verzichtet worden sei. Das Ablaufdatum des Glückspielstaatsvertrages sei für die Bemessung der Frist kein taugliches Kriterium. Werde der Vertrag nicht verlängert, entfalle die Erlaubnispflicht ab dem 1. Juli 2021. Für diesen Fall bedürfe es keiner Befristung. Werde der Vertrag verlängert oder eine neue Regelung getroffen, sei es nicht erforderlich, dass die Erlaubnisse punktgenau am 30. Juni 2021 ausliefen. Die Differenzierung zwischen Bestands- und Neuspielhallen bedürfe einer gesetzlichen Regelung und bevorzuge gleichheitswidrig Neuspielhallen gegenüber Bestandsspielhallen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 17. Februar 2017 zu verpflichten, ihr eine glückspielrechtliche Erlaubnis für ihre Spielhalle auf dem Grundstück D. in E. mit der Maßgabe zu erteilen, dass die Befristung nicht vor dem 28. Februar 2027 endet.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor: Bei der Dauer der Befristung habe sie sich an der Laufzeit des Glücksspielstaatsvertrages orientiert. Dieser enthalte eine ganze Reihe neuer, grundsätzlicher und weitreichender Regelungen, die Gegenstand zahlreicher gerichtlicher Verfahren seien. Es bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Regelungen des Vertrages bei einer Verlängerung Änderungen erfahren werde. Ob er überhaupt verlängert werde sei derzeit nicht absehbar. Die Befristung eröffne die notwendigen Kontrollmöglichkeiten während der Geltungsdauer der Erlaubnis und die Möglichkeit, etwaige Nachfolgeregelungen effektiv umsetzen zu können. Die Vorgaben des Ministeriums seien bloße Empfehlungen ohne starre Frist und keine Weisung. Nach der Verwaltungspraxis der Landeshauptstadt werde allen Altspielhallen eine bis zum 30. Juni 2021 befristete Erlaubnis erteilt. Damit könnten diese Spielhallen ihre Betriebe über einen Zeitraum von knapp 10 Jahren – gerechnet vom Inkrafttreten des Glückspielstaatsvertrages – betreiben und die Amortisation von Investitionen erreichen. Lediglich die Erlaubnis für absolute Neuanträge werde auf 10 Jahre befristet.
Die Kammer hat den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die von der Klägerin erhobene Verpflichtungsklage ist statthaft. Eine bloße Anfechtung der erfolgten Befristung würde im Erfolgsfall zu dem nach § 24 Abs. 2 Satz 2 GlüStV unrechtmäßigen Ergebnis einer fehlenden Befristung führen.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine längere Befristung ihrer glücksspielrechtlichen Erlaubnis, weil die von der Beklagte ausgesprochene Befristung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Die Beklagte hat sich für die zeitliche Befristung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis bis zum 30. Juni 2021 zu Recht auf § 24 Abs. 2 Satz 2 GlüStV gestützt, wonach die Erlaubnis schriftlich zu erteilen und zu befristen ist. Die Dauer der zeitlichen Befristung ist nicht zu beanstanden.
Die Befristungsentscheidung findet in § 24 Abs. 2 Satz 2 GlüStV eine ausreichende Rechtsgrundlage.
