Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.08.2003, Az.: 8 K 679/01

Abzugsfähigkeit von für den Besuch von Seminaren zum Erwerb der Bezeichnung "Ärztlich geprüfte Gesundheitsberaterin (GGB)" entstandenen Aufwendungen als Werbungskosten; Einordnung von Ausgaben für eine auf die Erzielung von Einkünften gerichtete Umschulungsmaßnahme als vorab entstandene Werbungskosten; Berufliche Veranlassung als Voraussetzung für die Anerkennung als vorab entstandene Werbungskosten; Erfordernis einer hinreichend konkreten Zusammenhangs der Aufwendungen mit der angestrebten beruflichen Tätigkeit

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
12.08.2003
Aktenzeichen
8 K 679/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 30240
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2003:0812.8K679.01.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - AZ: VI R 71/04

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Ausgaben für eine Umschulungsmaßnahme können vorab entstandene Werbungskosten sein, wenn die Aufwendungen in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit künftigen steuerbaren Einnahmen aus der angestrebten Tätigkeit stehen.

  2. 2.

    Ein hinreichend konkreter Zusammenhang erfordert, dass die Tätigkeit alsbald nach Bestehen der Abschlussprüfung ausgeübt wird.

  3. 3.

    Werden auch nach 3 Jahren nach dem erfolgreichen Erwerb der Bezeichnung "ärztlich geprüfte Gesundheitsberaterin" keine Einkünfte aufgrund dieser Bildungsmaßnahme erzielt noch entsprechende Verträge abgeschlossen, die für die Zukunft entsprechende Einkünfte erwarten lassen, ist der hinreichend konkrete Zusammenhang der Aufwendungen mit zukünftigen steuerpflichtigen Einnahmen nicht gegeben.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob Kosten der Klägerin für den Besuch von Seminaren zum Erwerb der Bezeichnung Ärztlich geprüfte Gesundheitsberaterin (GGB) als Werbungskosten abzugsfähig sind.

2

Der Beklagte veranlagte die verheirateten Kläger im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer. Die Kläger haben einen am 25. 03. 1990 geborenen Sohn. Die Klägerin war früher als Versicherungskauffrau tätig. Laut einer Lohnsteuerbescheinigung des Arbeitgebers erzielte sie im Streitjahr steuerfrei belassenen Arbeitslohn aus einer geringfügigen Beschäftigung vom 01. 04. bis 30. 11. 1999 als Verkäuferin in dem Naturkostladen "A" in Höhe von 2.709 DM. Im Kalenderjahr 1999 besuchte sie Seminare bei der Gesellschaft für Gesundheitsberatung e. V. (GGB). Nach erfolgreichem Besuch dieser Seminare und Erfüllung der erforderlichen Prüfungsaufgaben erhielt sie lt. Urkunde vom 06. 04. 2000 das Recht, die Bezeichnung "Ärztlich geprüfte Gesundheitsberaterin (GGB)" zu führen sowie Kurse und Beratungen nach den Grundsätzen des GGB zu geben. In diesem Zusammenhang machte die Klägerin in der Einkommensteuererklärung 1999 Aufwendungen in Höhe von 8.878 DM als Werbungskosten geltend. Im Einkommensteuerbescheid 1999 vom 14. 08. 2000 berücksichtigte der Beklagte die Aufwendungen als Ausbildungskosten in Höhe von 1.800 DM.

3

Ihren hiergegen gerichteten Einspruch begründeten die Kläger damit, dass die Maßnahmen der Fortbildung im bisherigen Beruf der Versicherungskauffrau dienten. Mit Beendigung der Ausbildung sei eine Anstellung bei einer privaten Krankenversicherung mit Spezialisierung als Gesundheitsberaterin geplant. Eine solche Zusammenarbeit sei jedoch nur mit dem Grundlagenwissen im Versicherungs- und Gesundheitswesen durchführbar. Durch die Ausbildung als Versicherungskauffrau und die anschließende Tätigkeit im ausgeübten Beruf habe die Klägerin wesentliche Kontakte geknüpft und die Zusammenarbeit mit den Patienten erleichtern können. Da die Ausbildung nicht mit einer staatlichen Prüfung abschließe, habe sie Fortbildungscharakter.

