Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.05.1997, Az.: V 90/97

Vorsteuerabzug bei Rechnung für Lieferung oder Leistung eines anderen Unternehmers für dieses Unternehmen; Ausschluss bei Umsätzen im Rahmen einer Geschäftsveräußerung ; Voraussetzung für die Einbringung eines Unternehmens im ganzen ; Kern eines landwirtschaftlichen Betriebes mit Tierhaltung ; Betriebsveräußerung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
29.05.1997
Aktenzeichen
V 90/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 15990
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1997:0529.V90.97.0A

Verfahrensgegenstand

Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das 3. Vierteljahr 1996

Redaktioneller Leitsatz

Für Umsätze aus einer Geschäftsveräußerung ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Eine Geschäftsveräußerung liegt nur dann vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Voraussetzung für die Einbringung eines Unternehmens im ganzen ist, daß die wesentlichen Grundlagen des Unternehmens übergehen.

Der V. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 29. Mai 1997,
an der mitgewirkt haben:
1. Vizepräsidentin des Finanzgerichts ...
2. Richter am Finanzgericht ...
3. Richter am Finanzgericht ...
4. ehrenamtlicher Richter ...
5. ehrenamtliche Richterin ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Abänderung des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheides für das 3. Vierteljahr 1996 vom 22. Januar 1997 wird die Umsatzsteuer auf minus ... DM herabgesetzt.

Der Beklagte trägt die Kosten.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung der Kosten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Hohe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 19. Dezember 1994 von den Eheleuten G. und H. als Gesellschaftern gegründet. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist die Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebes mit Tierhaltung.

2

Der Gründungsgesellschafter G. betrieb bis zur Gründung der Klägerin einen landwirtschaftlichen Betrieb. Seine Umsätze versteuerte er nach § 24 Umsatzsteuergesetz (UStG).

3

Mit Wirkung vom 20. Dezember 1994 brachte der Gesellschafter ... die gesamten beweglichen Wirtschaftsgüter, die Forderungen, Schulden, das Vieh, die Vorräte, die auf dem Betrieb ruhende Milchquote sowie die stehende Ernte in das Gesellschaftsvermögen ein. Dagegen überließ er der Gesellschaft Grundstücke einschließlich der Gebäude sowie sämtliche Liefer- und Absatzverträge und Beteiligungen an Bezugs- und Absatzgenossenschaften nur zur Nutzung. Wegen der Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag vom 19. Dezember 1994 verwiesen.

4

Über die in die Gesellschaft zu Eigentum übertragenen Wirtschaftsgüter erteilte der Gesellschafter G. der Klägerin eine auf den 30. September 1996 datierte Rechnung über insgesamt ... DM zuzüglich gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer in Höhe von 58.395,41 DM. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rechnung vom 30. September 1996 verwiesen.

5

Mit Schreiben vom 22. Dezember 1994 optierte die Klägerin gem. § 24 Abs. 4 UStG rückwirkend ab Gesellschaftsgründung (20. Dezember 1994) zur Regelbesteuerung.

6

Die Klägerin machte die Vorsteuer aus der Rechnung vom 30. September 1996 in ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für das 3. Kalender-Vierteljahr 1996 geltend. Der Beklagte erkannte den Vorsteuerabzug zunächst an. Mit Änderungsbescheid vom 22. Januar 1997 forderte der Beklagte die aus der Rechnung geltend gemachte Vorsteuer zurück. Zur Begründung machte er geltend, es liege eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im ganzen gem. § 1 Abs. 1 a UStG vor. Der dagegen erhobenen Sprungklage stimmte der Beklagte zu.

7

Die Klägerin macht geltend, ihr stehe der Vorsteuerabzug zu. Es liege keine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung eines landwirtschaftlichen Einzelunternehmens des Gesellschafters ... im ganzen gem. § 1 Abs. 1 a UStG vor. Eine solche Geschäftsveräußerung sei nur anzunehmen, wenn das Unternehmen insgesamt oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übertragen werde. Hierzu gehöre die Übertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen. Wesentliche Betriebsgrundlagen seien insbesondere die Grundstücke, aber auch die Lief er- und Absatzverträge. Diese habe der Gesellschafter ... aber gerade nicht in die Klägerin eingebracht, sondern ihr nur zur Nutzung überlassen. Das eingebrachte lebende oder tote Inventar stelle keine wesentliche Grundlage des landwirtschaftlichen Betriebes dar.

