Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.08.2003, Az.: 7 K 490/97

Nachträgliche Änderung eines Einkommensteuerbescheides; Nachträgliches Bekanntwerden von Tatsachen oder Beweismitteln zur Erfüllung der Änderungsvoraussetzungen eines Steuerbescheides; Entstehung eines Auflösungsverlustes durch die zivilrechtliche Auflösung einer Gesellschaft ; Zuteilung und Rückzahlung von Vermögen der Gesellschaft an die Gesellschafter; Realisierung eines Auflösungsverlustes vor Abschluss der Liquidation; Grob fahrlässiges Handeln eines Steuerpflichtigen beim Ausfüllen eines Steuererklärungsformulars

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
06.08.2003
Aktenzeichen
7 K 490/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 15812
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2003:0806.7K490.97.0A

Fundstelle

  • EFG 2004, 900-901

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die Entstehung eines Auflösungsverlustes nach § 17 Abs. 4 EStG setzt die zivilrechtliche Auflösung der Gesellschaft, nicht aber deren Beendigung voraus.

  2. 2.

    Bei einer Auflösung der Gesellschaft mit anschließender Liquidation ist regelmäßig der Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation maßgebend.

  3. 3.

    Vermögenslosigkeit gilt für sich genommen noch nicht als Auflösungsgrund.

  4. 4.

    Der Zeitpunkt, in dem der Auflösungsverlust realisiert ist, kann schon vor dem Abschluss der Liquidation liegen, z. B. dann, wenn die Eröffnung eines Konkurs-Insolvenzverfahrens unanfechtbar mangels Masse abgelehnt wurde.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob das beklagte Finanzamt verpflichtet ist, den Einkommensteuerbescheid für 1993 oder den für 1994 wegen eines (unstreitig entstandenen) Auflösungsverlustes in Höhe von 25.000 DM nachträglich zu Gunsten des Klägers zu ändern.

2

Der Kläger handelt mit Computer-Disketten und hat dabei großen wirtschaftlichen Erfolg. Aus dieser Tätigkeit erzielte er 1993 und 1994 jeweils Gewinne in Höhe von über 500.000 DM. Der Kläger und eine andere Person gründeten mit Vertrag vom 16. März 1990 die C. GmbH mit Sitz in H. (nachfolgenden nur: GmbH). Gegenstand des GmbH-Unternehmens war die Beratung, Schulung, Einweisung sowie der Verkauf von Hard- und Software im Computerbereich, speziell bei Satz- und Layoutvorlagen sowie Bildverarbeitung im graphischen Bereich. Der Kläger war mit 50 v.H. am Stammkapital der GmbH beteiligt. Sein Anteil betrug 25.000 DM. Mit Schreiben vom 18. Juni 1993 wurde beantragt, über das Vermögen der GmbH das Konkursverfahren zu eröffnen. Der Antrag auf Konkurseröffnung wurde mit Beschluss vom 9. Dezember 1993 mangels Masse abgelehnt. Die Unanfechtbarkeit des Beschlusses trat am 13. Januar 1994 ein. Unter dem Datum vom 31. Januar 1994 findet sich folgender Handelsregistereintrag:

"Die Gesellschaft ist infolge der durch rechtskräftigen Beschluß des Amtsgerichts Wuppertal vom 9. Dezember 1993 erfolgten Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels einer den Kosten des Verfahrens entsprechenden Konkursmasse aufgelöst von Amts wegen eingetragen".