4

Mit Bescheid vom 04. 09. 2001 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Hierzu führte er aus, die Aufwendungen seien nicht als Werbungskosten anzuerkennen, denn die Maßnahmen dienten nicht dem Ziel, in dem früher ausgeübten Beruf der Versicherungskauffrau auf dem Laufenden zu bleiben oder in diesem Beruf besser voranzukommen, ohne die Berufs- oder Erwerbsart zu wechseln.

5

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.

6

Die Kläger tragen vor, bei den aufgewendeten Kosten handele es sich um Fortbildungs- und damit Werbungskosten. Die Gesundheitsreform habe Im Bereich der Krankenkassen zu Stellenstreichungen und Personalumstrukturierungsmaßnahmen geführt. Hiervon sei auch die Klägerin betroffen gewesen. Um weiterhin ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen zu können, sei sie gezwungen gewesen, entsprechende Fortbildungsmaßnahmen durchzuführen, um eine Anstellung zu bekommen. Sie habe sich infolge dessen für eine Weiterqualifizierung zur Gesundheitsberaterin entschieden. Im Jahr 1997 habe sie mit vorbereitenden Fernstudien und Prüfungen zu Grundlagenseminaren des GGB begonnen. Ihr Ziel sei dabei gewesen, auch weiterhin im Bereich ihres bisherigen Berufes, dem Versicherungswesen, zu bleiben, sich aber durch die Weiterqualifizierung eine Nische in diesem Bereich zu suchen und sich somit einen Konkurrenzvorteil zu verschaffen. Vorzugsweise habe sie mit ihrer Fortbildung zur Gesundheitsberaterin beabsichtigt, für Krankenkassen tätig zu werden, um für diese Seminare und Kurse anzubieten, die den Versicherten der jeweiligen Krankenkasse zur Information über gesunde Ernährung und Vorbeugung von Krankheiten dienen sollten.

7

Die Klägerin sei in der Zeit vom 01. 06. 1996 bis 15. 11. 1999 ununterbrochen im Naturkostladen des "A" als Fachverkäuferin und Gesundheitsberaterin GGB (in Ausbildung) angestellt gewesen. Dies habe als Zwischenstation zur Ausbildung als "Ärztlich geprüfte Gesundheitsberaterin (GGB)" sowie zur Finanzierung des Fernstudiums, zur Umsetzung des Wissens von der Theorie in die Praxis und zur Integration zurück in das Berufsleben nach Beendigung der Erziehungsjahre gedient, denn auch die Familie müsse eine derartige Veränderung mit tragen. Bei dieser Tätigkeit habe sie die Kunden über vollwertige und gesunde Ernährung, insbesondere über Ernährung bei Krankheiten sachkundig beraten.

8

Eine weitere Anstellung habe sich zwischenzeitlich nicht ergeben. Zwar wachse die Nachfrage nach Gesundheitsberatern stetig, die Beschäftigungschancen hingen jedoch neben allgemeinen konjunkturellen Schwankungen auch von sozial-, gesundheits- und finanzpolitischen Weichenstellungen ab. Leider würden die meisten möglichen Arbeitsplätze eher durch Mundpropaganda als durch die Medien bekannt. Auch seien die "echten" Angebote rar. Vielfach würden Arbeitskräfte gesucht, deren eigentliche Tätigkeit der einer Gesundheitsberaterin zweckentfremdet sei und sich auf z. B. den Verkauf und die Präsentation von Nahrungsergänzungsmitteln, sog. Gesundheitsmatratzen, Wellness- und Fitness-Getränken oder -Präparaten beschränke. Da dies nicht die Aufgabe der GesundheitsberaterInnen sei, habe sie sich auf derartige Stellen nicht beworben, zumal sich die vorhandenen Arbeitsplätze auch nicht vor Ort befunden hätten. Beruf und Familie hätten so nicht in Einklang gebracht werden können. Als Gesundheitsberaterin wolle und solle sie aber mit vorbildlicher Lebens- und Arbeitsweise vorangehen. Aus diesem Grund übe sie seit der Beendigung ihrer Anstellung im Naturkostladen bis heute keine Tätigkeit aus.