8

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuer auf minus ... DM herabzusetzen.

9

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Der Beklagte macht geltend, der Klägerin stehe der Vorsteuerabzug nicht zu, weil die bezogene Leistung nicht steuerbar sei. Für nicht steuerbare Leistungsbezüge von einem Landwirt, auf den § 24 Abs. 1 UStG Anwendung finde, gebe es gem. § 24 Abs. 1 Satz 6 UStG keinen Vorsteuerabzug, selbst wenn eine Rechnung mit Vorsteuerausweis vorliege. Bei der Einbringung des landwirtschaftlichen Betriebes des Gesellschafters ... in die Klägerin handele es sich um eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1 a UStG. Eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im ganzen liege auch dann vor, wenn einzelne wesentliche Wirtschaftsgüter nicht mit dinglicher Wirkung übertragen, sondern an die Gesellschaft vermietet oder verpachtet würden. Diese Rechtsansicht folge aus Abschn. 5 Abs. 1 Satz 8 UStR 1996. Dies sei auch die Rechtsauslegung zu § 24 Abs. 1 Sätze 2 und 3 UStG 1993 gewesen. Gleichzeitig mit der Einführung des § 1 Abs. 1 a UStG 94 seien die Sätze 2 und 3 in § 24 Abs. 1 UStG 93 gestrichen worden, ohne daß der Gesetzgeber beabsichtigt habe, rechtlich bei Geschäftsveräußerungen im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs etwas zu ändern. Eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung liege daher wie im vorliegenden Fall weiterhin vor, wenn der vormalige Betriebsinhaber land- und forstwirtschaftliche Flächen zurückbehalte und sie der Gesellschaft lediglich zur Nutzung übertrage.

11

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Finanzgerichtsakte und die Finanzgerichtsakte zu Az.: V 95/96 verwiesen. Dem Gericht haben die Steuerakten zu St.Nr.: ... vorgelegen.

12

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

13

Die Klage ist begründet.

14

Der Klägerin steht der Vorsteuerabzug aus der Rechnung vom 30. September 1996 über die Einbringung von Wirtschaftsgütern in die Klägerin zu.

15

Gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S.d. § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Der Leistungsempfänger kann nach dieser Regelung auch die von dem Leistenden in der Rechnung irrtümlich ausgewiesene Umsatzsteuer als abziehbaren Vorsteuerbetrag geltend machen. Steuerbarkeit oder Steuerpflicht der abgerechneten Leistung sind nicht Tatbestandsvoraussetzung für den Vorsteueranspruch des Leistungsempfängers. Die Vorschrift stellt vielmehr nur auf den Umsatzsteuerausweis in einer Rechnung eines Unternehmers ab (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 1988 V R 28/84, BStBl II 1989, 250 (252); Sölch-Ringleb-List, UStG, § 15 Anm. 135). Daraus folgt, daß der Klägerin der Vorsteuerabzug bereits aufgrund der vorliegenden Rechnung zusteht.

16

Einem Vorsteuerabzug steht die Sonderregelung für den Vorsteuerabzug aus Rechnungen pauschalierender Landwirte gem. § 24 Abs. 1 Satz 6 UStG nicht entgegen. Nach dieser Regelung steht dem Leistungsempfänger der Abzug des ihm gesondert in Rechnung gestellten Steuerbetrages nur bis zur Höhe der für den maßgeblichen Umsatz geltenden Steuer zu. Dies würde bedeuten, daß im Falle der Geschäftsveräußerung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes der Unternehmer trotz Vorliegens einer Rechnung mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer keinen Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen könnte, weil die Umsätze, die im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen erbracht werden, gem. § 1 Abs. 1 a UStG nicht der Umsatzsteuer unterliegen.

