Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 13.02.2002, Az.: 4 B 9/02
angemessene Unterkunftskosten; Aufschlag; Bezugsfertigkeit; Höchstbetrag; Kosten; Sozialhilfe; Unterkunft; Vier-Personen-Haushalt; Wohngeldtabelle
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 13.02.2002
- Aktenzeichen
- 4 B 9/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 41648
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 12 Abs 1 S 1 BSHG
- § 8 WoGG
Gründe
Der am 28. Januar 2002 gestellte Antrag, mit dem die Antragsteller sinngemäß begehren, den Antragsgegner durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, seine Zustimmung zum Abschluss eines bestimmten Wohnungsmietvertrages zu erteilen, hat keinen Erfolg.
Der Erlass einer hier allein näher in Betracht zu ziehenden Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO setzt voraus, dass ein vorläufiger Zustand im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zu regeln ist und diese Regelung vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Denn für die Unterkunft, die die Antragsteller mieten wollen, entstünden sozialhilferechtlich unangemessen hohe Aufwendungen, und es ist weder ersichtlich noch von den Antragstellern dargelegt worden, dass sie trotz intensiver Bemühungen nicht eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Wohnung hätten finden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.5.1996 - BVerwG 5 C 14.95 - BVerwGE 101, 194).
Vorab ist allerdings festzustellen, dass lediglich der Antragsteller, der seit dem 12. Februar 2001 als asylberechtigt anerkannt ist, leistungsberechtigt nach dem Bundessozialhilfegesetz ist und damit einen Anspruch auf die Übernahme von Unterkunftskosten nach den §§ 11, 12, 22 BSHG i.V.m. § 3 RegelsatzVO sowie auf die Erteilung der Zustimmung des zuständigen Sozialhilfeträgers zum Mieten einer Wohnung haben kann (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 6 RegelsatzVO). Die Antragstellerin und die beiden gemeinsamen Kinder der Antragsteller sind offenbar (noch) nicht als asylberechtigt anerkannt worden und sind (nur) leistungsberechtigt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Dies bedeutet, dass sie grundsätzlich darauf zu verweisen sind, in der ihnen zur Verfügung gestellten Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen. Die Antragstellerin und die beiden Kinder können aber voraussichtlich nach § 26 AsylVfG Familienasyl beanspruchen (die Antragstellerin - die Ehefrau des Antragstellers - und die Kinder sind vor dem Antragsteller nach Deutschland eingereist und haben bereits im November 1999 ihre Anerkennung als Asylberechtigte beantragt), und es ist zu erwarten, dass ihre Anerkennung als Asylberechtigte und daran anschließend die Umstellung der Hilfeleistungen nach Maßgabe des Bundessozialhilfegesetzes unmittelbar bevorsteht. Vor diesem Hintergrund hat offenbar auch der Antragsgegner in dem angefochtenen Bescheid vom 21. Januar 2002 die Notwendigkeit eines Umzugs der Antragsteller und ihrer Kinder nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes beurteilt und grundsätzlich einen Umzug als notwendig angesehen.
Die von den Antragstellern in Aussicht genommene Unterkunft, ein Einfamilienhaus in C., D., mit einer Wohnfläche von 85 qm, verteilt auf 4 Zimmer und Nebenräume, ist in Bezug auf die Größe für einen Vier-Personen-Haushalt zwar sozialhilferechtlich angemessen, wie dies auch der Antragsgegner angenommen hat, die entstehenden Mietaufwendungen gehen aber über das Maß hinaus, das im Bereich der Stadt C. für eine Unterkunft in der hier in Rede stehenden Größe höchstens als sozialhilferechtlich angemessen angesehen werden kann.
Zur Bestimmung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Sozialhilferecht hat die Kammer in ständiger Rechtsprechung die Tabelle zu § 8 WoGG als Anhalt herangezogen. Nach der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Wohngeldtabelle, ist es im Bereich des Antragsgegners Praxis gewesen, unter Berücksichtigung der Haushaltsgröße und der für die jeweilige Gemeinde maßgeblichen Mietstufe den Wert der äußersten rechten Spalte der Tabelle mit einem Aufschlag von 20 % zu versehen und den danach ermittelten Wert als obere Grenze anzusehen für die sozialhilferechtliche Angemessenheit von Mietaufwendungen einschließlich Neben- und Betriebskosten mit Ausnahme von Heizkosten, die gesondert zu beurteilen gewesen sind.