9

Die ersten Betriebskrankenkassen bereiteten aber eine Zusammenarbeit mit GesundheitsberaterInnen vor. Zwar zögen sich die Verhandlungen mit den Betriebskrankenkassen aufgrund der gesundheitspolitischen Gespräche und Reformen in die Länge, alsbald nach dem Startschuss der Betriebskrankenkassen könne sie aber ihr Wirken als Gesundheitsberaterin aufnehmen.

10

Aus dem Schreiben des GGB vom 07. 08. 2003 ergebe sich, dass mit zukünftigen Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit zu rechen sei, daher lägen vorab entstandene Betriebsausgaben vor.

11

Die Kläger beantragen,

die Einkommensteuer auf 4.128 DM herabzusetzen.

12

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

13

Er ist der Auffassung, auch unter Zugrundelegung der neuen Rechtsprechung des BFH zu Umschulungsmaßnahmen sei vorliegend nicht von Werbungskosten oder Betriebsausgaben auszugehen. Die Bildungsmaßnahme sei nicht konkret und berufsbezogen auf eine künftige Tätigkeit gerichtet, die von der Klägerin als bald nach Bestehen der Abschlussprüfung für eine künftige Tätigkeit ausgeübt werden könne. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die - wohl von der Klägerin selbst initiierte - Umschulungsmaßnahme nicht unwesentlich der allgemeinen Persönlichkeitsbildung und der allgemeinen geistigen Bereicherung mit persönlichkeitsprägenden, aber nicht eindeutig berufsbezogenen Inhalt, bzw. mit psychologischem Inhalt ohne konkreten beruflichen Bezug (zur künftigen) Tätigkeit diene.

14

In der mündlichen Verhandlung legten die Kläger ein Schreiben des GBB vom 07. 08. 2003 vor, indem dieser mitteilt, er habe die Anschrift der Klägerin an die Betriebkrankenkasse X in Y (Baden-Württemberg) übermittelt. Falls im regionalen Bereich der Klägerin Versicherte der X Interesse zeigten, würde sich die X direkt mit der Klägerin in Verbindung setzen.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Klage- und Steuerakte.

Gründe

16

Die Klage ist unbegründet.

17

Soweit die Kläger die Abzugsfähigkeit der Kosten für den Besuch der Seminare aufgrund der Tätigkeit der Klägerin als Verkäuferin in einem Naturkostladen herleiten wollten, stände einer Berücksichtigung § 3c Einkommensteuergesetz (EStG) entgegen, da die Klägerin laut der Arbeitgeberbescheinigung insoweit lediglich steuerfreie Einkünfte erzielt hat.

18

Ein Abzug als sog. "vorab entstandene Werbungskosten" ist ebenfalls nicht möglich.

19

In seiner neueren Rechtsprechung hat der BFH (Urteile vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01, BFHE 2001, 156, BStBl II 2003, 403; vom 17. Dezember 2002 VI R 42/00, BFH/NV 2003, 474; vom 17. Dezember 2003 VI R 20/01, BFH/NV 2003, 476, und ebenfalls vom 17. Dezember 2002 VI R 121/01, BFH/NV 2003, 477) entschieden, dass Ausgaben für eine auf die Erzielung von Einkünften gerichtete Umschulungsmaßnahme vorabentstandene Werbungskosten sein können. Dies soll auch gelten, wenn die Bildungsmaßnahme eine neue Basis für andere Berufsfelder schafft oder einen Berufswechsel vorbereitet. Voraussetzung für die Anerkennung von vorab entstandenen Werbungskosten ist aber, dass die Aufwendungen beruflich veranlasst sind. Sie müssen in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit künftigen steuerbaren Einnahmen aus der angestrebten beruflichen Tätigkeit stehen (vgl. BFH-Urteil vom 27. 05. 2003 VI R 33/01, BFH/NV 2003, 1119). Ein hinreichend konkreter Zusammenhang erfordert auch, dass die Tätigkeit alsbald nach Bestehen der Abschlussprüfung ausgeübt wird (vgl. von Bornhaupt, Studien- und Umschulungskosten als Werbungskosten, NWB Fach 6, 4325, 4335).