3

Im Jahre 1995 fand beim Kläger für die Steuerjahre 1991 bis 1993 eine Außenprüfung statt. Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 25. Februar 1997, also nach Eintritt der Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids für 1994 vom 4. Dezember 1995 (in der Fassung des Bescheids vom 12. Februar 1996 mit geringfügiger Änderung) die Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes in Höhe von 25.000 DM für das Jahr 1994 wegen des Wegfalls der GmbH-Beteiligung. Der Klägervertreter, der ausweislich eines Schreibens an das Finanzamt Hilden aus 1996 ab diesem Zeitpunkt auch die steuerlichen Belange der in Abwicklung befindlichen GmbH betreute, wies mit dem Schreiben vom 25. Februar 1997 darauf hin, dass ihm der Sachverhalt mit dem GmbH-Auflösungsverlust erst nachträglich zur Kenntnis gelangte. Der Antrag auf Änderung wurde mit Bescheid vom 11. April 1997 wegen Eintritts der Bestandskraft und Nichtvorliegens einer Korrekturvorschrift, insbesondere wegen Nichteingreifens des § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO), abgelehnt. Das beklagte Finanzamt erhielt am 2. Juli 1997 eine Kontrollmitteilung des Finanzamts Hilden über einen "Veräußerungsersatztatbestand" nach "Auflösung der Gesellschaft" und dem handschriftlichen Hinweis: "Die GmbH ist durch Beschluß des AG Wuppertal vom 9.12.1993 aufgelöst".

4

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren, in das das Einkommensteuerjahr 1993 mit einbezogen wurde, erhebt der Kläger Klage und trägt im Wesentlichen Folgendes vor: Die beantragte Änderung eines Einkommensteuerbescheides sei nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO durchzuführen. Denn den Kläger treffe kein grobes Verschulden daran, dass die Tatsache des Auflösungsverlustes aus dem Wegfall der GmbH-Beteiligung erst nachträglich bekannt wurde. Allgemein sei davon auszugehen, dass allein mangelnde Kenntnisse eines Steuerpflichtigen ohne einschlägige Ausbildung den Vorwurf, grob schuldhaft gehandelt zu haben, nicht begründen könne. Dem durchschnittlichen einkommensteuerrechtskundigen Bürger sei nur der Grundsatz bekannt, dass realisierte Wertsteigerungen von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens und nicht des Privatvermögens das relevante Einkommen erhöhen und nur Vermögensverluste im Betriebsvermögen, nicht aber im privaten Vermögen, das zu berücksichtigende Einkommen mindern. Der hier für die Verlustberücksichtigung einschlägige § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bilde (neben dem § 23 EStG) davon eine Ausnahme. Daneben habe der Kläger auch keine in den Erklärungsformularen ausdrücklich gestellte Frage der Finanzverwaltung unbeantwortet gelassen. So enthalte die Formular-Anlage GSE sowohl für die Jahre 1993 und 1994 in Zeile 14 lediglich den Hinweis "Veräußerungsgewinne im Sinne des § 17 EStG", ein Hinweis auf Veräußerungsverluste fehle jedoch. Auch aus den Anleitungen zur Einkommensteuererklärung (Merkblatt) ergebe sich kein Hinweis auf die Abzugsfähigkeit von Veräußerungsverlusten im Rahmen des § 17 EStG. Wenn die Rechtsprechung das Vorliegen grober Fahrlässigkeit bereits dann verneine, wenn ein Berufsjurist es unterlasse, vorab entstandene Zinsen und Finanzierungskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend zu machen, so müsse das erst recht gelten, wenn ein im Bereich des Computerhandels tätiger Nichtjurist einen wesentlich komplizierteren Sachverhalt steuerlich nicht für relevant halte. Die Beurteilung der Entschuldbarkeit sei auch auf die Fälle - wie hier - zu übertragen, in denen es der Steuerpflichtige aus Rechtsunkenntnis unterlassen habe, seinen steuerlichen Berater hinsichtlich eines Sachverhaltes zu informieren, wenn er den Sachverhalt steuerlich für bedeutungslos erachte. Auch ein grobes Verschulden des steuerlichen Beraters, das dem Kläger zuzurechnen sei, liege nicht vor. Denn es könne von einem Berater nicht verlangt werden, dass er von sich aus, gleichsam ins Blaue hinein, die Angaben seines Mandanten hinterfrage. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn sich im Einzelfall eine Nachfrage aufgedrängt hätte. Dies sei hier aber nicht der Fall gewesen. Der Berater habe nämlich keine Kenntnis vom Konkurs der GmbH gehabt; er habe erst nach Bestandskraft der hier in Rede stehenden Einkommensteuerfestsetzungen für 1993 und 1994 auch die Vertretung der steuerlichen Interessen für die GmbH übernommen. Im Übrigen sei, im Gegensatz zur Auffassung des beklagten Finanzamts, die GmbH-Beteiligung des Klägers kein Bestandteil des Betriebsvermögens des Einzelunternehmens des Klägers gewesen. Zwar seien das Einzelunternehmen und die GmbH als Handelsunternehmen beide Teil der Computerbranche gewesen, jedoch mit eigenen Kundenstämmen ohne jegliche wirtschaftliche Verbindung. Weder sei die GmbH Vertriebsunternehmen des Einzelunternehmens noch dessen Einkäufer gewesen. Wenn es gelegentlich zu Lieferungen zwischen beiden Unternehmen gekommen sei, dann sei dies rein zufällig und wie unter Fremden mit normalen Lieferbedingungen gewesen.

