Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.08.2003, Az.: 1 K 116/03

Verpflichtung zur unentgeltlichen Beköstigung aufgrund einer Verpflichtung im Hofübergabevertrag zu Hege und Pflege des Übergebers in alten und kranken Tagen; Abziehbarkeit von Aufwendungen der Verpflichtung zu allgemeiner Beköstigung als Sonderausgaben

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
06.08.2003
Aktenzeichen
1 K 116/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 26709
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2003:0806.1K116.03.0A

Fundstelle

  • EFG 2004, 1765-1766 (Volltext mit amtl. LS)

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die in einem Hofübergabevertrag übernommene Verpflichtung zu Hege und Pflege in alten und kranken Tagen bezieht sich nach ihrem Wortsinn in erster Linie auf die Erbringung persönlicher Betreuungsleistungen, die wegen Alter und Krankheit des Berechtigten erforderlich wäre. Dazu gehört auch die Bereitstellung und Zubereitung von Kost, soweit der Berechtigte alters- oder krankheitsbedingt nicht mehr dazu in der Lage ist, sich selbst zu versorgen.

  2. 2.

    Es muss sich insoweit um Aufwendungen halten, die gerade auf das Alter oder die Krankheit des Berechtigten zurückzuführen sind, d.h. ohne dessen Pflegebedürftigkeit nicht entstanden wären. Die Verpflichtung zu allgemeiner Beköstigung kann daraus nicht abgeleitet werden.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die in einem Hofübergabevertragübernommene Verpflichtung zu Hege und Pflege des Übergebers in alten und kranken Tagen die Verpflichtung zur unentgeltlichen Beköstigung einschließt.

2

Die Kläger sind Eheleute, die für das Streitjahr 2001 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Durch notariellen Vertrag vom...übernahm der Kläger von seinem Vater dessen Hof im Wege vorweggenommener Erbfolge. In § 5 des Hofübergabevertrages behielt sich der Vater ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht an dem Wohnhaus vor. Außerdem wurde ihm in § 7 ein Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Versorgungsleistung von 800,00 DM eingeräumt.

3

Daneben wurde in § 6 Abs. 1 des Vertrages folgende Regelung getroffen:

"Der Übernehmer bzw. sein Rechtsnachfolger im Eigentum soll verpflichtet sein, für den Übergeber in alten und kranken Tagen zu sorgen und ihn zu hegen und zu pflegen. Im Falle von Gebrechlichkeit und Krankheit hat der Übernehmer bzw. sein Rechtsnachfolger im Eigentum dafür zu sorgen, dass der Berechtigte so gepflegt wird, wie es sein Gesundheitszustand erfordert. Die Pflegepflicht entfällt, wenn und solange der Berechtigte sich aufgrund Einweisung seines Hausarztes im Altersheim, Krankenhaus oder Pflegeheim befindet, ohne dass dafür ein Ausgleich gezahlt werden müsste."

4

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger Altenteilsleistungen in Höhe von...DM als Sonderausgaben geltend. In diesem Betrag war neben den Versorgungsleistungen von...DM und sonstigem Sachaufwand auch Aufwand für Vollbeköstigung in Höhe von 4.445,00 DM enthalten.

5

Durch Einkommensteuerbescheid vom 13. Februar 2003 ließ der Beklagte (das Finanzamt - FA -) nur die Versorgungsleistungen sowie den sonstigen Sachaufwand zum Sonderausgabenabzug zu. Die Berücksichtigung der Aufwendungen für Vollbeköstigung lehnte er unter Hinweis darauf ab, dass diese in dem Hofübergabevertrag nicht vereinbart worden sei.

6

Der dagegen am 17. Februar 2003 eingelegte Einspruch hatte im Streitpunkt keinen Erfolg. Aus anderen Gründen setzte das FA die Steuer durch Einspruchsbescheid vom 24. März 2003 herab.

7

Mit der am 26. März 2003 erhobenen Klage machen die Kläger geltend, dass § 6 Abs.1 des Übergabevertrages bei einer an den Grundsätzen der §§ 157 und 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) orientierten Auslegung dahin zu verstehen sei, dass er auch die Verpflichtung zur Vollbeköstigung einschließe. Zur Hege und Pflege sowie insbesondere zur Versorgung gehörten nach Maßgabe der Verkehrssitte und des Grundsatzes von Treu und Glauben auch die Gewährung von Beköstigungsleistungen. Dementsprechend sei der Vertrag von den Beteiligten auch von Anfang aufgefasst und praktiziert worden.