17

Der erkennende Senat geht jedoch davon aus, daß nicht steuerbare Umsätze nicht unter die Regelung des § 24 Abs. 1 Satz 6 UStG fallen. Dies ergibt sich aus dem Status einer Sonderregelung, der wegen der Besonderheit der Steuerregelungen für land- und forstwirtschaftliche Betriebe dem Leistungsempfänger die Pflicht auferlegt, die von pauschalierenden Landwirten ausgewiesene Umsatzsteuer im Falle der Geltendmachung als Vorsteuern in besonderem Maße und abweichend vom Vorsteuerabzug aus sonstigen Rechnungen gesondert zu prüfen (vgl. Plückebaum/Malitzki, UStG, § 15 Rdz. 46; Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Kommentar zum UStG, § 15 Anm. 47). Aus der Vorschrift ergeben sich aber keine Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber den Vorsteuerabzugsberechtigten, der eine nicht steuerbare Leistung von einem pauschalierenden Landwirt bezogen hat, anders behandeln wollte als denjenigen, der eine nicht steuerbare Leistung von einem Regelbesteuerer bezogen hat.

18

Nach dem EuGH-Urteil vom 13. Dezember 1989 - Rs. C-342/87 (UR 1991, 83) besteht zwar gemäß Art. 17 Abs. 2 Buchst. a und Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie das Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug nur für die Steuer, soweit sie geschuldet wird, nicht aber für eine Steuer, die ausschließlich geschuldet wird, weil sie in der Rechnung gesondert ausgewiesen ist (Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie, vgl. § 14 Abs. 2 und 3 UStG). Das Umsatzsteuergesetz ist insoweit nicht zutreffend umgesetzt. Eine Berufbarkeit auf die 6. EG-Richtlinie scheidet nach den EuGH-Grundsätzen aber aus, weil die Regelung nach dem Umsatzsteuergesetz für den Steuerpflichtigen günstiger ist (vgl. Sölch-Ringleb-List, a.a.O., § 15 Anm. 136 f).

19

Darüber hinaus steht der Klägerin der Vorsteuerabzug auch deshalb zu, weil es sich bei den der Rechnung des Gesellschafters ... zugrunde liegenden Leistungen nicht um Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung handelt. Gem. § 1 Abs. 1 a Satz 2 UStG liegt eine Geschäftsveräußerung nur dann vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Die von dem Gesellschafter ... gegenüber der Klägerin erbrachten Leistungen erfolgten jedoch nicht im Rahmen einer Geschäftsveräußerung, weil das Unternehmen des Rechnungsausstellers nicht im ganzen, sondern nur einzelne Wirtschaftsgüter in eine Gesellschaft - hier die Klägerin - eingebracht wurden. Voraussetzung für die Einbringung eines Unternehmens im ganzen ist, daß die wesentlichen Grundlagen des Unternehmens übergehen. Was die wesentlichen Grundlagen eines Unternehmens sind, bestimmt sich weitgehend nach der Art und dem Wirtschaftszweig des Unternehmens (vgl. Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, I 568.10 f m.w.N.).

20

Der Gesellschafter ... hat zwar die gesamten beweglichen Wirtschaftsgüter, die Forderungen, Schulden, das Vieh, die Vorräte, die Rechte und Pflichten aus schwebenden Geschäften, die auf dem Betrieb ruhende Milchquote sowie die stehende Ernte und seine Erfahrung und Arbeitsleistung in die Klägerin eingebracht. Den Kern eines landwirtschaftlichen Betriebes mit Tierhaltung bilden aber gerade die Wirtschaftsgüter, die nicht in die Klägerin eingebracht, sondern ihr nur zur Nutzung überlassen wurden, nämlich sämtliche Grundstücke einschließlich der Gebäude sowie sämtliche Liefer- und Absatzverträge und Beteiligungen an Bezugs- und Absatzgenossenschaften. Ohne diese Wirtschaftsgüter wäre ein landwirtschaftlicher Betrieb mit Tierhaltung nicht lebensfähig. Die Klägerin könnte diese Wirtschaftsgüter auch nicht im Fall ihrer Entziehung durch Kündigung der Überlassungsverträge kurzfristig ersetzen, wodurch sich der Charakter der Wirtschaftsgüter als wesentliche Betriebsgrundlage ergibt.