5

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das beklagte Finanzamt zu verpflichten, den Auflösungsverlust in Höhe von 25.000 DM wegen des Wegfalls der GmbH-Beteiligung im Jahr der Verlustentstehung, entweder bei der Einkommensteuer-Festsetzung für 1993 oder 1994 zu berücksichtigen, und den einschlägigen Einkommensteuerbescheid zu ändern und die Einkommensteuersteuer entsprechend herabzusetzen.

6

Das beklagte Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Es bleibt bei seiner Ansicht, dass eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen weder für das Jahr 1993 noch für 1994 möglich ist. Dabei geht das beklagte Finanzamt zunächst davon aus, dass der Auflösungsverlust schon im Jahre 1993 mit der Beschlussfassung über die Ablehnung des Antrags auf Eröffnung eines Konkursverfahrens entstanden ist und verweist auf die erhöhte Bestandskraft nach § 173 Abs. 2 AO der Änderungsbescheide für die Jahre 1991 bis 1993 aufgrund der vorher stattgefunden Außenprüfung und damit auf eine Änderungssperre für das Jahr 1993. Daneben dürfe, unterstellt der Verlust wäre erst 1994 entstanden, auch hier keine Änderung der Steuerfestsetzung vorgenommen werden, da der Kläger alle Vorgänge und Unterlagen von steuerlicher Relevanz seinem steuerlichen Berater zur fachkundigen Beratung rechtzeitig hätte unterbreiten müssen. Wer dies, wie der Kläger, nicht tue, sich stattdessen auf seine laienhafte Einschätzung verlasse, der betreffende Vorgang sei nicht von steuerlicher Bedeutung, handele grob schuldhaft im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Es sei schon ungewöhnlich, wenn der Kläger vor oder nach Zeichnung der GmbH-Beteiligung diesen Sachverhalt nicht mit seinem steuerlichen Berater besprochen hätte. In einem Beratungsgespräch habe der Berater sicherlich auf die mögliche Betriebsvermögenseigenschaft und auf die Vorschrift des § 17 EStG hingewiesen. Daneben habe sich der Kläger am 19. Oktober 1993 über einen Rechtsanwalt nach dem Stand des Konkursverfahrens erkundigt. Es sei Akteneinsicht gewährt worden. Auch habe der Kläger über § 8 des Gesellschaftsvertrages ganz erhebliche Einflußmöglichkeiten und Kontrollrechte bezüglich der Geschäftsführung gehabt. Als Mitgesellschafter der GmbH müsse dem Kläger daher Ende 1993 bekannt gewesen sein, dass seine Stammeinlage verloren gegangen sei. Im Übrigen: Da der Kläger mit seinem Einzelunternehmen auch im EDV-Bereich tätig sei, sei die GmbH-Beteiligung betrieblich veranlasst gewesen und hätte daher als notwendiges Betriebsvermögen in den Bilanzen 1991 und 1992 aktiviert werden müssen. Da die Beteiligung in 1993 wertlos geworden sei, hätte die Beteiligung bei der Anfertigung der Schlussbilanz auf den 31. Dezember 1993 ausgebucht werden müssen.