8

Der Umstand, dass die Verpflichtung zur Vollbeköstigung nach den vom FA im Klageverfahren vorgelegten Ablichtungen aus anderen Hofübergabeverträgen häufig zum Gegenstand einer gesonderten Vertragsklausel gemacht werde, stehe der von ihnen - den Klägern - vertretenen Auslegung nicht entgegen. Bei den von dem FA vorgelegten Verträgen handele es sich um solche, die von im Landwirtschaftsrecht erfahrenen Notaren in enger Abstimmung mit den jeweiligen steuerlichen Beratern entworfen worden seien. Demgegenüber sei der Vertrag von einem Notar beurkundet worden, der über keine besondere Erfahrung auf dem Gebiet des Landwirtschaftsrechts verfüge. Er bringe das von den Beteiligtenübereinstimmend Gewollte deshalb möglicherweise nur unvollkommen zum Ausdruck.

9

Die Kläger beantragen,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2001 vom 13. Februar 2003 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. März 2003 die Einkommensteuer von...EUR auf...herabzusetzen.

10

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Er hält unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung an der Ansicht fest, dass § 6 Abs. 1 desÜbergabevertrages eine Verpflichtung zur unentgeltlichen Vollbeköstigung nicht entnommen werden könne. Nach der Verkehrssitte habe die Verpflichtung zur Hege und Pflege in alten und kranken Tagen nur dieÜbernahme solcher Aufwendungen zum Inhalt, die durch die Krankheit und Gebrechlichkeit veranlasst seien. Dazu gehörten z.B. die Kosten von Medikamenten und Pflegepersonal, nicht jedoch die der Beköstigung. DerÜbernahme dieser Kosten habe es im Streitfall auch nicht bedurft, weil derÜbergeber durch die monatliche Versorgungsleistung von...DM in Verbindung mit sonstigen Einkünften in der Lage gewesen sei, diese selbst zu tragen.

12

Zum Nachweis für die Richtigkeit der von ihm vertretenen Auslegung hat das FA mit Schriftsatz vom 12. Juni 2003 auszugsweise Ablichtungen von vier Hofübergabeverträgen überreicht, in denen die Pflicht zur unentgeltlichen Beköstigung des Übergebers - zum Teil neben derjenigen zu Hege und Pflege - zum Gegenstand ausdrücklicher Vertragsbestimmungen gemacht worden ist. Auf den Inhalt dieser Ablichtungen (Bl. 30 bis 42 der FG-Akte) wird Bezug genommen.

13

Das Gericht hat eine amtliche Auskunft der Landwirtschaftskammer zu der Frage eingeholt, ob die Übernahme der Hege und Pflege in Hofübergabeverträgen üblicherweise die freie Beköstigung einschließt. Auf den Inhalt der mit Schreiben vom 19. Juni 2003 erteilten Auskunft (Bl. 42 der FG-Akte) wird Bezug genommen.

14

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter und ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz der Kläger vom 17. April 2003 - Bl. 23 der FG-Akte, Schriftsatz des FA vom 22. Juli 2003 - Bl. 43 der FG-Akte -).

Gründe

15

Die Klage ist nicht begründet. Das FA hat die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen für die Beköstigung des Vaters des Klägers zu Recht nicht zum Sonderausgabenabzug zugelassen.

16

Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören zu den als Sonderausgaben abziehbaren Aufwendungen auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben. Dauernde Lasten in diesem Sinne sind insbesondere Versorgungsleistungen, die - wie im Streitfall - in Vermögensübergabeverträgen zur Regelung einer vorweggenommenen Erbfolge vereinbart werden, um die Versorgung des Übergebers aus den Erträgen des übergebenen Vermögens sicherzustellen (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH -; grundlegend Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BStBl II 1990, 847; vom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BStBl II 1992, 78; zusammenfassend BFH-Urteile vom 11. März 1992 X R 141/88, BStBl II 1992, 499; vom 27. Februar 1992 X R 136/88, BStBl II 1992, 609; vom 16. Dezember 1993 X R 67/92, BStBl II 1996, 669; und vom 27. November 1996 X R 85/94, BStBl II 1997, 284).

17

Der Wert unbarer Altenteilsleistungen ist für Zwecke des Sonderausgabenabzugs nach § 1 Abs. 1 der Sachbezugsverordnung (SachBezV) in der für den jeweiligen Veranlagungszeitraum geltenden Fassung zu schätzen (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1990 X R 151/88, BStBl. II 1991, 354). Für das Streitjahr entspricht der Wert freier Verpflegung danach dem von den Klägern in der Steuererklärung angesetzten Betrag von 4.445,00 DM (§ 1 Abs. 1 Satz 1 SachBezV in der Fassung der Verordnung vom 7. November 2000, BGBl. I S. 1500).