Nachdem zum 1. Januar 2001 die Mietstufen und die Tabellenwerte (weitere Umstellung ab 1.1.2002 von Deutsche Mark auf EURO) geändert worden sind, ist weiter die äußerste rechte Spalte der Tabelle zu § 8 WoGG, nunmehr in neuer Fassung, als Anhalt für die Bestimmung der sozialhilferechtlichen Angemessenheit des Mietzinses heranzuziehen (die Kammer hält an der im Beschluss vom 22.11.2001 - 4 B 142/01 - vertretenen geänderten Auffassung nicht mehr fest). Die Obergrenze der sozialhilferechtlich als angemessen anzusehenden Unterkunftskosten ist allerdings nach einer anderen als der bisherigen Berechnungsmethode zu ermitteln. Denn zum einen sind die wohngeldrechtlich zu berücksichtigenden Höchstbeträge heraufgesetzt worden. Zum anderen ist auch die Zuordnung des Gebietes des Antragsgegners und einzelner Gemeinden in seinem Bereich zu den Mietstufen geändert worden, wobei zum Teil eine Höherstufung vorgenommen worden ist (Anlage zu § 1 Abs. 4 WoGG n.F.). Gleichzeitig ist zu verzeichnen, dass sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt selbst im Bereich des Antragsgegners leicht entspannt und sich der extreme Anstieg der Mieten nicht fortgesetzt hat.
Vor diesem Hintergrund und den Erfahrungen des Gerichts, dass es den Hilfesuchenden im Bereich des Antragsgegners bei intensivem Bemühen regelmäßig gelungen ist, zu den nach der Tabelle zu § 8 WoGG a.F. in der beschriebenen Weise ermittelten Miethöchstbeträgen, eine Unterkunft zu finden, ist es nicht gerechtfertigt, weiter den maßgeblichen neuen Wert der äußersten rechten Spalte der Wohngeldtabelle mit einem Aufschlag von 20 % zu versehen und danach die Höchstgrenze für die sozialhilferechtliche Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft zu bestimmen. Das Gericht hält es aber für angemessen im Verhältnis zu den bisher maßgeblich gewesenen Werten eine geringe Erhöhung vorzunehmen, weil eine allgemeine Kostensteigerung zu verzeichnen ist, und sich dies jedenfalls bei nicht herabgesetzter Grundmiete auf die Höhe der Mietneben- und Betriebskosten (Heizkosten sind hier nicht zu berücksichtigen, s. o.) auswirkt.
Diese Vorgabe wird in dem Fall, dass die maßgebliche Mietstufe unverändert geblieben ist (Gemeinden Winsen/Luhe, Seevetal), erreicht, wenn ausgehend von der Haushaltsgröße auf den maßgeblichen Wert der äußersten rechten Spalte der Tabelle zu § 8 WoGG n.F. ein Aufschlag von 10 % vorgenommen wird. Ist die Mietstufe um eine Stufe heraufgesetzt worden, ist auf den maßgeblichen Wert der äußersten rechten Spalte der Tabelle ein Aufschlag von 5 % vorzunehmen (Gemeinden Buchholz in der Nordheide, Rosengarten, Tostedt, Gebiet des Antragsgegners ohne die Gemeinden Buchholz in der Nordheide, Neu-Wulmstorf, Rosengarten, Seevetal, Stelle, Tostedt, Winsen/Luhe). Ist die Mietstufe um zwei Stufen höher festgesetzt worden (Gemeinden Neu-Wulmstorf, Stelle), bietet der maßgebliche Wert der äußersten rechten Spalte zu § 8 WoGG n.F. unverändert selbst den Anhalt für die Bestimmung der Höchstgrenze der sozialhilferechtlich als angemessen anzusehenden Unterkunftskosten.
Die nach dieser Methode ermittelten Höchstwerte ergeben bei Ein-Personen-Haushalten zwar eine höhere Steigerungsrate als bei Mehr-Personen-Haushalten, dies erscheint aber angemessen, da Ein-Zimmer-Wohnungen verhältnismäßig zu niedrig bewertet gewesen sind.