8

Dem Gericht haben die Steuerakten des beklagten Finanzamts einschließlich einer Akte mit Auszügen aus den Handesregister-Akten betreffend die Auflösung der GmbH vorgelegen.

9

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet und Ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter nach § 79a Abs. 3, 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erklärt.

Entscheidungsgründe

10

I.

Die Klage hat Erfolg. Das beklagte Finanzamt ist verpflichtet, die Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 1994 unter Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes in Höhe von 25.000 DM zu ändern.

11

1.

Ein Steuerbescheid ist nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntwerden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Die Änderungsvoraussetzungen sind im Hinblick auf das Jahr 1994 gegeben.

12

a)

Im Streitfall sind nach dem Einkommensteuerbescheid für 1994 vom 4. Dezember 1995 in der Fassung vom 12. Februar 1996 aufgrund eines Antrages des Klägers vom 25. Februar 1997 auf Änderung der Steuerfestsetzung durch Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes nach § 17 Abs. 1, 4 EStG in Höhe von 25.000 DM (insoweit unstreitig) Tatsachen bekannt geworden, die zu einer niedrigeren Steuer führen. Der zu berücksichtigende Auflösungsverlust ist in 1994, mit der unanfechtbaren Ablehnung des Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens am 13. Januar 1994, entstanden.

13

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs setzt die Entstehung eines Auflösungsverlustes nach § 17 Abs. 4 EStG die zivilrechtliche Auflösung der Gesellschaft (z.B. durch Eröffnung des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens), nicht aber deren Beendigung voraus. Nach der Auflösung der Gesellschaft bestimmt sich der Zeitpunkt der Entstehung des Auflösungsverlustes nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung. Bei einer Auflösung mit anschließender Liquidation ist dabei regelmäßig der Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation maßgebend. Im Regelfall steht nämlich erst dann fest, ob und in welcher Höhe der Gesellschafter mit einer Zuteilung und Rückzahlung von Vermögen der Gesellschaft rechnen kann, und ferner, welche nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung anfallen und welche Auflösungskosten der Gesellschafter persönlich noch zu tragen hat (so BFH-Urteil vom 25. Januar 2000 VIII R 63/98, BStBl. II 2000, 343 m.w.N.). Ausnahmsweise kann allerdings der Zeitpunkt, in dem der Auflösungsverlust realisiert ist, schon vor dem Abschluss der Liquidation liegen. Z.B. dann, wenn die Eröffnung eines Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde (BFH-Urteil vom 27. November 2001 VIII R 36/00, BStBl. II 2002, 731; BFH-Urteil vom 25. Januar 2000, a.a.O., 344; BFH-Beschluss vom 27. November 1995 VIII B 16/95, BFH/NV 1996, 406, 407; BFH-Urteil vom 3. Juni 1993 VIII R 81/91, BStBl. II 1994, 162, 163). Vermögenslosigkeit gilt für sich genommen noch nicht als Auflösungsgrund (vgl. BFH-Urteil vom 3. Juni 1993, a.a.O., 163).

14

Nach diesen Rechtsgrundsätzen, denen das erkennende Gericht folgt, ist die Auflösung der GmbH in 1994 erfolgt, mithin der Auflösungsverlust in 1994 entstanden.