18

Der Sonderausgabenabzug scheitert aber daran, dass die entsprechenden Leistungen, soweit sie - wie von den Klägern behauptet - tatsächlich erbracht worden sind, nicht auf einem besonderen Verpflichtungsgrund beruhten. Entgegen der mit der Klage vertretenen Ansicht lässt sich dem Hofübergabevertrag vom 17. März 1995 keine Verpflichtung des Klägers zur unentgeltlichen Beköstigung seines Vaters entnehmen.

19

Die in § 6 Abs. 1 des Hofübergabevertragesübernommene Verpflichtung zu Hege und Pflege in alten und kranken Tagen bezieht sich nach ihrem Wortsinn in erster Linie auf die Erbringung persönlicher Betreuungsleistungen, die wegen Alter und Krankheit des Berechtigten erforderlich werden. Dazu gehört auch die Bereitstellung und Zubereitung von Kost, soweit der Berechtigte alters- oder krankheitsbedingt nicht mehr dazu in der Lage ist, sich in dieser Hinsicht selbst zu versorgen.

20

Die Verpflichtung zur Tragung der mit diesen Betreuungsleistungen verbundenen Kosten kann der Regelung des § 6 Abs. 1 desÜbergabevertrages aber nur insoweit entnommen werden, als es sich um Aufwendungen handelt, die gerade auf das Alter oder die Krankheit des Berechtigten zurückzuführen sind, d.h. ohne die Pflegebedürftigkeit des Berechtigten nicht entstanden wären. Diese Bedingung ist im Fall der streitigen Verpflegungskosten nicht erfüllt.

21

Das Ergebnis der Wortlaut-Auslegung wird dadurch bestätigt, dass der Vater des Klägers nach § 7 des Hofübergabevertrages neben dem vorbehaltenen Wohnrecht auch Anspruch auf monatliche Versorgungszahlungen von...hatte. Die Höhe dieser Barleistungen war so bemessen, dass sie den Vater des Klägers in den Stand versetzte, seine persönlichen Bedürfnisse einschließlich seiner Verpflegung aus eigenen Mitteln zu bestreiten.

22

Für ihre abweichende Auslegung des § 6 Abs. 1 des Übergabevertrages können sich die Kläger auch nicht auf eine entsprechende Verkehrssitte berufen, die nach § 157 BGB bei der Vertragsauslegung zu berücksichtigen wäre. Die von dem FA vorgelegten Ablichtungen anderer Hofübergabeverträge sprechen im Gegenteil dafür, dass die Verpflichtung zur Tragung der Verpflegungskosten regelmäßig zum Gegenstand ausdrücklicher vertraglicher Regelungen gemacht wird. Das Gleiche kann der amtlichen Auskunft der Landwirtschaftskammer vom 19. Juni 2003 entnommen werden, wonach inÜbergabeverträgen die separate Vereinbarung des freien Essens und Trinkens neben der Hege- und Pflegeverpflichtung üblich zu sein scheint, soweit die Verpflegungskosten nicht in die Bemessung des monatlich zu zahlenden Baraltenteils einbezogen werden.

23

Schließlich kann auch der Hinweis der Kläger darauf, dass der Hofübergabevertrag vom...von einem im Landwirtschaftsrecht nicht besonders erfahrenen Notar beurkundet worden sei und das von den Beteiligten übereinstimmend Gewollte deshalb nur unvollkommen zum Ausdruck gebracht habe, nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Die steuerliche Anerkennung eines Vermögensübergabevertrages unter nahen Angehörigen setzt voraus, dass die gegenseitigen Rechte und Pflichten im Vertrag klar und eindeutig vereinbart worden sind (BFH-Urteil vom 25. August 1999 X R 94/98, BFH/NV 2000, 418; BFH-Beschluss vom 1. April 1998 X R 198/97, BFH/NV 1998, 1467; BFH-Urteile vom 24. November 1993 X R 123/90, BFH/NV 1994, 704, und vom 28. April 1987 IX R 40/81, BFH/NV 1987, 712). Dies schließt es aus, § 6 Abs. 1 des Übergabevertrages im Hinblick auf das von den Vertragsparteien übereinstimmend Gewollte einen Regelungsgehalt beizulegen, der ihm nach seinem Wortlaut nicht zu entnehmen ist. Es besteht deshalb auch keine Veranlassung dazu, dem von den Klägern in ihrem Schriftsatz vom 25. Juli 2003 gestellten - inhaltlich nicht näher konkretisierten - Hilfsantrag auf Vernehmung des Notars, der den Vertrag beurkundet hat, zu folgen.

24

Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung abzuweisen.