Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.08.2003, Az.: 12 V 557/02
Antragsbefugnis einer Gesellschaft Bürgerlichen Rechts (GbR); Ermittlung nichtabzugsfähiger Schuldzinsen; Zulässigkeit der Rückwirkung eines Gesetzes; Bestehen berechtigten Interesses an Aussetzung der Vollziehung; Qualifizierung als tatbestandliche Rückanknüpfung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 12.08.2003
- Aktenzeichen
- 12 V 557/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 17383
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2003:0812.12V557.02.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 15.01.2004 - AZ: VIII B 253/03
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs. 4 a EStG
- § 52 Abs. 11 S. 2 EStG
- Art 19 Abs. 4 GG
Fundstellen
- DStR 2004, VIII Heft 1-2 (Kurzinformation)
- DStRE 2004, 6-8 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2003, 1678-1679
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Betrachtung bestehen verfassungsrechtliche Zweifel, ob § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StÄndG 2001 rückwirkend für die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 anwendbar ist.
- 2.
Wegen der zum Problem der Zulässigkeit einer Rückwirkung des § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG vertretenen unterschiedlichen Auffassungen bestehen ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Nichtberücksichtigung von positiven Eigenkapitalständen zum 31.12.1998 bei Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG für den Veranlagungszeitraum 2000.
Tatbestand
I.
Im Hauptsacheverfahren, das bei Gericht unter dem Aktenzeichen 12 K 556/02 geführt wird, ist die Anwendung des § 4 Abs. 4 a Einkommensteuergesetz (EStG) in der Fassung des Einkommensteuergesetzes 2000 und die rückwirkende Klarstellung des § 4 Abs. 4 a EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2001 streitig.
Die Antragstellerin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) eine Gaststätte und einen Kiosk in A. Die Gesellschafter der GbR reichten für das Streitjahr 2000 am 28.02.2002 eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte beim Antragsgegner ein und erklärten einen gewerblichen Gewinn in Höhe von 85.961 DM. Im Rahmen der Gewinnermittlung machte die Antragstellerin u.a. den Abzug von Schuldzinsen in Höhe von 20.871,00 DM als Betriebsausgaben geltend. Mit Bescheid vom 03.05.2002 stellte der Antragsgegner die Einkünfte zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) gesondert und einheitlich fest. In der Anlage zum Feststellungsbescheid bat der Antragsgegner die Antragstellerin, nähere Angaben zur Ermittlung des Schuldzinsenabzugs im Hinblick auf die Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG zu machen. Die Antragstellerin teilte daraufhin mit, dass der positive Eigenkapitalsaldo zum 31.12.1998 in Höhe von 101.934,49 DM im Zuge der Ermittlung des Schuldzinsenabzugs nicht unberücksichtigt bleiben dürfte. Im geänderten Feststellungsbescheid für 2000 vom 12.09.2002 erhöhte der Antragsgegner jedoch den Gewinn um nichtabziehbare Schuldzinsen in Höhe von 5.366,21 DM und stellte dabei folgende Berechnung an:
1999 | |
---|---|
Positives Betriebsergebnis: | 100.066,90 DM |
Einlagen: | + 35.785,97 DM |
Entnahmen: | ./. 171.464,52 DM |
Verbliebene Unterentnahmen | |
Schuldzinsen in Zhg. mit der Finanzierung von AK/HK | |
aus Vorjahr: | 0,00 DM |
verbleibender Betrag: | ./. 35.638,65 DM |
2000 | |
Positives Betriebsergebnis: | 85.961,65 DM |
Einlagen: | + 235.812,46 DM |
Entnahmen: | ./. 386.342,90 DM |
Verbliebene Überentnahmen | |
aus Vorjahr: | ./. 35.638,65 DM |
verbleibender Betrag: | ./. 100.207,44 DM |
Berechnung der nicht abzugsfähigen Schuldzinsen: | |
Überentnahme: | ./. 100.207,44 DM |
Davon 6 v.H. | 6.012,45 DM |
Schuldzinsen insges.: | 20.871,99 DM |
von Anlagevermögen: | ./. 11.505,78 DM |
verbl. Schuldzinsen | 9.366,21 DM |
abzgl. freibleibender Betrag | ./. 4.000,00 DM |
Höchstbetrag = Kürzungsbetrag: | 5.366,21 DM |
Gegen diesen Feststellungsbescheid, mit dem gleichzeitig der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde, legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 13.09.2002 Einspruch ein und beantragte gleichzeitig Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheides. Mit Bescheid vom 02.10.2002 lehnte der Antragsgegner die begehrte Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheides 2000 ab. Hiergegen wendete sich die Antragstellerin mit ihrem Einspruch vom 16.10.2002, der jedoch ohne Erfolg blieb. Mit Schreiben vom 05.12.2002 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Aufhebung der Vollziehung gemäß § 69 Finanzgerichtsordnung gestellt.