Die Kammer folgt nach nochmaliger Überprüfung nicht mehr, wie in dem genannten Beschluss vom 22. November 2001, der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg (Beschluss vom 25.10.2001 - 4 MB 1798/01 -), wonach der Höchstwert der sozialhilferechtlich als angemessen anzusehenden Unterkunftskosten nicht mehr allein ausgehend von der äußersten rechten Spalte der Tabelle zu § 8 WoGG n.F ermittelt wird, sondern der Tabellenwert heranzuziehen ist, der sich unter Berücksichtigung der zeitlichen Bezugsfertigkeit der Wohnung ergibt und der jeweils mit einem Aufschlag von 10 % bei bestehenden Verträgen und von etwa weiteren 10 % bei neuen Verträgen zu versehen ist. Denn diese enge Anlehnung an das Wohngeldgesetz führt im Sozialhilferecht zu Unstimmigkeiten. Der mit dem Wohngeldgesetz verfolgte Zweck geht weiter als derjenige der Sozialhilfegewährung. Weiter gelten im Wohngeldgesetz Grundsätze nicht, die das Bundessozialhilfegesetz prägen, etwa der Individualisierungsgrundsatz und der Bedarfsdeckungsgrundsatz. Wendete man die Tabelle zu § 8 WoGG in der soeben beschriebenen Weise an, d. h. berücksichtigte man bei der Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten auch den Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit und die Ausstattung der Wohnung, könnte die Behörde den Hilfeempfänger etwa nicht veranlassen, eine in der Tabelle geringer eingestufte und damit günstigere Wohnung anzumieten, auch wenn diese ebenso geeignet wäre, den individuellen Bedarf zu decken, soweit die vom Hilfeempfänger gewünschte Wohnung in eine der höheren Kategorien der Tabelle zu § 8 WoGG fiele und der vereinbarte Mietzins den Tabellenwert dieser Kategorie nicht überstiege (vgl. im Einzelnen BVerwG, Urt. v. 27.11.1986 - 5 C 2.85 - BVerwGE 75, 168).
Auch im vorliegenden Fall wird deutlich, dass die Ermittlung der Höchstgrenze einer sozialhilferechtlich angemessenen Miete nicht differenziert nach der Bezugsfertigkeit von Wohnraum vorgenommen werden darf.
In C., das der Mietstufe V zuzuordnen ist (Anlage zu § 1 Abs. 4 WoGG n.F.) würde für den Vier-Personen-Haushalt der Antragsteller für Wohnraum, der ab 1. Januar 1992 bezugsfertig geworden ist, ein Miethöchstbetrag von 708,-- EUR (590,-- EUR + 20 %) anzusetzen sein. (Der Antragsgegner ordnet C. der Mietstufe VI zu und nimmt einen Aufschlag von 10 % vor, so dass sich 693,-- EUR ergeben). Für das von den Antragstellern in Aussicht genommene Haus, das 1935 bezugsfertig geworden ist, wären maximal 582,-- EUR (485,-- EUR + 20 %) als angemessen anzusehen (der Antragsgegner setzt auf der Grundlage seiner Berechnung - s. o. - 572,-- EUR an) mit der Konsequenz, dass möglicherweise eine höhere Miete in einem neueren Mehrfamilienhaus aus Sozialhilfemitteln getragen werden würde, hingegen die niedrigere Miete in einem älteren Einfamilienhaus nicht in vollem Umfang als sozialhilferechtlicher Bedarf berücksichtigt werden würde.
Nach der dargestellten Berechnungsmethode des Miethöchstsatzes, den die Kammer vornimmt, ergibt sich für den Vier-Personen-Haushalt der Antragsteller in C. (unverändert Mietstufe V) und einem Wert der äußersten rechten Spalte der Tabelle zu § 8 WoGG n.F. von 590,-- EUR nach einem Aufschlag von 10 % ein Miethöchstbetrag von 649,-- EUR.
Dieser Höchstbetrag wird von dem in dem in Aussicht genommenen Mietvertrag der Antragsteller aufgeführten Mietzins (661,64 EUR) überschritten und ist daher grundsätzlich nicht als sozialhilferechtlich angemessen einzustufen. Dass die Antragsteller bei intensivem Bemühen sozialhilferechtlich angemessenen Wohnraum nicht finden können, wobei sie gehalten sind, vorrangig auch unter dem Miethöchstsatz angebotenen und der Größe nach ausreichenden Wohnraum zu akzeptieren, haben sie nicht glaubhaft gemacht. Unabhängig von der fehlenden Leistungsberechtigung der Antragstellerin und ihrer beiden Kinder nach dem Bundessozialhilfegesetz ist der Antragsgegner nach alledem nicht zu verpflichten, dem Mieten des Hauses D. in C. durch die Antragsteller zuzustimmen.