Eine Anhörung der Klägerin zur Befristungsentscheidung nach § 1 Abs. 1 NdsVwVfG; § 28 Abs. 1 VwVfG war nicht geboten. Aus § 24 Abs. 2 Satz 2 GlüStV folgt die Pflicht der Beklagten, die glücksspielrechtliche Erlaubnis nur befristet zu erteilen. Da die Beklagte die maximale Dauer der Befristung ausgeschöpft hat, war eine weitere Anhörung der Klägerin nicht notwendig.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 24 Abs. 2 Satz 2 GlüStV besteht hinsichtlich der Befristung der Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV kein Entschließungsermessen für die zuständige Behörde. Insoweit liegt eine gebundene Entscheidung vor. Die für den Betrieb der streitgegenständlichen Spielhalle notwendige glücksspielrechtliche Erlaubnis ist zwingend zu befristen. Diese Befristung dient der Gewährleistung der in § 1 GlüStV festgelegten Ziele des Glücksspielstaatsvertrages, der erhöhte Anforderungen an den Betrieb einer Spielhalle stellt. Da es nach Ablauf der Befristung eines erneuten Antrags durch den Spielhallenbetreiber bedarf, wird gewährleistet, dass die Behörde in bestimmten Intervallen überprüfen kann, ob die Genehmigungsvoraussetzungen für die glücksspielrechtliche Erlaubnis zum Betrieb der Spielhalle weiterhin vorliegen. Dem Gesetzgeber steht es grundsätzlich frei, in welchem Umfang er die Überprüfungsmöglichkeit durch die zuständige Behörde regelt, etwa lediglich durch die Möglichkeit der Aufhebung einer Erlaubnis nach §§ 48, 49 VwVfG oder zusätzlich durch die Möglichkeit bzw. die Verpflichtung zur Anordnung einer Befristung.
Gegen die von der Beklagten bestimmten Länge der Befristung der Erlaubnis zum 30. Juni 2021 bestehen im Ergebnis keine rechtlichen Bedenken.
Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Befristung gibt es keine gesetzlichen Bestimmungen. Sie steht im Auswahlermessen der zuständigen Behörde und ist daher gerichtlich nur in dem gemäß § 114 Satz 1 VwGO festgelegten Umfang überprüfbar. Gemäß § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten wurden oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde.
Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte das ihr zustehende Ermessen zwar nicht ordnungsgemäß ausgeübt und die Erlaubnis im Ergebnis aber gleichwohl in rechtlich nicht zu beanstandender Weise bis zum 30. Juni 2021 befristet. Dem streitgegenständlichen Bescheid sind nämlich keine Hinweise darauf zu entnehmen, dass der Beklagten überhaupt bewusst war, dass sie hinsichtlich der Länge der Frist eine Ermessensentscheidung zu treffen hat. Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null bzw. ein intendiertes Ermessen liegen nicht vor. Das ist jedoch unschädlich, weil die Beklagte die zur Verfügung stehende Höchstfrist ausgeschöpft hat und damit selbst bei einem Ermessensfehler Rechte der Klägerin nicht verletzt hat.
Das Gericht geht davon aus, dass sich der Rahmen für die Ausübung des Ermessens an den Regelungen des Glückspielstaatsvertrages orientieren muss. Dabei spielen die Anforderungen nach § 1 GlüStV sowie die jeweiligen örtlichen und individuellen Besonderheiten des Betriebes eine Rolle. Begrenzt wird der Ermessensrahmen durch die Geltungsdauer des Glückspielstaatsvertrages selbst. Denn die Geltungsdauer der die Erlaubnispflicht begründenden rechtlichen Regelung bestimmt auch die Dauer der Erlaubnis. Die Klägerin hat insoweit einerseits zutreffend erkannt, dass bei einem Auslaufen des Glückspielstaatsvertrages ohne Neuregelung bzw. Verlängerung auch die Erlaubnispflicht erlischt. Insoweit wird die Klägerin aber durch die Befristung nicht beschwert, die mit dem Auslaufen des Glückspielstaatsvertrages endet. Andererseits kann ihr Vertrauensschutz auf die unveränderte Erlaubnissituation nicht über das Ende der Geltungsdauer des Vertrages hinausgehen. Die Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV eröffnet keine Rechtsposition, die in zeitlicher Hinsicht weitergehende Rechte vermitteln kann als die ihr zugrundeliegende Rechtsgrundlage. Insofern sind Befristungen der glücksspielrechtlichen Erlaubnisse ohne gesonderte gesetzgeberische Anordnung von vornherein durch die Geltungsdauer des Glückspielstaatsvertrages begrenzt.