20

Vorliegend fehlt es an dem erforderlichen konkreten objektiv feststellbaren Zusammenhang mit künftigen steuerbaren Einnahmen. Bis zur mündlichen Verhandlung hat die Klägerin keine entsprechende Tätigkeit aufgenommen. Die Tätigkeit als Verkäuferin im Naturkostladen ist aus Sicht des Senats nicht zu berücksichtigen, da die Tätigkeit bereits deutlich vor Abschluss der Ausbildung zur ärztlich geprüften Gesundheitsberaterin beendet war. Darüber hinaus erzielte die Klägerin - wie oben dargelegt - hieraus lediglich steuerfreie Einkünfte. Auch aus dem Schreiben des GGB vom 07. 08. 2003 ergibt sich kein entsprechendes Tätigwerden. Das Schreiben weist lediglich darauf hin, dass sich in Zusammenarbeit mit der mhplus Einsatzmöglichkeiten ergeben könnten. Hierbei handelt es sich aber weder um konkrete Vertragsverhandlungen mit einem Arbeit- bzw. Auftraggeber noch ist - aus Sicht des Senats - ein entsprechendes Zustandekommen einer vertraglichen Zusammenarbeit wahrscheinlich, denn dies würde einen Bedarf von Mitgliedern der in Baden-Württemberg ansässigen X im Einzugsbereich der Klägerin, also im Bereich des Wohnortes voraussetzen, was sehr fraglich erscheint. Eine theoretische Möglichkeit der künftigen Einkünfteerzielung genügt für einem hinreichend konkreten Zusammenhang aber nicht.

21

Die Klägerin hat damit auch über drei Jahre nach dem erfolgreichen Erwerb der Bezeichnung "ärztlich geprüfte Gesundheitsberaterin" keine Einkünfte aufgrund dieser Bildungsmaßnahme erzielt, noch entsprechende Verträge oder Ähnliches, die für die Zukunft zu entsprechenden Einkünften führen könnten, abgeschlossen. Ob die Klägerin tatsächlich in der Zukunft steuerbare Einkünfte als Gesundheitsberaterin erzielen wird, ist insbesondere angesichts der von ihr erläuterten Schwierigkeiten beim Finden einer geeigneten Tätigkeit ungewiss. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin selbst vorträgt, die Nichtaufnahme einer entsprechenden Tätigkeit liege auch in der Schwierigkeit der Vereinbarung von Familie und Beruf begründet. Damit fehlt es an einem hinreichend konkreten Zusammenhang der Aufwendungen mit zukünftigen steuerpflichtigen Einnahmen.

22

Ein Abzug als vorweg entstandene Betriebsausgaben kommt ebenfalls nicht in Betracht. Für vorweg entstandene Betriebsausgaben ergibt sich nichts anderes als für vorweg entstandene Werbungskosten, auch insoweit ist ein klar erkennbarer Bezug zwischen den Aufwendungen und einer Einkunftsart erforderlich (vgl. BFH-Urteil vom 13. 02. 2003 IV R 44/01, BFH/NV 2003, 982 m. w. N.). Wie oben dargelegt fehlt vorliegend ein entsprechend erkennbarer konkreter Bezug, da auch nach über drei Jahren keine Einkünfte erzielt werden.

23

Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben und war abzuweisen.

24

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).