Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 22.02.2002, Az.: 1 A 345/00

Bronchitis; Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens; Hausstauballergie; Hilfsmittel; Matratzenbezug; Milben

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
22.02.2002
Aktenzeichen
1 A 345/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 41837
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Gründe

1

Wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid zutreffend ausgeführt hat, richtet sich die Beihilfefähigkeit von Hilfsmitteln nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV in Verbindung mit Anlage 3. Die gemäß Ziffer 1 der Anlage 3 erforderliche schriftliche ärztliche Verordnung liegt hier mit der des Facharztes für Kinderheilkunde vom 25. Juli 2000 vor, so dass entscheidend ist, ob ein staubundurchlässiger Matratzenbezug als "Hilfsmittel" iSd gen. Vorschrift angesehen werden kann.

2

"Hilfsmittel" dienen im Gegensatz zu "Heilmitteln" nicht unmittelbar Heilzwecken, sondern werden gewöhnlich nach beendeter Behandlung verwendet, u.zw. zur Änderung, Besserung, Behebung oder Beseitigung von Folgen eines regelwidrigen Körperzustandes. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen dazu, dass die beim Sohn der Klägerin attestierte Allergie sowie die Asthma-Erkrankung ein regelwidriger Körperzustand - Beeinträchtigung der Atemfunktionen - ist, für dessen Änderung wie Besserung sich der Matratzenbezug ohne Frage eignet. Dieser Bezug ist von seiner Funktion her auch unmittelbar und direkt darauf ausgerichtet, das (beschwerdefreie) Atmen - ohne Beeinträchtigung durch Milben - zu erleichtern und Atemstörungen auszugleichen (vgl. dazu Topka/Möhle, Kommentar zum Beihilferecht Niedersachsens und des Bundes, Loseblattsammlung, 55. Liefg. 2001, § 6 / 6.1 der Erläuterungen zu Abs. 1 Nr. 4). Dass dieses auch der Zweck des hier streitigen Matratzenbezuges ist, wird dadurch belegt, dass der Sohn der Klägerin seit seinem 1. Lebensjahr bereits 6-mal Bronchitis hatte und 1-mal eine Lungenentzündung, ihm ein Inhaliergerät verordnet worden ist, das bei Beschwerden benutzt wird, und er nach Feststellung des Kinderarztes an Hausstauballergie leidet. Die erforderlichen Kosten für einen Kinderbett-Matratzenbezug wurden demzufolge von der Beklagten ebenso übernommen wie die Kosten für eine offene Badekur. Nach Auftreten von monatlicher Bronchitis - z.T. mit Atemnot - ist dann auf die ärztliche Verordnung hin der hier streitige Matratzenbezug beschafft worden.

3

Somit ist mit Blick auf seine Funktion davon auszugehen, dass der staubundurchlässige Matratzenbezug ein "Hilfsmittel" iSv § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV mit der erforderlichen Änderungs- und Besserungseignung ist, sofern er nicht - wie in Nr. 9 Anlage 3 BhV klargestellt - den Aufwendungen der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen ist. Das ist jedoch nicht der Fall.

4

Im vorliegenden Fall spricht der Charakter des Matratzenbezuges dagegen, einen solchen speziellen Bezug den Gebrauchsgütern des täglichen Lebens zuzuordnen.: Gegen die Bewertung als "Hilfsmittel" spricht dabei nicht etwa, dass dem staubundurchlässigen Matratzenbezug neben der oben aufgezeigten Änderungs- und Besserungsfunktion bei Atemwegserkrankungen auch noch eine bloße Schonfunktion oder die einer Prophylaxe zukommen kann (vgl. dazu Urt. des VG Hannover v. 10.6.1999 - 14 A 4515/98 - zu "Bettbezügen"). Denn diese Funktionen stehen bei der Staubundurchlässigkeit gerade nicht im Vordergrund: Die Schonung speziell einer Matratze kann und wird in der Regel durch andere (einfachere) Schonbezüge unschwer erreicht, die nicht zugleich auch die Qualität der Staubundurchlässigkeit haben. Der Erwerb einer staubundurchlässigen Matratze wird deshalb unter dem Gesichtspunkt des Schonens einer Matratze gerade nicht durch das allgemeine tägliche Leben und dessen übliche Gebrauchsgegenstände bestimmt. Für die Qualitätsstufe der Staubundurchlässigkeit besteht bei den Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens kein Bedarf. Soweit jedoch eine solche Matratze als Prophylaxe gegen eine Allergie verwendet werden sollte, tritt der spezielle, von den Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens sich abhebende Charakter einer solchen Matratze hervor. Mit Blick auf diese spezielle Ausgestaltung entfällt daher eine Bewertung als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Denn niemand wird eine staubundurchlässige Matratze erwerben, der sich nicht durch eine entsprechende Allergie gefährdet sieht; er will sich eines speziell ausgestalteten Gegenstandes und seiner speziellen Funktionsweise bedienen. Seiner objektiven Eigenart und Beschaffenheit nach ist folglich ein speziell staubundurchlässiger Matratzenbezug kein Gegenstand der allgemeinen Lebenshaltung mehr.

5

Wollte man jedoch den Matratzenbezug entgegen diesen Erwägungen als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens einordnen, so käme hier der unübersehbare Zusammenhang mit der diagnostizierten Krankheit (Milbenallergie) zum Tragen: Insoweit ist zunächst darauf zu verweisen, dass beispielsweise Krankenunterlagen, Einwegwindeln, Einweghöschen und Zellstoffunterlagen, die grundsätzlich als allgemeine Gebrauchsgüter des täglichen Lebens iSv Nr. 9 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 anzusehen sind, jedenfalls dann als beihilfefähige "Hilfsmittel" zur Sicherung des Heilerfolges gewertet werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Behandlung einer Krankheit erforderlich sind - z.B. im Rahmen einer Decubitus-Behandlung bei Blasen- oder/und Darminkontinenz (Topka/Möhle, aaO., 6.7.9 der Erl. zu § 6 Abs. 1 Nr. 4). Entsprechendes gilt bei schweren Funktionsstörungen, denen ohne Verwendung der gen. Gegenstände nicht begegnet werden kann. Demgemäß soll bei diesen Gegenständen, die zwar grundsätzlich als allgemeine Gebrauchsgüter iSd Nr. 9 zu betrachten sind, dann im Einzelfall zu entscheiden sein, ob sie als Hilfsmittel iSv § 6 Abs. 1 Nr. 4 oder als Gebrauchsgüter des täglichen Lebens iSv. Nr. 9 der Anlage 3 zu bewerten sind (Topka/Möhle, aaO., 6.7.9 der Erl. zu § 6 Abs. 1 Nr. 4). Da hier der Matratzenbezug nach dem Attest des Kinderarztes vom 25. Juli 2000 im Zusammenhang mit der Behandlung einer Erkrankung erforderlich war und ist, der Arzt es für notwendig befand, eine "milbendichte Umhüllung für Matratze" zu beschaffen, sind die entsprechenden Aufwendungen im vorliegenden Einzelfall jedenfalls unter diesem Gesichtspunkt dann beihilfefähig.