15

Zwar hat der Bundesfinanzhof - soweit ersichtlich - nicht ausdrücklich entschieden, dass der Ablehnungsbeschluss ein unanfechtbarer sein muss (im BFH-Urteil vom 3. Juni 1993, a.a.O., kam es nicht darauf an, weil Bekanntgabe des Beschlusses und Eintritt der Unanfechtbarkeit im selben Jahr lagen; im BFH-Urteil vom 12. Dezember 2000 VIII R 22/92, BStBl. II 2001, 385, 387, scheint wohl der Zeitpunkt des Ablehnungsbeschlusses, nicht dessen Unanfechtbarkeit maßgeblich zu sein, die Unanfechtbarkeit wird aber nicht ausdrücklich thematisiert). Das erkennende Gericht geht jedoch auf der Basis des Realisationsprinzips und aus Gründen der Rechtssicherheit davon aus, dass die Auflösung einer GmbH und die Annahme der Realisierung eines Auflösungsverlustes vor Abschluss der Liquidation, mithin das Vorziehen der Verlustentstehung, allein auf einen Beschluss mit Bestand, entsprechend auf eine unanfechtbare, auf eine endgültige Entscheidung des Konkursgerichtes zu stützen ist (vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 5 des GmbHG, wonach die Auflösung einer GmbH auf die "Rechtskraft" eines Beschlusses gestützt wird, und OFD Berlin, Verfügungen vom 16. Dezember 1996 - St 447 - 2244 - 7/96, DB 1997, 955, 956, sowie vom 28. August 2000 - St 122 - 2244 - 7/96, DB 2000, 2246 - Auflösung mit "Rechtskraft" des Ablehnungsbeschlusses; so auch Strahl in Korn, Kommentar zum EStG, Loseblatt, § 17 Rn. 115.2, Stand Juli 2002). Entsprechend ist die Auflösung der GmbH, die am 31. Januar 1994 in das Handelsregister eingetragen worden war, erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Beschlusses vom 9. Dezember 1993, also am 13. Januar 1994, erfolgt. Danach ist der unstreitig in Höhe von 25.000 DM entstandene Auflösungsverlust nicht in 1993, sondern in 1994 zu erfassen.

16

b)

Die Berücksichtigung des nachträglich bekanntgewordenen Auflösungsverlustes ist nicht deshalb zu verneinen, weil den Kläger oder seinem steuerlichen Berater ein grobes Verschulden daran trifft, dass die zugrunde liegenden Tatsachen erst nachträglich bekannt geworden sind. Denn die Klägerseite hat nicht grob fahrlässig oder gar vorsätzlich (insoweit unstreitig) gehandelt.

17

Grob fahrlässig handelt der Steuerpflichtige, wenn er die Sorgfalt, zu der er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt (so Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, Loseblatt, § 173 FGO Tz. 76, Stand: 2001, mit Nachweisen aus allen Teilen der Finanzrechtsprechung). So handelt der Steuerpflichtige nach allgemeiner Überzeugung z.B. dann grob fahrlässig, wenn eine in einem Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene Frage nicht beantwortet wird. Allerdings ist davon auszugehen, dass Fehler des Steuerpflichtigen im Regelfall auf einem Versehen, also auf leichter Fahrlässigkeit beruhen (vgl. BFH-Urteil vom 22. Mai 1992 VI R 17/91, BStBl. II 1993, 80, 83). Die Feststellungslast dafür, dass den Steuerpflichtigen ein grobes Verschulden trifft, obliegt der Finanzbehörde (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., Tz. 76 und Tz. 84).

18

Nach diesen Rechtsgrundsätzen, denen das Gericht folgt, ist weder erkennbar noch hat das beklagte Finanzamt nachweisen können, dass dem Kläger oder seinem steuerlichen Berater an dem nachträglichen Bekanntwerden des zu berücksichtigenden Auflösungsverlustes ein grobes Verschulden trifft.