21

Diese wesentlichen Grundlagen des Unternehmens wurden durch die Regelungen über ihre Nutzungsüberlassung nicht im Sinne des § 1 Abs. 1 a Satz 2 UStG in die Gesellschaft eingebracht.

22

Der Senat schließt sich mit dieser Auslegung des Tatbetandsmerkmals "Geschäftsveräußerung" in § 1 Abs. 1 a Satz 1 UStG aus folgenden Gründen der bisherigen Rechtsprechung zu § 10 Abs. 3 UStG a.F. und § 75 AO an:

23

Mit der Einfügung des § 1 a in § 1 UStG 94 durch das Gesetz zur Bekämpfung des Mißbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (StMbG vom 21. Dezember 1993 - BGBl I 1993, 2310 ff.) zum 1. Januar 1994 wurden zugleich die Regelungen des § 10 Abs. 3 UStG 93 und § 24 Abs. 1 Sätze 2 und 3 UStG 93 als gegenstandslos außer Kraft gesetzt (vgl. Art. 20 Nr. 10 a, Nr. 22 a bb) StMbG). Die außer Kraft gesetzten Regelungen bezogen sich mit unterschiedlichen Ergebnissen beide auf umsatzsteuerrechtliche Konsequenzen im Falle einer Geschäftsveräußerung.

24

§ 10 Abs. 3 UStG 93 hatte folgenden Wortlaut:

"Wird ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im ganzen übereignet (Geschäftsveräußerung), so ist Bemessungsgrundlage das Entgelt für die auf den Erwerb der übertragenen Gegenstände (Besitzpositionen) ...".

25

Rechtsprechung und Literatur gingen in Anlehnung zu der Rechtsprechung zu § 75 AO übereinstimmend davon aus, daß die in § 10 Abs. 3 UStG a.F. getroffene Regelung über das Entgelt im Falle einer Geschäftsveräußerung voraussetze, daß alle Wirtschaftsgüter, die die wesentlichen Grundlagen des Unternehmens bzw. des gesondert geführten Betriebes darstellen, übereignet werden müssen und deren lediglich miet- oder pachtweise Überlassung nicht genüge (vgl. BFH-Urteil vom 11. Mai 1993 VII R 86/92, BStBl II 1993, 700 ff.; BFH-Urteil vom 18. März 1986 VII R 146/81, BStBl II 1986, 589 ff.; BFH-Urteil vom 27. November 1980 VII R 12/79, BStBl II 1980, 258 ff.; Plückebaum/Malitzky a.a.O. § 10 Rdz. 452 ff.; Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, a.a.O., § 10 Anm. 417).

26

Die Finanzverwaltung hatte sich dieser allgemeinen Auffassung angeschlossen (vgl. Abschn. 154 Abs. 2 Sätze 1 und 2 UStR 1985/1992).

27

Für Land- und Forstwirte war die Besteuerung einer Geschäftsveräußerung in § 24 Abs. 1 Sätze 2 und 3 UStG 1993 wie folgt geregelt (zum zeitlichen Anwendungsbereich vgl. § 28 Abs. 3 UStG 93):

"Die Umsätze im Rahmen einer Betriebsveräußerung unterliegen nicht der Steuer. Eine Betriebsveräußerung i. S. des Satzes 2 liegt vor, wenn ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb oder Teilbetrieb übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird, auch wenn einzelne Wirtschaftsgüter davon ausgenommen werden".

28

Durch diese Regelung unterlagen die Umsätze im Rahmen der Betriebsveräußerung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ab 1992 nicht mehr der Umsatzsteuer. Diese scheinbare Steuervergünstigung sollte verhindern, daß hohe Vorsteuerbeträge, für die der Veräußerer wegen der Pauschalierung keine Umsatzsteuer entrichtete, vom Erwerber aufgrund einer Option abgezogen wurden (vgl. Bunjes/Geist, 4. Aufl., UStG, § 24 Rdnr. 10).