Das ist auch sachgerecht. Der Gesetzgeber verhindert durch die zeitliche Begrenzung, dass er für die Zeit nach dem 30. Juni 2021 durch zeitlich darüber hinaus erteilte Erlaubnisse in seiner Gestaltungsmöglichkeit eingeschränkt wird. Mit der Befristungsentscheidung kann der Entwicklung des Betriebs der Spielhallen, seines Umfeldes und etwaiger neuerer Erkenntnisse zur Spielsuchtprävention aus der Evaluation der nach dem GlüStV geltenden Regelungen Rechnung getragen werden. Damit wird die staatliche Kontroll- und Überwachungsmöglichkeit bei der Erlaubnis von Glücksspielangeboten in geeigneter Weise gesichert und für den Betreiber der Spielhalle eine angemessene Regelung für weitere Vermögensdispositionen hergestellt
Darüber hinaus ist es derzeit ungewiss, welche Anforderungen an eine Erlaubnis zum Betrieb einer Spielhalle in einem ggf. neu gefassten Glücksspielstaatsvertrag gestellt werden. Durch die Befristung auf den 30. Juni 2021 stellt der Gesetzgeber sicher, dass etwaige Nachfolgeregelungen effektiv umgesetzt werden können. Nach Erlöschen der streitgegenständlichen Erlaubnis mit Ablauf des 30. Juni 2021 könnte die Behörde eine neue Erlaubnis erteilten, sofern diese weiterhin die dann geltenden Anforderungen für den Betrieb einer Spielhalle erfüllt.
Der Einwand der Klägerin zur Amortisation der Investitionen in eine Spielhalle greift demgegenüber nicht durch. Das wirtschaftliche Interesse der Klägerin tritt hier gegenüber dem Interesse an der Verwirklichung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrages zurück. Die Beeinträchtigung des Grundrechts der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG, auf das sich die Klägerin als juristische Person nach Art. 19 Abs. 3 GG berufen kann, ist gerechtfertigt. Bei der Befristung einer Erlaubnis handelt es sich um eine Berufsausübungsregelung, weil sie nicht den Zugang zum Beruf eines Spielhallenbetreibers, sondern lediglich die zeitliche Ausübung dieser beruflichen Tätigkeit regelt. Regelungen der Berufsausübung sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zulässig, wenn sie durch hinreichende Gründe des gemeinen Wohls gerechtfertigt sind, wenn das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist. Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt die angegriffene Regelung (BVerfG, Urteil vom 7. März 2017 – 1 BvR 1314/12 - juris). Wie oben bereits dargelegt, gewährleistet die Befristung die Überwachung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrages (§ 1 GlüStV), die wiederum dem Wohl der Allgemeinheit dienen, das Glücksspielangebot im Hinblick auf die Gefahren des Glücksspiels strikt zu regulieren und zu begrenzen. Im Übrigen ist der Vortrag der Klägerin zum Investitionsstau und zur fehlenden Amortisation unsubstantiiert geblieben. In Bezug auf die streitgegenständliche Spielhalle hat nichts dargelegt und nachgewiesen. Insoweit bedüfte es schon deshalb nicht der Einräumung einer weiteren Umstellungsfrist. Der Klägerin war nach § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV für den Zeitraum zwischen dem Inkrafttreten des GlüStV und dem 30. Juni 2017 bereits ein fünfjähriger Übergangszeitraum für den Betrieb der Spielhalle eingeräumt. Ein nochmaliger zusätzlicher Umstellungszeitraum über den 30. Juni 2021 hinaus ist nach dieser Übergangsfrist ungeachtet der rechtlichen Unzulässigkeit auch nicht notwendig.
Die dem vorstehenden rechtlichen Befund widersprechenden Verwaltungsvorschriften des zuständigen Ministeriums überschreiten den gesetzlichen Rahmen des Ermessens und sind unbeachtlich. Insofern findet auch die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung zwischen Bestandsspielhallen und Neuspielhallen in der gesetzlichen Regelung keine Stütze. Auf die Einwände der Klägerin kommt es insoweit nicht an.
Die vorgesehene Regelung in § 10d im Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes – Stand Dezember 2018 – soll nur für Erlaubnisse gelten, die nach dem 30. Juni 2019 erteilt werden. Sie hätte damit auch keinen Einfluss auf den vorliegenden Sachverhalt, so dass es offenbleiben kann, ob diese Regelung mit dem Glücksspielstaatsvertrag vereinbar wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.