Im Wesentlichen wird der Antrag wie folgt begründet: Aus den Gesetzesfassungen der Jahre 1999 und 2000 sei nicht ersichtlich, dass der für die Ermittlung der Über- und Unterentnahmen zu berücksichtigende Anfangsbestand stets 0,00 DM betragen müsse. Dies sei erst klarstellend durch das Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 20.12.2002 geregelt worden (§ 4 Abs. 4 a EStG i.V.m. § 52 Abs. 11 EStG). Diese Gesetzesfassung könne jedoch keine Rückwirkung für die Jahre 1999 und 2000 haben. Wäre diesbezüglich die Meinung der Finanzverwaltung richtig, hätte der BFH in seinem Aussetzungsbeschluss vom 06.02.2002 (Az. VIII B 82/01) nicht ernsthafte Zweifel an der Regelung des § 4 Abs. 4 a EStG 1999 geäußert, ebenso das Finanzgericht Düsseldorf in EFG 2001, Seite 1269. Wenn die Finanzverwaltung nun meine, dass eine Berücksichtigung von Über- und Unterentnahmen früherer Jahre auf erhebliche rechtliche und praktische Bedenken stoße und unter dem Gesichtspunkt der Rückwirkung angreifbar wäre, so treffe dies sicherlich auch auf die rückwirkende Klarstellung des § 4 Abs. 4 a EStG im Steueränderungsgesetz 2001 zu. Eine unklare Gesetzeslage dürfe nicht zu Nachteilen für Steuerpflichtige führen. Auch könne nicht zu Lasten der Steuerpflichtigen gehen, dass Gewinnermittler nach § 4 Abs. 3 EStG die Entnahmen und Einlagen erst ab dem Jahr 2000 aufzeichnen müssten, weil eine entsprechende gesetzliche Regelung für 1999 nicht mehr habe greifen können.
Die Antragstellerin beantragt,
die Aufhebung der Vollziehung des Bescheides der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 2000 vom 12.09.2002 in Höhe von 5.366,29 DM Einkünften aus Gewerbebetrieb.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er ist der Auffassung, an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Feststellungsbescheides bestünden keine ernstliche Zweifel. Der Schuldzinsenabzug sei dem Grunde und der Höhe nach zu Recht in Höhe von 5.366,21 DM gekürzt worden. Gemäß § 4 Abs. 4 a EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung seien Schuldzinsen als Betriebsausgaben nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden seien. Nach Satz 2 dieser Vorschrift sei eine Überentnahme der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres überstiegen. Nach § 52 Abs. 11 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung sei die Regelung über die Einschränkung des Schuldzinsenabzugs erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.1998 endeten. Dies sei so zu verstehen, dass Über- und Unterentnahmen in Wirtschaftsjahren, die vor dem 01.01.1999 geendet hätten, den Abzug von Schuldzinsen ab dem Jahr 1999 nicht beeinflussten. Durch diese seinerzeit getroffene Neuregelung sei der Schuldzinsenabzug auf eine neue Grundlage gestellt worden. Die Ermittlung von Über- und Unterentnahmen habe als integrierter Bestandteil der Neuregelung erstmals ab 1999 zu erfolgen. Entsprechend habe der Gesetzgeber mit dem Steueränderungsgesetz 2001 (Art. 1, Ziffer 35.a) die Vorschrift des § 52 Abs. 11 EStG klarstellend ergänzt. Es bestehe danach keine Veranlassung, diese Regelung nicht bereits für das hier streitige Kalenderjahr anzuwenden. Eine