29

Bei der Betriebsveräußerung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs gingen Rechtsprechung und Literatur davon aus, daß eine Geschäftsveräußerung im ganzen auch dann vorliege, wenn einzelne wesentliche Wirtschaftsgüter nicht mit dinglicher Wirkung in die Gesellschaft eingebracht, sondern an diese vermietet oder verpachtet wurden (vgl. Birkenfeld, a.a.O., I 568.39).

30

Nach der Begründung des Gesetzgebers steht die Streichung der Sätze 2 und 3 in § 24 Abs. 1 UStG im Zusammenhang mit der Neuregelung der umsatzsteuerlichen Behandlung der Geschäftsveräußerung im ganzen. Durch die Einfügung des § 1 Abs. 1 a UStG werde die Nichtsteuerbarkeit der Geschäftsveräußerung allgemein geregelt und damit in § 24 UStG entbehrlich (vgl. Bundestagsdrucksache 12/6078).

31

Würde man dieser Ansicht folgen, läge eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes auch dann vor, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen nicht übereignet, sondern nur zur Nutzung überlassen worden sind.

32

Der Senat folgt bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Geschäftsveräußerung" in § 1 Abs. 1 a UStG der bisherigen Rechtsprechung zu § 10 Abs. 3 UStG. Die beiden Vorschriften des § 1 Abs. 1 a UStG und 10 Abs. 3 UStG a.F. beziehen Sich auf den gleichen Regelungsgehalt "Geschäftsveräußerung". Die Legaldefinition der Geschäftsveräußerung in § 1 Abs. 1 a Satz 2 UStG ist aus der bisherigen Vorschrift des § 10 Abs. 3 UStG a.F. entnommen worden mit der Ergänzung, daß eine Geschäftsveräußerung sowohl bei einer entgeltlichen als auch bei einer unentgeltlichen Übereignung eines Betriebes vorliegt (vgl. Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, a.a.O., § 1 Anm. 774.4). Sie findet sich auch in dem Haftungstatbestand des § 75 AO. Für die Abgrenzung des Begriffs der Geschäftsveräußerung kann daher auf die zu § 75 AO und § 10 Abs. 3 UStG a.F. ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Das Tatbestandsmerkmal "im ganzen" in § 1 Abs. 1 a UStG ist daher ebenso wie zuvor unter der Geltung des ehemaligen § 10 Abs. 3 UStG auszulegen (vgl. Birkenfeld, a.a.O., I Rdz. 568.39; Plückebaum/Malitzky, § 1 Abs. 1 a Rdz. 20 ff.; Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, § 1 Rdz. 774.4; Gosch, in: Deutsche Steuerzeitung - DStZ - 1996, 228; Schlienkamp, in: Umsatzsteuerrundschau 1994, 93 (95); sowie W.G., Urteilsanmerkung in DStR 1996, 220 f.).

33

Demgegenüber vermag die Berufung des Beklagten auf Abschn. 5 Abs. 1 Satz 8 UStR 1996 nicht zu überzeugen. Mit dieser Regelung - an die das Gericht nicht gebunden ist - setzt sich der Beklagte Selbst in Widerspruch zu seiner in Abschn. 154 Abs. 2 Sätze 1 und 2 UStR 1985/92 getroffenen Regelung. Ferner wird keine tragfähige Begründung gegeben, sondern lediglich auf das BFH-Urteil vom 26. Januar 1994 (Az.: III R 39/91, BStbl II 1994, 458 ff.) verwiesen. Diese Entscheidung ist nicht zum Umsatzsteuerrecht, sondern zu einer ertragsteuerrechtlichen Problematik ergangen. Sie setzt sich dementsprechend mit den umsatzsteuerrechtlichen Besonderheiten auch nicht auseinander. Dies hatte auch der vorangegebene Richtliniengeber gesehen, da er vergleichbare Entscheidungen der ertragsteuerrechtlichen Rechtsprechung nicht in die Richtlinien zu § 10 Abs. 3 UStG a.F. aufnahm, wie Abschn. 154 Abs. 2 Sätze 1 und 2 UStR 1985/1992 belegen. Vielmehr hatte er sich dort auf das zu - dem § 75 AO entsprechenden - § 116 Reichsabgabenordnung (RAO) ergangene BFH-Urteil vom 27. November 1979 (VII R 12/79, BStBl II 1980, 258) berufen.