19

Denn, wie die Klägerseite zu Recht vorträgt, wird in dem einschlägigen Steuererklärungsformular nicht nach einem Auflösungsverlust nach § 17 EStG gefragt. Auch ansonsten ist die Darstellung der Klägerseite nachvollziehbar, wonach es sich dem Kläger als steuerlichen Laien nicht habe aufdrängen müssen, dass Auflösungsverluste bei Beteiligungen, die im Privatvermögen gehalten werden, einkommensteuerlich relevant sind. Der § 17 EStG ist (zusammen mit dem § 23 EStG) in der Tat eine Ausnahmevorschrift, dessen Inhalt man als steuerlicher Laie nicht kennen muss. Dass sich der Kläger über einen Rechtsanwalt nach dem Stand des Konkursverfahrens erkundigte, hat ausweislich des vom beklagten Finanzamt genannten Schreibens vom 19. Oktober 1993 und des nachfolgenden Schriftverkehrs, der sich in der Akte mit Auszügen aus den Handelsregister-Akten befindet, einen zivilrechtlichen, keinen steuerrechtlichen Hintergrund. Auch den steuerlichen Berater des Klägers, der erst im Laufe des Jahres 1996 auch die steuerliche Betreuung der GmbH, an der der Kläger beteiligt war, übernahm, trifft keine Schuld. Insoweit kann dahinstehen, ob dem Kläger grobes Verschulden seines steuerlichen Beraters im Rahmen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zuzurechnen wäre (dazu Tipke/Kruse, a.a.O., Tz. 82). Denn nach der nachvollziehbaren Darstellung der Klägerseite wußte der steuerliche Berater des Klägers zunächst nichts von der GmbH-Beteiligung und/oder von der Konkursreife der GmbH. Ein Nachfragen in Richtung einer verlustträchtigen GmbH-Beteiligung, die im Privatvermögen gehalten wird, mußte sich dem steuerlichen Berater des Klägers, dessen erfolgreiche Großhändlertätigkeit im Vordergrund stand, auch nicht aufgedrängt haben. Für die entgegenstehenden Vermutungen des beklagten Finanzamts sind Anhaltspunkte nicht erkennbar. Nachweise für ein grob schuldhaftes Verhalten der Klägerseite hat das beklagte Finanzamt nicht erbracht.

20

2.

Auch die Hinweise des beklagten Finanzamts auf die angebliche Betriebsvermögenszugehörigkeit der später aufgelösten GmbH-Beteiligung beim Einzelunternehmen des Klägers greifen nicht durch. Denn bei den unterschiedlichen Unternehmensgegenständen ist nicht erkennbar und erst recht nicht nachgewiesen, dass die GmbH-Beteiligung, im Gegensatz zur bisherigen von einer Außenprüfung überprüften Praxis, zum notwendigen Betriebsvermögen des Einzelunternehmens des Klägers gehörte. Allgemeine Hinweise, unter welchen Voraussetzungen eine GmbH-Beteiligung notwendiges Betriebsvermögen sein kann versammelt mit der Behauptung, diese Umstände seien hier gegeben, reichen zum Nachweis nicht aus.

21

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Zwar umfaßt der Klageantrag der Klägerseite auch das Jahr 1993, für das das beklagte Finanzamt zu keiner Änderung der Steuerfestsetzung verpflichtet wird. Gleichwohl trifft das beklagte Finanzamt die volle Kostenlast. Denn der Kläger hat von vornherein keinen Zweifel daran gelassen, dass er nicht etwa zweimal den Auflösungsverlust berücksichtigt haben wollte, sondern nur einmal, entweder für das Jahr 1994 (so im Schreiben vom 25. Februar 1997) oder - wegen der Argumentation des beklagten Finanzamtes - für das Jahr 1993. Der Klageantrag bezieht sich demnach nur formal auf zwei Jahre, materiell und vom wirtschaftlichen Interesse her geht der Rechtsstreit um die einmalige Berücksichtigung des Auflösungsverlustes im Jahr der Verlustentstehung. So gesehen hat der Kläger in vollem Umfang obsiegt.

22

Die Entscheidung über die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren ergeht nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

23

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.