Berücksichtigung von Über- und Unterentnahmen früherer Jahre stieße zudem auch auf erhebliche rechtliche und praktische Bedenken. Der Ansatz von Überentnahmen früherer Jahre wäre unter dem Gesichtspunkt der Rückwirkung angreifbar. Bei der Ermittlung von Unterentnahmen früherer Jahre könne man sich darauf beschränken, das Kapitalkonto zum Schluss des letzten vor dem 31.12.1998 endenden Wirtschaftsjahres anzusetzen, da Verluste - bei einer zweckorientierten Auslegung der Neuregelung - nicht unmittelbar zu Überentnahmen führten. Außerdem könnten Gewinnermittlern nach § 4 Abs. 3 EStG - mangels Aufzeichnung der Entnahmen und Einlagen - nicht auf ein solches Kapitalkonto zurückgreifen. Der Beschluss des BFH vom 06.02.2002 (BFH/NV 2002, Seite 647 [BFH 06.02.2002 - VIII B 82/01]) könne die begehrte Anerkennung des vollständigen Schuldzinsenabzugs im Streitjahr 2000 nicht begründen. Entgegen der Meinung der Antragstellerin ergebe sich aus dem BFH-Beschluss nicht, dass für Wirtschaftsjahre vor dem 01.01.1999 positive Kapitalkonten zu berücksichtigen seien und dass die Vorschrift des § 52 Abs. 11 EStG n.F. keine Rückwirkung haben könne. Der BFH habe in dem vorbezeichneten Verfahren lediglich zu entscheiden gehabt, ob die im BMF-Schreiben vom 22.05.2000 (BStBl. I 2000, 588) enthaltene Verwaltungsanweisung, wonach der für die Ermittlung der Über- und Unterentnahmen zu berücksichtigende Anfangsbestands stets 0,00 DM betrage, sich aus den Vorschriften des § 4 Abs. 4 a EStG bzw. des § 52 Abs. 11 EStG in der seinerzeit geltenden Fassung herleiten ließe. Der BFH habe diese Frage im Zuge einer summarischen Prüfung verneint, weil das dort aufgetretene Finanzamt keine neuen Erkenntnisse vorgetragen hätte, die die Unsicherheit in der Beurteilung der Streitfrage habe beheben können. Diese Unsicherheit in der Beurteilung der Streitfrage sei jedoch durch die klarstellend erfolgte gesetzliche Regelung im Steueränderungsgesetz 2001 behoben worden. Im Übrigen habe die Antragstellerin keine Einwendungen gegen die Höhe des ermittelten nicht abzugsfähigen Anteils an den geltend gemachten Schuldzinsen erhoben.
Gründe
II.
Der Antrag ist begründet.
1.
Der Senat legt zunächst die Antragsschrift vom 05.12.2002 in der Weise aus, dass nicht die einzelnen Gesellschafter der GbR Antragsteller sind, sondern die GbR selbst. Im Verfahren über die Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb ist die GbR Verfahrensbeteiligter und entsprechend antragsbefugt.
2.
Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BStBl II 1984, 454 und vom 30. Dezember 1996 I B 61/96, BStBl II 1997, 466). Solche Umstände sind im vorliegenden Fall gegeben.
Eine Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheides für 2000 hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe der strittigen Schuldzinsen von 5.366,29 DM ist gerechtfertigt. Es bestehen erhebliche Zweifel in rechtlicher Hinsicht, bei der Ermittlung der nichtabzugsfähigen Schuldzinsen den positiven Eigenkapitalsaldos per 31.12.1998 in Höhe von 101.934,34 DM, der bei Einbeziehung zu einem positiven Eigenkapitalsaldo zum 31.12.2000 (1.207,05 DM) führt, unberücksichtigt zu lassen.