34

Die Auslegung des erkennenden Senates wird durch die Entstehungsgeschichte von § 1 Abs. 1 a UStG bestätigt. Denn die nicht verwirklichte Neufassung von § 24 Abs. 1 Satz 2 UStG 1993 sollte ursprünglich - wie ab 1992 - bewirken, daß die Veräußerung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes i.S.v. § 24 UStG 93 auch dann nicht steuerbar ist, wenn einzelne Wirtschaftsgüter, z.B. Betriebsgrundstücke, zurückbehalten werden. Der vorgesehene Satz 2 ist jedoch während des Gesetzgebungsverfahrens gestrichen worden (vgl. dazu die Anregung im Bundesrat, BR-Drucksache 788/93 Nr. 29 der Stellungnahme). Zutreffend weist Birkenfeld (a.a.O. Rdz. 568.39) darauf hin, daß dies durch die Gesetzesbegründung nicht aufgedeckt wird.

35

Aufgrund des Wortlautes der Neuregelung in § 1 Abs. 1 a UStG, seiner Entstehungsgeschichte und seines systematischen Zusammenhanges sieht der Senat danach keine Veranlassung, über den Wortlaut des Gesetzes hinaus eine Geschäftsveräußerung auch dann anzunehmen, wenn die wesentlichen Geschäftsgrundlagen nicht übertragen, sondern lediglich zur Nutzung überlassen werden. Für eine entsprechend erweiternde Auslegung des Gesetzes bietet allein der Hinweis des Gesetzgebers zu Nr. 22 (§ 24 UStG) zu Buchst. bb) in der Drucksache 12/6078, wonach durch die Einfügung des § 1 Abs. 1 a UStG die Nichtsteuerbarkeit der Geschäftsveräußerung im allgemeinen geregelt und damit in § 24 UStG entbehrlich sei, keine ausreichende Grundlage, zumal er das Problem im Gesetzgebungsverfahren gesehen hat. Wenn der Gesetzgeber entsprechende Fälle der Umsatzsteuer unterwerfen wollte, hätte er aufgrund der genannten Umstände eine entsprechende klare Regelung treffen müssen.

36

Da eine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1 a UStG nicht vorliegt, handelt es sich um die steuerbare Einbringung von Sacheinlagen in eine Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten (vgl. Sölch-Ringleb-List, a.a.O., § 1 Anm. 125). Bei der Einbringung des lebenden und toten Inventars gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen liegt ein Leistungsaustausch auch dann vor, wenn die eingebrachten Wirtschaftsgüter keinen ertragsteuerlichen Buchwert haben (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 1995 XI R 63/94, BStBl II 1996, S. 114). Bei diesem sich als Tauschgeschäft (vgl. § 3 Abs. 12 UStG) darstellenden Umsatz zwischen dem Gesellschafter Rödenbeck und der Klägerin bemißt sich das als Bemessungsgrundlage maßgebliche Entgelt nach dem Wert der Gegenleistung. Gegenleistung ist ein Anteil an den dem Gesellschafter ... eingeräumten Gesellschaftsrechten. Welchem Wert dieser Anteil der Gesellschaftsrechte zukommt, ist nicht zu ermitteln. Der Wert wird daher bestimmt durch den gemeinen Wert des auf die Klägerin übergegangenen Vermögens (§ 10 Abs. 2 Satz 2 UStG; BFH-Urteil vom 8. November 1995 a.a.O. S. 118 unter Ziff. 4 b). Bei der Bestimmung des gemeinen Wertes hat sich der Senat mangels anderer Erkenntnisse an den in der Rechnung vom 30. September 1996 festgelegten Werten orientiert. Einwendungen hiergegen wurden seitens des Beklagten auch nicht geltend gemacht.

37

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

38

Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 151, 155 FGO, 708 Nr. 10, 711 Zivilprozeßordnung (ZPO).

39

Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

40

Gegen dieses Urteil ist die Revision zugelassen worden.