Der durch das Steueränderungsgesetz 2001 neu eingefügte Satz 2 des § 52 Abs. 11 EStG bestimmt, dass Über- und Unterentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre unberücksichtigt bleiben. Der Gesetzgeber übernimmt damit die außerordentlich umstrittene Auffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 22.05.2000, BStBl I 2000, 588, Tz. 36; dazu Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG/KStG, § 4 Anm 1072; Bauer/Eggers, StuB 2000, 702; Wendt, FR 2000, 417, 430; Schmidt/Heinicke, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 21. Aufl. 2002, § 4 Rdnr 525). Wegen der Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Anfangsbestands zu Beginn des ersten, nach dem 31.12.1998 endenden Wirtschaftsjahres hatte ein Teil der Literatur (vergl. z.B. Wieczorek/Pedack, Steuerberatung 200049; Keune/Oeldemann, NWB Blickpunkt Steuern 4/2000 1, 5; Hoch DStZ 2000, 358, 364 [BFH 10.06.1999 - IV R 25/98]) bereits von Anfang an dafür plädiert, generell mit 0,00 DM zu beginnen, da nur dies praktikabel sei. Der Gesetzgeber ist im Steueränderungsgesetz 2001 diesen Vorschlägen gefolgt und normiert, dass der Anfangsbestand mit 0,00 DM anzusetzen ist. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Vorläuferregelung des § 4 Abs. 4 a EStG keine Aussage enthielt zu der Frage der rückwirkenden Einbeziehung von in VZ vor 1999 getätigten Über- und Unterentnahmen in die Veranlagungen ab 1999 stößt diese Verschärfung in Fällen vorhandenen positiven Kapitalkontos zum 31.12.1998 jedoch auf verfassungsrechtliche Bedenken. Umstritten ist in diesem Zusammenhang, ob insoweit von einer verfassungsrechtlich unzulässigen echten Rückwirkung des Gesetzes auszugehen ist. Nach Ansicht von BFH-Richter Wendt (FR 2000, 417, 430) muss an ein positives Kapitalkonto zum 31.12.1998 angeknüpft werden, weil ansonsten derjenige, der bis 1999 Gewinne thesauriert hat, diese nicht ohne Gefahr einer Überentnahme entnehmen kann. Auch Apitz (Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2002, § 4 Anm. J 01-4 und 5) geht von einer unzulässigen, rückwirkenden Verschärfung der Besteuerung für die VZ 1999 und 2000 aus. Ein Steuerpflichtiger habe bei der Entstehung der Einkommensteuer zum 31.12.1998 darauf vertrauen können, dass Entnahmen, die höher waren als der Gewinn, und getätigte Einlagen keine Auswirkungen auf den betrieblichen Schuldzinsenabzug haben würden, soweit so genannte Zwei- oder Mehrkontenmodelle verwendet worden seien (so auch Hegemann/Querbach, NWB-Aktuelles, 51/2001). Die Gesetzesänderung greife erst ab dem VZ 2001. Eine Rückwirkung der Änderung sei gesetzlich nicht angeordnet. Erst soweit es bei der Überentnahmeberechnung im VZ 2001 oder später darauf ankomme, oder ein Unterentnahmevortrag aus der Zeit vor 1999 zu berücksichtigen sei, gelte § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG. Die unzulässige echte Rückwirkung bestehe darin, dass der Gesetzgeber missachte, dass ein Unternehmer oder Gesellschafter seine Gewinne (= ggf. Unterentnahmen) aus den Wirtschaftsjahren vor dem 01.01.1999 auch heute noch ohne steuerliche Nachteile entnehmen dürfe. Bis zur Einfügung des § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG hätten weder der Wortlaut der Anwendungsregelung des § 52 Abs. 11 noch § 4 Abs. 4 a EStG aF selbst Raum für eine Auslegung der Vorschrift dahingehend gegeben, dass Unterentnahmen früherer Wirtschaftsjahre unberücksichtigt zu bleiben hätten (Apitz, a.a.O., m.w.N. auf das steuerrechtliche Schrifttum). § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG erstrecke sich auf bereits abgeschlossene Tatbestände. Steuerpflichtige, die ein etwaiges Entnahmevolumen im Sinne des Schuldzinsabzugs aus den Wirtschaftsjahren vor dem 01.01.1999 noch nicht ganz ausgeschöpft hätten, stünden dieses Unterentnahmevolumen aufgrund der vorliegenden Rechtsänderung nicht mehr zur Verfügung.
Das FG Baden-Württemberg vertritt im Gegensatz dazu die Auffassung der Finanzverwaltung und geht nicht von einer echten Rückwirkung, sondern vielmehr von einer zulässigen tatbestandlichen Rückanknüpfung aus (Urt. v. 06.11.2002, 13 K 69/02, EFG 2003, 145; anders jedoch FG Baden-Württemberg, Urt. v. 23.10.2002, 5 K316/01 n.v.; Rev. zum BFH, Az.: X R 40/02). In den anhängigen Revisionsverfahren wird der BFH insoweit eine endgültige Klärung vornehmen müssen.
Aufgrund des vorgenannten, für den Streitfall entscheidenden verfassungsrechtlichen Problems der Rückwirkung des § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG und den dazu vertretenen unterschiedlichen Auffassungen in der bisherigen Finanzrechtsprechung und im steuerrechtlichen Schrifttum hat der Senat Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.
3.
Die Antragstellerin kann auch verlangen, dass die hier streitigen Schuldzinsen im Wege der Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Feststellungsbescheides für 2000 als Betriebsausgaben berücksichtigt werden. Ihr verfassungsrechtlicher Anspruch auf effektiven Rechtsschutz ( Art. 19 Abs. 4 GG) tritt nicht hinter das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung zurück.
Die ständige Rechtsprechung des BFH hält bei ernstlichen verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Gültigkeit einer Rechtsnorm ein berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes für erforderlich (vergl. z.B. BFH-Beschluss vom 27.08.2002 XI B 94/02, BFH/NV 2002, 1671). Der Senat läßt es dahingestellt, ob das in der Rechtsprechung des BFH entwickelte Merkmal des berechtigten Interesses an der Aussetzung eine ausreichende Grundlage im Gesetz findet (diese Frage ebenfalls offen lassend BFH-Beschluss vom 11.06.2002 IX B 16/03 n.v.; BFH-Beschluss vom 05.03.2001 - IX B 90/00 - BStBl. II 2001, 405, 407; die Rechtsprechung des BFH ablehnend Seer, StuW 2001, 3,17 f. und unter Hinweis auf die frühere und nicht aufgegebene Senatsrechtsprechung des BverfG, Habscheidt, Der Anspruch des Bürgers auf Erstattung verfassungswidriger Steuern, Köln 2003, S. 75 ff, insbesondere S. 87 ff. und 97), weil dieses berechtigte Interesse im Streitfall bejaht werden kann. Bei der nach der Rechtsprechung des BFH gebotenen Interessenabwägung zwischen einer der Aussetzung entgegenstehenden konkreten Gefährdung der öffentlichen Haushaltsführung und den für die Aussetzung der Vollziehung sprechenden individuellen Interessen des Steuerpflichtigen kommt der Senat im Streitfall zu dem Ergebnis, dass das Interesse an einer geordneten Haushaltsführung nicht höher zu bewerten ist als das Interesse der Antragstellerin am vorläufigen Rechtsschutz.
Die streitentscheidende Frage der Berücksichtigung von positiven Eigenkapitalsalden zum 31.12.1998 bei Berechnung der nichtabzugsfähigen Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG betrifft lediglich die bereits weiter zurückliegenden Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 und hat schon aus diesem Grund keine den öffentlichen Haushalt gefährdende Breitenwirkung. Aus der geringen Zahl der Fälle, die in der Rechtsprechung bisher behandelt werden, schließt der Senat, dass eine Aussetzung der Vollziehung selbst in allen vergleichbaren streitigen Fällen von der Steuerauswirkung her eine geordnete Haushaltsführung nicht erschüttern kann. Eine derartige Gefährdung ist auch durch den Beklagten nicht geltend gemacht worden. Bei dieser Sachlage hält es der Senat nicht für erforderlich, dass auf Seiten der Antragstellerin ein berechtigtes Interesse an der Aussetzung der Vollziehung nur gegeben ist, wenn irreparable Nachteile drohen. Bei derartig hohen Anforderungen könnte ein Steuerpflichtiger auch bei Feststellung nicht entgegenstehender öffentlicher Interessen seinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 IV GG) nur in Ausnahmefällen durchsetzen.
Nach alledem hatte der Antrag Erfolg.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
4.
Die Beschwerde war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 128 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).